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Pongos ( Anthropophithecus

Vor mehr als zweitausend Jahren rüsteten die Karthager eine Flotte zu dem Zwecke aus, Ansiedelungen an der Westküste von Afrika zu gründen. Auf sechzig großen Schiffen zogen ungefähr dreißigtausend Männer und Frauen zu diesem Behufe von Karthago aus, versehen mit Nahrung und allen Gegenständen zur Ansässigmachung. Der Befehlshaber dieser Flotte war Hanno, welcher seine Reise in einem kleinen, aber wohlbekannten Werke (dem » Periplus Hannonis«) der damaligen Welt beschrieb. Im Verlaufe der Reise gründete die Mannschaft jener Schiffe sieben Ansiedelungen, und nur der Mangel an Nahrungsmitteln zwang sie, früher als man wollte, zurückzukehren. Doch hatten die kühnen Seefahrer die Sierra Leone bereits hinter sich, als dieses geschah. Jener Hanno nun hinterließ uns in seinem Berichte eine Mittheilung, welche auch für uns von Wichtigkeit ist. Die betreffende Stelle lautet: »Am dritten Tage, als wir von dort gesegelt waren und die Feuerströme durchschifft hatten, kamen wir zu einem Busen, das Südhorn genannt. Im Hintergrunde war ein Eiland mit einem See und in diesem wieder eine Insel, auf welcher sich wilde Menschen befanden. Die Mehrzahl derselben waren Weiber mit haarigem Körper, und die Dolmetscher nannten sie Gorillas. Die Männchen konnten wir nicht erreichen, als wir sie verfolgten; sie entkamen leicht, da sie Abgründe durchkletterten und sich mit Felsstücken vertheidigten. Wir erlangten drei Weibchen; jedoch konnten wir dieselben nicht fortbringen, weil sie bissen und kratzten. Deshalb mußten wir sie tödten; wir zogen sie aber ab und schickten das abgestreifte Fell nach Karthago.« Die Häute wurden dort später, wie Plinius berichtet, im Tempel der Juno aufbewahrt.

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß Hanno unter den wilden behaarten Menschen nur einen Menschenaffen meinen kann, und wenn er auch vielleicht den Schimpanse vor Augen gehabt hat, sind wir doch berechtigt, den riesigsten aller Affen Gorilla zu nennen.

Der Gorilla, »Njina«, oder »Ingiine« der Eingeborenen ( Anthropophithecus Gorilla, Simia, Pithecus, Satyrus, Troglodytes und Chimpanza Gorilla, Troglodytes Savagei, Gorilla Gina und Savagei), Vertreter einer besonderen Sippe oder doch Untersippe ( Gorilla), ist zwar etwas kleiner, aber bei weitem breitschulteriger als ein starker Mann. Laut Owen beträgt beim erwachsenen Männchen die Höhe von der Sohle bis zum Scheitel 1,65 Meter, die Breite von einer Schulter zur anderen 95 Centim., die Länge des Kopfes und Rumpfes zusammengenommen 1,08 Meter, die der Vorderglieder 1,08 Meter, der Hinterglieder bis zur Ferse 75 Centim., bis zur Spitze der Mittelzehe aber 1,5 Meter. Die Länge und Stärke des Rumpfes und der Vorderglieder, die unverhältnismäßige Größe der Hände und Füße sowie die durch Bindehaut größtentheils vereinigten mittleren Finger und Zehen sind die bezeichnendsten Merkmale. Der Umriß des Kopfes bildet von dem stark hervortretenden Augenbrauenbeine an nach dem Scheitel zu anfänglich eine etwas eingesenkte, später sanft gewölbte Linie, steigt am Scheitel auf und fällt nach dem Nacken zu gerade ab. Der Brauenbogen wird durch die aufliegende dicke Haut und starke Behaarung noch weiter vorgerückt und läßt das kleine, braune Auge um so tiefer zurücktreten; die Nase ist flach gedrückt, in der Mitte der Länge nach eingebuchtet und an ihren Flügeln sehr verbreitert, tritt aber, der weiten, schief nach vorn und oben geöffneten Nasenlöcher halber, an ihrer Spitze merklich hervor; das breite Maul wird durch dicke Lippen geschlossen, welche kürzer und minder beweglich sind als bei anderen Menschenaffen und mehr mit denen des Menschen übereinstimmen; das Kinn würde seiner Kürze halber zurücktreten, wäre nicht der ganze Untertheil des Gesichtes vorgeschoben; das ziemlich weit nach hinten, in gleicher Höhe mit den Augen gelegene Ohr ist verhältnismäßig kleiner als das des Schimpanse, jedoch vergleichsweise größer als das des Menschen, diesem ähnlicher als das irgend eines anderen Affen, Leiste wie Gegenleiste, Ecke wie Gegenecke wohl entwickelt und selbst ein zwar kleines, aber entschieden hängendes Läppchen vorhanden. Der kurze Hals bildet hinten, wegen der langen, mit mächtigen Muskeln überdeckten Wirbelfortsätze mit Hinterkopf und Rücken eine gerade Linie, trennt sich daher nur seitlich und vorn vom Rumpfe ab, so daß der Kopf unmittelbar auf letzterem zu sitzen scheint. Der Rumpf selbst fällt ebensowohl durch seine außerordentliche Stärke wie seine, im Vergleiche zu dem des Menschen, unverhältnismäßige Länge auf; der mächtige Brustkasten ist ungemein geräumig, die Schulterbreite fast unmäßig, der Rücken sanft gebogen, ohne daß die Schulterblätter hervortreten, der Bauch allseitig gewölbt. Die Glieder unterscheiden sich wesentlich von denen des Menschen durch die gleichmäßige Stärke ihrer einzelnen Theile, indem dem Oberarme die Anschwellung, dem Schienbeine die Wade gänzlich fehlt. Verhältnismäßig ist der Oberarm länger, der ganze Arm aber kürzer als bei anderen Menschenaffen, unter Berücksichtigung der Rumpflänge vergleichsweise nicht viel länger als beim Menschen, obgleich dies, der in der Entwickelung zurückgebliebenen Beine halber, den Anschein hat. Der Unterarm geht ohne erhebliche Verschmächtigung in die ebenso kurze wie breite und dicke, wegen ihres langen Tellers ausgezeichnete Hand über, deren drei überaus dicke und kräftige, gleichsam geschwollene Mittelfinger bis zu dem dritten Gliede durch eine Bindehaut vereinigt sind, also höchstens zwei Glieder frei bewegen können, und Nägel tragen, welche zwar denen der Menschenhand an Größe gleichkommen, im Verhältnisse zu den Fingern aber klein erscheinen; der Daumen ist wie bei allen Menschenaffen beziehentlich schwach und kurz, kaum halb so lang als jeder andere Finger. Mit dem der Verwandten verglichen, erscheinen der Oberschenkel stark, der Unterschenkel dagegen ebenso kurz als schwach, der Fuß kurz und unförmlich breit, die an ihrer Spitze verbreiterte, sehr bewegliche Daumenzehe, welche unter einem Winkel von sechzig Graden zu den anderen steht, verhältnismäßig stark und lang, die übrigen Zehen, unter denen die dritte die längste, die letzte sehr verkürzt ist, und deren zweite bis vierte unter sich ebenfalls größtentheils durch Haut verbunden sind, jener gegenüber kurz und schwach. Das gewellte, entfernt an Wolle erinnernde Haar läßt das Vordergesicht, nach oben bis zu den Augenbrauen, seitlich bis zur Mitte der Jochbogen, nach unten hin bis zum Kinne, das Ohr, die Hand und den Fuß seitlich und, so weit Finger und Zehen nicht vereinigt sind, auch unten gänzlich frei, bekleidet dagegen ziemlich regelmäßig den übrigen Leib, Oberkopf, Nacken, Schultern, Oberarme sowie Ober- und Unterschenkel am dichtesten, Brust und Bauch am spärlichsten, ist bei alten Thieren aber auch auf Mittel- und Unterrücken gewöhnlich abgerieben und hat, mit Ausnahme des Unterarmes, seinen Strich von vorn und oben nach hinten und unten, am Unterarme dagegen von unten nach oben. Alle nackten Theile haben graulich schieferschwarze, die mit Haaren bekleideten Hauttheile dunkellederbraune, die Haare dagegen verschiedene, schwer zu beschreibende Färbung. Ein düsteres Dunkelgrau, hervorgebracht durch wenige röthliche und viele graue Haare, herrscht vor; die Mischung beider Farben wird gleichmäßiger auf Oberkopf und Nacken, weshalb diese Theile deutlich grauroth aussehen; auf dem Rücken kommt mehr das Grau, an den inneren Schenkelseiten das Braun zur Geltung. Einige wenige weiße Haare finden sich am Gesäße. Männchen und Weibchen unterscheiden sich nicht, Alte und Junge anscheinend nicht wesentlich.

Gorilla.

Die Zähne sind sehr kräftig, die Eck- oder Hundszähne kaum weniger als bei Raubthieren entwickelt; der hinterste untere Backenzahn zeigt drei kleine äußere und zwei innere Höcker, nebst einem hinteren Anhange. Das Geripp entspricht hinsichtlich seiner Massigkeit der Größe des Thieres; der ungeheuere Schädel fällt besonders auf durch die Länge und Schmalheit des seitlich sehr zusammengedrückten, hinten eckig vortretenden, innen kleinen, d. h. wenig geräumigen Hirntheiles, den mächtig entwickelten Scheitelkamm des Männchens, die weit vortretenden Brauen und Jochbogen und den riesigen Unterkiefer, das Arm- und Handgerüst durch seine gewaltige Stärke, der von dreizehn Rippenpaaren umschlossene Brustkasten durch seine Weite.

Bis jetzt ist es noch nicht möglich gewesen, den Verbreitungskreis des Gorilla genau abzugrenzen, insbesondere wissen wir nicht, wie weit derselbe in das Innere des Erdtheiles sich erstreckt. Einstweilen haben wir die zwischen dem Gleicher und dem fünften Grade südlicher Breite gelegenen Länder der Westküste Afrikas als seine Heimat, die von den Flüssen Gabun, Muni und Fernandovaz durchschnittenen Urwaldungen als seine Aufenthaltsorte anzusehen.

Abgesehen von Hanno, berichtet zuerst Andreas Battell über die großen Menschenaffen Westafrikas. Gelegentlich der Beschreibung von Majumba und des an der Loangoküste mündenden Stromes, welchen er Banna nennt, sagt er: »Die Wälder sind derartig überfüllt mit Pavianen, Meerkatzen, Affen und Papageien, daß sich jedermann fürchtet, in denselben zu reisen. Namentlich gilt dies für zwei Ungeheuer, welche in diesen Waldungen leben und im höchsten Grade gefährlich sind. Das größte dieser Scheusale wird von den Eingeborenen »Pongo«, das kleinere »Ensego« genannt. Der Pongo hat den Gliederbau eines Menschen, ähnelt aber eher einem Riesen als einem Manne; denn er ist sehr groß und besitzt zwar das Antlitz eines Menschen, aber hohlliegende Augen, welche von langen Brauenhaaren überdeckt werden; Gesicht und Ohren sind haarlos, die Hände ebenfalls, der Leib dagegen ist, wenn auch nicht gerade dicht, mit Haaren bekleidet, welche eine düstere Färbung haben. Vom Menschen unterscheidet er sich nur durch seine Beine, welche keine Waden zeigen. Er geht stets auf seinen Füßen und hält, wenn er auf dem Boden läuft, seine Hände zusammengeklammert im Nacken. Er schläft auf Bäumen und baut sich Dächer gegen den Regen. Sein Futter besteht aus Früchten, welche er in den Wäldern findet, auch wohl aus Nüssen; Fleisch ißt er niemals. Sprechen kann er nicht, und sein Verständnis ist nicht größer als das eines Viehes. Haben die Eingeborenen, welche die Wälder durchreisen müssen, nachts ein Feuer angezündet, so erscheinen die Pongos am Morgen, sobald jene das Lager verlassen, und sitzen am Feuer, bis dasselbe ausgeht; denn sie verstehen nicht, daß man, um es zu erhalten, Holz zulegen muß. Oft vereinigen sie sich zu Gesellschaften und tödten manchen Neger im Walde, oft auch überfallen sie Elefanten, welche weidend in ihre Nähe kommen, und schlagen dieselben so mit ihren mächtigen Fäusten, daß sie brüllend davonlaufen. Niemals kann man diese Pongos lebend erhalten, weil zehn Männer nicht im Stande sind, sie festzuhalten; doch erlegt man viele ihrer Jungen mit vergifteten Pfeilen. Der junge Pongo klammert sich so fest an den Leib seiner Mutter, daß die Eingeborenen, wenn sie das Weibchen erlegen, auch das Junge erhalten, welches die Mutter nicht verläßt. Stirbt eines dieser Ungeheuer, so bedecken es die übrigen mit einem großen Haufen von Zweigen und Holz; solche Haufen findet man viele in den Wäldern.«

Später erwähnt ein Schiffsführer, welcher längere Zeit an der Westküste Afrikas sich aufgehalten hat, derselben Affen, führt aber drei Arten von ihnen auf und bemerkt, daß der größte »Impungu« heiße. »Dieses wundervolle und fürchterliche Erzeugnis der Natur«, sagt er, »geht aufrecht wie ein Mann, ist erwachsen sieben bis neun Fuß hoch, verhältnismäßig dick und entsetzlich stark. Schwarzes Haar, welches auf dem Kopfe sich verlängert, bedeckt seinen Leib. Sein Gesicht ähnelt dem des Menschen mehr als das des Schimpanse, ist aber ebenfalls schwarz. Wenn dieses Thier einen Neger sieht, verfolgt und fängt es denselben; zuweilen tödtet es ihn auch, und manchmal packt es ihn bei der Hand und nimmt ihn mit sich fort. Einige, welche so glücklich waren, dieser Gefangenschaft zu entrinnen, sagen, daß das Ungethüm, wenn es schlafen geht, sich nicht niederlegt, sondern gegen einen Baum anlehnt; dann wartet der Gefangene bis es eingeschlafen ist, löst vorsichtig seine Hand von sich ab und stiehlt sich still hinweg, erregt aber doch zuweilen die Aufmerksamkeit des Gegners und wird zurückgeholt. Das Thier lebt von den Früchten und Wurzeln dieses Landes und macht sich vornehmlich die Arbeit der Eingeborenen zu Nutze. Fehlt es ihm an Wasser, so sucht es sich einen Baum mit saftiger Rinde auf, reißt diese mit der Hand ab, zerquetscht sie und saugt den Saft aus; ja es nimmt zuweilen einen solchen Baum bei seinen Wanderungen mit, wenn es weiß, daß sich auf dem Wege kein Wasser findet. Ich habe gehört, daß es im Stande ist, einen Palmbaum abzubrechen, um zu dem Safte desselben zu gelangen. Niemals habe ich dieses Thier zu sehen bekommen; allein ein Junges von ihm wurde während der Zeit, als mein Sohn in Malemba war, von einem Lande des Inneren dem Könige geschenkt, und die Leute, welche es brachten, sagten, daß es seit der Zeit, in welcher sie es in Besitz hatten, ruhig und ernsthaft gewesen sei, seine Speisen widerstandslos genommen und verständig gegessen und getrunken habe. Man hatte ihm ein Joch um den Nacken gelegt und seine Hände gebunden wie die der Sklaven, welche mit ihm kamen, und so führte man es widerstandslos fort. Als es aber in der Königsstadt angelangt war, und sich eine unschätzbare Menge von Leuten einfand, um es zu betrachten, wurde es traurig und mürrisch, wollte keine Nahrung mehr zu sich nehmen und starb nach vier oder fünf Tagen. Es war noch jung, aber doch über sechs Fuß hoch. Auch mein Sohn sah es nicht, wohl aber die Hand von ihm, welche man etwas über dem Gelenke abgehauen und getrocknet hatte, und deren Finger noch in diesem Zustande so dick waren wie drei von den seinigen, stärker fast als sein Handgelenk, im Verhältnisse zu den menschlichen länger, während der Armtheil auch in getrocknetem Zustande noch dicker war als die dickste Stelle seines Armes. Der obere Theil der Finger und aller übrigen Handtheile war mit schwarzem Haar bedeckt, der untere Theil der Hand ähnelte der eines Negers. Man sah, daß es das stärkste aller Thiere des Waldes sei, und begriff, daß die übrigen sämmtlich vor ihm sich fürchten.«

Erst im Jahre 1846 gelang es Wilson, einem amerikanischen Heidenprediger, den Schädel dieses Affen zu erhalten. Derselbe ließ keinen Zweifel zu, daß er einer noch unbeschriebenen Art angehöre. Nach einigen Anstrengungen wurde ein zweiter Schädel erworben; andere Theile des Gerippes konnten später erlangt werden. Die Eingeborenen, vollständig vertraut mit Wesen und Sitten dieses Thieres, gaben die eingehendsten Berichte über seine Größe, seine Wildheit, die Beschaffenheit der Waldungen, welche es bewohnt, versprachen auch in kürzester Frist ein vollständiges Geripp zu beschaffen. Wilson selbst hat einen Gorilla gesehen, nachdem er getödtet worden war. Nach seiner Versicherung ist es unmöglich, einen richtigen Begriff weder von der Scheuslichkeit seines Aussehens, noch von seiner außerordentlichen Muskelkraft zu geben. Sein tiefschwarzes Gesicht offenbart nicht allein verzerrte (der englische Text sagt »übertriebene«) Züge, sondern die ganze Erscheinung ist nichts anderes als ein Ausdruck der rohesten Wildheit. Große Augapfel, ein Schopf von langen Haaren, welcher in der Wuth über den Vorderkopf fällt, ein riesenhaftes Maul, bewaffnet mit einer Reihe von gewaltigen Zähnen, abstehende Ohren: dies alles zusammen läßt den Affen als eines der fürchterlichsten Geschöpfe der Erde erscheinen. Es ist nicht überraschend, daß die Eingeborenen sogar bewaffnet mit ihm zusammenzutreffen fürchten. Sie sagen, daß er sehr wild sei und unabänderlich zum Angriffe übergehe, wenn er mit einem einzelnen Manne zusammenkomme; »ich selbst«, versichert Wilson, »habe einen Mann gesehen, welchem eins dieser Ungeheuer die Wade fast gänzlich weggebissen hatte, und welcher wahrscheinlich in Stücke zerrissen worden wäre, hätte er nicht rechtzeitig die Hülfe seiner Gefährten erhalten. Es wird versichert, daß sie dem bewaffneten Manne das Gewehr aus der Hand reißen und den Lauf zwischen ihren Kiefern zusammendrücken; und wenn man die ungeheure Muskelkraft der Kinnladen in Erwägung zieht, kann man nicht finden, daß dies unmöglich sei.«

Ungefähr in derselben Zeit stellte Savage unter den Negern eingehende Nachforschungen über die Lebensweise des Affen an und veröffentlichte die Ergebnisse derselben in der »Bostoner naturwissenschaftlichen Zeitung« vom Jahre 1847. Ihnen zufolge lebt der »Ingiine« im Inneren von Unterguinea, während der Verbreitungskreis des Schimpanse mehr längs der Küste sich erstreckt. Der Gang des ersteren ist wackelnd oder watschelnd, die Bewegung des Leibes, welcher immer nach vorn überhängt, etwas rollend oder von einer Seite zur anderen schwankend. Die Arme werden beim Gehen vorwärts geworfen und auf den Grund gestemmt. Man sagt, daß der Gorilla beim Gehen die Finger nicht beuge, sondern sie ausgestreckt als Stütze der Hand verwende. Wenn er sich aufrichtet und in dieser Stellung geht, hält er seinen mächtigen Körper dadurch im Gleichgewichte, daß er seine Arme nach oben beugt. Er lebt in Banden; dieselben sind jedoch nicht so zahlreich als die, welche der Schimpanse bildet. In jeder solchen Bande befinden sich mehr Weibchen als Männchen; denn alle Nachrichten stimmen darin überein, daß nur ein altes Männchen sich bei solcher Gesellschaft befindet, und daß, wenn junge Männchen ihre volle Größe erreicht haben, zwischen ihnen und anderen ein Kampf um die Oberherrschaft stattfindet und der stärkste, nachdem er den Nebenbuhler getödtet oder doch vertrieben hat, zum Haupte der Gesellschaft sich aufwirft. Seine Wohnungen, falls man sie so nennen darf, ähneln denen, welche der Schimpanse baut und bestehen einfach aus wenigen Stecken und blätterigen Zweigen, welche von Astgabeln und Aesten der Bäume unterstützt werden, gewähren auch keinen Schutz gegen das Wetter und werden nur des Nachts benutzt. Gorillas sind außerordentlich wild und stets angriffslustig, flüchten auch niemals vor dem Menschen. Die Eingeborenen fürchten sie in hohem Grade und nehmen niemals den Kampf mit ihnen auf, es sei denn, um sich selbst zu vertheidigen. Die wenigen Stücke, welche erbeutet wurden, fanden ihren Tod durch Elefantenjäger und Handelsleute, welche im Walde mit ihnen zusammentrafen. Angesichts eines Menschen soll der männliche Gorilla zuerst einen entsetzlichen Schrei ausstoßen, welcher auf weithin im Walde wiederhallt und etwa wie ein langgezogenes und schrilles »Kheh, Kheh« klingt, dabei die ungeheuren Kiefern zu voller Weite öffnen und mit über das Kinn herabhängender Unterlippe und über die Brauen herabfallendem Haarschopfe das Bild unbeschreiblicher Wildheit sein. Weibchen und Junge verschwinden bei dem ersten Schrei des Männchens; dieses aber nähert sich, in rascher Folge seinen entsetzlichen Schrei ausstoßend, dem Jäger. Letzterer erwartet seine Ankunft mit dem Gewehre an der Wange, und verzögert, wenn er seines Schusses nicht ganz sicher ist, sein Feuer, bis das Thier den Gewehrlauf ergriffen und, wie es zu thun pflegt, in das Maul gebracht hat. Sollte das Gewehr versagen, so zerquetscht der Gorilla den dünnen Lauf zwischen seinen Zähnen, und das Zusammentreffen kann für den Jäger verhängnisvoll werden. Im übrigen ähneln die Sitten und Gewohnheiten des Gorilla denen des Schimpanse; er baut ähnliche Nester auf die Bäume, lebt von denselben oder ähnlichen Früchten und macht seinen Aufenthaltsort von den Umständen abhängend.

Im Jahre 1852 gibt Ford übereinstimmende Nachrichten. »Der Gorilla«, sagt er, »erhebt sich zum Angriffe auf seine Füße, nähert sich jedoch seinem Gegner in gebeugter Haltung. Obgleich er niemals auf der Lauer liegt, stößt er doch, sobald er die Annäherung eines Menschen wahrnimmt, augenblicklich seinen bezeichnenden Schrei aus, bereitet sich zum Kampfe und geht zum Angriffe über. Der Schrei ist mehr ein Grunzen als ein Heulen, ähnelt dem des erregten Schimpanse, ist jedoch lauter und wird in weiter Entfernung vernommen. Zuerst nun begleitet er die Weibchen, von denen er regelmäßig umgeben wird, auf eine kurze Strecke bei ihrer Flucht, kehrt hierauf zurück, sträubt den Haarschopf, so daß er vorn überhängt, weitet seine Nüstern, zieht die Unterlippe herab, fletscht die Zähne und läßt nochmals jenen Schrei hören, wie es scheint, in der Absicht, seinen Gegner zu erschrecken. Streckt ihn jetzt nicht eine wohlgezielte Kugel zu Boden, so nimmt er einen Ansatz, schlägt seinen Gegner mit der Hand nieder oder packt ihn mit einem Griffe, welcher kein Entrinnen ermöglicht, wirft ihn auf den Boden und zerfetzt ihn mit den Zähnen. Das wilde Wesen dieses Geschöpfes konnte man deutlich sehen an einem kleinen Jungen, welches hierher gebracht wurde. Man hielt es mehrere Monate und gab sich die größte Mühe, um es zu zähmen; es war jedoch so unverbesserlich, daß es mich noch eine Stunde vor seinem Tode biß.«

Der nächstfolgende Berichterstatter ist Du-Chaillu. Ich würde dessen Mittheilungen vorzugsweise benutzt haben, hätte die Darstellung nicht beim ersten Lesen ein unbesiegliches Mißtrauen in mir erweckt. Demungeachtet mag auch diese Schilderung hier eine Stelle finden; nur verwahre ich mich gegen die Annahme, als wolle ich sie in irgend einer Weise bekräftigen. Ich bin vielmehr durchaus der Meinung Reade's, daß Du-Chaillu's Erzählung ein wunderbares Gemisch von Wahrheit und Erdichtung ist, und stimme dem letztgenannten bei, wenn er sagt, daß jener vieles über den Gorilla geschrieben hat, welches wahr, aber nicht neu ist, und weniges, welches neu, aber nicht wahr ist. Man urtheile selbst, was wohl von einem Forscher zu halten ist, welcher sein erstes Zusammentreffen mit dem Gorilla schildert, wie folgt:

»Schnell vorwärts bewegte es sich im Gebüsche, und mit einem Male stand ein ungeheurer männlicher Gorilla vor mir. Durch das Dickicht war er auf allen Vieren gekrochen; als er uns aber sah, erhob er sich und sah uns kühn und muthig in die Augen. So stand er etwa zwölf Schritte vor uns – ein Anblick, den ich nie vergessen werde! Der König des afrikanischen Waldes kam mir wie eine gespenstische Erscheinung vor. Aufgerichtet war der ungeheure, fast sechs Fuß hohe Körper; frei zeigten sich die mächtige Brust, die großen, muskelkräftigen Arme, das wild blitzende, tiefgraue Auge und das Gesicht mit seinem wahrhaft höllischen Ausdruck. Er fürchtete sich nicht! Da stand er und schlug seine Brust mit den gewaltigen Fäusten, daß es schallte, wie wenn man eine große metallene Trommel schlägt. Das ist die Art des Trotzbietens, das ist das Kampfeszeichen des Gorilla! Und dazwischen stieß er einmal nach dem anderen sein gräßliches Gebrüll aus – ein Gebrüll, so grauenerregend, daß man es den eigenthümlichsten und fürchterlichsten Laut der afrikanischen Wälder nennen muß. Es beginnt mit scharfem Bellen, wie es ein großer Hund hören läßt, und geht dann in tiefes Dröhnen über, welches genau dem Rollen fernen Donners am Himmel gleicht: habe ich doch mehr als einmal dieses Gebrüll für Donner gehalten, wenn ich den Gorilla nicht sah! Wir blieben bewegungslos im Vertheidigungszustande. Die Augen des Unholdes blitzten grimmiger; der Kamm des kurzen Haares, welcher auf seiner Stirn steht, legte sich auf und nieder; er zeigte seine mächtigen Fänge und wiederholte das donnernde Brüllen. Jetzt glich er gänzlich einem höllischen Traumbilde, einem Wesen jener widerlichen Art, halb Mann, halb Thier, wie es die alten Maler erfanden, wenn sie die Hölle darstellen wollten. Wiederum kam er ein paar Schritte näher, blieb nochmals stehen und stieß von neuem sein entsetzliches Geheul aus. Und noch einmal näherte er sich, noch einmal stand er und schlug brüllend und wüthend seine Brust. So war er bis auf sechs Schritte herangekommen: da feuerte ich und tödtete ihn. Mit einem Stöhnen, welches etwas schrecklich menschliches an sich hatte und doch durch und durch viehisch war, fiel er vorwärts auf sein Gesicht. Der Körper zuckte krampfhaft mehrere Minuten; dann wurde alles ruhig: der Tod hatte seine Arbeit gethan.«

Zu vorstehender Stelle gehört ein kurzer Nachsatz von Reade: »In einem Vortrage, welchen ich in einer Sitzung der Londoner thierkundlichen Gesellschaft las, und welcher in den Schriften der Gesellschaft veröffentlicht worden ist, habe ich die Gründe entwickelt, aus denen ich mit vollster Sicherheit schließen darf, daß Du-Chaillu niemals einen Gorilla erlegt hat«.

Doch auch das Unwahrscheinliche, richtiger vielleicht, die Lüge, mag hier Erwähnung finden, um so mehr, als die Berichtigung auf dem Fuße folgen wird.

»Mein langer Aufenthalt in Afrika«, erzählt Du-Chaillu, »erleichterte es mir, mit Eingeborenen zu verkehren, und als meine Neugierde, jenes Ungeheuer kennen zu lernen, aufs höchste erregt worden war, beschloß ich, selbst auf dessen Jagd auszuziehen und es mit meinen Augen zu sehen. Ich war so glücklich, der erste zu sein, welcher nach eigener Bekanntschaft über den Gorilla sprechen darf, und während meine Erfahrungen und Beobachtungen zeigen, daß viele Erzählungen auf falschen und leeren Einbildungen unwissender Neger und leichtgläubiger Reisenden beruhen, kann ich anderseits bestätigen, daß keine Beschreibung die entsetzliche Erscheinung, die Wuth des Angriffs und die wüste Bosheit eines Gorilla versinnlichen wird.

»Es thut mir leid, daß ich der Zerstörer vieler anmuthigen Träumereien sein muß. Aber der Gorilla lauert nicht auf den Bäumen über dem Wege, um einen unvorsichtig Vorübergehenden zu ergreifen und in seinen zangengleichen Händen zu erwürgen; er greift den Elefanten nicht an und schlägt ihn mit Stöcken zu Tode; er schleppt keine Weiber aus den Dörfern der Eingeborenen weg; er baut sich kein Nest aus Blättern und Zweigen auf den Waldbäumen und sitzt nicht unter deren Dach; er ist nicht einmal ein geselliges Thier, und alle Berichte von gemeinschaftlichen Angriffen haben nicht ein Körnchen von Wahrheit in sich.

»Der Gorilla lebt in den einsamsten und dunkelsten Stellen des dichten afrikanischen Niederwaldes, tiefe bewaldete Thäler und ebenso schroffe Höhen allen übrigen Aufenthaltsorten vorziehend. Gerade die Hochebenen, welche mit unermeßlichen Halden bedeckt sind, scheinen seinen Lieblingswohnsitz zu bilden. In jenen Gegenden Afrikas findet sich überall Wasser, und ich habe beobachtet, daß der Gorilla just an solchen Stellen sich aufhält, wo es am feuchtesten ist. Er ist ein rastloses Vieh, welches von Ort zu Ort wandert und schwerlich an einer und derselben Stelle zwei Tage lang bleibt. Dieses Umherschweifen ist zum Theil bedingt durch die Schwierigkeit, sein Lieblingsfutter zu finden. Obgleich der Gorilla vermöge seiner ungeheuren Eckzähne ohne Mühe jedes andere Thier des Waldes zu zerstückeln vermöchte, ist er doch ein echter Pflanzenfresser. Ich habe die Magen von allen untersucht, welche zu tödten ich so glücklich war, und niemals etwas anderes gefunden als Beeren, Pisangblätter und sonstige Pflanzenstoffe. Der Gorilla ist ein arger Fresser, welcher unzweifelhaft an einem Orte alles auffrißt und dann, in beständigem Kampfe mit dem Hunger, zum Wandern gezwungen wird. Sein großer Bauch, der sich, wenn er aufrecht dasteht, deutlich genug zeigt, beweist dies; und wahrlich, sein gewaltiger Leib und die mächtige Muskelentwickelung könnten bei weniger Nahrung nicht unterhalten werden.

»Es ist nicht wahr, daß der Gorilla viel oder immer auf den Bäumen lebt; ich habe ihn fast stets auf der Erde gefunden. Allerdings steigt er oft genug an den Bäumen in die Höhe, um Beeren oder Nüsse zu pflücken; wenn er aber dort gegessen hat, kehrt er wieder nach unten zurück. Nach meinen Erfahrungen über die Nahrung kann man behaupten, daß er es gar nicht nöthig hat, die Bäume zu erklettern. Ihm behagen Zuckerrohr, die weißen Rippen der Pisangblätter, mehrere Beeren, welche nahe der Erde wachsen, das Mark einiger Bäume und eine Nuß mit sehr harter Schale. Diese letztere ist so fest, daß man sie nur mit einem starken Schlage vermittels eines Hammers öffnen kann. Wahrscheinlich ihrethalben besitzt er das ungeheure Gebiß, welches stark genug ist, einen Gewehrlauf zusammenzubiegen.

»Nur junge Gorillas schlafen auf Bäumen, um sich gegen Raubthiere zu schützen. Ich habe mehrere Male die frische Spur eines Gorillabettes gefunden und konnte deutlich sehen, daß das Männchen, mit dem Rücken an einen Baumstamm gelehnt, in ihm gesessen hatte; doch glaube ich, daß Weibchen und Junge zuweilen die Krone des Baumes ersteigen mögen, während die Männchen immer am Fuße der Bäume oder unter Umständen auf der Erde schlafen. Alle Affen, welche viel auf Bäumen leben, haben an ihren vier Händen längere Finger als der Gorilla, dessen Hand mehr der menschlichen ähnelt. Infolge dieses verschiedenen Baues ist er weniger geeignet, Bäume zu erklettern. Zugleich muß ich bemerken, daß ich niemals einen Schirm oder ein Zelt gefunden habe und deswegen zu dem Schlusse gekommen bin, er führe ein derartiges Gebäude überhaupt nicht auf.

»Der Gorilla ist nicht gesellig. Von den Alten fand ich gewöhnlich ein Männchen und ein Weibchen zusammen, oft genug auch ein altes Männchen allein. In solchem Falle ist es immer ein alter, mürrischer, böswilliger Gesell, welcher nicht mit sich spaßen läßt. Junge Gorillas traf ich in Gesellschaft bis zu fünf Stück an. Sie liefen stets auf allen Vieren davon, schreiend vor Furcht. Es ist nicht leicht, sich ihnen zu nähern; denn sie hören außerordentlich scharf, und verlieren keine Zeit, um zu entkommen, während die Beschaffenheit des Bodens es dem Jäger sehr erschwert, ihnen zu folgen. Das alte Thier ist auch scheu: ich habe zuweilen den ganzen Tag gejagt, ohne auf mein Wild zu stoßen und mußte bemerken, daß es mir sorgfältig auswich. Wenn jedoch zuletzt das Glück den Jäger begünstigt und er zufällig oder durch ein gutes Jagdkunststück auf seine Beute kommt, geht diese ihm nicht aus dem Wege. Bei allen meinen Jagden habe ich nicht einen einzigen Gorilla gefunden, welcher mir den Rücken zugekehrt hätte. Ueberraschte ich ein Paar, so fand ich gewöhnlich das Männchen, an einen Felsen oder Baum gelehnt, im dunkelsten Dickichte des Waldes, wo die strahlende Sonne nur ein düsteres Zwielicht hervorrufen kann; das Weibchen weidete in der Regel nebenbei, und dieses war es auch, welches zuerst unter lautem und heftigem Schreien und Kreischen davonrannte. Dann erhob sich langsam das Männchen, welches noch einen Augenblick mit wüthendem Blicke dagesessen hatte, schaute mit glühenden Augen auf die Eindringlinge, schlug auf seine Brust, erhob sein gewaltiges Haupt und stieß das furchtbare Gebrüll aus. Ich glaube, daß ich dieses Gebrüll auf die Entfernung von drei Meilen gehört habe.

»Es ist Grundsatz eines geschulten Gorillajägers, sein Feuer bis zum letzten Augenblicke zu bewahren. Die Erfahrung hat gelehrt, daß, wenn der Jäger feuert und fehlt, der Gorilla augenblicklich auf ihn stürzt. Und seinem Anpralle kann kein Mann widerstehen! Ein einziger Schlag der gewaltigen, mit mächtigen Nägeln bewehrten Hand, und das Eingeweide des armen Jägers liegt bloß, seine Brust ist zertrümmert, sein Schädel zerschmettert; es ist zu spät, neu zu laden, und die Flucht vergebens! Einzelne Neger, tollkühn aus Furcht, haben sich unter solchen Umständen in ein Ringen mit dem Gorilla eingelassen und mit ihrem ungeladenen Gewehre vertheidigen wollen, aber nur Zeit zu einem einzigen, erfolglosen Streiche gehabt: im nächsten Augenblicke erschien der lange Arm mit verhängnisvoller Kraft und zerbrach Gewehr und Negerschädel mit einem Schlage. Ich kann mir kein Geschöpf denken, welches so unabwendbare Angriffe auf den Menschen auszuführen versteht wie der Gorilla, und zwar aus dem Grunde, weil er sich Gesicht gegen Gesicht dem Manne gegenüber stellt und seine Arme als Waffen zum Angriffe gebraucht, gerade wie ein Preisfechter thun würde, nur daß jener längere Arme und weitaus größere Kraft hat, als sich der gewaltige Faustkämpfer der Erde träumen läßt.

»Da man sich in den dunkeln und undurchdringlichen Dickichten, der vielen Ranken und Dornen halber, kaum bewegen kann, bleibt der Jäger klugerweise stehen und erwartet die Ankunft des wüthenden Thieres. Der Gorilla nähert sich mit kurzen Schritten, hält häufig an, stößt sein höllisches Gebrüll aus, schlägt ab und zu mit den Armen seine Brust, ruht auch wohl länger aus und setzt sich, blickt aber immer wüthend auf seinen Gegner. Die sehr kurzen Hinterbeine genügen entschieden nicht, um den Körper aufrecht zu tragen: daher hält sich das Thier durch Schwingungen mit den Armen im Gleichgewichte; aber der dicke Bauch, das runde, stierartige Haupt, welches rückwärts fast auf dem Nacken aufliegt, die großen, muskelkräftigen Arme und die weite Brust – alles dies läßt sein Schwanken unsäglich entsetzlich erscheinen und vermehrt noch das Furchtbare seiner Erscheinung. Zugleich blitzen die tiefliegenden grauen Augen in unheimlichem Glanze; die Wuth verzerrt das Gesicht auf das abscheulichste; die dünnen, scharf geschnittenen Lippen, welche zurückgezogen werden, lassen die gewaltigen Eckzähne und die furchtbaren Kinnladen, in welchen ein Menschenglied zermalmt werden würde wie Zwieback, sichtbar werden. Der Jäger steht, mit ängstlicher Sorge seinen Feind bewachend, auf einer und derselben Stelle, das Gewehr in der Hand, oft fünf lange bange Minuten, mit aufregendem Grauen den Augenblick erwartend, in welchem er feuern muß. Die gewöhnliche Schußweite beträgt zehn Schritte. Ich meinestheils habe nie weiter auf ein Gorillamännchen geschossen als auf acht Ellen. Zuletzt kommt die Gelegenheit: so schnell wie möglich wird das Gewehr erhoben, – ein ängstlicher Augenblick, welcher die Brust zusammenschnürt, und dann – Finger an den Drücker! Wenn der Neger einem Flußpferde während der Jagd eine Kugel zusandte, geht er im Augenblicke auf seine Beute los – wenn er nach einem Gorilla schoß, steht er still; denn falls er gefehlt hat, muß er kämpfen für sein Leben, Gesicht gegen Gesicht, hoffend, daß irgend ein unerwartetes Glück ihn von dem tödtlichen Streich errettet, und er davon kommt, wenn auch vielleicht gelähmt auf immer. Glücklicherweise stirbt der Gorilla ebenso leicht wie der Mensch: ein Schuß in die Brust bringt ihn sicher zu Falle. Er stürzt vorwärts auf sein Gesicht, die langen, gewaltigen Arme ausstreckend und mit dem letzten Athem ein Todesröcheln ausstoßend, halb Brüllen, halb Stöhnen, welches, obgleich es dem Jäger seine Rettung verkündet, dennoch sein Ohr peinigt wegen der Aehnlichkeit mit dem Seufzer eines sterbenden Menschen. Die Neger greifen den Gorilla nur mit Flinten an, niemals mit anderen Waffen, und da, wo sie kein Feuergewehr besitzen, durchzieht das Unthier unbelästigt als alleiniger Herrscher den Wald. Einen Gorilla getödtet zu haben, verschafft dem Jäger für sein Lebenlang die größte Achtung selbst der muthigsten Neger, welche, wie ich hinzufügen muß, im allgemeinen durchaus nicht nach dieser Art des Ruhmes lüstern sind.

»Der Gorilla gebraucht keine künstlichen Waffen zur Vertheidigung, sondern wehrt sich mit seinen Armen und im weiteren Kampfe mit seinen Zähnen. Ich habe oft Gorillaschädel untersucht, in denen die gewaltigen Reißzähne losgebrochen waren, und von den Negern erfahren, daß ein derartiger Verlust während der Kämpfe entstand, welche zwei Gorillamännchen in Sachen der Liebe ausgefochten haben. Solch ein Streit muß ein in jeder Hinsicht gewaltiges, großartiges Schauspiel gewähren: ein Ringen zwischen zwei tüchtigen männlichen Gorillas würde alle Kampfspiele der Welt überbieten.

»Der gewöhnliche Gang des Gorilla geschieht nicht auf den Hinterbeinen, sondern auf allen Vieren. Bei dieser Stellung wird das Haupt bedeutend erhöht, weil die Arme verhältnismäßig sehr lang sind. Wenn er schnell läuft, setzt er die Hinterbeine fast bis über den Leib vor, und immer bewegt er beide Glieder einer Seite zu gleicher Zeit, wodurch er eben einen so sonderbar wackelnden Gang erhält. Nicht zu bezweifeln steht, daß er auch in erhobener Stellung ziemlich schnell und viel länger als der Schimpanse oder andere Affen dahinwandeln kann. Wenn er aufrecht steht, biegt er seine Knie nach auswärts. Sonderbar ist seine Fährte. Die Hinterfüße hinterlassen keine Spur von ihren Zehen, nur der Fußballen und die große Zehe scheinen aufzutreten; die Finger der Hand sind undeutlich dem Boden aufgedrückt. Junge Gorillas klettern, verfolgt, nicht auf Bäume, sondern laufen auf dem Boden dahin.

»Niemals habe ich gefunden, daß eine Gorillamutter an Vertheidigung denkt, durch die Neger aber erfahren, daß dies zuweilen wohl der Fall sein könne. Es ist ein hübscher Anblick, solch eine Mutter mit ihrem sie umspielenden Jungen! So begierig ich auch war, Gorillas zu erhalten, konnte ich es doch nicht über das Herz bringen, ein solches Verhältnis zu stören. Meine Neger waren weniger weichherzig und tödteten ihren Erzfeind ohne Zeitverlust. Flüchtet die Mutter vor dem Jäger, so springt das Junge ihr sofort auf den Nacken und hängt sich zwischen ihren Brüsten an, mit den kleinen Gliedern ihren Leib umschlingend. Schon ein junger Gorilla ist außerordentlich stark. Einen, welcher nur zwei und ein halbes Jahr alt war, vermochten vier starke Männer nicht festzuhalten. Der Alte kann mit seinen Zähnen einen Gewehrlauf platt beißen und mit seinen Armen Bäume umbrechen von 10 bis 15 Centim. im Durchmesser (?). Das Fell des Thieres ist dick und fest wie eine Ochsenhaut, aber verhältnismäßig zarter als das anderer Affen.

»Am 4. Mai lieferten einige Neger, welche in meinem Auftrage jagten, einen jungen, lebenden Gorilla ein. Ich kann unmöglich die Aufregung beschreiben, welche mich erfaßte, als man das kleine Scheusal in das Dorf brachte. Alle die Beschwerden und Entbehrungen, welche ich in Afrika ausgehalten hatte, waren in einem Augenblicke vergessen. Der Affe war etwa zwei bis drei Jahre alt, 2-1/2 Fuß hoch, aber so wüthend und halsstarrig, wie nur einer seiner erwachsenen Genossen hätte sein können. Meine Jäger, welche ich am liebsten an das Herz gedrückt hätte, fingen ihn in dem Lande zwischen dem Rembo und dem Vorgebirge St. Katharina. Nach ihrem Berichte gingen sie zu Fünft nahe einer Ortschaft an der Küste lautlos durch den Wald, hörten ein Geknurre, welches sie sofort als den Ruf eines jungen Gorilla nach seiner Mutter erkannten, und beschlossen, ohne Zögern dem Schrei zu folgen. Mit den Gewehren in der Hand schlichen die Braven vorwärts, einem düsteren Dickicht des Waldes zu. Sie wußten, daß die Mutter in der Nähe sein würde, und erwarteten, daß auch das gefürchtete Männchen nicht weit sein möchte, beschlossen jedoch, alles aufs Spiel zu setzen, um wo möglich das Junge lebend zu erhalten. Beim Näherkommen hatten sie einen selbst ihnen seltenen Anblick. Das Junge saß einige Schritte entfernt von seiner Mutter auf dem Boden und beschäftigte sich, Beeren zu pflücken. Die Alte schmauste von denselben Früchten. Meine Jäger machten sich augenblicklich zum Feuern fertig: und nicht zu spät; denn die Alte erblickte sie, als sie ihre Gewehre erhoben. Glücklicherweise tödteten sie die besorgte Mutter mit dem ersten Schusse. Das Junge, erschreckt durch den Knall der Gewehre, rannte zu seiner Erzeugerin, hing sich an sie, umarmte ihren Leib und versteckte sein Gesicht. Die Jäger eilten herbei; das hierdurch aufmerksam gewordene Junge verließ aber sofort seine Mutter, lief zu einem schmalen Baume und kletterte an ihm mit großer Behendigkeit empor, setzte sich hier nieder und brüllte wüthend auf seine Verfolger herunter. Doch die Leute ließen sich nicht verblüffen. Nicht ein einziger fürchtete sich, von dem kleinen wüthenden Vieh gebissen zu werden. Man hieb den Baum um, deckte, als er fiel, schnell ein Kleid über den Kopf des seltenen Wildes und konnte es nun, so geblendet, leichter fesseln. Doch der kleine Gesell, seinem Alter nach nur ein unerwachsenes Kind, war bereits erstaunenswürdig kräftig und nichts weniger als gutartig, so daß die Leute nicht im Stande waren, ihn zu führen, und sich genöthigt sahen, seinen Hals in eine Holzgabel zu stecken, welche vorn verschlossen wurde und als Zwangsmittel dienen mußte. So kam der Gorilla in das Dorf. Eine ungeheure Aufregung bemächtigte sich aller Gemüther. Als der Gefangene aus dem Boote gehoben wurde, in welchem er einen Theil seines Weges zurückgelegt hatte, brüllte und bellte er und schaute aus seinen bösen Augen wild um sich, gleichsam versichernd, daß er sich gewiß rächen werde, sobald er könne. Ich sah, daß die Gabel seinen Nacken verwundet hatte, und ließ deshalb möglichst rasch einen Käfig für ihn anfertigen. Nach zwei Stunden hatten wir ein festes Bambushaus für ihn gebaut, durch dessen sichere Stäbe wir ihn nun beobachten konnten. Er war ein junges Männchen, erwachsen genug, um seinen Weg allein zu gehen, für sein Alter auch mit einer merkwürdigen Kraft ausgerüstet. Gesicht und Hände waren schwarz, die Augen jedoch noch nicht so tief eingesunken wie bei den alten, Brust und Bauch dünner, die Arme länger behaart. Das Haar der Brauen und des Armes, welches röthlichbraun aussah, begann sich eben zu erheben; die Oberlippe war mit kurzen Haaren bedeckt, die untere mit einem kleinen Barte, die Augenlieder waren fein und dünn, die Augenbrauen etwa 2 Centim. lang; eisgraues Haar, welches in der Nähe der Arme dunkelte und am Steiße vollständig weiß erschien, bedeckte seinen Nacken.

»Nachdem ich den kleinen Burschen glücklich in seinen Käfig gelockt hatte, nahete ich mich, um ihm einige ermunternde Worte zu sagen. Er stand in der fernsten Ecke; sowie ich mich aber näherte, bellte er und sprang wüthend nach mir. Obgleich ich mich so schnell als ich konnte zurückzog, erreichte er doch meine Beinkleider, zerriß sie und kehrte augenblicklich wieder nach seinem Winkel zurück. Dies lehrte mich Vorsicht; doch gab ich die Hoffnung, ihn zu zähmen, nicht auf. Meine erste Sorge war natürlich, Futter für ihn zu schaffen. Ich ließ Waldbeeren holen und reichte ihm diese nebst Wasser; doch wollte er weder essen noch trinken, bevor ich mich ziemlich weit entfernt hatte. Am zweiten Tage war Joe, wie ich ihn genannt hatte, wilder als am ersten, fuhr auf jedermann zu, welcher nur einen Augenblick vor seinem Käfige stand, und schien bereit, uns alle in Stücke zu zerreißen. Ich brachte ihm einige Pisangblätter und bemerkte, daß er davon nur die weichen Theile fraß. Er schien eben nicht wählerisch zu sein, obschon er jetzt und während seines kurzen Lebens, mit Ausnahme der wilden Blätter und Früchte seiner heimischen Wälder, alles Futter verschmähte. Am dritten Tage war er noch mürrischer und wüthender, bellte jeden an und zog sich entweder nach seinem fernen Winkel zurück oder schoß angreifend vor. Am vierten Tage glückte es ihm, zwei Bambusstäbe auseinander zu schieben und zu entfliehen. Beim Eintreten in mein Haus wurde ich von ärgerlichem Brüllen begrüßt, welches unter meiner Bettstelle hervorkam. Es war Meister Sepp, welcher hier lag, sorgfältig alle meine Bewegungen beobachtend. Augenblicklich schloß ich die Fenster und rief meine Leute herbei, das Thor zu beaufsichtigen. Als Freund Joe dies sah, bekundete er grenzenlose Wuth: seine Augen glänzten, der ganze Leib bebte vor Zorn, und rasend kam er unter dem Bette hervor. Wir schlossen das Thor und ließen ihm das Feld, indem wir vorzogen, lieber einen Plan zu seiner sicheren Gefangennahme zu entwerfen, als uns seinen Zähnen auszusetzen. Es war kein Vergnügen, ihn wieder zu fangen: er war schon so stark und wüthend, daß ich selbst einen Faustkampf mit ihm scheute, aus Furcht, von ihm gebissen zu werden. Mitten im Raume stand der biedere Gesell und schaute grimmig auf seinen Feind, prüfte dabei aber mit einiger Ueberraschung die Einrichtungsgegenstände. Ich besorgte, daß das Picken meiner Uhr sein Ohr erreichen würde und ihn zu einem Angriffe auf diesen unschätzbaren Gegenstand begeistern, oder daß er vieles von dem, was ich gesammelt hatte, zerstören möchte. Endlich, als er sich etwas beruhigt hatte, schleuderten wir ihm glücklich ein Netz über den Kopf. Der junge Unhold brüllte fürchterlich und wüthete und tobte unter seinen Fesseln. Ich warf mich schließlich auf seinen Nacken, zwei Mann faßten seine Arme, zwei andere die Beine: und dennoch machte er uns viel zu schaffen. So schnell wie möglich trugen wir ihn nach seinem inzwischen ausgebesserten Käfige zurück und bewachten ihn dort sorgfältiger.

»Niemals sah ich ein so wüthendes Vieh wie diesen Affen. Er fuhr auf jeden los, welcher ihm nahete, bis in die Bambusstäbe, schaute mit bösen Augen um sich und zeigte bei jeder Gelegenheit, daß er ein durch und durch bösartiges und boshaftes Gemüth hatte.«

Im Verlaufe seiner Erzählung theilt Du-Chaillu mit, daß Joe weder durch Hunger noch durch »gesittete Nahrung« zu bändigen war, nach einiger Zeit, als er zum zweitenmal durchbrach, mit vieler Mühe wieder gefangen, trotz alles Widersträubens in Ketten gelegt wurde und zehn Tage darauf plötzlich starb, seinen Herrn zuletzt aber wohl kennen gelernt hatte. Später will Du-Chaillu ein junges Gorillaweibchen erhalten haben, welches mit außerordentlicher Zärtlichkeit an der Leiche seiner Mutter hing und das ganze Dorf durch seine Betrübnis in Aufregung versetzte. Das Thierchen war noch ein kleiner Säugling und starb, weil Milch nicht zu bekommen war, schon am dritten Tage nach seinem Fange.

»Die Eingeborenen des Inneren essen das Fleisch des Gorilla und anderer Affen sehr gern, obgleich es schwarz und hart ist; die Stämme nahe der See dagegen verschmähen es und fühlen sich beleidigt, wenn man es ihnen anbietet, weil sie sich einer gewissen Aehnlichkeit zwischen ihnen und den Affen bewußt sind. Auch im Inneren weisen Negerfamilien Gorillafleisch zurück, weil sie wähnen, daß vor Zeiten eine ihrer weiblichen Ahnen einen Gorilla geboren habe.

Unter allen Berichterstattern macht Winwood Reade den Eindruck der größten Verläßlichkeit. »Als ich im Inneren der Gorillagegenden reiste«, sagt er, »pflegte ich in jedem Dorfe, welches mir zur Nachtherberge wurde, nachzufragen, ob sich hier ein Neger befinde, welcher einen Gorilla getödtet habe. Wollte das Glück, daß dies der Fall war, so ließ ich ihn zu mir bringen und befragte ihn mit Hülfe eines Dolmetschers über die Sitten und Gewohnheiten der Affen. Diesen Plan verfolgte ich unter den Belingi am Muni, unter Schikeni am Gabun und unter den Kommi am Fernandovaz. Ebenso befragte ich auch die aus dem Inneren stammenden Sklaven, welche von ihren Herren als Jäger verwendet wurden. Alle Nachrichten, welche ich empfing, habe ich verglichen und nur das behalten, welches durch das gleichlautende Zeugnis aller Jäger dieser drei verschiedenen Gegenden Innerafrikas bestätigt wurde.

»In Bapuku ist der Gorilla unter den Küstenstämmen nicht bekannt. Der nördlichste Punkt, wo ich von seinem Vorhandensein Kunde erhielt, war das Ufer eines kleinen Flusses bei St. Jones. Am Muni findet er sich weniger häufig als um den Gabun, und in den Waldungen am Fernandovaz wiederum häufiger als dort. Glaubwürdige Berichte bestätigen, daß er in Majumba, von welchem Battell spricht, und nach Süden hin bis nach Loango vorkommt; ich bin jedoch geneigt zu glauben, daß er sich über ein weit größeres Gebiet verbreitet, als wir gegenwärtig annehmen. Der Schimpanse lebt nach Norden hin bis zur Sierra Leona, und ich nehme an, daß der Gorilla sich in demselben Gebiete wie jener findet. Der Schimpanse hält sich mehr an der Seeküste und in offeneren Gegenden auf als der Gorilla, und darin liegt die Erklärung, daß man jenen besser kennt als diesen. Die Fens erzählten mir, der »Nji« sei sehr häufig in dem weiten Lande gegen Nordosten, von welchem sie ausgewandert wären, und man höre dort seinen Schrei in unmittelbarer Nähe der Stadt; und ebenso wurde mir in Ngumbi gesagt, daß der Gorillatanz – ein Tanz der Neger, welcher die bezeichnendsten Bewegungen des Gorilla nachzuahmen versucht – in einem neunzig Tagereisen nach Osten hin gelegenen Lande seinen Ursprung habe.

»Während der Schimpanse in der Nachbarschaft kleiner Steppen haust, scheint der Gorilla das düstere Zwielicht der dichtesten Wälder zu lieben. Er läuft auf allen Vieren, und man sieht ihn zuweilen allein, zuweilen in Begleitung eines Weibchens und Jungen. Von den Bäumen bricht er sich Zweige und Blätter, welche sich in einer ihm erreichbaren Höhe über dem Boden befinden. Zuweilen erklettert er auch einen Baum, um dessen Früchte zu genießen. Eine Grasart, welche in kleinen Büschen wächst, liebt er so, daß man sein Vorkommen da, wo dieses Gras vorhanden, fast mit Sicherheit annehmen kann. Morgens und abends besucht er die Pflanzungen der Dörfer, frißt Pisang und Zuckerrohr und läßt seinen kläglichen Schrei vernehmen. Nachts erwählt er sich einen hohlen Baum, um auf ihm zu schlafen. Wenn das Weibchen trächtig ist, baut das Männchen, meist in einer Höhe von fünf bis acht Meter über dem Boden, ein Nest, d. h. ein bloßes Lager aus trockenen Stecken und Zweigen, welche es mit den Händen zusammenschleppt. Hier bringt das Weibchen sein Junges zur Welt und verläßt dann das Nest. Während der Brunstzeit (?) kämpfen die Männchen um ihre Weibchen. Ein glaubwürdiger Zeuge sah zwei von ihnen im Kampfe; einer war viel größer als der andere, und der kleinere wurde getödtet. Aus dieser Thatsache scheint mir hervorzugehen, daß die Gorillas in Vielehigkeit leben wie andere Thiere, welche um die Weibchen kämpfen. Das gewöhnliche Geschrei des Gorilla ist kläglich, das Wuthgeschrei dagegen ein scharfes, rauhes Bellen, ähnlich dem Gebrülle eines Tigers.

»Entsprechend der Neigung der Neger, alles zu übertreiben, hörte ich anfänglich die verschiedensten Geschichten bezüglich der Wildheit des Gorilla. Als ich aber die wirklichen Jäger befragte, fand ich sie, so weit ich zu urtheilen vermochte, wie alle muthigen Leute bescheiden und eher schweigsam als geschwätzig. Ihre Mittheilungen über die Wildheit der Affen reichen kaum bis an die Erzählungen von Savage und Ford heran. Sie leugnen, daß der Gorilla, ohne gereizt zu sein, den Menschen stets angreife. Laßt ihn allein, sagen sie, und er läßt euch allein. Wenn er aber beim Fressen oder im Schlafe plötzlich überrascht wird, dreht er sich in einem Halbkreise herum, heftet seine Augen fest auf den Mann und stößt einen unwillig klagenden Schrei aus. Versagt das Gewehr des Jägers, oder wird der Affe nur verwundet, so läuft er zuweilen davon; manchmal aber stürzt er sich mit wüthendem Blicke, herunterhängender Lippe und nach vorn überfallendem Haarschopfe auf den Gegner. Es scheint nicht, daß er sehr behend sei; denn die Jäger entkommen ihm häufig. Er greift stets auf allen Vieren an, packt den betreffenden Gegenstand, reißt ihn in seinen Mund und beißt ihn. Die Geschichte vom Zusammenbeißen des Gewehrlaufes wird allgemein erzählt, ist aber durchaus nicht wunderbar, weil die billigen Gewehre aus Birmingham von jedem starkkieferigen Thiere zusammengequetscht werden dürften. Von den verschiedensten Seiten her hörte ich erzählen, daß Leute durch den Gorilla getödtet worden seien; immer aber fand ich, daß solche Erzählungen auf Ueberlieferungen sich gründeten. Daß ein Mann von einem Gorilla umgebracht werden kann, möchte ich keinen Augenblick bezweifeln, daß aber kein Mann seit Menschengedenken umgebracht worden ist, kann ich mit Bestimmtheit versichern. Der Jäger, welcher mich in den Waldungen von Ngumbi führte, wurde einst von einem Gorilla verwundet. Seine Hand war vollständig verkrüppelt und die Narben der Zahnwunden am Gelenke noch sichtbar. Ihn forderte ich auf, mir genau die Art und Weise des Angriffes eines Gorilla zu zeigen. Ich stellte den Jäger vor, er den Gorilla. Er nahm eine gebückte Stellung an, und ich that, als ob ich ihn schießen wollte. Nun kam er auf allen Vieren auf mich zu, ergriff meine Hand am Gelenke, zog sie zu seinem Munde, biß hinein und lief davon. So, sagte er, hat der Gorilla mit mir gethan. Durch solche einfache Zeugen gelangt man unter den Negern am ersten zur Wahrheit. Der Leopard gilt allgemein für ein wilderes und gefährlicheres Thier als der Gorilla. Auch der Schimpanse greift, wenn er angefallen wird, einen Menschen an; dasselbe thut der Orang-Utan, dasselbe thun in der That alle Thiere vom Elefanten bis zu den Kerbthieren herunter. Ich kann also keinen Grund zu der Annahme finden, daß der Gorilla wilder und mehr geneigt zum Angriffe auf einen Menschen sei als andere Thiere, welche, wie unser Affe, bedächtig und furchtsam sind, und welche ihre ausgezeichnete Befähigung im Riechen und Hören sich zu Nutze machen, um vor dem Menschen zu entfliehen.

»In meiner bescheidenen Eigenschaft, als ein bloßer Sammler von Thatsachen, wünsche ich nichts weiter als zu der Wahrheit zu gelangen. Meine Angaben unterscheiden sich von denen meiner Vorgänger, und ich muß frei zugestehen, daß für die eine wie für die andere Seite gleiche Berechtigung vorliegt. Alle Neger sind geneigt, eher zu übertreiben als zu unterschätzen. Ich habe eine größere Anzahl von Zeugen befragt als vielleicht Wilson, Savage und Ford zusammen und, nachdem die Frage einmal wichtig geworden war, doppelte Vorsicht bei meinen Untersuchungen angewendet; aber jene hatten ihrerseits großen Vortheil über mich, weil sie die Sprache der Eingeborenen kannten und keiner Dolmetscher bedurften, auch besser mit dem Wesen der Eingeborenen vertraut waren als ich. Den bezüglichen Werth unserer Mittheilungen vermag ich also nicht bestimmt abzuschätzen, schon weil ich nicht weiß, von welchem Stamme jene ihre Nachrichten erhalten haben. Das, was ich aus persönlicher Anschauung versichern kann, ist folgendes: Ich habe die Nester des Gorilla gesehen und beschrieben, bin jedoch nicht im Stande, bestimmt zu sagen, ob sie als Betten oder nur als zeitweilige Lager benutzt werden. Ich habe ebenso wiederholt die Fährte des Gorilla gefunden und darf deshalb behaupten, daß der Affe gewöhnlich auf allen Vieren läuft. Niemals habe ich mehr Fährten gesehen als von zwei Gorillas zusammen. Auch habe ich einen jungen Gorilla und einen jungen Schimpanse in gefangenem Zustande beobachtet und darf versichern, daß beide gleich gelehrig sind. Endlich kann ich behaupten, daß der Gorilla wenigstens zuweilen vor dem Menschen flüchtet; denn ich war nahe genug, um zu hören, daß einer von mir weglief.

»Von den vielen Erzählungen über den Gorilla, welche mir mitgetheilt wurden, habe ich alle nicht genug beglaubigten weggelassen. Eine von diesen berichtet z.B., daß zuweilen eine Gorillafamilie einen Baum erklettere und sich an einer gewissen Frucht toll und voll fresse, während der alte Vater unten am Fuße des Baumes verbleibe. Kannst du, sagen die Eingeborenen, nahe genug herankommen, um ihn zu erlegen, so kannst du auch den Rest der Familie tödten. Die zweite Geschichte ist die, welche von allen großen Affen berichtet wird, daß sie Frauen mit sich nehmen. In einem Dorfe am rechten Ufer des Fernandovaz wurde mir erzählt, daß die Frauen, während sie zum Brunnen gingen, sehr häufig von Gorillas gejagt werden; ja, man brachte mir sogar eine Frau, welche versicherte, selbst die Leidenschaft eines Gorilla erlitten zu haben und ihm kaum entkommen zu sein. In alldem kann ich nichts wunderbares finden; denn wir wissen, daß die Affen höchst empfängliche Thiere sind. Demungeachtet wird man berechtigt sein, Zweifel zu hegen, wenn erzählt wird, daß eine Frau in die Wälder geschleppt und halbwild unter den Affen gelebt habe.«

Winwood Reade schließt seine Mittheilungen mit der Bemerkung, daß er nicht im Stande gewesen sei, etwas zu erfahren, worin der Gorilla vom Schimpanse wesentlich sich unterscheide. Beide Thiere bauen Nester, beide gehen auf allen Vieren, beide greifen in ähnlicher Weise an, beide vereinigen sich, obschon sie durchaus nicht gesellig sind, zuweilen in größerer Anzahl etc. »Ein weißer Mann hat bis jetzt weder einen Gorilla noch einen Schimpanse erlegt. Die Vorsicht der Thiere, die Ungewißheit ihres Aufenthaltes, die Eifersucht der eingeborenen Jäger stempelt eine derartige Jagd zu einem sehr schwierigen Unternehmen.«

Schimpanse

So viel wissen wir gegenwärtig über das Freileben dieses vielbesprochenen, ebenso berühmten als berüchtigten Menschenaffen. Mit dem Schimpanse hat man bisher nur seinen Balg oder seinen in Weingeist bewahrten Leichnam, nicht aber das lebende Thier, vergleichen können; denn bis jetzt soll nur ein einziger Gorilla lebend nach Europa gelangt, aber von einem Thierbändiger gehalten worden sein, welcher ihn nicht einmal kannte.

 

Der vorstehend mehrfach erwähnte Schimpanse, »Barris«, »Inschoko«, »Insiëgo«, »Soko«, »Nschniëgo«, »Baâm«, und wie er sonst noch bei den Eingeborenen heißen oder von Reisenden genannt worden sein mag (Anthrpopithecus troglodytes, Simia, Pithecus, Chimpanza, Mimetes und Pseudanthropos troglodytes, Satyrus lagarus und Chimpanza Troglodytes niger), wird gegenwärtig ebenfalls als Vertreter einer gleichnamigen Sippe oder Untersippe (Pseudanthropos) betrachtet. Er ist beträchtlich kleiner, im Rumpfe verhältnismäßig viel kürzer als der Gorilla, trotzdem er dieselbe Anzahl von rippentragenden und Lendenwirbeln (dreizehn und vier) besitzt wie dieser, sein Kopf verhältnismäßig groß, die breite Schnauze wenig vorgezogen, der Vorderarm für Menschenaffen auffallend kurz, die Hand gestreckt und schmal, das Bein ebenfalls kurz, der Fuß der Hand entsprechend gebaut; auch zeigt der hinterste Backenzahn nur vier Höcker und einen hinteren Anhang. Sein Gesicht ist ziemlich breit und flach, die Stirn tritt namentlich bei alten merklich, jedoch weit weniger als beim Gorilla zurück und das Kinn in demselben Verhältnisse vor, so daß der Gesichtswinkel 55 Grad beträgt. Die Augenbrauenbogen stehen deutlich vor; die Nase ist klein und flach, der Mund übermäßig groß; die schmalen, weit vorstreckbaren Lippen sind im Leben vielfach gefaltet. Die Ohrmuschel ist viel größer, steht auch weiter vom Kopfe ab als bei dem Menschen, und zeigt fast denselben Bau wie beim Gorilla. Hände und Füße habe ich bereits (S. 41 f.) beschrieben, jedoch noch hinzuzufügen, daß die Arme bei aufrechtem Gange sehr weit am Beine herabreichen und die Fingerspitzen der ausgestreckten Hand fast die Knöchel berühren. Um das Verhältnis der Glieder zum Leibe anzugeben, will ich die Maße eines jungen Schimpanse, welchen ich lebend untersuchen konnte, angeben. Es beträgt die Länge vom Scheitel bis zum Steiße 52 Centim., die Armlänge von der Achselhöhle bis zur Fingerspitze 44 Centim., die Beinlänge bis zur Zehenspitze 41 Centim., die Länge des Oberarmes 19 Centim., die Länge des Unterarmes 19 Centim., die Länge der Hand 13 Centim., die Länge des Oberschenkels 17 Centim., des Unterschenkels 17 Centim., des Fußes oben gemessen 12 Centim., der Umfang des Schädels über dem Brauenbogen gemessen 38 Centim., der Umfang des Halses 26 Centim., der Umfang des Leibes unter den Armen 80 Centim.

Schimpanse.

Ein ziemlich dichtes, aus mittellangen schlichten und glänzenden Haaren bestehendes Kleid, welches sich bartartig an beiden Gesichtsseiten und schopfig auf dem Hinterkopfe verlängert, deckt gleichmäßig Stirn, Scheitel, Hinterkopf, Nacken und Rücken, wogegen die Unterseite weit spärlicher bekleidet und die Kinn- und Weichengegend nur sehr dünn behaart ist. In der Gegend des nackten Afters sieht das Haar weißlich aus. Die Färbung des unbehaarten Gesichtes ist ein grauliches Ledergelb, welches zwischen den Augen in Braunschwarz übergeht, ohne daß jedoch letztere Färbung zur vorherrschenden würde. Hände und Füße sehen lederbraun, die Lippen blaßroth, die Ohren lebergelb aus. Die milden, sanften Augen haben lichtzimmetbraune Iris.

In wiefern das Thier in höherem Alter von dem eben beschriebenen Jungen abweicht, vermag ich nicht zu sagen, weil ich noch niemals einen lebenden Schimpanse gesehen habe, welcher bereits über die Jahre der Kindheit hinaus gewesen wäre, und mich auf eine Beschreibung getrockneter Bälge nicht einlassen mag. Nur so viel will ich noch bemerken, daß der erwachsene Schimpanse nach Versicherung der Eingeborenen zuweilen bis 1,5 Meter hoch wird und sich durch weißen Kinnbart, welcher auch bei den Jungen bereits angedeutet ist, besonders auszeichnet. Die Knochen des Schimpanse sind, laut Hartmann, im ganzen schlanker und zierlicher als diejenigen des Gorilla. Dem Schädel des männlichen Schimpanse fehlt der riesige Knochenkamm des ebengenannten Verwandten gänzlich; ebensowenig bemerkt man an ihm die beim männlichen Gorilla sehr mächtigen, beim weiblichen deutlich erkennbaren Knochenwülste über den Augen.

Um zu beweisen, daß die Alten den Schimpanse gekannt haben, führt man das berühmte Mosaikbild an, welches einstmals den Tempel der Fortuna in Präneste schmückte und unter vielen anderen Thieren der oberen Nilländer auch unseren Menschenaffen dargestellt haben soll. Erwähnt wird dieser von vielen Schriftstellern der letztvergangenen Jahrhunderte meist unter den Namen »Insiëgo« oder »Nschniëgo«, welche er in Mittelafrika heute noch führt. Ein junger Schimpanse wurde in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts lebend nach Europa gebracht, von Tulpius und Tyson zergliedert und von Dapper beschrieben. Von dieser Zeit an gelangte das Thier wiederholt zu uns, und neuerlich trifft es sogar mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf dem europäischen Thiermarkte ein: im Jahre 1870 wurden fünf Stück allein nach Deutschland gebracht.

Während man früher Ober- und Niederguinea für seine ausschließliche Heimat hielt, wissen wir gegenwärtig durch Heuglin und Schweinfurth, daß er sich bis tief in das Innere von Afrika verbreitet. »Auf dem dichtbelaubten Hochholz längs der Flüsse im Lande der Niamniam«, sagt Heuglin, »haust in Paaren und Familien der Mban (richtiger Baâm), ein Affe von der Größe eines Mannes und von wildem Wesen, welcher sich nicht scheut, den ihn verfolgenden Jäger anzugreifen. Derselbe baut sich große Nester auf den Kronen der Bäume und versieht sie mit einem dichten Schutzdache gegen den Regen. Er hat eine olivenschwärzliche, nicht dichte Behaarung, nacktes, fleischfarbenes Gesicht und weißliches Gesäß.« Vorstehende Schilderung, welche durch Schweinfurths Angaben durchaus bestätigt wird, kann sich nur auf den Schimpanse beziehen, und diese Ansicht wird unterstützt durch die Berichte des Letztgenannten und Hartmanns über die wenigen Stücke dieses mittelafrikanischen Affen, welche in schlecht zubereiteten Bälgen nach Europa gelangt sind. Schweinfurth erfuhr, daß ein Krainer Jäger, Klancznik, im Jahre 1863 außer einer Ladung Sklaven auch einen lebenden Schimpansen vom oberen Weißen Flusse mitbrachte. Der Affe starb, noch ehe er Chartum erreichte, wurde dort abgehäutet und der Hochschule für Aerzte in Kairo überlassen. Hier sah Schweinfurth den Balg; auf der Pariser Ausstellung konnte Hartmann einen zweiten untersuchen. Beide Forscher sprechen sich dahin aus. daß man das Thier als Schimpanse bestimmen müsse. »Im December 1868«, schaltet Schweinfurth hier ein, »fand ich in Chartum einen dritten, schlecht ausgestopften, aber sehr großen Balg des betreffenden Affen, welcher sich gegenwärtig im Berliner Museum befindet und nach Hartmanns Ueberzeugung von dem westafrikanischen Schimpanse sich nicht unterscheidet. Unter den von mir bereisten Ländern des tiefsten Inneren von Afrika nenne ich als Heimat dieses Menschenaffen vor allen anderen das waldreiche Land des Königs Uando, weil das Thier hier besonders häufig auftreten muß. In einem Dorfe nahm ich zwölf vollständige Schädel desselben von einem einzigen der hier gebräuchlichen Merkpfähle, welche mit Beutezeichen der Jagd behangen zu werden pflegen. In dem bevölkerten Monbuttulande dagegen, welches weite, dem Bananenbau gewidmete Lichtungen in sich schließt, scheint das menschenscheue Thier nur ein ziemlich vereinzeltes Dasein zu führen. Auch mir wurde erzählt, daß er auf den von ihm bewohnten Bäumen sich Nester errichte.« In Ober- und Niederguinea bewohnt der Schimpanse die großen Wälder in den Flußthälern und an der Küste, scheint jedoch trockene Gegenden feuchten vorzuziehen. Auf der nördlichen Seite des Kongo soll er, laut Monteiro, sehr häufig sein.

»Man kann nicht sagen«, berichtet Savage, »daß die Schimpansen gesellig leben, da man selten mehr als ihrer fünf, höchstens ihrer zehn zusammen findet. Auf gute Gewähr mich stützend, darf ich behaupten, daß sie sich gelegentlich in größerer Anzahl versammeln, um zu spielen. Einer meiner Berichterstatter versichert, bei einer solchen Gelegenheit einmal nicht weniger als ihrer fünfzig gesehen zu haben, welche sich durch Jubeln, Schreien und Trommeln auf alten Stämmen erfreuten. Sie meiden die Aufenthaltsorte der Menschen soviel als möglich. Ihre Wohnungen, mehr Nester als Hütten, errichten sie auf Bäumen, im allgemeinen nicht hoch über dem Boden. Größere oder kleinere Zweige werden niedergebogen, abgeknickt, gekreuzt und durch einen Ast oder einen Gabelzweig gestützt. Zuweilen findet man ein Nest nahe dem Ende eines dicken blattreichen Astes, acht bis zwölf Meter über der Erde; doch habe ich auch eins gesehen, welches nicht niedriger als dreizehn Meter sein konnte. Einen festen Standort haben die Schimpansen nicht, wechseln ihren Platz vielmehr beim Aufsuchen der Nahrung oder aus sonstigen Gründen, je nach den Umständen. Wir sahen sie öfters auf hoch gelegenen Stellen, wohl nur deshalb, weil die dem Reisbau der Eingeborenen günstigeren Niederungen öfters gelichtet werden, und jenen dann passende Bäume zum Bau ihrer Nester mangeln. Selten sieht man mehr als ein oder zwei Nester auf einem und demselben Baume oder sogar in derselben Umgebung. Doch hat man einmal deren fünf gefunden.« Nester, wie solche Du-Chaillu bespricht und abbildet, wahrhaft künstliche Flechtereien nämlich, beschreibt kein einziger der übrigen Berichterstatter.

»In der Ruhe nimmt der freilebende Schimpanse gewöhnlich eine sitzende Stellung an. Man sieht ihn in der Regel stehen oder gehen; wird er dabei entdeckt, so fällt er unverzüglich auf alle Viere und entfernt sich fliehend von dem Beobachter. Sein Bau ist derart, daß er nicht ganz aufrecht stehen kann, sondern stets nach vorn neigt; wenn er steht, sieht man ihn die Hände über dem Hinterhaupte zusammenschlagen oder über der Lendengegend kreuzen, was nothwendig zu sein scheint, um sich im Gleichgewichte zu erhalten. Die Zehen sind beim Erwachsenen stark gebogen und nach innen gewendet, können auch nicht vollständig ausgestreckt werden. Beim Versuche hierzu erhebt sich die Haut des Fußrückens in dicken Falten, woraus hervorgeht, daß völlige Streckung des Fußes ihm unnatürlich ist. Die ihm bequemste Stellung ist die auf allen Vieren, wobei der Leib auf den Knöcheln ruht. Infolge des Gebrauches sind letztere verbreitert und wie die Fußsohle mit schwieliger Haut bekleidet. Wie man schon aus dem Baue vermuthen kann, ist der Schimpanse ein geschickter Kletterer. Bei seinen Spielen schwingt er sich auf weite Entfernungen von einem Baume zum anderen und springt mit staunenerregender Behendigkeit. Nicht selten sieht man die »alten Leute«, wie einer meiner Berichterstatter sich ausdrückt, unter einem Baume sitzen, mit Aufzehren von Früchten und freundschaftlichem Geschwätz sich unterhaltend, während ihre Kinder um sie herumspringen und ausgelassen von Baum zu Baume klettern. Die Nahrung besteht wahrscheinlich aus denselben Pflanzen und Früchten, welche der Gorilla verzehrt: Früchte, Nüsse, Blatt- und Blütenschößlinge, vielleicht auch Wurzeln bilden wohl die Hauptspeise. Nicht selten soll er Bananen und andere Fruchtbäume besuchen, welche die Neger zwischen ihren Maisfeldern anpflanzen, oder sich in verlassenen Negerdörfern, in denen die Papaya in großer Menge wächst, einfinden und dort so lange verweilen, als es Nahrung gibt, nach Aufzehrung derselben aber wieder Wanderungen von größerer oder geringerer Ausdehnung unternehmen.

»Der Schimpanse bekundet scharfen Verstand und warme Liebe zu seinen Jungen. Ein Weibchen, welches sich mit seinem Manne und zwei Jungen auf einem Baume befand und von dem Jäger aufgefunden wurde, stieg zuerst mit großer Schnelligkeit herunter und versuchte mit dem Männchen und einem Jungen ins Dickicht zu entfliehen. Bald darauf aber kehrte es zur Rettung des zurückgebliebenen Jungen zurück, stieg wieder auf den Baum, nahm das Kind in seine Arme und erhielt in demselben Augenblicke die tödtliche Kugel, welche auf dem Wege zum Herzen der Mutter durch den Vorderarm des Jungen drang. In einem anderen Falle blieb die Mutter, nachdem sie entdeckt war, mit ihrem Jungen auf dem Baume und folgte aufmerksam dem Vorgehen des Jägers. Als er zielte, bewegte sie ihre Hand, genau in der Weise, wie ein Mensch thun würde, um den Gegner zum Abstehen und Fortgehen zu bewegen. Verwundete suchen das Blut durch Aufdrücken der Hand oder, wenn dies nicht ausreicht, durch Auflegen von Blättern und Gras zu stillen, schreien auch laut, nicht unähnlich einem Menschen, welcher plötzlich in große Noth geräth.« Ferner wird erzählt, daß sich die Schimpansen in ihrer geschlechtlichen Liebe weit weniger abschreckend als andere Affen zeigen, sogar eine gewisse Sittsamkeit an den Tag legen sollen. Auch von ihnen geht überall, wo sie vorkommen, das Gerücht, daß die Männchen an weiblichen Menschen Gefallen finden, und diese Behauptung erscheint denjenigen, welche das Gebaren großer männlicher Affen beim Anblicke von Frauen aus eigener Erfahrung kennen gelernt haben, durchaus nicht unwahrscheinlich. Ueber Zeit und Umstände der Paarung, Schwangerschaft und Entwickelung der Jungen etc. sind mir keinerlei Angaben bekannt; ich weiß bloß aus Beobachtung an gefangenen Jungen, daß deren Wachsthum weit langsamer vor sich geht, als man bisher angenommen zu haben scheint. Der Zahnwechsel beginnt nicht vor dem zurückgelegten vierten Lebensjahre, wahrscheinlich noch um ein Jahr später. Ein Schimpanse, welchen ich drei Jahre lang pflegte, war, als er in meinen Besitz kam, jedenfalls älter als zwei Jahre und wechselte erst kurz vor seinem Tode die unteren Schneidezähne; der Zahnwechsel würde also, die Richtigkeit meiner Annahme vorausgesetzt, erst im sechsten Lebensjahre stattgefunden haben. Wenn man, hierauf fußend, den Schimpanse bezüglich seines Wachsthums und des zu erreichenden Alters dem Menschen annähernd gleichstellt, wird man sich schwerlich irren.

Unter den Eingeborenen Westafrikas geht eine Ueberlieferung, nach welcher die Schimpansen einmal Mitglieder ihres eigenen Stammes gewesen seien, wegen ihrer schlechten Gewohnheiten aber aus aller menschlichen Gesellschaft verstoßen und infolge hartnäckigen Beharrens bei ihren gemeinen Neigungen allmählich auf den gegenwärtigen Zustand herabgesunken wären. Dies hindert die Eingeborenen übrigens nicht, die Herren Vettern zu essen; ja deren Leiber gelten, mit Palmöl gekocht, sogar für ein äußerst schmackhaftes Gericht.

Wie es scheint, kämpft der Schimpanse mit dem Menschen einzig und allein, um sich zu vertheidigen. Fürchtet er gefangen zu werden, so leistet er dadurch Widerstand, daß er seine Arme um den Gegner schlingt, ihn zu sich heranzieht und zu beißen versucht. Savage hat einen Mann gesehen, welcher so an den Füßen bedeutend verwundet worden war. »Die starke Entwickelung der Eckzähne beim erwachsenen Schimpanse möchte Neigung zu Fleischnahrung andeuten. Solche zeigt sich jedoch nur, wenn er gezähmt wurde. Anfänglich weist er Fleisch zurück, nach und nach aber verzehrt er es mit einer gewissen Vorliebe. Die Eckzähne, welche sich frühzeitig entwickeln, spielen also nur eine Rolle bei der Verteidigung. Kommt ein Schimpanse mit dem Menschen in Zwiespalt, so ist beinahe das erste, was er thun will, beißen.«

»Leider«, erzählt Schweinfurth, »noch war es mir nicht vergönnt, im Lande der Niamniam eine Jagd auf Schimpansen veranstalten zu sehen. Eine solche bereitet nämlich viele Schwierigkeiten. Nach Aussage der Niamniam selbst gehören dazu mindestens zwanzig bis dreißig entschlossene Jäger, denen die heikle Aufgabe zufällt, in den achtzig und mehr Fuß hohen Bäumen mit dem Schimpanse um die Wette umherzuklettern und dabei die gewandten und kräftigen Thiere in Fangnetze zu locken, in denen sie, einmal verwickelt, mit Lanzenwürfen leicht abgethan werden können. In solchen Fällen sollen sie sich grimmig und verzweifelt wehren, in die Enge getrieben, den Jägern sogar die Speere zu entreißen vermögen, mit welchen sie dann wüthend um sich schlagen. Weit verderblicher aber noch soll den Angreifern der Biß ihrer gewaltigen Eckzähne und die erstaunliche Muskelstärke ihrer nervigen Arme werden.«

Unter allen Menschenaffen gelangt gegenwärtig der Schimpanse am häufigsten lebend zu uns, hält hier aber leider nur ausnahmsweise zwei bis drei Jahre aus, während er, wie man versichert, in Westafrika bis zwanzig Jahre in Gefangenschaft gelebt haben und groß und stark geworden sein soll. Bis jetzt hat man stets beobachtet, daß die Gefangenen sanft, klug und liebenswürdig waren. Grandpret sah auf einem Schiffe ein Weibchen, welches man gelehrt hatte, den Backofen zu heizen. Es erfüllte sein Amt zur allgemeinen Zufriedenheit, gab acht, daß keine Kohlen herausfielen, wußte, wenn der Ofen den nöthigen Grad von Hitze erlangt hatte, ging hin und berichtete den Bäcker durch sehr ausdruckvolle Geberden davon. Derselbe Affe verrichtete die Arbeit eines Matrosen mit ebenso viel Geschick als Einsicht, wand das Ankertau auf, zog die Segel ein, band sie fest und arbeitete vollkommen zur Zufriedenheit der Matrosen, welche ihn zuletzt als ihren Maat betrachteten. Broffe brachte ein Pärchen junger Schimpansen nach Europa, ein junges Männchen und ein Weibchen. Sie setzten sich an den Tisch wie ein Mensch, aßen von allem und bedienten sich dabei des Messers, der Gabel und der Löffel, theilten auch alle Getränke, namentlich Wein und Branntwein, mit den Menschen, riefen die Schiffsjungen, wenn sie etwas brauchten, und wurden böse, wenn diese es ihnen verweigerten, faßten die Knaben am Arme, bissen sie und warfen sie unter sich. Das Männchen wurde krank, und der Schiffsarzt ließ ihm deshalb zur Ader; so oft es sich unwohl fühlte, hielt es ihm stets den Arm hin. Buffon erzählt, daß sein Schimpanse traurig und ernsthaft aussah und sich abgemessen und verständig bewegte. Von den häßlichen Eigenschaften der Paviane zeigte er keine einzige, war aber auch nicht muthwillig wie die Meerkatzen, gehorchte aufs Wort oder auf ein Zeichen, bot den Leuten den Arm an und ging mit ihnen umher, setzte sich zu Tische, benutzte ein Vorstecktuch und wischte sich, wenn er getrunken hatte, damit die Lippen; schenkte sich selbst Wein ein und stieß mit anderen an, holte sich eine Tasse und Schale herbei, that Zucker hinein, goß Thee darauf und ließ ihn kalt werden, bevor er ihn trank. Niemandem fügte er ein Leid zu, sondern näherte sich jedem bescheiden und freute sich ungemein, wenn ihm geschmeichelt wurde. Traills Schimpanse hielt man einen Spiegel vor: sogleich war seine Aufmerksamkeit gefesselt; auf die größte Beweglichkeit folgte die tiefste Ruhe. Neugierig untersuchte er das merkwürdige Ding und schien stumm vor Erstaunen, blickte sodann fragend seinen Freund an, hierauf wieder den Spiegel, ging hinter diesen, kam zurück, betrachtete nochmals sein Bild und suchte sich durch Betasten desselben zu überzeugen, ob er wirkliche Körperlichkeit oder bloßen Schein vor sich habe: ganz so wie es wilde Völker thun, wenn ihnen zum erstenmal ein Spiegel gereicht wird. Leutnant Sayers erzählt von einem jungen Männchen, welches er wenige Tage nach der Gefangenschaft an der Westküste Afrikas erhielt, daß es sehr bald und im hohen Grade vertraut mit ihm wurde, noch innigere Freundschaft aber mit einem Negerknaben schloß und im höchsten Zorne zu kreischen anfing, wenn jener ihn nur für einen Augenblick verlassen wollte. Sehr eingenommen war der Affe für Kleidungsstücke, und das erste Beste, das ihm in den Weg kam, eignete er sich an, trug es sogleich auf den Platz und setzte sich unabänderlich, mit selbstzufriedenem Gurgeln, darauf, gab es auch gewiß nicht ohne harten Kampf und ohne die Zeichen der größten Unzufriedenheit wieder her. »Als ich diese Vorliebe bemerkte«, fährt der Erzähler fort, »versah ich ihn mit einem Stück Baumwollenzeug, von dem er sich dann, zur allgemeinen Belustigung, nicht wieder trennen mochte, und welches er überallhin mitschleppte, so daß keine Verlockung stark genug war, ihn zum Aufgeben desselben auch nur für einen Augenblick zu bewegen. Die Lebensweise der Thiere in der Wildnis war mir völlig unbekannt; ich versuchte deshalb, ihn nach meiner Art zu ernähren und hatte den besten Erfolg. Morgens um acht Uhr bekam mein Gefangener ein Stück Brod in Wasser oder in verdünnter Milch geweicht, gegen zwei Uhr ein paar Bananen oder Pisang, und ehe er sich niederlegte wieder eine Banane, eine Apfelsine oder ein Stück Ananas. Die Banane schien seine Lieblingsfrucht zu sein, für sie ließ er jedes andere Gericht im Stiche, und wenn er sie nicht bekam, war er höchst mürrisch. Als ich ihm einmal eine verweigerte, bekundete er die heftigste Wuth, stieß einen schrillen Schrei aus und rannte mit dem Kopfe so heftig gegen die Wand, daß er auf den Rücken fiel, stieg dann auf eine Kiste, streckte die Arme verzweiflungsvoll aus und stürzte sich herunter. Alles dies ließ mich so sehr für sein Leben fürchten, daß ich den Widerstand aufgab. Nun erfreute er sich seines Sieges auf das lebhafteste, indem er minutenlang ein höchst bedeutungsvolles Gurgeln hören ließ: kurz, jedesmal, wenn man ihm seinen Willen nicht thun wollte, zeigte er sich wie ein verzogenes Kind. Aber so böse er auch werden mochte, nie bemerkte ich, daß er geneigt gewesen wäre, seinen Wärter oder mich zu beißen oder sich sonstwie an uns zu vergreifen.«

Ich kann diese Berichte nach eigener Erfahrung bestätigen und vervollständigen, da ich selbst mehrere Schimpansen jahrelang gepflegt und beobachtet habe. Einen solchen Affen kann man nicht wie ein Thier behandeln, sondern mit ihm nur wie mit einem Menschen verkehren. Ungeachtet aller Eigenthümlichkeiten, welche er bekundet, zeigt er in seinem Wesen und Gebaren so außerordentlich viel menschliches, daß man das Thier beinahe vergißt. Sein Leib ist der eines Thieres, sein Verstand steht mit dem eines rohen Menschen fast auf einer und derselben Stufe. Es würde abgeschmackt sein, wollte man die Handlungen und Streiche eines so hoch stehenden Geschöpfes einzig und allein auf Rechnung einer urtheilslosen Nachahmung stellen, wie man es hin und wieder gethan hat. Allerdings ahmt der Schimpanse nach; es geschieht dies aber genau in derselben Weise, in welcher ein Menschenkind Erwachsenen etwas nachthut, also mit Verständnis und Urtheil. Er läßt sich belehren und lernt. Wäre seine Hand ebenso willig oder gebrauchsfähig wie die Menschenhand, er würde noch ganz anderes nachahmen, noch ganz anderes lernen. Er thut eben so viel er zu thun vermag, führt das aus, was er ausführen kann; jede seiner Handlungen aber geschieht mit Bewußtsein, mit entschiedener Ueberlegung. Er versteht, was ihm gesagt wird, und wir verstehen auch ihn, weil er zu sprechen weiß, nicht mit Worten allerdings, aber mit so ausdrucksvoll betonten Lauten und Silben, daß wir uns über sein Begehren nicht täuschen. Er erkennt sich und seine Umgebung und ist sich seiner Stellung bewußt. Im Umgange mit dem Menschen ordnet er sich höherer Begabung und Fähigkeit unter, im Umgange mit Thieren bekundet er ein ähnliches Selbstbewußtsein wie der Mensch. Er hält sich für besser, für höher stehend als andere Thiere, namentlich als andere Affen. Sehr wohl unterscheidet er zwischen erwachsenen Menschen und Kindern: erstere achtet, letztere liebt er, vorausgesetzt, daß es sich nicht um Knaben handelt, welche ihn necken oder sonstwie beunruhigen. Er hat witzige Einfälle und erlaubt sich Späße, nicht bloß Thieren, sondern auch Menschen gegenüber. Er zeigt Theilnahme für Gegenstände, welche mit seinen natürlichen Bedürfnissen keinen Zusammenhang haben, für Thiere, welche ihn sozusagen nichts angehen, mit denen er weder Freundschaft anknüpfen, noch in irgend ein anderes Verhältnis treten kann. Er ist nicht bloß neugierig, sondern förmlich wißbegierig. Ein Gegenstand, welcher seine Aufmerksamkeit erregte, gewinnt an Werth für ihn, wenn er gelernt hat, ihn zu benutzen. Er versteht Schlüsse zu ziehen, von dem einen auf etwas anderes zu folgern, gewisse Erfahrungen zweckentsprechend auf ihm neue Verhältnisse zu übertragen. Er ist listig, sogar verschmitzt, eigenwillig, jedoch nicht störrisch; er verlangt, was ihm zukommt, ohne rechthaberisch zu sein, bekundet Launen und Stimmungen, ist heute lustig und aufgeräumt, morgen traurig und mürrisch. Er unterhält sich in dieser und langweilt sich in jener Gesellschaft, geht auf passende Scherze ein und weist unpassende von sich. Seine Gefühle drückt er aus wie der Mensch. In heiterer Stimmung lacht er freilich nicht, aber er schmunzelt doch wenigstens, d. h. verzieht sein Gesicht und nimmt den unverkennbaren Ausdruck der Heiterkeit an. Trübe Stimmungen dagegen verkündet er ganz in derselben Weise wie ein Mensch, nicht allein durch seine Mienen, sondern auch durch klägliche Laute, welche jedermann verstehen muß, weil sie menschlichen mindestens in demselben Grade ähneln wie thierischen. Wohlwollen erwiedert er durch die gleiche Gesinnung, Uebelwollen womöglich in eben derselben Weise. Bei Kränkungen geberdet er sich wie ein Verzweifelter, wirft sich mit dem Rücken auf den Boden, verzerrt sein Gesicht, schlägt mit Händen und Füßen um sich, kreischt und rauft sich sein Haar. Andere Affen bekunden ähnliche Geistesfähigkeiten; beim Schimpanse aber erscheint jede Aeußerung des Geistes klarer, verständlicher, weil sie dem, was wir beim Menschen sehen, entschieden ähnlicher ist als die Verstandesäußerung jener Thiere.

Der Schimpanse, welcher, während ich diese Zeilen in die schnellläufige Feder des Eilschreibers fließen lasse, in meinem Zimmer umhergeht und sich nach Herzenslust unterhält, langte in der traurigsten Verfassung an. Er war ermüdet und ermattet von der Reise, krank und leiblich und geistig herabgekommen. In dieser Lage verlangte er die sorgsamste Pflege, eine solche, wie man sie einem kranken Kinde angedeihen läßt, und erhielt diese und eine treffliche Erziehung durch einen der ausgezeichnetsten Thierpfleger, meinen alten Freund Seidel, in der freundlichsten Weise. Kein Wunder, daß er an diesem Manne hängt wie ein Kind an seiner Mutter, daß er sich seinen Wünschen fügt und in überraschend kurzer Zeit zu dem folgsamsten Pfleglinge unter der Sonne geworden ist. Namentlich seitdem er seine Krankheit vollständig überwunden hat, zeigt er sich als ein ganz anderes Geschöpf als vorher. Er ist rege und thätig ohne Unterlaß, vom frühen Morgen bis zum späten Abend, sucht sich ununterbrochen mit irgend etwas zu beschäftigen, und sollte er auch nur mit seinen Händen klatschend auf seine Fußsohlen klopfen, ganz so wie Kinder es ebenfalls zu thun pflegen. So ungeschickt er zu sein scheint, wenn er geht, so gewandt und behend ist er wirklich, und zwar bei jeder Bewegung. In der Regel geht er in der sämmtlichen Menschenaffen eigenen Weise auf allen Vieren, und zwar mit schiefer Richtung seines Leibes, indem er sich mit den Händen auf die eingeschlagenen Knöchel stützt und entweder ein Hinterbein zwischen den Vorderarmen und eins außerhalb derselben setzt oder beide Hinterbeine zwischen die Vorderarme schiebt. Trägt er jedoch etwas, so richtet er sich fast zu voller Höhe auf, stützt sich nur mit einer Hand auf den Boden und bewegt sich dann eigentlich ebenso geschickt als sonst. Wirklich aufrecht, also nur auf beiden Beinen allein, ohne sich mit einem Arme zu stützen, geht er bloß dann, wenn er in besondere Erregung geräth, beispielsweise wenn er glaubt, daß sich sein Pfleger von ihm entfernen wolle, ohne ihn mitzunehmen. Bei dieser Bewegung hält er die im Armgelenk gebogenen Hände seitlich vom Kopfe ab nach oben, um das Gleichgewicht herzustellen. Der Gang auf allen Vieren sieht äußerst holperig aus, fördert aber verhältnismäßig rasch genug und jedenfalls mehr, als ein Mensch zu laufen im Stande ist. Eigentliche Beweglichkeit und Behendigkeit entfaltet er aber doch nur im Klettern, und hierin unterscheidet er sich, wie wahrscheinlich alle übrigen Menschenaffen, wesentlich von seinen Ordnungsverwandten. Er klettert nach Art eines Menschen, nicht nach Art eines Thieres, und turnt in der ausgezeichnetsten Weise. Mit seinen Armem ergreift er einen Ast oder sonstigen Halt und schwingt sich nun mit überraschender Gewandtheit über ziemlich weite Entfernungen weg, macht auch verhältnismäßig große Sätze, immer aber so, daß er mit einer Hand oder mit beiden einen neuen Halt ergreifen kann. Die Füße spielen beim Klettern und Turnen den Händen gegenüber eine untergeordnete Rolle, obgleich sie selbstverständlich ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen und die höchst beweglichen Zehen gebührend benutzt werden. Mit dem ihm gebotenen Turngeräthe macht er sich vom Morgen bis zum Abend zu schaffen, und weiß ihnen fortwährend neue Seiten der Verwendung abzugewinnen. Er schaukelt sich minutenlang mit Behagen, klettert an seiner hängenden Leiter auf und ab, setzt diese in Bewegung, geht am Reck, mit den Händen fest hangend, hin und her und führt andere Turnkünsteleien mit vollendeter Fertigkeit aus, ohne jemals im geringsten unterrichtet worden zu sein. So sicher er sich auf diesen ihm bekannten Turngeräthen fühlt, so ängstlich geberdet er sich, wenn er auf einen Gegenstand klettert, welcher ihm nicht fest genug zu sein scheint: ein wackeliger Stuhl z. B. erregt sein höchstes Bedenken. Den Händen fällt der größte Theil aller Arbeiten zu, welche er verrichtet. Mit ihnen untersucht und betastet, mit ihnen packt er Gegenstände, während der Fuß nur aushülfsweise als Greifwerkzeug benutzt wird. Er gebraucht seine Hände im wesentlichen ganz so wie ein Mensch und unterscheidet sich von diesem hauptsächlich darin, daß er die einzelnen Finger der Hand unter sich weniger als der Mensch bewegt, d. h. gewöhnlich mit dem Daumen und der übrigen ganzen Hand zugreift; doch wendet er bei genaueren Untersuchungen sehr regelmäßig auch den Zeige- oder Mittelfinger an.

Winwood Reade erzählt, daß ihm auf die Frage, ob sich der Gorilla auf die Brust schlage und ein Geräusch wie das einer Trommel hervorbringe, erwiedert worden sei, der Gorilla habe keine Trommel, wohl aber der Schimpanse; daß man ihn dann, als er die Trommel zu sehen gewünscht, zu einem hohlen Baume geführt und ihm gezeigt habe, wie der Schimpanse diesem durch Stampfen mit den Beinen einen trommelnden Ton zu entlocken wisse. Der Bericht der Neger ist gewiß vollständig richtig; denn auch der zahme Schimpanse thut dasselbe, indem er bei heiterer Stimmung, gleichsam um seinen Uebermuth auszulassen, nicht bloß mit den Händen auf den Boden schlägt, wie andere Affen es ebenfalls thun, sondern auch mit den Beinen auf und nieder trampelt, besonders da, wo es tönt, und damit allerdings ein trommelndes Geräusch hervorbringt. Er zeigt sich wahrhaft entzückt, wenn sich ein Mensch herbeiläßt, in derselben Weise wie er zu klopfen, ja er fordert Bekannte geradezu auf, derartig mit ihm zu spielen.

Mein Schimpanse kennt seine Freunde genau und unterscheidet sie sehr wohl von Fremden, befreundet sich aber bald mit allen, welche ihm liebreich entgegenkommen. Am behaglichsten befindet er sich im Kreise einer Familie, namentlich wenn er aus einem Zimmer ins andere gehen, Thüren öffnen und schließen und sich sonstwie zu unterhalten vermag. Man vermeint es ihm anzusehen, wie gehoben er sich fühlt, wenn er sich einmal frei unter ihm wohlwollenden Menschen bewegen und mit ihnen am Tische sitzen darf. Merkt er, daß man auf seine Scherze eingeht, so beginnt er mit seinen Händen auf den Tisch zu klopfen, und freut sich höchlich, wenn seine Gastgeber ihm folgen. Außerdem beschäftigt er sich mit genauer Untersuchung aller denkbaren Gegenstände, öffnet die Ofenthüre, um sich das Feuer zu betrachten, zieht Kisten heraus, kramt sie aus und spielt mit dem, was er hier findet, vorausgesetzt, daß es nicht verdächtig erscheint; denn er ist im hohen Grade ängstlich und kann vor einem Gummiballe sich entsetzen. Sehr genau merkt er, ob er beobachtet wird oder nicht. Im ersteren Falle thut er nur das, was ihm erlaubt wird, im letzteren läßt er sich mancherlei Uebergriffe zu Schulden kommen, gehorcht aber, wenn sein Pfleger ihm etwas verbietet, auf das bloße Wort hin, obschon nicht immer sogleich. Lob feuert ihn an, namentlich wenn es sich um Schwingen und Turnen handelt. Beschenkt oder freudig überrascht, beweist er sich dankbar, indem er, ohne gerade hierzu abgerichtet oder gelehrt worden zu sein, seinen Arm zärtlich um die Schulter des Wohlthäters legt und ihm eine Hand oder echt menschlich auch einen Kuß gibt. Genau dasselbe thut er, wenn er des Abends aus seinem Käfig genommen und auf das Zimmer gebracht wird. Er kennt die Zeit und zeigt sich schon eine Stunde, bevor er in sein Zimmer zurückgebracht wird, höchst unruhig. In dieser letzten Stunde darf sein Pfleger sich nicht entfernen, ohne daß er in ausdrucksvolles Klagen ausbricht oder auch wohl verzweifelnd sich geberdet, indem er sich, wie beschrieben, auf den Boden wirft, mit Händen und Füßen strampelt und ein unerträgliches Kreischen ausstößt. Dabei beachtet er die Richtung, in welcher sein Pfleger sich bewegt, genau, und bricht nur dann in Klagen aus, wenn er meint, daß jener ihn verlassen wolle. Wird er getragen, so setzt er sich wie ein Kind auf den Arm seines Pflegers, schmiegt den Kopf an dessen Brust und scheint sich außerordentlich behaglich zu fühlen. Von nun an hat er anscheinend bloß den einen Gedanken, sobald als möglich auf sein Zimmer zu kommen, setzt sich hier auf das Sopha und betrachtet seinen Freund mit treuherzigem Blicke, gleichsam als wolle er in dessen Gesichte lesen, ob dieser ihm heute Abend wohl Gesellschaft leisten oder ihn allein lassen werde. Wenn er das erstere glaubt, fühlt er sich glücklich, wogegen er, wenn er das Gegentheil merkt, sehr unglücklich sich geberdet, ein betrübtes Gesicht schneidet, die Lippen weit vorstößt, jammernd ausschreit, an dem Pfleger emporklettert und krampfhaft an ihm sich festhält. In solcher Stimmung hilft auch freundliches Zureden wenig, während dieses sonst die vollständigste Wirkung auf ihn äußert, ebenso wie er sich ergriffen zeigt, wenn er ausgescholten wurde. Man darf wohl sagen, daß er die an ihn gerichteten Worte vollständig versteht; denn er befolgt ohne Zögern die verschiedensten Befehle und beachtet alle ihm zukommenden Gebote; doch gehorcht er eigentlich nur seinem Pfleger, nicht aber Fremden, am wenigsten, wenn diese sich herausnehmen, in Gegenwart seines Freundes etwas von ihm zu verlangen.

Im hohen Grade anziehend benimmt er sich Kindern gegenüber. Er ist an und für sich durchaus nicht bösartig oder gar heimtückisch und behandelt eigentlich jedermann freundlich und zuvorkommend, Kinder aber mit besonderer Zärtlichkeit, und dies um so mehr, je kleiner sie sind. Mädchen bevorzugt er Knaben, aus dem einfachen Grunde, weil letztere es selten unterlassen können, ihn zu necken; und wenn er auch auf solche Scherze gern eingeht, scheint es ihn doch zu ärgern, von so kleinen Persönlichkeiten sich gefoppt zu sehen. Als er zum erstenmal meinem sechswöchentlichen Töchterchen gezeigt wurde, betrachtete er zunächst das Kind mit sichtlichem Erstaunen, als ob er sich über dessen Menschenthum vergewissern müsse, berührte hierauf das Gesicht überaus zart mit einem Finger und reichte schließlich freundlich die Hand hin. Dieser Charakterzug, welchen ich bei allen von mir gepflegten Schimpansen beobachtet habe, verdient besonders deshalb hervorgehoben zu werden, weil er zu beweisen scheint, daß unser Menschenaffe auch im kleinsten Kinde immer noch den höher stehenden Menschen sieht und anerkennt. Gegen Seinesgleichen benimmt er sich keineswegs ebenso freundlich. Ein junges Schimpanseweibchen, welches ich früher pflegte, zeigte, als ich ihm ein junges Männchen seiner Art beigesellte, keine Theilnahme, kein Gefühl von Freude oder Freundschaft für dieses, behandelte das schwächere Männchen im Gegentheile mit entschiedener Roheit, versuchte es zu schlagen, zu kneipen, überhaupt zu mißhandeln, so daß beide getrennt werden mußten. Ein solches Betragen hat sich keiner der von mir gepflegten Schimpansen gegen Menschenkinder zu Schulden kommen lassen.

Abweichend von anderen Affenarten ist er munter bis in die späte Nacht, mindestens so lange, als das Zimmer beleuchtet wird. Das Abendbrod schmeckt ihm am besten, und er kann deshalb nach seiner Ankunft im Zimmer kaum erwarten, daß die Wirtschafterin ihm den Thee bringt. Erscheint dieselbe nicht, so geht er zur Thüre und klopft laut an diese an; kommt jene, so begrüßt er sie mit freudigem »Oh! Oh!«, bietet ihr auch wohl die Hand. Thee und Kaffee liebt er sehr, den ersteren stark versüßt und mit etwas Rum gewürzt, wie er überhaupt alles genießt, was auf den Tisch kommt, und sich auch an Getränken, namentlich an Bier, gütlich thut. Beim Essen stellt er sich auf das Sopha, stützt beide Hände auf den Tisch oder legt sich mit dem einen Arme auf, nimmt mit der einen Hand die Obertasse von der unteren, schlürft mit Behagen den flüssigen Inhalt und geht dann erst zu den eingebrockten Brodstückchen über. So weit er diese erlangen kann, zieht er sie mit den Lippen an sich; geht es auf die Neige, so bedient er sich, da ihm untersagt ist, mit den Händen zuzulangen, des Löffels mit Geschick. Während des Essens zeigt er sich aufmerksam auf alles, was vorgeht, und seine Augen sind ununterbrochen nach allen Seiten gerichtet. Wie andere junge Thiere seiner Art hat er zuweilen natürlich zu erklärende Gelüste, ißt z. B. eine größere Menge Salz, ein Stück Kreide, eine Hand voll Erde; niemals aber habe ich an ihm die abscheuliche Unart, den eigenen Koth zu verschlingen, bemerkt, wie solches an Affen, einschließlich seiner Art- und Sippschaftsgenossen, und ebenso zuweilen an Menschenkindern beobachtet worden ist. Der innige Umgang mit ernst und verständig erziehenden Menschen hat seine Sitten auch in dieser Hinsicht veredelt und vielleicht vorhanden gewesene häßliche Gelüste im Keime erstickt.

Nachdem er gespeist, will er sich in seiner Häuslichkeit noch ein wenig Vergnügen, jedenfalls noch nicht zu Bette gehen. Er holt sich ein Stück Holz vom Ofen oder zieht die Hausschuhe seines Pflegers über die Hände und rutscht so im Zimmer umher, nimmt ein Hand- oder Taschentuch, hängt sich dasselbe um oder wischt und scheuert das Zimmer damit. Scheuern, Putzen, Wischen sind Lieblingsbeschäftigungen von ihm, und wenn er einmal ein Tuch gepackt hat, läßt er nur ungern es sich wieder nehmen. Anfangs sehr unreinlich, hat er sich bald daran gewöhnt, seinen Käfig, das Zimmer und das Bett nicht mehr zu beschmutzen; und wenn er einmal das Mißgeschick hat, in Schmutz zu treten, zeigt er sich sehr verdrießlich, geberdet sich genau wie ein Mensch in gleichem Falle, betrachtet mit entschiedenem Ekel den Fuß, hält ihn so weit als möglich von sich, schüttelt ihn ab und nimmt dann eine Hand voll Heu, um sich damit zu reinigen. Ja, es ist bemerkt worden, daß er letzteres, nachdem es Dienste gethan, zur Thüre seines Käfigs hinauswarf.

Sobald das Licht ausgelöscht wird, legt er sich zu Bette, weil er sich im Dunkeln fürchtet. Er schläft ruhig die Nacht hindurch, streckt und reckt sich aber mitunter, namentlich wenn es ihm zu kalt oder zu warm wird. In schwülen Sommernächten ruht er langgestreckt auf dem Rücken, beide Hände gleichseitig unter den Kopf gesteckt; im Winter hingegen liegt er mehr zusammengekauert. Mit Tageshelle ermuntert er sich und ist von nun an wieder so rege als Tags vorher.

Mit anderen Thieren pflegt er wenig Umgang. Größere fürchtet, kleine mißachtet er. Ein Kaninchen, welches ihm zum Spielen beigegeben wurde, mißhandelte er ebenso wie das erwähnte Weibchen das zu ihm gesetzte Männchen der eigenen Art. Vögel lassen ihn gleichgültig, falls sie nicht in besonders naher Beziehung zu seinem Gebieter stehen, und dadurch seine Theilnahme erregen. In seinem Zimmer befindet sich ein Graupapagei, mit welchem er sich stets zu schaffen macht. So furchtsam er selbst ist, so kann er es doch nicht unterlassen, diesen zu ängstigen. Leise schleicht er an den Bauer heran, hebt plötzlich eine Hand hoch und thut, als ob er seinen Gefährten erschrecken wolle. Dieser aber ist viel zu sehr an ihn gewöhnt, als daß er sich fürchten sollte, und hat für den Schimpanse ergötzlicherweise nur ein verbietendes »Pst! Pst!«, welches er seinem Herrn abgelauscht, zur Antwort. Vor Schlangen und anderen Kriechthieren sowie vor Lurchen hat er eine lächerliche Furcht und geberdet sich ihnen gegenüber fast in derselben Weise wie nervenschwache Frauenzimmer oder verbildete Männer. Schon ihr Anblick verursacht ihm Entsetzen. Zeige ich ihm Krokodile, so ruft er halb ängstlich, halb ärgerlich »Oh! Oh!« und sucht sich schleunigst zu entfernen; lasse ich ihn Schlangen durch eine Glasscheibe betrachten, so stößt er denselben Ruf aus, versucht aber nur ausnahmsweise sich zu entfernen, weil er die Bedeutung des trennenden Glases genau kennt; nehme ich aber eine Schildkröte, Eidechse oder Schlange in die Hand, so eilt er im schnellsten Laufe davon, um sich zu sichern. Alles schlangenähnliche Gethier ist ihm unheimlich.

Heute, während ich diese Zeilen überlese, weilt das vortreffliche Thier nicht mehr unter den Lebenden. Eine Lungenentzündung, welche auf eine Halsdrüsengeschwulst folgte, hat seinem Dasein ein Ende gemacht. Ich habe mehrere Schimpansen krank und einige von ihnen sterben sehen: keiner von allen hat sich in seinen letzten Lebenstagen so menschlich benommen wie dieser eine. Das mehrfach erwähnte Männchen kam ebenfalls krank in Europa an, war, wie ein leidendes Kind in gleicher Lage, eigensinnig, klammerte sich ängstlich an dem ihm zuertheilten Wärter fest oder ruhte bewegungslos auf seinem Lager, den schmerzenden Kopf mit einer oder beiden Händen haltend, verweigerte Arzneien zu nehmen, zeigte sich auch sonst oft unfolgsam und unartig: vorstehend beschriebener Schimpanse, der gesittetste, welchen ich jemals kennen gelernt habe, verleugnete auch während seiner Krankheit die ihm gewordene Erziehung nicht. Er genoß die sorgsamste Pflege mehrerer Aerzte, welche dem Verlaufe der Krankheit mit um so größerer Theilnahme folgten, jemehr sie den Leidenden schätzen lernten, und ich kann deshalb wohl nichts besseres thun, als einen dieser Aerzte, Dr. Martini, anstatt meiner reden zu lassen.

»In meiner Eigenschaft als Arzt machte ich die Bekanntschaft des Schimpanse Ende December bei trübem Winterwetter. Ich zögerte nicht, der auch an mich ergangenen Bitte, dieses Thier zu behandeln, Folge zu leisten; denn die vergleichende Anatomie sprach in vorliegendem Falle dem Menschenarzte größeres Recht als dem Thierarzte für die Behandlung zu. Ich hatte den Schimpanse vordem oft beobachtet und die Ausgelassenheit seines Wesens, das lebhafte Mienenspiel, die rastlose Beweglichkeit und die unbegrenzte Liebe zu seinem Pfleger angestaunt. Um so mehr überraschte mich der Eindruck, welchen der kranke Affe auf mich machte. Bis auf den Kopf in sein Deckbett gehüllt, lag er ruhig und theilnahmlos gegen alles, was um ihn her vorging, auf seinem Lager, den Ausdruck schweren Leidens im Antlitze, von Hustenanfällen geplagt, in oberflächlicher, aber beschleunigter Athmung nach Luft haschend, nur zeitweise unter Schmerzensseufzern die Augen aufwärts schlagend. Wie ein Kind scheute er vor mir, dem ihm unbekannten Manne zurück und machte an diesem Tage eine genauere Untersuchung unmöglich. Letztere gelang erst, nachdem ich während der folgenden Besuche durch Beileidsbezeigungen und freundliches Nähertreten sein Vertrauen mir erworben hatte. Außer bedeutender Schwellung der Lymphdrüsen zu beiden Seiten des Halses ließen sich Veränderungen des Gewebes in beiden Lungenspitzen und eine neuerdings hinzugetretene Entzündung des linken unteren Lungenlappens feststellen. Hierzu kam noch eine eiternde Geschwulst vor und unterhalb des Kehlkopfes, welche nachweislich mit der Drüsenerkrankung im Zusammenhange stand und bereits Kehlkopf und Luftröhre zusammenpreßte, früher oder später also entweder zur Erstickung führen oder zum Durchbruche nach außen oder innen kommen oder, was wahrscheinlicher, ihren Inhalt in den Mittelfellraum senken und dadurch weitere Gefahren hervorrufen mußte. Das beklagenswerthe Geschöpf schien sich dieser Geschwulst als Athmungshindernisses bewußt zu sein; wie bräunekranke Kinder in ihrem Lufthunger nach dem Sitze des Leidens fassen, so führte der Schimpanse meine untersuchende Hand, als erwarte er in dunkler Ahnung von dieser Hülfe, immer und immer wieder zur Halsgeschwulst zurück.

»Nach vorgängiger Berathung mit einem Berufsgenossen wurde die Oeffnung des Senkungsgeschwüres durch einen Schnitt in der Höhe des Kehlkopfes als dringend nothwendig erkannt. Leicht gefunden war dieser Rath, schwierig die Art und Weise der Ausführung. Jede Bewegung des leidenden Thieres während der wundärztlichen Operation konnte dem Messer eine tödtliche oder doch schwer verletzende Richtung geben. Betäubung durch Chloroform war infolge der schweren Erkrankung der Lunge untersagt; Chloralhydrat in einer Gabe von drei Gramm versuchsweise angewandt, bewirkte kaum einen Halbschlummer, nicht aber Bewußtlosigkeit. Nach dreistündigem erfolglosen Warten gingen wir endlich mit Gewalt ans Werk. Vier Männer sollten das Thier festhalten. Umsonst: mit Aufbietung all seiner Kräfte schleuderte der Schimpanse die Leute zur Seite und hörte nicht eher zu toben auf, bis wir die vermeintlichen Peiniger zur Thüre hinausgewiesen hatten. Was durch Zwangsmittel nicht zu erreichen gewesen war, sollte jetzt zu unserem Erstaunen freiwillig gewährt werden. Wieder beruhigt durch gütliches Zureden und Liebkosungen, gestattete der Leidende ohne Widerstreben eine nochmalige Untersuchung der Halsgeschwulst und leitete auch diesmal bittenden Blickes meine Hand. Dies mußte uns ermuthigen, die Operation ohne Hülfe betäubender Mittel und ohne jegliche Fessel zu wagen. Auf dem Schoße seines Pflegers sitzend, beugte der Affe den Kopf rückwärts und ließ sich willig in dieser Stellung festhalten. Die erforderlichen Schnitte waren rasch geführt; das Thier zuckte weder, noch gab es einen Laut des Schmerzes von sich. Eine Menge dünnflüssiger Eiter quoll hervor, und mit seiner Entleerung schwand die Geschwulst. Jetzt trat freiere Athmung ein, obwohl die bestehende Lungenentzündung immer noch eine Vermehrung der Athemzüge bedingte. Ein unverkennbarer Ausdruck der Freude und des Besserbefindens prägte sich in den Zügen des Kranken aus, und dankbar reichte er, unaufgefordert, uns beiden die Hand, beglückt umarmte er seinen Wärter.

»Leider genügte die Beseitigung dieses einen Leidens nicht zur Rettung des Lebens. Die Halswunde heilte, aber die Lungenentzündung griff weiter um sich. So heldenmüthig und verständig das kranke Thier sich während der wundärztlichen Behandlung gezeigt, so willig und folgsam nahm er die ihm gereichten Arzneien, so sanft und geduldig erschien er in seinen letzten Stunden. Er starb, wie ein Mensch, nicht wie ein Thier stirbt.«

Dies sind Beobachtungen, welche ich verbürge, und welche niemand bemäkeln soll. Möge man sich auch den Anschein eines »tiefernsten Denkens« zu geben suchen, um zu beweisen, daß das Thier keinen Verstand besitze: ein solcher Schimpanse wirft alle Ergebnisse jenes tiefernsten Denkens einfach über den Haufen. Nicht aller Mensch, aber sehr viel Mensch ist an ihm!

Tschego ( Anthropopithecus Tschego), jung.

In einem vor kurzem im Dresdener Thiergarten gestorbenen Menschenaffen erkannte ich sofort eine vom Schimpanse und, nach genauerer Prüfung des Hand- und Fußbaues, auch vom Gorilla verschiedene Art, muß mich jedoch außer Stande erklären, dieselbe mit Bestimmtheit zu deuten, d. h. eine der vielen, ausnahmslos aber mangelhaften, unklaren und wirren Beschreibungen auf sie zu beziehen, welche über mehrere, als eigenartig angesehene und wissenschaftlich benannte afrikanische Menschenaffen veröffentlicht wurden. Unter diesen Beschreibungen scheint mir die von Franquet und Duvernoy herrührende, auf einen »Tschego« genannten Menschenaffen begründete, die meiste Berücksichtigung zu verdienen, und nehme ich deshalb keinen Anstand, das von mir gesehene Thier mit besagtem Namen zu bezeichnen. Irre ich mich, so verstoße ich wenigstens nicht gegen den heutigen Stand unserer Kenntnis, glaube im Gegentheile, daß die von mir und Mützel nachstehend gegebene wörtliche wie bildliche Darstellung unter allen Umständen diese Kenntnis fördern helfen dürfte.

Tschego, von vorn.

Der Tschego ( Anthropopithecus Tschego , Troglodytes Tschego), welchen ich Anthropopithecus angustimanus genannt haben würde, ist, wie das höchstens fünfjährige Weibchen des Dresdener Gartens vermuthen läßt, merklich größer als der Schimpanse, vielleicht nur wenig kleiner als der Gorilla. Die dem lebenden und widerstrebenden Thiere entnommenen Verhältnismaße sind folgende. Es beträgt die Höhe des aufrecht stehenden Thieres 110, die Länge von der Oberlippe bis zum Gesäß 94, die des Rückens 53, des Armes bis zur Handwurzel 51,5, des Oberarmes 32, des Unterarmes 29,5, der Hand bis zur Einlenkung der Finger 12, bis zur Spitze des Mittelfingers 26, des Handtellers, bei 7,5 Centim. Breite, 12,5, des Mittelfingers 13, des Daumens und Kleinfingers je 9, des Zeige- und Ringfingers je 12, des Oberschenkels 27, des Unterschenkels 27, des Fußes längs der Sohle, bei 8 Centim. Breite, 22, des Sohlentellers 16,5, der Daumenzehe 10, der zweiten und dritten je 12, der vierten 8, der letzten 5, die Stirnbreite 10, die Ohrhöhe 7, die Ohrbreite 4,5, der Umfang der Brust 70, der Dünnung 55 Centim. Der namentlich im Verhältnisse zum Schimpanse kleine Kopf ruht auf kurzem Halse, zwischen sehr breiten Schultern, welche so hoch gezogen sind, daß die wegen der nackten Kehle leicht erkennbaren Schlüsselbeine in ihrer Richtung der senkrechten sehr nahe kommen; der Leib ist schlank, nach den Hüften zu bedeutend verschmächtigt, der Brustkorb ebenmäßig gerundet, nicht aber wie bei dem Gorilla und Schimpanse von vorn nach hinten zusammengedrückt, der Bauch eingezogen, wenigstens nicht vorgewölbt, der Leib überhaupt durchaus anders, weil verhältnismäßig länger, in der Schultergegend viel breiter, in der Hüftengegend weit schmäler als beim Schimpanse gebaut. Die vergleichsweise langen Arme sind sehr kräftig, die Hände ungemein schlank und schmal, bei gleicher Länge mit einer großen Manneshand nur so breit wie diese ohne den letzten Finger; der weit zurückstehende Daumen ist lang, aber merklich schwächer als die übrigen, unter sich ziemlich gleichmäßig entwickelten, kräftigen, jedoch nicht dicken, wie bei Mensch und Schimpanse nur durch kurze Bindehäute vereinigten Finger, unter denen die beiden mittelsten durch ihre Stärke hervortreten; die Nägel ähneln bis auf dem etwas mehr gewölbten des Kleinfingers denen der Menschenhand, sind aber ebenfalls kleiner als hier. Die kräftigen Beine scheinen verhältnismäßig länger zu sein als bei irgend einem anderen bekannten Menschenaffen; die wohlgestalteten Füße, welche schwache Knöchel, aber eine ziemlich entwickelte Ferse zeigen, sind sehr gestreckt, die mittleren Zehen fast bis zum Ursprunge des ersten Gelenkes frei, und von der langen und starken Daumenzehe weit getrennt. Am Kopfe, welcher sich außer seiner geringen Größe auch durch Schmalheit auszeichnet, fallen namentlich die sehr stark vortretenden, mit dicker, runzeliger Haut überdeckten Augenbrauenwülste und die ziemlich großen, abstehenden, ein kleines Läppchen tragenden Ohren auf. Erstere verleihen, weil sie die kleinen, lebhaften, braunen, rundsternigen, von vielen Falten umgebenen Augen zurücktreten lassen, dem Gesichte einen Ausdruck eigenthümlicher Wildheit; letztere ähneln denen des Schimpanse, weichen also mehr von denen des Menschen ab als die des Gorilla. Die Nase ist sehr flachgedrückt, der Nasenrücken kurz, in der Mitte durch eine tiefe Längsfurche getheilt, die Nasenspitze flach gerundet, die Nasenscheidewand beträchtlich vorgezogen, jeder Nasenflügel wulstig verdickt, wodurch die erwähnte Wildheit des Gesichtausdruckes sich steigert. Von der Nasenwurzel bis zum Rande der Oberlippe bildet der Umriß des Gesichtes eine fast gerade Linie und mit dem von den Lippen aus merklich zurücktretenden Kinne einen stumpfen Winkel. Die wie das Gesicht vielfach gefalteten, sehr dünnen, weit gespaltenen Lippen sind überaus beweglich und lassen sich noch bedeutend weiter vorstrecken als die des Schimpanse. Zwischen den breiten, aber flachen Backen und dem Maule tieft sich eine Grube ein; eine andere befindet sich am hinteren Mundwinkel. Gesicht, und der größte Theil des Vorderkopfes überhaupt, Ohrgegend, Kinn und Kehle, ein schmaler Hof um die Brustwarzen, Handteller und Fußsohlen, Finger und Zehen sowie die Mitte des Gesäßes sind nackt oder doch nur sehr spärlich, auch die Innenseite der Glieder, Brust, Bauch und Hinterrücken dürftig oder dünn bekleidet. Die im allgemeinen dunkel lederbraun gefärbte Haut geht auf der Gesichtsmitte, zwischen Augen, Jochbogen und Lippe, in tiefes Schwarz über, welches auch auf den Brauenbogen noch zur Geltung gelangt, hier jedoch nicht das sammetige Gepräge zeigt wie im Gesichte. Finger und Zehen, Handteller und Fußsohlen sehen blaugrau aus. Die Behaarung entwickelt sich im Gesichte zu einem an den Schläfenleisten beginnenden, über die hintere Wangengegend verlaufenden, auch die vordere Kehlgegend bekleidenden, schmalen Backenbarte, bildet auf der Mitte des Scheitels einen nach hinten sich verbreiternden Längsstreifen, verlängert sich nur auf Hinterkopf und Nacken, Oberrücken und Schultern ein wenig, richtet sich im allgemeinen von vorn nach hinten oder oben und unten, aus dem Unterarme jedoch umgekehrt von der Handwurzel nach dem Elnbogen, am Oberschenkel nach der Hinterseite, ist vollkommen schlicht, glatt, glänzend und, mit alleiniger Ausnahme einiger graulichen Härchen am Kinne und einiger weißlichen am Gesäße, schwarz gefärbt, besitzt aber einen schwachen blauen Schimmer und spielt daher etwas in letztere Färbung.

Tschego, von der Seite.

Wie weit der Verbreitungskreis des Tschego sich erstreckt, wissen wir nicht. Wahrscheinlich ist er mit einer der beiden, von Du-Chaillu aufgestellten, aber ungenügend beschriebenen Arten, dem Kulukamba oder dem Nschiëgo-Mbuwe gleichartig. Das vorstehend abgehandelte Weibchen stammte von der Loangoküste und war in Majumba erworben worden. Bei seiner Ankunft in Dresden mochte es etwa zwei Jahre alt sein, wuchs aber so rasch heran, daß es bald jeden gleichaltrigen Schimpanse an Größe übertraf.

Eine eingehende Schilderung des Betragens dieses Tschego würde kaum mehr als eine Wiederholung der vorstehend vom Schimpanse gegebenen Mittheilungen sein. Begabungen und Eigenschaften, Sitten und Gewohnheiten, Wesen und Gebaren beider so nah verwandten Thiere schienen, so viel ich wahrnehmen konnte, in allen wesentlichen Zügen durchaus übereinzustimmen, etwaige Abweichungen nur die Folge der verschiedenen Erziehung zu sein.

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