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Hufeisennasen ( Rhinolophus).

In Europa wird die Familie vertreten durch die Hufeisennasen ( Rhinolophus ), von denen, so weit bis jetzt bekannt, unser heimatlicher Erdtheil vier, der größere Theil unseres Vaterlandes zwei Arten beherbergt. Das Gebiß der Hufeisennasen besteht aus 32 Zähnen und zwar zwei durch eine Lücke getrennten, verkümmerten oberen Vorderzähnen, vier geschlossenen unteren Schneidezähnen, einem starken Eckzahne in allen Reihen, einem sehr kleinen und vier größeren Backenzähnen im Oberkiefer und sechs Backenzähnen in jedem Unterkiefer. Der zweite der letzteren ist ganz aus der Zahnreihe herausgerückt und wie der erste des Oberkiefers ungewöhnlich klein, häufig kaum mit bloßem Auge sichtbar; beide scheinen hin und wieder, obschon selten, auszufallen. Der vollständige Nasenbesatz besteht aus drei Theilen: dem Hufeisen, dem Längskamme und der Lanzette. Ersteres beginnt vorn auf der Schnauzenspitze, umschließt die in einer tiefen Hautfalte auf dem Rücken liegenden Nasenlöcher und endet mit seinen Seitenästen vor den Augen. Der Längskamm erhebt sich in der Mitte des Hufeisens hinter den Nasenlöchern, hat vorn eine erweiterte Querfläche und hinter derselben eine sattelartige Einbuchtung, in welcher der Längskamm in einer vorstehenden Spitze endet. Die zur Stirn querstehende Hautlanzette erhebt sich zwischen den Augen unter dem hinteren Ende der Hufeisenäste und hat jederseits der erhöhten Mittellinie drei zellenförmige Vertiefungen, welche durch Querhäute von einander getrennt werden. Das Ohr ist weit einfacher; ein häutiger, entwickelter Ohrdeckel ist nicht vorhanden. Die Hufeisennasen haben breite, verhältnismäßig kurze Flughäute; ihr Flügelschlag ist daher flatternd und der Flug weniger gewandt.

Eine der gemeinsten Arten ist die Zwerghufeisennase ( Rhinolophus Hipposideros, Vespertilio minutus, Rhinolophus Hippocrepis und bihastatus, Hipposideros bihastatus), eine der kleinsten unserer Fledermäuse. Ihre ganze Länge beträgt nur 6 Centim., ihre Flugbreite 22 Centim. Der Pelz ist hellfarbig, grauweißlich, oben ein wenig dunkler als unten. Unter allen Blattnasen dringt die kleine Hufeisennase am weitesten nach Norden vor. Sie findet sich, laut Koch, in Europa von den Ufern der Nord- und Ostsee bis an die Küste des Mittelmeeres, von der Westküste Europa's bis in den Kaukasus, fehlt aber hier und da in Deutschland gänzlich, während sie an anderen Orten in großer Anzahl auftritt. Am Rhein, am Taunus und an der Lahn gibt es kaum eine alte Ruine mit unterirdischen Gewölben, wo sie nicht gefunden würde; ebenso ist sie in alten Kalksteinhöhlen und alten Bergwerken bis hoch in die Gebirge hinauf eine regelmäßige Erscheinung.

Gegen Klima und Witterung weniger empfindlich als ihre Sippschaftsverwandten, fliegt die Zwerg- oder kleine Hufeisennase ungezwungen doch nicht bei rauhem und nassem Wetter, sucht zu ihrem Aufenthalte immer ganz geschützte Stellen auf und geht dabei in Gruben und Höhlen mitunter in beträchtliche Tiefe hinab. Ihr Winterschlaf währt ziemlich lange; doch scheint die Dauer je nach den Umständen eine verschiedene zu sein. Man sieht mit den ersten Fledermäusen, welche ihre Winterherberge beziehen, auch solche Hufeisennasen im Winterschlafe und ebenso mit den letzten, welche ihre Schlupfwinkel verlassen. Dagegen gibt es aber viele, welche erst später die Winterherberge beziehen und früher munter werden. Diese Verschiedenheit in der Zeit des Anfangs und des Endes vom Winterschlafe scheint durch das Alter nicht, eher durch das Geschlecht beeinflußt zu werden, da Koch im Herbste meistens Männchen sehr früh und im Frühjahre meist Weibchen noch sehr spät im Winterschlafs getroffen hat. Ebenso unterbrechen einzelne Hufeisennasen den Winterschlaf, andere nicht.

Während des Sommers hält sich die kleine Hufeisennase mit Vorliebe in unterirdischen Gewölben, alten, wenig betretenen Kellern, in Felsenhöhlen, alten Bergwerken, ebenso auch in unbewohnten Häusern auf. Sie lebt um diese Zeit ebenso gesellig wie im Winter, schart sich jedoch niemals so massenhaft zusammen wie andere Fledermäuse dies thun, hängt auch nicht in Klumpen, sondern einzeln neben einander, so daß eine die andere nicht berührt. Im Zustande der Ruhe hängt sie sich stets frei an die Hinterfüße und schlägt die Flughäute theilweise oder ganz um den Körper. Während des Winterschlafes hüllt sie sich so fest ein, daß man sie eher für einen Pilz als für eine Fledermaus hält. Im Sommer erwacht sie ungemein leicht, so daß man sie auch am hellen Tage, wenn sie ganz ruhig zu schlafen scheint, ohne Netz nicht leicht fangen kann, weil sie bei Annäherung eines Menschen sofort munter wird und wegfliegt. Wenn sie nicht schläft, bewegt sie den Kopf außerordentlich rasch hin und her, um zu wittern, leckt und putzt sich dabei, macht Jagd auf die zahlreichen Schmarotzer, welche ihren Pelz bewohnen, gehört überhaupt zu den muntersten, niedlichsten und anziehendsten unserer einheimischen Fledermäuse, obgleich ihr Flug nur unbeholfen und langsam ist, und sie in der Regel nicht hoch über den Boden sich erhebt. Die Gefangenschaft hält sie leider nicht aus. Sie ist wie die meisten Glieder ihrer Familie sehr erregbar und bekommt, sobald man sie reizt, ja schon berührt, leicht heftiges Nasenbluten, welches in vielen Fällen ihren Tod herbeiführt.

Die Hauptnahrung der Hufeisennasen besteht in Kerbthieren, welche keine harten Theile haben, namentlich kleinen Nachtschmetterlingen, Fliegen etc . Sie ist aber auch ein echter Blutsauger, wie aus Beobachtungen, welche Kolenati gemacht hat, deutlich hervorgeht. Dieser Forscher fand im Winter in einer Kalkhöhle in Mähren fünfundvierzig Stück schlafende Fledermäuse und zwar größtentheils Ohrenfledermäuse und kleine Hufeisennasen, nahm sie mit sich nach Brünn und ließ alle zusammen in einem großen Zimmer, in welchem seine Sammlung aufgestellt war, herumfliegen und sich selbst eine Ruhestätte suchen. Er übernachtete in Gesellschaft der Fledermäuse, um sie genauer beobachten zu können. Von sieben bis zwölf Uhr abends flatterte die Ohrenfledermaus, dann hing sie, um zu ruhen, irgendwo sich fest; von ein bis drei Uhr in der Nacht flatterte die Hufeisennase, und hierauf begab sie sich zur Ruhe; von drei bis fünf Uhr morgens flatterten dann wieder einige Ohrenfledermäuse. Diese hielten sich, selbst wenn der Beobachter ruhig stand, in einer Entfernung von drei bis fünf Fuß von ihm, während die Hufeisennasen seinem Gesichte bis auf zwei Zoll Entfernung sich näherten, einige Augenblicke an einer Stelle flatternd hielten, aber auch oft zu seinen Füßen herabflogen und dort in ähnlicher Entfernung flatternd blieben. Als wenige Tage später unser Naturforscher einem seiner Freunde die Fledermäuse vorführen wollte, fand er zu seinem nicht geringen Erstaunen sechs Hufeisennasen bis auf die Flügelspitzen und Krallen aufgefressen, und eine, deren Kopf auf das furchtbarste verstümmelt war. Zahlreiche Blutspuren, blutige Schnauzen und die angeschwollenen Bäuche sowie die vielen Kothklümpchen verdächtigten die noch vollzählig versammelten Ohrenfledermäuse als Mörder der Verschwundenen, und Untersuchung des Magens einer Getödteten beseitigte jeden etwa noch bestehenden Zweifel. Dagegen bemerkte man aber auf den Flatterhäuten der Ohrenfledermäuse in der Nähe des Körpers frische Wunden, deren Ränder schwammig aufgetrieben erschienen; auch hatten diese Thiere sich dachziegelförmig an einander gehängt und in einen Klumpen zusammengedrückt, während die Hufeisennasen immer vereinzelt die verborgensten Schlupfwinkel zu ihrer Ruhe benutzten. Die Schlußfolgerung dieser Beobachtung war sehr einfach. Die nicht freundlich gegen einander gesinnten Verwandten hatten sich in der Nacht eine Schlacht geliefert. Während der ersten Ruhe der Ohrenfledermäuse waren die Hufeisennasen gekommen, hatten jene verwundet und ihnen Blut ausgesaugt, die Ohrenfledermäuse aber für diese Schändlichkeit während ihrer zweiten Flatterzeit sich gerächt und die Uebelthäter kurzweg aufgefressen!

Ein Grusier erzählte genanntem Beobachter, daß seine Tauben öfters in der Nacht kleine Wunden mit aufgeworfenen Rändern bekämen, welche er nicht zu deuten wisse, und Kolenati schließt jedenfalls richtig, daß diese Wunden ebenfalls von Bissen der Hufeisennase herrühren. So haben wir also auch in Europa wirkliche Vampire, obgleich sie freilich im ganzen außerordentlich harmlos sind und wenigstens keine Veranlassung zu Furcht oder Entsetzen geben können.

Noch häufiger als die geschilderte Art ist die Hufeisennase ( Rhinolophus ferrum-equinum, Vespertilio ferrum-equinum, Rhinolophus unihastatus). Ihre Leibeslänge beträgt 5,5, die des Schwanzes außerdem 3,5, die Flugweite 33 Centim. Die Nasenplatte ist sehr groß, das Ohr ziemlich groß, die Behaarung reichlich und lang, die Färbung bei dem Männchen oben aschgrau mit weißlichen Haarwurzeln, auf der Unterseite hellgrau, bei dem Weibchen oben licht röthlichbraun und unten röthlichgrau.

Hufeisennase ( Rhinolophus ferrum-equinum).

Die Hufeisennase kommt in dem größten Theile des gemäßigten und im südlichen Europa vor, auch fand man sie in Asien, am Libanon. In den Gebirgen geht sie im Sommer bis 2000 Meter in die Höhe. Sie lebt gern gesellig; doch gibt es andere Arten ihrer Familie, welche in weit größerer Anzahl als sie zusammen vorkommen. Bisweilen findet man sie auch mit anderen Arten vereinigt. Ihre Schlafplätze und Winterherbergen sind die gewöhnlichen. Im Frühjahre erscheint sie bald, im Winter nur selten des Abends erst ziemlich spät. Ihre Fluggewandtheit ist, entsprechend den breiten Fittigen, nicht eben bedeutend, und sie erhebt sich keineswegs besonders hoch. Kolenati glaubt, daß auch sie anderen Thieren Blut abzapft. Sie flattert des Nachts in den Schluchten umher, um Rehe und Gemsen anzusaugen, umschwärmt die Lager der Eichhörnchen und macht sich, obgleich ihr Vampirthum noch nicht erwiesen, desselben mindestens in hohem Grade verdächtig.

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