Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Bergflatterer ( Meteorus).

Wasserfledermaus ( Brachyotus Daubentonii).

Die Gruppe der Abendflatterer ( Vesperugo), aus welcher man neuerdings ebenfalls verschiedene Sippen gebildet hat, kennzeichnet sich durch von einander getrennte, vorn abgerundete, verhältnismäßig kurze, dickhäutige, fleischige, dunkelfarbige Ohren mit breiten, abgerundeten, auf der Innenseite ausgeschnittenen, außen winkelig vorspringenden Ohrendeckeln, schlanke, ziemlich lange, dickhäutige Flügel mit Sporenlappen und etwas mehr als leibeslangen Schwanz. Das Gebiß besteht aus 32 bis 34 Zähnen und zwar oben zwei Vorderzähnen in jedem Zwischenkieferaste, unten sechs geschlossenen Schneidezähnen und außer den Eckzähnen oben jederseits einen oder zwei einspitzigen und drei vielspitzigen, im Unterkiefer zwei einspitzigen und drei vielspitzigen Backenzähnen.

Das theilnahmswertheste Mitglied der Sippe der Bergflatterer ( Meteorus), welche sich durch 32 Zähne und den oben etwas verbreiterten, mit der Spitze nach vorn gerichteten Ohrdeckel kennzeichnet, ist die Umber- oder Wanderfledermaus ( Meteorus Nilsonii, Vesperus, Vesperugo und Aristippe Nilsonii, Vespertilio borealis und brachyotus), eine mittelgroße Art von 10 Centim. Leibes-, bei 4,0 Centim. Schwanzlänge und 26 Centim. Flugweite, oberseits dunkelschwarzbraun, unterseits etwas heller, in der Jugend dunkler und unreiner als im Alter gefärbt. Die dickhäutigen Ohren und Flughäute sind dunkelbraunschwarz, die Haare überall zweifarbig, an der Wurzel dunkelschwarzbraun, an der Spitze lichtbraungelblich, unterseits fahlbräunlich. »Die lichten Haarspitzen der Oberseite«, sagt Blasius, »liegen wie ein lichter Goldreif auf dem schwarzbraunen Grunde und geben dem Pelze ein eigenthümliches Ansehen.

»Diese Art hat eine eigenthümliche Verbreitung. Nilsson erhielt sie von den Höhen der skandinavischen Halbinsel und vermuthet, daß sie bis in die Nähe des Polarkreises hinauf vorkomme. Ich habe sie im nördlichen Rußland, wo sie bis in die Nähe des Weißen Meeres vorzudringen scheint, und aus dem mittleren Ural und Altai erhalten; auch ist sie in Petersburg, in Finnland, den Ostseeprovinzen und in Kopenhagen beobachtet worden.« Blasius meinte, daß die einzigen Standorte in Deutschland der Harz und Ostpreußen seien, und daß unsere Fledermaus im Harzgebirge die Südgrenze ihres Verbreitungsgebietes erreiche; Kolenati aber fand sie auch in Mähren und Schlesien, in Oberfranken und anderen Gegenden Bayerns vor, und Blasius selbst erhielt sie später aus den Alpen. »Ihre nordische Natur«, fährt letzterer fort, »bewahrt sie auch darin, daß sie nur die Höhen, nirgends die Ebenen am Fuße der Gebirge bewohnt. Sie kommt kurz nach Sonnenuntergang zum Vorscheine und fliegt an Waldrändern, lichten Waldstellen, doch auch gern in der Nähe der Häuser und in den Straßen umher und verläßt ihr Jagdrevier erst in der Morgendämmerung wieder, hat große Ausdauer und Gewandtheit im Fluge, bewegt sich rasch und mit leichtem Flügelschlage und stürzt oft mit plötzlichen Wendungen auf ihren Raub los. Keine der einheimischen Arten ist so wenig empfindlich gegen Wind und Wetter.« Zu ihrem Winteraufenthalte sucht sie geschützte Winkel und Löcher in Häusern, besonders in Holzgebäuden auf, hängt sich aber, laut Kolenati, nicht auf, sondern zwängt sich in Ritzen ein, aus denen nur die Schnauzenspitze hervorragt. Der Winterschlaf scheint fast ununterbrochen zu sein, obwohl sie im Frühjahre mit dem ersten milden Tage wieder zum Vorscheine kommt. Nach den bis jetzt gegen Ende Mai's und anfangs Juni erhaltenen Weibchen muß man schließen, daß sie in der Regel zwei Junge zur Welt bringt.

»Nach dem«, schließt Blasius, »was ich über diese Art im Norden von Rußland, wo sie die einzige vorkommende Fledermaus ist, erfahren habe, scheint sie, gleich den Zugvögeln, mit ihrem Aufenthalte für verschiedene Jahreszeiten auf große Entfernungen hin zu wechseln. Daran, daß sie von der Breite der Ostseeprovinzen bis in die Nähe des Weißen Meeres ziemlich überall verbreitet ist, scheint man nicht zu zweifeln; doch sieht man sie im Frühjahre und zu Anfange des Sommers nirgends in den nördlichen Gegenden ihres Verbreitungsbezirkes. Darin stimmen die Aussagen der Nordrussen und meine eigenen Beobachtungen vollkommen überein. Ich habe im Norden von Rußland manche Nacht im Freien zugebracht und nie eine Fledermaus gesehen, obwohl mir aus denselben Gegenden im Spätsommer gefangene Thiere zugeschickt wurden. Erst im August, mit dem Eintritt der längeren, dunkleren Rächte, wird sie in den nördlichen Breiten sichtbar. Es scheint als ob die tageshellen kurzen Juni- und Julinächte einen früheren Aufenthalt im Norden nicht zuließen, dagegen diese Thiere theilweise in der zweiten Hälfte des Sommers, nachdem die Jungen hinreichend erwachsen sind, wandernd an die Nordgrenze ihrer Verbreitung hinaufziehen. Daß dabei Länderstrecken von zehn Breitengraden durchzogen werden, scheint klar zu sein. Außer dem Renthiere, das fast dieselben nördlichen Gegenden bewohnt, ist kein Säugethier bekannt, welches regelmäßig jährlich so große Strecken durchwandert.«

*


 << zurück weiter >>