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Pardel ( Leopardus.

Die schönsten Mitglieder der schönen Katzenfamilie sind die Pardel ( Leopardus ), große oder mittelgroße Katzen mit kurzhaarigem, sehr buntem, durch gesäumte, d. h. ringförmig einen Hof umschließende oder durch volle Flecken gezeichneten Fell, ohne Mähne, Quasten und Pinsel an irgend einer Stelle, mit kurzen Ohren und schönen großen, rundsternigen, leuchtenden Augen. Sie bewohnen die alte und die neue Welt und stimmen in ihrem Leben, ihren Lebensverhältnissen und Sitten im wesentlichen mit einander überein.

Unter ihnen steht das gefürchtetste aller Raubthiere der neuen Welt, der Jaguar oder die Unze ( Leopardus Onza, Felis onza, panthera), als das größte und stärkste Mitglied der Gruppe obenan. Wir kennen ihn schon aus den ersten Nachrichten, welche uns über Amerika zugekommen sind; doch hat auch jetzt noch immer fast jeder Reisende etwas über ihn zu berichten.

Jaguar ( Leopardus Onza).

Daß bei den Beschreibungen viele Fabeln unterlaufen, ist leicht erklärlich: letztere beweisen eben nur die Furchtbarkeit, oder besser noch das Ansehen, in welchem das Thier bei den einheimischen und eingewanderten Amerikanern steht. Durch Azara, Humboldt, Prinz von Wied und vor allem durch Rengger sind wir mit ihm genau bekannt geworden.

Der Jaguar steht hinsichtlich seiner Größe wenig hinter dem Tiger zurück und übertrifft somit alle übrigen Mitglieder der Familie, selbstverständlich noch mit Ausnahme des Löwen. Seine Gestalt zeigt mehr den Ausdruck von Kraft als von Gewandtheit und erscheint etwas schwerfällig. Der Körper ist nicht so lang wie der des Leoparden oder Tigers, und die Gliedmaßen sind im Verhältnis zum Rumpfe kürzer als bei jenen Katzen. Ein vollkommen erwachsener Jaguar mißt nach Rengger 1,45 Meter von der Schnauzenspitze bis zur Schwanzwurzel und 68 Centim. von hier bis zur Schwanzspitze; Humboldt berichtet aber auch von einzelnen, welche mindestens ebenso groß wie der Königstiger waren. Am Wiederriste wird die Unze etwa 80 Centim. hoch, etwas darüber oder darunter. Der Pelz ist kurz, dicht, glänzend und weich, an der Kehle, dem Untertheile des Halses, der Brust und dem Bauche länger als an dem übrigen Körper. Die Färbung ändert vielfach ab, ebenso wohl was die Grundfarbe als was die Fleckenzeichnung anbelangt. Bei den meisten ist jene röthlichgelb, ausgenommen im Inneren des Ohres, an der unteren Schnauze, den Kinnladen, der Kehle und der übrigen Unterseite sowie an der Innenseite der vier Beine, wo Weiß vorherrscht. Das Fell ist überall gezeichnet, theils mit kleineren schwarzen, kreisförmigen, länglich oder auch unregelmäßig gestalteten Flecken, theils mit größeren Flecken und Ringen, welche gelblichroth und schwarz umrandet sind und in ihrer Mitte einen oder zwei schwarze Punkte tragen. Die vollen Flecken befinden sich besonders am Kopfe, am Halse, an der Unterseite des Leibes und an den Gliedmaßen, sind da, wo die Grundfarbe weiß ist, spärlicher, aber größer und unregelmäßiger als an den übrigen Theilen und bilden zuweilen an der inneren Seite der Beine Querstreifen. Auch an der hinteren Körperhälfte sind sie größer als an der vorderen, und am hinteren Dritttheile des Schwanzes, welches schwarz ist, bilden sie zwei bis drei volle, d. h. um den Ober- und Untertheil des Schwanzes sich ziehende Ringe. Bei allen Abänderungen findet sich immer ein schwarzer Flecken an jedem Mundwinkel und ein anderer mit einem weißen oder gelben Punkte in der Mitte an dem hinteren Theile des Ohres. Auf dem Rücken fließen die unregelmäßigen Streifen, welche auf dem Kreuze sich in zwei theilen, zusammen; an den Seiten des Körpers bilden sie mehr oder minder gleichlaufende Reihen. Etwas genaueres läßt sich nicht sagen, denn man findet kaum zwei oder drei Felle, welche durchaus gleichmäßig gezeichnet sind. Der weibliche Jaguar hat im allgemeinen etwas blässere Färbung als der männliche, auch weniger ringförmige Flecken am Halse und auf den Schultern, dafür aber mehr und deshalb natürlich kleinere an den Seiten des Leibes. Eine schwarze Spielart ist nicht allzuselten. Das Fell hat bei ihr so dunkle Färbung, daß die schwarzen Flecken wenig sich abheben. Ein allgemein verbreiteter Glaube schreibt, laut Hensel, ungerechtfertigter Weise solchen schwarzen Jaguars besondere Wildheit zu.

Der Name Jaguar stammt aus der Sprache der Guaraner, welche das Thier »Jaguarette«, d. h. »Körper des Hundes« nennen. Bei den Spaniern heißt er Tiger, bei den Portugiesen gemalte Onze oder Unze; und unter diesem Namen wird er auch oft von den Reisebeschreibern erwähnt. Sein Verbreitungskreis reicht von Buenos-Ayres und Paragay durch ganz Südamerika bis nach Mejiko und in den südwestlichen Theil der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Am häufigsten findet er sich in den gemäßigten Theilen von Südamerika, längs der Ströme Panama, Paragay und Urugay, am seltensten in den Vereinigten Staaten, wo ihn der vordringende Weiße mehr und mehr verdrängt. Gegenwärtig ist er überall weit seltener, als er es früher war, auch schon weit seltener als zu Ende des vorigen Jahrhunderts, um welche Zeit, wie Humboldt angibt, alljährlich noch zweitausend Jaguarfelle nach Europa gesandt wurden. Er bewohnt die bewaldeten Ufer der Ströme, Flüsse und Bäche, den Saum der Waldungen, welche nahe an Sümpfen liegen, und das Moorland, wo über zwei Meter hohe Gras- und Schilfarten wachsen. Auf offenem Felde und im Inneren der großen Wälder zeigt er sich selten und nur, wenn er aus einer Gegend in die andere zieht. Wo ihn die Sonne überrascht, legt er sich nieder, im Dickichte des Waldes oder im hohen Grase, und verweilt dort den Tag über. In den größeren Steppen, zumal in den Pampas von Buenos-Ayres, wo ihm die Wälder mangeln, verbirgt er sich, laut Azara, im hohen Grase oder in den unterirdischen Höhlen, welche die dort sich umhertreibenden wilden oder verwilderten Hunde anlegen. Manchmal benutzt er eine verlassene Indianerhütte zeitweilig zu seiner Wohnung. »Ein Indianer«, erzählt Humboldt, »fand, als er seine Hütte wieder aufsuchte, dieselbe von einem Jagnarweibchen und dessen beiden Jungen besetzt. Die Thiere hatten seit mehreren Monaten sich hier aufgehalten, und es gelang dem Eigenthümer erst nach langem Kampfe sie herauszubringen.«

In der Morgen- und Abenddämmerung, oder auch bei hellem Mond- und Sternenscheine, nie aber in der Mitte des Tages oder bei sehr dunkler Nacht, geht der Jaguar auf Raub aus. Alle größeren Wirbelthiere, deren er habhaft werden kann, bilden seine Nahrung. Er ist ein in jeder Hinsicht furchtbarer Räuber. So plump sein Gang auch erscheint, so leicht und geschwind kann er im Falle der Noth sich bewegen. Seine Kraft ist für ein Thier von seinem Wuchse außerordentlich groß und kann nur mit der des Tigers und des Löwen verglichen werden. Die Sinne sind scharf und gleichmäßig ausgebildet. Das unstäte Auge, welches in der Nacht oft leuchtet, ist lebendig, wild und scharf, das Gehör vortrefflich, der Geruch aber, wie bei allen Katzen, nicht eben besonders entwickelt; doch vermag er immerhin noch eine Beute auf gewisse Entfernung zu wittern. So erscheint er leiblich vollkommen ausgerüstet, um als äußerst gefährliches Raubthier auftreten zu können. Er ist kein Kostverächter. Azara fand in seinem Kothe die Stacheln eines Stachelschweins, Rengger im Magen Theile von Ratten und Agutis, woraus hervorgeht, daß er auch auf kleinere Thiere Jagd machen muß. Ebenso beschleicht er im Schilfe Sumpfvögel und versteht Fische sehr gewandt aus dem Wasser zu ziehen. Ja, es unterliegt keinem Zweifel, daß er sogar den Kaiman nicht verschont, obschon die nachstehende Angabe Hamiltons als ein albernes Märchen angesehen werden muß: »Jaguar und Alligator sind Todfeinde und leben in beständigem Kriege mit einander. Wenn der Jaguar den Alligator auf den heißen Sandbänken schlafend antrifft, packt er ihn unterhalb des Schwanzes, wo er weiche und verwundbare Theile hat. Die Bestürzung des Alligators ist dann so groß, daß er nicht leicht an Flucht oder Gegenwehr denkt. Gelingt es dagegen dem Alligator, den Feind im Wasser, seinem eigentlichen Elemente, zu überfallen, so ist er im Vortheile; gewöhnlich glückt es ihm dann, den Jaguar zu ersäufen, worauf er ihn frißt. Der Jaguar, seine Ohnmacht im Wasser wohl erkennend, erhebt, wenn er durch einen Fluß schwimmen will, zuvor am Ufer ein fürchterliches Geheul, um die etwa in der Nähe befindlichen Alligatoren zu verscheuchen.« Man braucht eben nicht Naturforscher zu sein, um die Abgeschmacktheit solcher Erzählungen zu erkennen und sie ohne weiteres zu widerlegen. Daß die Unze Kriechthiere verzehrt, ist nach den Beobachtungen von Humboldt, des Prinzen von Wied und Bates nicht in Abrede zu stellen. »Der Jaguar«, sagt Humboldt, »der grausamste Feind der Arrua-Schildkröte, folgt dieser an die Gestade, wo sie ihre Eier legt. Er überfällt sie auf dem Sande und, um sie bequemer verzehren zu können, wendet er sie um. Die Schildkröte kann sich nicht wieder aufrichten, und weil der Jaguar ungleich mehr derselben mordet, als er in einer Nacht frißt, so benutzen die Indianer öfters seine List zu ihrem Vortheile. Man kann übrigens die Gewandtheit der Pfote des Tigers nicht genug bewundern, die den gedoppelten Panzer der Schildkröte ausleert, als wären die Muskularbande mit einem chirurgischen Instrumente gelöst worden.« Prinz von Wied bestätigt diese Angabe. »Die rein ausgeleerten Panzer der Waldschildkröte«, so erzählt er, »findet man häufig in den großen Wäldern, und die brasilianischen Jäger wenigstens behaupten, daß es die Unze gethan habe. Oefters waren diese Schalen der Schildkröte ausgeleert, wahrscheinlich mit den Klauen, und dabei übrigens nicht beschädigt, öfters aber ein Theil des Panzers weggebissen.« Auch der Hamilton'schen Erzählung liegt ein Körnlein Wahrheit zu Grunde. Der glaubwürdige Bates sah bei einem Jagdausfluge eine frische Jaguarfährte an einem Tümpel mit sehr schlammigen, frisch aufgerührtem Wasser, hörte bald darauf das Rauschen der Gebüsche, in denen das gestörte Raubthier verschwand und fand einige Schritte weiter hin die Ueberreste eines bis auf den Kopf, das Vordertheil und die Panzerhaut aufgefressenen Alligators. Das Fleisch war noch ganz frisch und um den Leichnam herum die Fährte des Jaguar deutlich erkennbar; es konnte also keinem Zweifel unterliegen, daß der Alligator der Unze zum Frühstücke gedient hatte.

»Für einen geübten Jäger«, sagt Rengger, »ist es nichts seltenes, den Jaguar auf seinen Jagden beobachten zu können, besonders längs der Ströme. Man sieht ihn dann langsam und leisen Schrittes nach dem Ufer heranschleichen, wo er insbesondere den größeren Halbhufern oder Wasserschweinen und den Fischottern nachstellt. Von Zeit zu Zeit bleibt er wie horchend stehen und sieht aufmerksam um sich; niemals aber konnte ich bemerken, daß er, durch den Geruch geleitet, mit zur Erde gestreckter Nase die Spur eines Wildes verfolgt hätte. Hat er z. B. ein Meerschweinchen bemerkt, so ist es unglaublich, mit welcher Geduld und Umsicht er demselben sich zu nähern sucht. Wie eine Schlange windet er sich auf dem Boden hin, hält sich dann wieder Minuten lang ruhig, um die Stelle seines Opfers zu beobachten, und macht oft weite Umwege, um diesem von einer anderen Seite, wo er weniger bemerkt werden kann, beizukommen. Ist es ihm gelungen, ungesehen dem Wilde sich zu nähern, so springt er in einem, selten in zwei Sätzen auf dasselbe hin, drückt es zu Boden, reißt ihm den Hals auf und trägt das noch im Todeskampfe sich sträubende Thier im Munde in das Dickicht. Oefters aber verräth ihn das Knistern der unter seinem Gewichte brechenden dürren Reiser, ein Geräusch, auf welches auch die Fischer achten, wenn sie abends am Ufer des Stromes ihr Nachtlager aufschlagen, oder die Wasserschweine wittern ihn von ferne und stürzen sich mit einem lauten Schrei ins Wasser. Man will übrigens Jaguare gesehen haben, welche hinter den Thieren her ins Wasser sprangen und sie im Augenblicke des Untertauchens erhaschten. Hat er seinen Sprung auf das Wild verfehlt, so geht er sogleich und wie beschämt schnellen Schrittes weiter, ohne sich nur umzusehen. Im Augenblicke, wo er ein Thier beschleicht, ist seine Aufmerksamkeit so sehr auf dasselbe gerichtet, daß er nicht achtet, was um ihn her vorgeht und sogar starkes Geräusch nicht wahrnimmt. Kann er dem Wilde nicht sich nähern, ohne bemerkt zu werden, so legt er sich im Gebüsche auf die Lauer. Seine Stellung ist alsdann die einer Katze, welche auf eine Maus paßt, niedergeduckt, doch zum Sprunge fertig, das Auge unverwandt nach dem Gegenstande seiner Raubgier gerichtet und nur den ausgestreckten Schwanz hin und wieder bewegend. Aber nicht immer geht der Jaguar dem Wilde nach, oft versteckt er sich bloß in das Röhricht der Sümpfe und am Ufer kleinerer Bäche und erwartet hier ruhig die zur Tränke gehenden Thiere. Auf Bäumen lauert er niemals, obgleich er sehr gut klettert.«

In Viehherden richtet der Jaguar bedeutenden Schaden an. Er stellt besonders dem jungen Hornvieh, den Pferden und Mauleseln nach. Azara behauptet, daß er diese Thiere in ganz außergewöhnlicher Weise tödte, indem er auf den Hals seiner Beute springe, eine Klaue in den Nacken oder an das Gehörn setze, mit der anderen die Spitze der Schnauze packe und den Kopf so schnell herumdrehe, daß er seiner Beute augenblicklich das Genick breche. Rengger hat dies nie beobachtet und auch bei todten Thieren keine Spur davon auffinden können. »Im Gegentheil«, fährt er fort, »habe ich immer bemerkt, daß der Jaguar seiner Beute, wenn sie in einem großen Thiere besteht, den Hals aufreißt oder, wenn sie nur ein kleines Thier ist, durch einen Biß im Nacken tödtet. Stiere und Ochsen greift er selten und nur in der Noth an; sie gehen muthvoll auf ihn los und verscheuchen ihn. In Paragay hört man zuweilen sonderbare Erzählungen von solchen Kämpfen, und mehrmals sollen Menschen durch den Muth eines Stieres gerettet worden sein. Die Kühe sogar vertheidigen ihr Junges mit Vortheil gegen den schlimmen Feind, werden aber dabei immer schwer verwundet. Daß sie bei dessen Annäherung sich in einen Kreis stellten und die Jungen in die Mitte nähmen, wie hier und da erzählt wird, ist ein Märchen; die ganze Herde zieht sich im Gegentheil sogleich ins offene Feld zurück, wenn ihr ein Jaguar naht, und bloß die Stiere und Ochsen bleiben unter Gebrüll, mit ihren Hörnern und Füßen die Erde aufwerfend, kampflustig in der Nähe des Feindes. Pferde und Maulesel werden ihm zur leichten Beute, wenn sie den Wäldern sich nähern. Die ersteren suchen noch hier und da durch die Flucht sich zu retten; die Maulesel aber werden durch den bloßen Anblick des Thieres so geschreckt, daß sie ohne Bewegung bleiben oder gar zu Boden stürzen, ehe sie noch angefallen werden. Dagegen haben sie einen weit feineren Geruch als die Pferde, wittern den Feind bei günstigem Wetter von weitem und setzen sich somit weniger der Gefahr aus. Bloß Hengste sollen durch Beißen und Schlagen gegen den Jaguar sich vertheidigen, wenn sie nicht schon durch den ersten Sprung zu Boden geworfen werden.«

Der Jaguar erhascht seine Beute ebenso wohl im Wasser wie auf dem Lande. Man hat viel gefabelt über die Art und Weise, wie er sich Fische zu verschaffen weiß. So soll er, um nur ein Beispiel dieser Fabelei anzuführen, die Fische durch den Schaum seines Speichels oder indem er mit seinem Schwanze auf die Oberfläche des Wassers schlägt an sich heranlocken. »Ein verständiger Jäger aber«, sagt Rengger, »dem ich manche gute Beobachtungen und manchen guten Rath für meine Reisen verdanke, belehrte mich eines besseren, und eigene Beobachtungen bestätigten mir später die Wahrheit seiner Aussage. Als ich an einem schwülen Sommerabende von der Entenjagd in meinem Nachen nach Hause fuhr, bemerkte mein Begleiter, ein Indianer, am Ufer des Stromes einen Jaguar. Wir näherten uns demselben und versteckten uns hinter die überhängenden Weidenbäume, um sein Treiben zu beobachten. Zusammengekauert saß er an einem Vorsprunge des Ufers, wo das Wasser einen etwas schnellen Lauf hatte, dem gewöhnlichen Aufenthalte eines Raubfisches, welcher im Lande »Dorado« heißt. Unverwandt richtete er seinen Blick aufs Wasser, indem er sich hin und wieder vorwärts bog, wie wenn er in die Tiefe spähen wollte. Etwa nach einer Viertelstunde sah ich ihn plötzlich mit der Pfote einen Schlag ins Wasser geben und einen großen Fisch ans Land werfen. Er fischt also ganz auf gleiche Art wie die Hauskatze.«

Hat der Jaguar ein kleines Thier erlegt, so zehrt er dasselbe mit Haut und Knochen sogleich auf; von großer Beute aber, wie von Pferden, Rindern und dergleichen frißt er bloß einen Theil, ohne Vorliebe für dieses oder jenes Stück des Körpers zu zeigen; nur die Eingeweide berührt er alsdann nicht. Nach der Mahlzeit zieht er sich in den Wald zurück, entfernt sich aber in der Regel nicht weiter als eine Viertelstunde von der Stelle, wo er fraß, und überläßt sich dann dem Schlafe. Des Abends oder des anderen Morgens kehrt er zu seiner Beute zurück, zehrt zum zweiten Male davon und überläßt nunmehr den Rest den Geiern. Diese machen ihm, wie Humboldt beobachtete, auch schon während seiner Mahlzeiten die Beute streitig. »Unweit San Fernando sahen wir den größten Jaguar, der uns auf unserer ganzen Reise vorkam. Das Thier lag im Schatten hingestreckt und stützte eine seiner Tatzen auf ein eben erlegtes Wasserschwein. Eine Menge Geier hatten sich um diesen amerikanischen Thierkönig versammelt, um, wenn derselbe etwas von seiner Mahlzeit übrig ließe, solches zu verzehren. Sie näherten sich dem Jaguar wohl bis auf zwei Fuß; aber die mindeste Bewegung desselben schreckte sie stets wieder zurück. Das Plätschern unserer Ruder bewog ihn, langsam aufzustehen und sich in die Gebüsche zurückzuziehen. Die Geier benutzten den Augenblick, um das Wasserschwein zu verzehren; allein der Tiger sprang mitten unter sie und trug seine Mahlzeit zürnenden Blickes in den Wald.«

Mehr als zweimal frißt der Jaguar, nach Renggers Angabe, nicht von einem getödteten Thiere, noch weniger würde er ein Aas berühren. In der Regel kehrt er, nachdem er sich gesättigt hat, überhaupt nicht wieder zum Raube zurück. Hat er seinen Fang in einiger Entfernung vom Walde gemacht, so schleppt er das erlegte Thier, es mag auch noch so schwer sein, dem Gebüsche zu. Unter Umständen trägt er eine schwere Beute sogar über einen Fluß hinweg. Nahe bei Azara's Wohnung tödtete ein Jaguar ein Pferd, schleifte dasselbe sechszig Schritte über einen Brachacker hinweg, sprang dann mit ihm in einen tiefen und reißenden Fluß und brachte es auf der entgegengesetzten Seite in Sicherheit. Andere Reisende wollen beobachtet haben, daß er von zwei zusammengekoppelten Mauleseln oder Pferden eines getödtet und das todte Thier trotz dem Sträuben des lebenden eine große Strecke Wegs fortgeschleppt habe. Niemals tödtet die Unze mehr als ein Stück Vieh auf einmal und unterscheidet sich hierdurch sehr zu ihrem Vortheile von anderen größeren Katzenarten. Wahrscheinlich ist der Grund darin zu suchen, daß sie das Fleisch dem bloßen Blute vorzieht.

Ein Jaguar, welcher den Menschen nicht kennen gelernt hat, weicht ihm, wenn er ihm begegnet, ehrfurchtsvoll aus oder sieht ihn neugierig aus der Ferne an. »Nicht selten«, sagt Rengger, »stießen wir während unserer Reise in die Wildnis des nördlichen Paragay auf eine oder mehrere Unzen, welche entweder in das Dickicht des Waldes flohen oder sich am Saume niedersetzten und unseren Zug kaltblütig von weitem betrachteten. Es ist ohne Beispiel, daß in den unbewohnten Waldungen, wo das Paragaykraut gesammelt wird, ein Mensch von einem Jaguar zerrissen worden ist. Diejenigen Unzen aber, welche in bewohnten Gegenden oder an Flüssen, wo viel Schifffahrt getrieben wird, sich aufhalten, verlieren gar bald die Scheu vor dem Menschen und greifen auch ihn an. Hat ein Jaguar einmal Menschenfleisch gekostet, so wird ihm dies zur liebsten Speise, und nun fällt er nicht nur den Menschen an, wenn er von ungefähr auf ihn stößt, sondern er sucht ihn sogar gierig auf. Man hat jährlich der Beispiele genug, daß unvorsichtige Schiffer von diesen Thieren zerrissen werden. Der allgemeinen Sage nach sollen sie des Nachts auf die an das Ufer angebundenen Fahrzeuge sich gewagt und aufgehängtes Fleisch oder Hunde weggeschleppt, ja selbst Matrosen tödtlich verwundet haben; gewöhnlich aber büßen die Menschen nur durch Unvorsichtigkeit ihr Leben ein: die Vorsichtigen wissen regelmäßig sich zu retten. So laufen die Besuche, welche die Raubthiere den Fischern abstatten, während sie bei widrigem Winde ihre Abendmahlzeit bereiten, gewöhnlich unblutig ab, weil die Schiffer beim geringsten Geräusche an Bord sich flüchten. Sie überlassen dem Jaguar das am Feuer bratende Fleisch, und dieser nimmt damit gewöhnlich auch gern vorlieb. Daß er das Feuer keineswegs scheut, ist ganz sicher.« Humboldt erfuhr letzteres wiederholt. »Wir bemerkten zu unserer Ueberraschung«, sagt er, »daß die Jaguare hier unsere Feuer nicht scheueten. Sie schwammen über den Flußarm, welcher uns vom Lande trennte, und am Morgen hörten wir sie ganz in unserer Nähe brüllen.« An einer anderen Stelle seines Reisewerkes berichtet er, daß ein Jaguar den treuen Hund der Gesellschaft so zu sagen zwischen den Lagerfeuern herausholte und wegschleppte. Der Hund hatte abends, als er die Unze brüllen hörte, unter der Hängematte seines Gebieters Schutz gesucht und war am nächsten Morgen doch verschwunden.

Azara behauptet, daß der Jaguar, wenn er einen Trupp schlafender Menschen anträfe, erst die Neger oder die Indianer und nur nachher die Weißen tödte. Dies ist, wie Rengger berichtet, ein Irrthum. Der Jaguar mordet, gleich wie bei den Thieren, nie mehr als einen Menschen auf einmal, wenn er nämlich nicht sich vertheidigen muß. Soviel aber ist richtig, daß er vorzugsweise den Neger, Mulatten oder Indianer anfällt und den Farbigen dem Weißen vorzieht. Dies geht so weit, daß in Paragay ein Weißer, welcher unter freiem Himmel an einem gefährlichen Orte die Nacht zubringen muß, sich für ganz sicher hält, wenn er Schwarze oder Indianer zu Begleitern hat. Wahrscheinlich hat die starkriechende Hautausdünstung der farbigen Menschen etwas anziehendes für ihn, wie für manche andere Raubthiere. Man erzählt in Paragay, daß Menschen, welche am Tage unversehens auf einen Jaguar stießen, denselben durch lauten Zuruf oder durch unverwandtes und starres Anschauen zurückgeschreckt haben; die Angabe erscheint nach Beobachtungen an anderen großen Katzen auch durchaus nicht unglaubwürdig.

Uebrigens scheinen die Unzen manchmal besonders gute Laune zu haben. »In Altures«, erzählt Humboldt, »hörten wir einen eigenen Zug von einem Jaguar: Zwei Kinder, ein Knabe und ein Mädchen, von acht und neun Jahren hatten nahe beim Dorfe gespielt. Ein Jaguar war aus dem Walde zu ihnen gekommen und um sie herumgehüpft. Nach längerem Hin- und Herhüpfen schlug er mit der einen Klaue den Knaben auf den Kopf, erst sanft, dann derber, so daß das Blut in Masse ausströmte. Da das Mädchen dies sah, ergriff es einen Baumast, schlug damit auf das Thier ein und brachte es so zur Flucht. Der Knabe hatte noch die Narben von den Wunden.« Es scheint, als habe hier der Jaguar mit den Kindern, wie die Katze mit Mäusen gespielt. Die Schwäche der Kinder hatte ihm wohl die Vertraulichkeit eingeflößt.

Aehnliche Fälle dürften jedoch außerordentlich selten sich zutragen. In der Ebene von Maynas verstreicht, nach Pöppig, kein Jahr ohne Verlust eines Menschenlebens. Die Unzen kommen bei hellem Tage in die Ortschaften, um Hunde zu holen, welche ihre Lieblingsspeise bilden. Besonders berüchtigt ist der Weg durch die dicken Wälder von Sapuosa bis Moyobamba, weil auf ihm innerhalb eines Menschenalters gegen zwanzig Indianer zerrissen worden sind, welche man als Fußboten versandt hatte. In einem dort gelegenen Meierhofe durften sich die Bewohner nach Sonnenuntergang gar nicht mehr aus den Hütten wagen; kurz vor Pöppigs Ankunft war ein Knabe lebensgefährlich verwundet worden, welcher sich zu nahe an den starken Pfahlzaun des Hauses gelegt und deshalb eine Unze veranlaßt hatte, ihre Tatze durch die Zwischenräume zu stecken und ihm ein großes Stück Fleisch aus dem Schenkel zu reißen. Einer von SchomburgksIndianern trug auf seiner Brust die Narben von den Zähnen eines Jaguars, welcher ihn, als er noch Knabe war, an der Brust gepackt und fortgeschleppt, aber doch wieder losgelassen hatte, als seine Mutter mit dem Wildmesser auf ihn losgestürzt war. In den Urwäldern am Ufer der peruanischen Anden wohnt, laut Tschudi, die Unze am liebsten in der Nähe der Dörfer und umkreist sie allnächtlich, entführt auch Hunde, Schweine und nicht selten Menschen. Weit entfernt, sich vor den letzteren zu fürchten, stürzt sie sich auf einzelne und dringt, wenn der Hunger sie treibt, selbst bei Tage in die Walddörfer.

Die Furcht der Indianer vor dem gefährlichen Räuber ist groß; doch soll es vorgekommen sein, daß ein Indianer, welcher in der Nacht sein einziges Schwein kläglich schreien hörte, hinausging, und wie er da eine Unze sah, die sein Eigenthum bei dem Kopfe gepackt hatte, seinerseits die Hinterfüße des Schweines ergriff und so lange an diesen zog, bis die Weiber mit Feuerbränden herbeieilten und den Jaguar vertrieben, der sich nun langsam und unter fürchterlichem Gebrülle zurückzog.

Der Jaguar bleibt an einem und demselben Aufenthaltsorte, so lange er hier etwas erbeuten kann und man ihn nicht gar zu sehr beunruhigt. Wird ihm die Nahrung knapp oder die Verfolgung seitens der Menschen zu arg, so verläßt er die Gegend und zieht in eine andere. Seine Wanderungen führt er während der Nachtzeit aus. Er scheut sich dabei nicht, durch die bevölkertsten Gegenden zu streifen, und raubt bei einzelnstehenden Hütten Pferde und Hunde weg, ohne sich viel um den Menschen zu kümmern. Alte Unzen nähern sich gern den Wohnungen, weil sie erfahrungsmäßig wissen, daß sie dort leichter Nahrung finden als in der Wildnis. In den deutschen Ansiedelungen, welche nahe am Walde liegen, rauben sie, laut Hensel, hauptsächlich Hunde und Schweine. »Letztere werden des warmen Klima's wegen gewöhnlich in Ställen aufbewahrt, welche aus dicken Stangen nach Art der Vogelbauer zusammengesetzt sind. Der Jaguar greift zwischen den Stangen hindurch, faßt das Schwein und tödtet es entweder im Stalle, oder während er es durch die Sprossen zieht. Die Hunde werden trotz ihrer Wachsamkeit unversehens überfallen und eine kleine Strecke in den Wald hineingeschleppt, wo sie der Jaguar meist erst zu tödten pflegt. In einigen Schädeln solcher Jaguare, welche längere Zeit hindurch Hunde und Schweine geraubt hatten, waren die Zähne so stark abgenutzt, daß wohl nur das hohe Alter und die damit verbundene Noth die Dreistigkeit der Thiere erklären konnten.«

Auf seinen Wanderungen oder auch auf der Flucht hält den Jaguar selbst der breiteste Strom nicht auf. Er ist, wie Rengger versichert, ein trefflicher Schwimmer und hebt dabei den Kopf und das ganze Rückgrat über die Oberfläche des Wassers empor, so daß man ihn schon aus der Ferne von jedem anderen schwimmenden Thiere unterscheiden kann. Fast schnurgerade setzt er über den bei einer deutschen Meile breiten Parana. Wenn er aus dem Wasser steigt, sieht er sich um, schüttelt den Leib und nachher jede Pfote für sich und setzt erst hierauf seinen Weg weiter fort.

Man sollte glauben, ein schwimmender Jaguar wäre leicht zu tödten; allein er ist auch im Wasser noch furchtbar. Nur gewandte Kahnführer getrauen sich, ihn anzugreifen; denn so wie er sich verfolgt sieht oder gar verwundet fühlt, wendet er sich sogleich gegen den Nachen. Gelingt es ihm, eine Kralle an den Rand desselben zu setzen, so schwingt er sich an Bord und fällt über die Jäger her. »Ich war«, erzählt Rengger, »im Jahre 1819 kurz nach meiner Ankunft in Assuncion Augenzeuge eines zum Glücke bloß lächerlichen Auftrittes bei einer solchen Jagd. Es kam ein Jaguar vom jenseitigen Ufer des Stromes dahergeschwommen. Drei Schiffsleute, Ausländer, sprangen, trotz der Warnung eines Paragayers, mit einer geladenen Flinte in ihren Nachen und ruderten dem Thiere entgegen. In einer Entfernung von ein bis zwei Meter feuerte der vorderste die Flinte auf den Jaguar ab und verwundete ihn. Dieser aber ergriff, ehe sichs die Schiffer versahen, den Rand des Nachens und stieg trotz aller Ruder- und Kolbenschläge an Bord. Nun blieb den Schiffsleuten nichts übrig, als ins Wasser zu springen und sich ans Land zu retten. Der Jaguar setzte sich im Kahne nieder und ließ sich wohlgemuth stromabwärts treiben, bis er, von einigen anderen Jägern verfolgt, seinerseits ins Wasser sprang und das nahe Ufer gewann.

»Das jährliche Anschwellen der Ströme und Flüsse vertreibt die Jaguare von den Inseln und den mit Wald bewachsenen Ufern, so daß sie sich zu dieser Zeit mehr den bewohnten Gegenden nähern und Schaden unter Menschen und Vieh anrichten. Sind die Ueberschwemmungen groß, so ist es nicht selten, einen Jaguar mitten in einer am hohen Ufer gelegenen Stadt oder in einem Dorfe zu sehen. In Villa-Real wurde im Jahre 1819 einer getödtet, in der Hauptstadt im Jahre 1820 ein anderer, zwei in Villa del Pilar; in Corientes, Goya, Vajada wird fast alle vier bis fünf Jahre einer erschossen. Als wir bei hohem Wasserstande im Jahre 1825 in Santa Fé landeten, erzählte man uns, daß vor wenigen Tagen ein Franziskanermönch, als er eben die Frühmesse lesen wollte, unter der Thüre der Sakristei von einem Jaguar zerrissen worden sei. Es geschieht übrigens nicht immer ein Unglück, wenn ein solches Raubthier in eine Stadt sich verirrt; denn das Gebell der verfolgenden Hunde und der Zulauf von Menschen verwirren dasselbe so sehr, daß es sich zu verbergen sucht.

»Die Wunden, welche der Jaguar beibringt, sind immer höchst gefährlich, nicht nur ihrer Tiefe, sondern auch ihrer Art wegen. Weder seine Zähne noch seine Klauen sind sehr spitz und scharf, und so muß bei jeder Wunde Quetschung und Zerreißung zugleich stattfinden. Von solchen Verwundungen aber ist in jenen heißen Ländern und bei dem gänzlichen Mangel an ärztlicher Hülfe der Starrkrampf die gewöhnliche Folge. Was für Wunden ein Jaguar durch einen einzigen Griffe mit der Tatze versetzen kann, mag man aus Folgendem sehen. Ein Indianer jagt am Ufer des Stromes, begegnet einem Jaguar, wirft seine Lanze nach ihm, verfehlt ihn und stürzt sich dann kopfüber ins Wasser; im Augenblicke des Sprunges aber hat ihm das Thier schon eine Tatze auf den Kopf gesetzt und skalpirt ihm den ganzen oberen Theil des Schädels, daß der Hautlappen in den Nacken herabhängt. Und doch besitzt der Indianer noch Kraft genug, um über den breiten Strom zu schwimmen.« Von einer anderen fürchterlichen Verwundung erzählt Schomburgk. Ein Neger war in Begleitung eines Indianers und drei seiner Hunde auf die Jagd gegangen. Da trieben die letzteren einen Jaguar aus seinem Lager auf, jagten ihn auf einen halbentwurzelten Baum und verbellten ihn dort. Der Neger nähert sich auf achtzig Schritte und feuert, trifft aber nicht tödtlich. Mit wenigen Sprüngen hat ihn der Jaguar erreicht und die Tatzen in seine Schultern geschlagen. In diesem grausigen Augenblicke mochte der unglückliche Weidmann unwillkürlich in den Rachen des blutgierigen Raubthieres gefahren sein; denn, als er wieder zur Besinnung kam, lag die röchelnde Katze und seine Hand neben ihm. Der Indianer war ihm zu Hülfe geeilt und hatte dem Jaguar sein langes Weidmesser durch das Herz gestoßen, ohne jedoch verhindern zu können, daß dieser dem schon mit dem Tode kämpfenden Neger noch das ganze Fleisch von den Schultern herabriß.

Den größten Theil des Jahres lebt der Jaguar, nach Renggers Beobachtungen, allein; in den Monaten August und September aber, wann die Begattungszeit eintritt, suchen sich beide Geschlechter auf. »Sie lassen dann öfter als in jeder anderen Jahreszeit ihr Gebrüll ertönen, ein fünf- bis sechsmal wiederholtes »Hu«, welches wohl eine halbe Stunde weit vernommen wird. Sonst vergehen oft Tage, ohne daß man die Stimme eines Jaguars hört, besonders wenn keine Wetterveränderung eintritt. Hat aber der Nordwind mehrere Wochen geweht, dann kündigen die Jaguare durch ihr oft halbe Nächte fortdauerndes Gebrüll den baldigen Eintritt des Südwindes an. Die Paragayer, welche bei Aenderung des Wetters viel an Gichtschmerzen leiden, glauben, daß dies auch bei dem Jaguar der Fall sei und sein Geschrei durch ähnliche Schmerzen erpreßt werde.

»Treffen sich zur Begattungszeit mehrere Männchen bei einem Weibchen, so entsteht hier und da ein Kampf zwischen ihnen, obwohl sich der schwächere Theil gewöhnlich von selbst zurückzieht. Die Begattung geschieht unter fortwährendem eigenen Geschrei und wahrscheinlich nach längerem Sträuben des Weibchens, indem man an der Stelle, wo sich zwei Jaguare begattet haben, immer das Gras und das niedere Gebüsch einige hundert Fuß ins Gevierte theils zur Erde gedrückt, theils ausgerauft findet. Beide Geschlechter bleiben nicht lange beisammen, höchstens vier bis fünf Wochen, und trennen sich dann wieder. Während dieser Zeit sind sie für den Menschen sehr gefährlich. Obschon sie nicht mit einander auf den Raub ausgehen, bleiben sie sich doch den ganzen Tag über nahe und helfen sich in der Gefahr. So wurde einer der besten Jäger in Entre-Rios durch ein aus dem Busche hervorspringendes Männchen zerrissen, im Augenblicke, wo er am Saume des Waldes das Weibchen niederstieß.

»Die Tragzeit des Jaguars kenne ich nicht bestimmt; jedoch nach der Begattungszeit und der Zeit, in welcher man schon Junge findet, mag sie von drei bis dreiundeinhalb Monate sein. Das Weibchen wirft gewöhnlich zwei, selten drei der Sage nach blinde Junge, und zwar im undurchdringlichsten Dickichte des Waldes oder in einer Grube unter einem halbentwurzelten Baume. Die Mutter entfernt sich in den ersten Tagen nie weit von ihren Jungen und schleppt sie, sobald sie dieselben nicht sicher glaubt, im Maule in ein anderes Lager. Ueberhaupt scheint ihre Mutterliebe sehr groß zu sein: sie vertheidigt die Jungen mit einer Art von Wuth und soll stundenweit den Räuber derselben brüllend verfolgen. Nach ungefähr sechs Wochen wird sie schon von der jungen Brut auf ihren Streifereien begleitet. Anfangs bleibt diese im Dickicht versteckt, während die Mutter jagt, später aber legt sie sich in Gesellschaft mit ihr auf die Lauer. Sind die Jungen zu der Größe eines gewöhnlichen Hühnerhundes herangewachsen, so werden sie von ihrer Mutter verlassen, bleiben aber oft noch einige Zeit bei einander.« In der Färbung unterscheiden sie sich von den alten; doch schon im siebenten Monate sind sie denselben gleich.

In Paragay und längs des Parana zieht man nicht selten junge Jaguare in Häusern auf. Dazu müssen sie aber als Säuglinge eingefangen werden, weil sie sonst nicht mehr sich bändigen lassen. Rengger zog seine Jaguare mit Milch und gekochtem Fleische auf; Pflanzenkost vertragen sie nicht, rohes Fleisch macht sie bald bösartig. Sie spielen mit jungen Hunden und Katzen, besonders gern aber mit hölzernen Kugeln. Ihre Bewegungen sind leicht und lebhaft. Sie lernen ihren Wärter sehr gut kennen, suchen ihn auf und zeigen Freude bei seinem Wiedersehen. Jeder Gegenstand, welcher sich bewegt, zieht ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sogleich ducken sie sich nieder, bewegen ihren Schwanz und machen zum Sprunge sich fertig. Wenn sie Hunger und Durst oder Langeweile haben, lassen sie einen eigenen miauenden Ton hören, doch bloß, so lange sie noch jung sind; denn von den Alten vernimmt man ihn nicht mehr. Niemals hört man sie in der Gefangenschaft brüllen. Beim Fressen knurren sie, besonders wenn Jemand ihnen sich nähert. An Wasser darf man sie nicht Mangel leiden lassen. Zum Fressen legen sie sich nieder, halten mit beiden Tatzen das Fleisch, biegen den Kopf auf die Seite, um auch die Backenzähne gebrauchen zu können, und kauen nach und nach Stücken davon ab. Nicht starke Knochen fressen sie, von großen dagegen bloß die Gelenke. Nach der Mahlzeit legen sich zahme Jaguare gern in den Schatten und schlafen, und haben sie sich satt gefressen, so erzürnen sie sich nicht so leicht, und man kann dann mit ihnen spielen; auch Hausthiere und Hausgeflügel, welches ihnen sonst nicht nahen darf, können dann unbeschadet an ihnen vorbeigehen. Man hält die gefangenen in Südamerika nicht in Käfigen, sondern bindet sie mit einem ledernen Seile im Haushofe oder auch vor dem Hause unter einem Pomeranzenbaume an. Nie fällt es ihnen ein, am Seile zu nagen. Ihr Athem hat, wie bei fast allen Raubthieren, einen üblen Geruch, ebenso das frische Fell, das Fleisch und das Fett, der Harn und der Koth. Der Geruch des Fettes ist so durchdringend, daß man Füchse, Meerschweinchen und andere Thiere vertreiben kann, wenn man nur einige Bäume in deren Wohnkreise damit bestreicht. Auch selbst muthige Pferde springen scheu zurück, wenn man ihnen solches Fett unter die Nüstern hält.

Schon ganz junge Jaguare haben scharfe und spitze Zähne; im ersten Jahre werden dieselben gewechselt, nach zwei bis drei Jahren haben sie ihre volle Größe erreicht. Sobald die Unzen ihre Kraft fühlen, gegen das dritte Jahr hin und noch früher, ermangeln sie nicht, zum Schaden ihres Herrn von ihren Zähnen Gebrauch zu machen. Vergebens werden ihnen die Eck- und Schneidezähne bis auf die Wurzel abgefeilt und die Klauen von Zeit zu Zeit beschnitten: sie können vermöge ihrer ungeheueren Kraft auch ohne Waffen Unglück stiften. So sah Rengger einen zahmen und in dieser Weise verstümmelten Jaguar, auf welchen die Kinder des Hauses ohne Scheu sich zu setzen pflegten, seine sonst geliebte Wärterin, ein zehnjähriges Negermädchen, in einem Anfalle von böser Laune mit einem Schlage der Tatze in den Nacken zu Boden werfen und über sie herfallen. Obwohl ihm das Kind sogleich entrissen wurde, hatte er mit seiner zahnlosen Kinnlade doch schon einen Arm zerquetscht, und es dauerte mehrere Stunden, bis das Mädchen wieder zu sich kam. Weibliche Jaguare sind leichter zähmbar als männliche, und wenn man den letzteren durch Beschneidung einen Theil ihrer Wildheit zu nehmen sucht, werden sie fast noch tückischer als vorher, gehen auch, weil sie sehr fett werden, gewöhnlich nach kurzer Zeit zu Grunde. So lange sie noch jung sind, kann man sie durch Schläge bändigen; später hält es schwer, ihrer Meister zu werden. Großmuth und Erkenntlichkeit sind dem Jaguar fremd; er zeigt keine ausdauernde Anhänglichkeit für seinen Wärter oder für ein mit ihm auferzogenes Thier, und es ist daher immer eine gewagte Sache, ihn länger als ein Jahr, ohne ihn einzusperren, in der Gefangenschaft zu halten.

In den Käfigen unserer Thiergärten und Thierbuden benimmt sich der Jaguar wie seine Verwandten, die altweltlichen Pardel. Die von mir nach Beobachtung verschiedener Jaguare in Thiergärten gefaßte Meinung, daß er schwieriger als andere Pardel sich zähmen und kaum zum »Arbeiten« abrichten lasse, ist durch Kreuzberg, einem unserer erfahrensten und geschicktesten Thierbändiger, widerlegt worden. Gerade die wildesten Jaguare werden in der Regel die gelehrigsten Schüler eines Meisters dieser gefährlichen Kunst, müssen jedoch erst vollständig sich bewußt geworden sein, daß sie an dem Bändiger einen Herrn über sich haben, gegen dessen Willen jede Auflehnung vergeblich ist.

Gefangene Jaguare haben sich wiederholt fortgepflanzt, und zwar nicht allein in Thiergärten, sondern auch in Thierschaubuden. Ebenso paaren sich Jaguar und Leopard, Panther und Sundapanther und erzielen kräftige, fortpflanzungsfähige Blendlinge. Der von Fitzinger als eigene Art aufgestellte Grauparder ( Leopardus poliopardus ) war, nach der von Kreuzberg mir gegebenen Versicherung, der Sprößling eines Jaguars und eines schwarzen Sundapanthers. Beide Pardel, Jaguar und Sundapanther, haben verschiedene Male erfolgreich sich gepaart und jedesmal ähnliche Blendlinge erzeugt; und einer der letzteren warf, nachdem er mit einem Leoparden gekreuzt worden war, Junge, von denen das eine dem Vater Leopard, das andere der Mutter Grauparder in allen wesentlichen Stücken glich. Dies zur Vervollständigung und beziehentlich Berichtigung der in der ersten Auflage unseres Werkes enthaltenen Angaben.

Seines furchtbaren Schadens wegen wird der Jaguar in bewohnten Gegenden auf alle mögliche Weise gejagt und getödtet. Man glaubt, daß er sein Leben auf zwanzig Jahre bringen könne; doch dürfte er bloß in den einsamsten Wildnissen ein derartiges Alter erreichen; denn in den bevölkerten Theilen Amerika's stirbt kaum eine Unze eines natürlichen Todes. Gleichwohl trifft man auch noch hier sehr alte Thiere an. So schoß ein Franzose nahe bei einem Landhause ein Weibchen, dessen Haut krätzig und dessen Gebiß ganz abgenutzt war; hier fehlten schon die hintersten oberen Backenzähne. Solche Fälle sind selten; die meisten Jaguare sterben in der Blüte ihrer Jahre durch die Kugel, den Giftpfeil oder das Messer. Ihre Jagd kann wegen der Befriedigung, welche überwundene Gefahren und Schwierigkeiten gewähren, zur Leidenschaft werden, obschon der Jäger gewöhnlich zuletzt sein Leben unter den Krallen eines Jaguars aushaucht. Die älteste Jagdart ist wohl die tückischste und sicherste. Aus einer riesigen Bambusart fertigt sich der Indianer seine uralte Waffe, ein Blasrohr, aus der Wedelrippe eines Palmbaumes oder aus Dornen kleine schmächtige Pfeile, welche sicherer und tiefer treffen als die Kugeln aus der besten Büchse. Die Pfeile sind mit dem mör derischen Urarigift getränkt. Haben indianische Jäger Hunde bei sich, so erlegen sie den Jaguar ohne alle Gefahr. Die Hunde stöbern das Raubthier auf, jagen es gewöhnlich auf einen schiefstehenden Baum und verbellen es. Dort wird es dem Indianer zum bequemen Zielpunkte. Aus ziemlich weiter Entfernung sendet er seine fürchterlichen Pfeile nach der gewaltigen Katze ab, einen nach dem anderen. Diese achtet kaum des kleinen Ritzes, welche die Geschosse ihr beibringen, hält vielleicht das Pfeilchen bloß für einen Dorn, der sie verwundete, erfährt aber schon nach wenigen Minuten, mit welcher furchtbaren Waffe ihr der Mensch zu Leibe ging. Das Gift beginnt zu wirken: ihre Glieder erschlaffen, die Kraft erlahmt, sie stürzt mit einigen Zuckungen auf den Boden, richtet sich noch einige Male auf, versucht, sich fortzuraffen, und bricht dann plötzlich zusammen, zuckend, verendend.

Weit verwegener als diese heimtückische Jagd ist folgende. Der Jäger umwickelt mit einem Schaffelle den linken Arm bis über den Elnbogen und bewaffnet sich mit einem zweischneidigen Messer oder Dolche von etwa zwei Fuß Länge. So ausgerüstet, sucht er mit zwei oder drei Hunden den Jaguar auf. Dieser bietet wenigen Hunden sogleich die Spitze; der Jäger naht sich ihm und reizt ihn gewöhnlich mit Worten und Geberden. Plötzlich springt der Jaguar mit einem oder zwei Sätzen auf den Jäger zu, richtet sich aber zum Angriffe wie unser Bär in die Höhe und öffnet brüllend den Rachen. In diesem Augenblicke hält der Jäger den beiden vorderen Tatzen des Thieres den umwundenen Arm vor und stößt ihm, mit dem Körper etwas nach rechts ausweichend, den Dolch in die linke Seite. Der getroffene Jaguar fällt durch den Stoß um so eher zu Boden, als es ihm schwer wird, in aufrechter Stellung das Gleichgewicht zu bewahren, und die Hunde werfen sich über ihn her. War die erste Wunde nicht tödtlich, so steht er mit Blitzesschnelle wieder auf, macht sich von den Hunden los und stürzt sich von neuem auf seinen Gegner, welcher ihm alsdann einen zweiten Stich versetzt. Rengger kannte einen Indianer aus der Stadt Bajada, welcher über hundert Jaguare auf diese Weise erlegt hatte. Er war ein leidenschaftlicher Jäger, büßte aber im Jahre 1821 auf einer solchen Jagd doch das Leben ein. Göring hörte von einem Gaucho erzählen, welcher wegen seiner Jagden den Namen » Matador de Tigres« (Tigertödter) erhalten hatte. Dieser kühne Mann hatte viele Jaguare ebenfalls mit dem Messer erlegt.

Wie man Rengger versicherte, gibt es tollkühne Jäger, welche bloß mit einer Keule den Jaguar angreifen. Auch sie sollen sich den linken Arm mit einem Schaffelle umwinden und ihrem Feinde im Augenblicke, wo er gegen sie aufsteht, einen Schlag auf die Lendenwirbel versetzen, so daß er zusammensinkt und des gebrochenen Rückgrates wegen nicht mehr aufstehen kann. Einige Schläge auf die Nasenwurzel vollenden seine Niederlage. »Diese zweite Art, den Jaguar zu jagen«, sagt Rengger, »habe ich nie selbst gesehen; jedoch scheinen mir die darüber erhaltenen Nachrichten nicht unglaubwürdig, da ich bei mehreren zahmen Jaguaren beobachtet habe, daß man sie durch einen nicht sehr starken Schlag auf die Lendenwirbel, wenigstens für einige Tage, an den hinteren Gliedern lähmen kann.« Nach Angabe desselben Beobachters wird die Unze in Paragay meist auf folgende Art gejagt: Ein guter Schütze, in Begleitung von zwei Männern, von denen der eine mit einer Lanze, der andere mit einer fünf Fuß langen zweizackigen Gabel bewaffnet ist, sucht mit sechs bis zehn Hunden den Jaguar auf. Wenn dieser schon mehrmals gejagt worden ist, geht er auf das erste Anschlagen der Hunde davon; sonst aber stellt er sich zur Gegenwehr oder klettert auf einen Baum. Widersetzt er sich den Hunden, so schließen diese einen Kreis um ihn und bellen ihn an. Sie müssen schon sehr beherzt und geübt sein, um ihn anzugreifen, und werden dennoch oft das Opfer ihres Muthes. Ohne sonderliche Anstrengung bricht ihnen der Jaguar mit einem Schlage den Rücken oder reißt ihnen den Bauch auf; denn nicht einmal zwanzig der besten Doggen können einen ausgewachsenen Jaguar überwältigen. Sowie nun die Jäger des Jaguars ansichtig werden, stellen sie sich neben einander, den Schützen in der Mitte. Dieser sucht ihm einen Schuß in den Kopf oder in die Brust beizubringen. Nach einem Treffschusse fallen die Hunde über ihren grimmig gehaßten Feind her und drücken ihn zu Boden, wo seine Niederlage leicht vollendet wird. Fehlt aber der Schuß, oder wird der Jaguar nur leicht verwundet, so springt er unter fürchterlichem Gebrülle auf den Schützen los. Sobald er sich auf die hinteren Beine stellt, hält ihm der mit der Gabel bewaffnete Jäger diese vor, und der Lanzenträger gibt ihm von der Seite einen Stich in die Brust, zieht aber die Lanze sogleich wieder zurück und macht sich auf einen zweiten Stoß gefaßt; denn der niedergeworfene Jaguar steht mit der größten Schnelligkeit wieder auf und stürzt sich auf seine Gegner, welche ihn mit neuen Stößen empfangen, bis er seine Kraft verliert und endlich von den anspringenden Hunden auf dem Boden festgehalten wird. Während des Kampfes suchen die letzteren den Jaguar niederzureißen, indem sie ihn beim Schwanze fassen; nur sehr starke Hunde greifen ihn auch von der Seite an. Der Lanzenstich darf ja nicht von vorn gegeben werden, sondern muß von der Seite erfolgen, indem die Brust des Jaguars beinahe keilförmig und seine Haut durch lockeres Zellgewebe mit den Muskeln verbunden, also sehr beweglich ist; es könnte demnach das Eisen leicht zwischen der Haut und den Rippen durchgleiten. Auch muß man sich hüten, das umgeworfene Thier mit der Lanze an den Boden festnageln zu wollen; denn es ist ihm, obschon durchbohrt, ein leichtes, durch einen Schlag mit der Tatze den Schaft der Lanze zu brechen. Ist dann kein zweiter Lanzenträger da, und hat der Jaguar noch einige Kraft, so kann er seinen Gegner sehr übel zurichten. Es fällt auf, daß der Jaguar, obschon ihm die Hunde nichts anhaben können, sich doch öfters vor ihnen fürchtet und, sowie er gejagt wird, auf einen Baum klettert. Nun hat der Jäger wohl einen sicheren Schuß auf ihn, wird jedoch nichtsdestoweniger von ihm angefallen, wenn er ihn fehlt oder nur leicht verwundet. Blitzschnell läßt er sich vom Baume herunter und stürzt brüllend mitten durch die Hunde auf den Schützen los, dessen Begleiter ihn dann empfangen. Diese letzteren müssen erprobte Männer sein, sonst ist der Schütze verloren. Fremde haben sich daher zu überlegen, mit wem sie auf eine solche Jagd gehen. Es ist nicht daran zu denken, daß man sich dann mit Kolbenschlägen, Lanzenstößen oder Säbelhieben vertheidigen könnte; denn, ehe sichs der Schütze versieht, steht der Jaguar brüllend und mit offenem Rachen vor ihm, schlägt mit einer Tatze nach Kopf und Schultern und wendet mit der anderen die vorgehaltenen Waffen ab. In solchen Augenblicken verlassen oft die erprobtesten Jagdgefährten einander, und auch die beherztesten und geübtesten Männer laufen immer einige Gefahr; denn da der Kampfplatz gewöhnlich im Dickicht des Waldes ist, bedarf es nur eines geringen Hindernisses, um den Stoß des Lanzenträgers unsicher zu machen.

Die Paragayer greifen den Jaguar übrigens auch bloß mit der Lanze an. Wenn er auf einen Baum geklettert ist, suchen sie ihre Schlinge, welche sie immer mit sich führen, ihm um den Hals zu werfen oder dieselbe vermittels einer oben eingekerbten Stange ihm anzulegen. Hiergegen scheint er wenig sich zu sträuben, muß aber bald sehen, wie unbedachtsam dies war; denn sobald ihm die Schlinge um den Hals geworfen ist, bringt der Reiter sein Pferd, an dessen Bauchriemen das andere Ende befestigt wurde, in Galopp, reißt den Jaguar vom Baume herunter und schleift ihn aufs offene Feld hinaus. Hier wirft ein zweiter Reiter ihm, falls er noch lebend und kräftig ist, eine andere Schlinge um die Beine, und beide Männer reiten nun in entgegengesetzter Richtung davon und erdrosseln den Räuber. Auf gleiche Weise aber noch leichter erwürgt man ihn, wenn man ihn im offenen Felde antrifft, weil er hier, vom Walde oder Röhricht entfernt, es gar nicht wagt, sich zu vertheidigen, sondern in großen Sprüngen zu entfliehen sucht. Auf dem Anstande wird der Jaguar auch erlegt. Der Schütze versteckt sich in der Nähe eines lebenden Thieres oder eines von der Unze bereits getödteten auf einem Baume und schießt von dort herab auf das zurückkehrende Raubthier. Doch soll es vorgekommen sein, daß Jaguare, welche auf diese Weise leicht verwundet wurden, den Jäger auf dem Baume angegriffen und zerrissen haben. Hier und da gräbt man auch Fallgruben aus oder stellt bei einem vom Jaguar getödteten Opfer Selbstschüsse.

Eine der Erwähnung werthe Jagdgeschichte erzählt Tschudi nach Mittheilungen eines eingeborenen leidenschaftlichen Jägers. »Vor einigen Wochen wäre diesem seine Leidenschaft beinahe theuer zu stehen gekommen. Er hatte vormittags im Walde gejagt und wollte später das erlegte Wild abholen. Von einem kleinen Buben und ein Paar Hunden begleitet, begab er sich an die Stelle, wo er das erlegte Reh an einen Baum gehängt hatte. Eben im Begriffe es los zu lösen, erblickt er auf fünfzehn Schritte Entfernung eine mächtige Unze auf einem niedrigen Felsen sich sprungbereit machen. Der Bube schreit auf und klammert sich an seinen Vater. In demselben Augenblicke springt einer der Hunde, welcher das in der Höhe lauernde Raubthier nicht gewittert hatte, herbei, und dieses stürzt sich auf letzteren. Es gelingt dem Jäger, von seinem geängstigten Kinde sich losmachend, die Unze durch einen Schrotschuß auf kaum drei Schritte Entfernung zu erlegen. Es war ein Weibchen von seltener Größe, welches gewöhnlich in einer nah gelegenen Höhle hauste. Nach dem Schusse sah unser Nimrod zwei schon starke Junge in die Höhle sich flüchten; es war ihm jedoch nicht möglich, sie heraus zu bekommen, und er versetzte daher den Eingang mit Steinen. Zehn bis zwölf Tage später führte ihn sein Weg auf der Jagd wieder an dieser Stelle vorbei, und zu seiner Ueberraschung erblickt er die eine der jungen Unzen gierig an den Knochen ihrer Mutter nagen. Er erlegte sie. Sie war ganz ausgehungert und hatte wahrscheinlich mehrere Tage lang in der Höhle gelegen, bevor es ihr gelang durchzubrechen. Nur der größte Hunger konnte das Thier bewogen haben, diesen Fraß anzunehmen.«

»Die meisten Hunde«, berichtet Hensel, »haben solche Furcht vor ihrem Erbfeinde, daß sie bei der bloßen Witterung desselben die Haare sträuben und knurrend Schutz bei ihrem Herrn suchen. Besonders muthige Rüden nehmen die Fährte auf und treiben das Raubthier, ohne sich jedoch in seine unmittelbare Nähe zu wagen, und nur selten zeigt ein Hund so viel Kühnheit oder besser Frechheit, bis dicht an den Jaguar heranzugehen, während seine Jagdgenossen in einiger Entfernung zurückbleiben und ihn nur durch heftiges Bellen unterstützen.«

Das Fell des Jaguars hat in Südamerika nur geringen Werth und wird höchstens zu Fußdecken und dergleichen verwendet. Das Fleisch essen bloß die Botokuden. Manche Indianer sollen auch das Fett genießen, trotz seines widrigen Geruches. Gewisse Theile des Jaguarleibes werden als Arzneimittel angewendet. So meint man, daß das Fett gegen Wurmkrankheiten und die gebrannten Krallen gegen Zahnschmerzen gute Mittel seien. Außerdem wird das Fett von den Wilden zum Einreiben ihres Körpers benutzt, und sie glauben dadurch ebenso stark und muthig zu werden wie das Raubthier selbst. Besonders gefährliche Jaguare, welche sich nur schwer aus der Nähe der Dörfer vertreiben lassen und die Bewohner derselben stets mit ihren Ueberfällen bedrohen, werden, wenn sie getödtet worden sind, nicht benutzt; denn die Indianer sind überzeugt, daß sie eigentlich gar keine Thiere, sondern zauberhafte Wesen oder die Hüllen verstorbener lasterhafter Menschen seien.

 

Schon seit Aristoteles und Plinius besteht unter den Forschern ein noch heutigen Tages nicht ausgefochtener Streit, hinsichtlich der genauen Bestimmung dreier altweltlichen Katzen, welche man Leopard, Pardel oder Parder, Panther und Sundapanther genannt und bald als Abänderungen ein und desselben Thieres, bald als besondere Arten betrachtet hat. Zwei dieser Katzen, Leopard und Panther, wurden bereits von den Alten unterschieden, und darf man hierauf mehr Gewicht legen, als gemeiniglich geschieht. Uns möchte es schwer werden, auch nur halb so viele Felle zusammenzubringen, als die Römer lebende Leoparden und Panther bei einem einzigen ihrer Kampfspiele verwendeten; wir haben daher nicht has Recht, die von ihnen ausgesprochene Ansicht unbedingt in Abrede zu stellen. Sie zu widerlegen, dürfte nach unserer heutigen Kenntnis der lebenden Thiere unmöglich sein. Schlecht ausgestopfte Pardel wird man nur sehr schwer bestimmen können, lebende dagegen erkennen erfahrene Thiergärtner, Händler und Thierbändiger auf den ersten Blick. Ich habe mich seit geraumer Zeit angelegentlich mit den altweltlichen Pardeln beschäftigt und glaube die Behauptung aussprechen zu dürfen, daß sie unter sich mindestens in demselben Grade von einander abweichen wie der Jaguar von ihnen, hoffe auch im Stande zu sein, diese Unterschiede durch nachstehende Beschreibungen, welche von lebenden Thieren entnommen wurden, genügend hervorzuheben.

Der Leopard (Leopardus antiquorum, Felis Leopardus, L. pardus) ähnelt im Bau, nicht aber auch in der Färbung und Zeichnung, dem Jaguar am meisten. Seine Gesammtlänge beträgt ungefähr 2,4 Meter, wovon der Schwanz etwa ein Drittel wegnimmt. Der Kopf ist groß und rundlich, die Schnauze wenig vorspringend, der Hals sehr kurz, der Leib kräftig, die Gestalt überhaupt gedrungen; die Beine sind mittelhoch und mäßig stark, die Pranken nicht besonders groß; der Schwanz erreicht nicht die Länge des Rumpfes. Die Grundfärbung, ein blasses Röthlichgelb, dunkelt auf dem Rücken und geht in der Kehlgegend und auf der Vorderbrust in Licht- oder Weißgelb, auf der Unter- nebst Innenseite der Gliedmaßen in Gelblichweiß über, erscheint aber, weil die Flecken klein sind und ziemlich dicht stehen, verhältnismäßig dunkel. Ueber die Oberlippe verlaufen in wagerechter Richtung drei bis vier ziemlich breite schwarze Streifen; ein großer länglichrunder, ebenso gerichteter Flecken zieht sich um den Mundwinkel herum, ein kleiner senkrecht gestellter findet sich über jedem Auge; im übrigen sind Gesicht, Scheitel, Nacken, Kopf- und Halsseiten, Schultern, Ober- und Unterarme, Schenkel und Beine auf der Außenseite, Kehle und Vorderbrust mit kleinen, in der Größe zwischen einer Erbse und einer Wallnuß schwankenden, schwarzen, vollen, runden und rundlichen Flecken dicht bedeckt. Einige von ihnen laufen in der Schlüsselbeingegend zu schief stehenden Querbinden, andere, und zwar ihrer zwei oder drei auf den Schultern und Beinen, zu unregelmäßigen Tüpfeln zusammen und werden hier durch schmale, netzartig zwischendurch ziehende Streifen der Grundfärbung getrennt. Hierdurch bilden sich gebrochene, im wesentlichen von oben nach unten verlaufende Reihen, während die Tüpfelung des Kopfes und Halses durchaus unregelmäßig erscheint. Einige wenige Schulter- und Schenkelflecken sind bereits zu gesäumten geworden, d. h. umschließen einen kleinen Hof, wie dies bei allen Flecken des Oberrückens, der Rumpfseiten und des Oberschwanzes in der Wurzelgegend der Fall ist. Der Hof, welcher stets eine dunklere, in der Regel lichtrothgelbe Färbung hat, wird auf der Rückenmitte, über welche sich zwei oder vier gleichlaufende Streifen ziehen, von einem ring- oder zwei, meist zusammenfließenden halbmondförmigen Flecken eingefaßt, während ihn auf den Seiten, woselbst die Reihen eher nach der Quere als nach der Länge angeordnet sind, drei bis vier, im letzteren Falle paarig stehende Mondflecken umgeben. Der Schwanz ist in der Wurzelgegend mit in die Länge gezogenen Hof- und Vollflecken, gegen die Spitze hin nur mit letzteren sehr unregelmäßig gezeichnet, an der Spitze unten aber fast reinweiß. Die Zeichnung der Unter- und Innenseite der Glieder endlich besteht entweder aus einfachen oder doppelten Vollflecken. Das Ohr ist außen grauschwarz, ein großer Flecken nach der Spitze weißlich; das Auge hat grünlichgelbe Iris und runden Stern. Weder die Geschlechter noch die Alten und selbständig gewordenen Jungen unterscheiden sich wesentlich von einander; wohl aber gibt es dunklere und selbst schwarze Spielarten. Eine solche, in Habesch Gesela genannt, wird wegen ihres glänzendbraunschwarzen, nur im Sonnenglanze fleckig erscheinenden, von den Abessiniern hochgeschätzten Felles eifrig verfolgt.

Als Heimgebiet des Leoparden haben wir Afrika anzusehen. Ob er auch in Asien vorkommt, weiß ich nicht, halte es jedoch nicht für wahrscheinlich. Noch gegenwärtig bewohnt er fast alle Länder und Gegenden seines heimatlichen Erdtheils.

Leopard ( Leopardus antiquorum).

Der Panther ( Leopardus Panthera, L. varius, Felis Panthera, F. varia) erinnert in der Fleckung, nicht aber im Bau an den Jaguar. Seine Gesammtlänge beträgt mindestens 2,8 Meter, wovon mehr als ein Drittel, ungefähr 85 Centim. auf den Schwanz kommen. Der Kopf ist mäßig groß und länglichrund, die Schnauze deutlich vorspringend, der Hals kurz, der Leib kräftig, aber doch gestreckt, der Schwanz fast ebenso lang wie der Rumpf; die kräftigen Beine sind verhältnismäßig sehr stark, die Pranken groß. Die Grundfärbung, ein helles Ockergelb, geht auf dem Rücken in Dunkelröthlichgelb, auf der Unterseite und den Innenseiten der Glieder in Gelblichweiß über, wie bei dem Leoparden, tritt aber weit lebhafter hervor, weil die Fleckenzeichnung eine durchaus verschiedene ist. Die dunklen Streifen auf der Oberlippe sind wenig ausgeprägt, theilweise nur angedeutet; der länglichrunde Fleck in dem Mundwinkel unterscheidet sich nicht von dem des Parders; die Fleckenzeichnung des Kopfes ist spärlicher als bei diesem, die Flecken selbst sind durchgehends etwas kleiner, und der Kopf erscheint deshalb lichter. Außer dem Kopfe, dem Nacken, den Halsseiten, der Gurgel und Oberbrust, auf welcher mehrere Flecken ebenfalls zu zwei oder drei Streifen zusammenfließen, zeigen nur die Vorderarme und Unterschenkel meist aus zwei oder drei Einzelflecken zusammengeflossene Vollflecken, während Schultern und Oberschenkel wie der Rücken und die Seiten mit gesäumten oder Hofflecken besetzt sind. Alle Hofflecken oder Rosetten unterscheiden sich von denen des Leoparden durch ihre bedeutende Größe: der weite Hof ist lebhaft röthlichgelb, die ihn umgebenden Mondflecken sind klein und schmal und gruppiren sich zu zwei und drei, drei und vier, ausnahmsweise auch fünf um den Mittelfleck, so daß jeder Hof von fünf bis sieben, beziehentlich acht Mondflecken umringt wird. Ueber die Mittellinie des Rückens ziehen sich zwei gleichlaufende, neben ihnen zwei fast gleichlaufende Rosettenreihen, erstere meist aus geschlossenen, letztere aus theilweise unterbrochenen, im Vergleiche zu denen der Seiten kleinen Mondflecken bestehend, während die Rosetten auf den Seiten sich wie beim Parder in ziemlich regelrecht schief von oben und vorn nach unten und hinten verlaufende Reihen ordnen. Auf der Oberseite des Schwanzes herrscht bis gegen die Mitte eine aus großen Rosetten gebildete Zeichnung, nach Art der des Rückens, während die Unterseite hier lichtere Mondflecken, und der Schwanz in der Endhälfte oben breite schwarze, durch schmale lichte Bänder getrennte Halbringe zeigt und unten einfarbig weiß ist. Die gilblich- oder reinweiße Unter- und Innenseite der Glieder endlich trägt große, länglichrunde, sehr einzeln stehende schwarze Flecken. Färbung und Zeichnung des Ohres sind wie beim Leoparden; die Iris aber sieht in der Regel gelb aus. Eine schwarze Spielart des Thieres hat man auf Ceilon beobachtet. Weiter nach Osten hin tritt eine andere Spielart des Panthers auf, welche Gray als besondere Art ( Leopardus japonicus) beschrieben hat, weil das Fell, dem Klima entsprechend, viel dichter und namentlich der Schwanz buschiger ist. Dies aber kann kein Grund zur Trennung des einen und anderen sein; denn genau dasselbe finden wir auch bei den anderen Katzen.

Panther.

Mit Bestimmtheit kann ich angeben, daß der Panther auf dem Festlande Süd- und Ostasiens lebt. Von Indien aus habe ich ihn erhalten. Wie weit sein Verbreitungskreis sich erstreckt, vermag ich nicht zu sagen. Er dürfte es sein, welcher in Palästina, Kleinasien und am Kaukasus auftritt, es stände solche Ausdehnung des Verbreitungskreises mindestens nicht im Widerspruche mit dem, was wir von anderen Katzen beobachtet haben.

Sundapanther ( Leopardus variegatus). Schwarze Spielart.

Mit Leopard und Panther läßt sich der Sunda- oder Langschwanzpanther ( Leopardus variegatus, Felis variegata und chalybeata, L. pantherinus, L. macrurus), streng genommen, gar nicht verwechseln. Ihn unterscheiden: der kleine, lange Kopf, der längliche Hals, der sehr gestreckte Leib, der mindestens rumpflange Schwanz, die niedrigen, kräftigen, mit verhältnismäßig sehr starken Pranken ausgerüsteten Beine sowie endlich die Fleckenzeichnung von beiden Verwandten. Abgesehen von dieser in allen Einzelnheiten von jener des Parders und Panthers verschiedenen Gestalt ist ebenso das Gepräge der Fleckung ein anderes, weil Flecken wie Rosetten viel kleiner und dunkler sind, auch dichter stehen als bei den Verwandten. Das Fell erhält hierdurch einen schwarzblauen Schimmer, welcher deutlich hervortritt, wenn man den Blick längs desselben streifen läßt. Die Grundfärbung ist dunkel lehmgelb, die der Höfe bräunlich dunkelgelb, die der Unter- und Innenseite der Glieder graulich- oder gelblichweiß. Kopf, Nacken, Unterarme und Unterschenkel sind so dicht mit Tüpfelflecken gezeichnet, daß diese Theile fast schwarz erscheinen, die Halsringe sehr ausgesprochen, die Flecken der Schultern und Oberschenkel mit wenigen Ausnahmen voll, die auffallend dichtstehenden Rosetten aus drei bis fünf meist zusammengeflossenen Flecken gebildet, die Höfe immer klein, bei einzelnen Rosetten kaum sichtbar, die Schwanzflecken sehr in die Länge gezogen, unter sich meist verbunden, ihre Höfe ebenfalls klein, die dunkeln Halbbinden der Schwanzspitze nur durch sehr schmale lichte Zwischenräume getrennt, die Längsflecken der unteren Schwanzseite unregelmäßig. Der Ohrrand hat tiefschwarze Färbung. Die Iris ist grünlichgelb.

Der sogenannte Schwarzpanther oder schwarze Leopard ( Felis, Leopardus melas), welchen ich in der ersten Ausgabe dieses Werkes als besondere Art auffassen zu dürfen glaubte, ist nichts anderes als eine schwarze Spielart des Sundapanthers; denn er wird, wie bereits Reinwardt und Kuhl richtig bemerkten, und wie, laut Rosenberg, jeder Javane weiß, mit dem gelben Sundapanther in einem und demselben Gewölfe gefunden. Dem Anscheine nach ändert letzterer häufiger und regelmäßiger ab als seine Verwandten.

Das Wohngebiet des Sundapanthers dürfte sich auf die großen Sundainseln, insbesondere Java und Sumatra beschränken, wenn auch nicht ausgeschlossen erscheint, daß er ebenso auf dem benachbarten Festlande, vielleicht als Vertreter des Panthers, gefunden wird. Auf Java heißt er » Matjang tutul«, d. i. gefleckter Tiger, und die schwarze Spielart wird meist nur durch den Beinamen »itum« (schwarz), seltener unter dem Namen »Matjang kombang« unterschieden.

Alle Pardel stimmen in ihrer Lebensweise und ihrem Wesen so innig mit einander überein, daß man das von der einen Art Bekannte wohl auch auf die andere beziehen darf. Aus diesem Grunde beschränke ich mich im wesentlichen auf eine Lebensschilderung der afrikanischen Art, deren Sitten und Gewohnheiten ich durch eigene Anschauung wie durch Mittheilungen glaubwürdiger Berichterstatter am genauesten kennen gelernt habe, und füge nur hier und da einige Bemerkungen über die verwandten Pardelkatzen hinzu.

Der Leopard ist unzweifelhaft die vollendetste aller Katzen auf dem Erdenrund. Wohl flößt uns die Majestät des Löwen alle Achtung vor der gesammten Familie ein, wohl sehen wir in ihm den König der Thiere; wohl erscheint uns der Tiger als der grausamste unter der grausamen Gesellschaft; wohl besitzt der Ozelot ein farbenreicheres und bunteres Kleid als alle übrigen Pardel: hinsichtlich der Einhelligkeit des Leibesbaues, der Schönheit der Fellzeichnung, der Kraft und Gewandtheit, Anmuth und Zierlichkeit der Bewegungen aber stehen sie und alle übrigen Katzen hinter dem Leoparden zurück. Er vereinigt alles in sich, was die einzelnen Katzen im besonderen auszeichnet, weil er deren Eigenschaften in leiblicher wie in geistiger Hinsicht in vollkommenster Weise zur Geltung bringt. Seine sammtne Pfote wetteifert an Weiche mit der unseres Hinz: aber sie birgt eine Klaue, welche mit jeder anderen sich messen kann; sein Gebiß ist verhältnismäßig viel gewaltiger als das seines königlichen Verwandten. Ebenso schön wie gewandt, ebenso kräftig wie behend, ebenso klug wie listig, ebenso kühn wie verschlagen zeigt er das Raubthier auf der höchsten Stufe, welche es zu erlangen vermag.

Aus den ersten Blick hin will es scheinen, als wäre das Kleid des Leoparden viel zu bunt für einen Räuber, welcher durch lauerndes Verstecken und Anschleichen seine Beute gewinnen und vor dem scharfen Auge derselben sich decken muß. Allein bei einer oberflächlichen Betrachtung der Gegenden, welche das Thier bewohnt, muß jede derartige Meinung verschwinden. Wer Innerafrika aus eigener Erfahrung kennen lernte, erstaunt über das bunte Gewand, welches dort die Erde trägt, und findet es ganz natürlich, daß in derselben ein so farbenreiches Geschöpf, selbst in sehr geringer Entfernung, übersehen werden kann. Das Fell des Leoparden und der Pflanzenüberzug des Bodens stimmen in ihrer Färbung auf das genaueste überein.

Fast ganz Afrika ist die Heimat des Leoparden. Er findet sich überall, wo es zusammenhängende, wenn auch nur dünn bestandene Waldungen gibt, und zwar in verhältnismäßig großer Menge. Unter den Waldungen behagen ihm besonders diejenigen, welche zwischen den höheren Bäumen mit dichtem Unterholze bestanden sind. Grasige Ebenen liebt er nicht, obwohl er in der Steppe eine keineswegs seltene Erscheinung ist. Sehr gern zieht er sich in das Gebirge zurück, dessen rcichbewachsene Höhen ihm nicht nur treffliche Versteckplätze, sondern auch reichliche Beute gewähren. In Habesch bietet ihm noch ein Höhengürtel von 2000 bis 3000 Meter über dem Meere alle Annehmlichkeiten, welche er sich wünschen kann. Gar nicht selten sucht er sich seinen Aufenthaltsort nahe an den menschlichen Wohnungen oder in diesen selbst und unternimmt von hier aus seine Raubzüge. So erzählte mir Schimper, daß ein Leopard in einem Hause der Stadt Adoa in Habesch sogar Junge warf. Unter allen Umständen aber wählt sich der schlaue Räuber Plätze, welche ihn soviel wie möglich dem Auge entziehen. In den Wäldern weiß er sich so vortrefflich zu bergen, daß man gewöhnlich bloß an den Bäumen seine Spur auffindet: die eingekratzten Streifen, welche er beim Klettern in der Rinde zurückläßt. Seine Fährte sieht man nur äußerst selten, höchstens auf dem feuchten Sande in der Nähe seiner Tränkplätze, wo der leise aufgesetzte Fuß sich abdrückt; auf dem harten Waldboden dagegen nimmt auch das geübteste Jägerauge nicht eine Spur von dem Schleicher wahr. Wie seine Verwandten hat er keinen bestimmten Aufenthaltsort, sondern streift weit umher und verändert seinen Wohnsitz nach Umständen, verläßt auch eine Gegend vollständig, nachdem er sie ausgeraubt oder in ihr wiederholte Nachstellungen erfahren hat.

Ungeachtet seiner nicht eben bedeutenden Größe ist der Leopard ein wahrhaft furchtbarer Feind aller Thiere und selbst des Menschen, obgleich er diesem so lange ausweicht, wie es angeht. In allen Leibesübungen Meister und listiger als andere Raubthiere, versteht er es, selbst das flüchtigste oder scheueste Wild zu berücken. Sein Lauf ist nicht schnell, kann jedoch durch gewaltige Sprünge das ersetzen, was ihm vor hochbeinigen Thieren abgeht. Im Klettern steht er nur wenig anderen Katzen nach. Man trifft ihn fast ebenso oft auf Bäumen wie in einem Busche versteckt. Bei Verfolgung bäumt er regelmäßig. Wenn es sein muß, steht er nicht an, über ziemlich breite Ströme zu schwimmen, obgleich er sonst das Wasser scheut. Erst bei seinen Bewegungen zeigt er sich in seiner vollen Schönheit. Jede einzelne ist so biegsam, so federnd, gewandt und behend, daß man an dem Thiere seine wahre Freude haben muß, so sehr man auch den Räuber hassen mag. Da kann man nichts gewahren, was irgend eine Anstrengung bekundet. Der Körper windet und dreht sich nach allen Richtungen hin, und der Fuß tritt so leise auf, als ob er den leichtesten Körper trüge. Jede Biegung ist zierlich, gerundet und weich: kurz, ein laufender oder schleichender Leopard wird für Jedermann zu einer wahren Augenweide.

Leider steht sein geistiges Wesen mit seiner Leibesschöne, wenigstes nach unseren Anforderungen, nicht im Einklange. Der Leopard ist listig, verschlagen, tückisch, boshaft, wild, raub- und mordlustig, blutdürstig und rachsüchtig. In Afrika nennt man ihn geradezu Tiger, weil man unter diesem Namen das Urbild eines blutdürstigen Wesens bezeichnet. Und wahrhaftig, keine andere altweltliche Katze kann den Namen des furchtbarsten Gliedes der Familie mehr als er verdienen. Er mordet alle Geschöpfe, welche er bewältigen kann, gleichviel, ob sie groß oder klein sind, ob sie sich wehren oder ihm ohne Abwehr zur Beute fallen. Antilopen, Ziegen und Schafe bilden wohl seine Hauptnahrung; aber er klettert auch den Affen auf den Bäumen, den Klippschliefern in dem Gefelse nach. Den Pavianen ist er beständig auf den Fersen. Er verhindert ein gefährliches Ueberhandnehmen dieser Thiere: dies sieht man in jenen Höhen, wo er nicht hinkommt. Nicht einmal das Stachelschwein ist vor ihm gesichert; denn er legt sich, wie Jules Gerard in Algerien beobachtete, auf den Wechsel dieses Nagers, lauert mit der größten Geduld und faßt, wenn der wohlbewehrte Stachelheld nächtlich seines Weges geht, blitzschnell zu, gibt ihm einen Schlag auf die Nase und zermalmt ihm hierauf rasch den Kopf. Die Antilopen soll er, wie die Kaffern erzählen, durch einen eigenthümlichen Kunstgriff zu berücken versuchen, im Grase an sie heranschleichen und in einiger Entfernung absonderliche Bewegungen zu machen beginnen, um die Neugierde dieser Thiere zu erregen. Läßt es sich ein Stück des Rudels beikommen, dieser Neugierde Folge zu geben, so hat seine letzte Stunde geschlagen. Etwas ist jedenfalls an der Sache, wenn auch die Deutung jener Bewegung kaum die richtige sein dürfte.

Unter den Herden richtet er oft ein fürchterliches Blutbad an. Manche Leoparden haben in einer einzigen Nacht dreißig bis vierzig Schafe getödtet. Deshalb wird er von den Viehzüchtern auch weit mehr gefürchtet als der Löwe, welcher sich meist mit einem Wildpret begnügt. Den Hühnern schleicht er ohne Unterlaß nach, und Ziegen und Schafe haben ihren ärgsten Feind an ihm. Nach den Erfahrungen der Ansiedler im Kaplande zieht er Ziegen den Schafen vor. »Der Farmer«, sagt Fritsch, »sieht es daher nicht ungern, wenn sein Hirt sich einige Ziegen hält, weil er weiß, daß, wenn Ziegen mit seinen Schafen weiden, der Leopard sicher die ersteren holen und sein Vieh verschonen wird.« Aber nicht einmal der Mensch ist vor ihm gesichert, und namentlich Kinder finden durch ihn häufig ihren Tod. So erzählte mir der Pater Filippini, ein sehr sorgsam beobachtender Jäger, welcher länger als zwanzig Jahre in Habesch gelebt hat, daß unser, von ihm grimmig gehaßtes Raubthier binnen drei Monaten aus dem Bogosdorfe Mensa allein acht Kinder weggetragen und verspeist hatte.

Mit der Kühnheit, Raublust und Mordgier verbindet der Leopard überdies die größte Frechheit. Dreist und unverschämt kommt er bis in das Dorf oder bis in die Stadt, ja selbst bis in die bewohnten Hütten hinein. Als sich Rüppell in der abessinischen Provinz Simen befand, packte ein großer Leopard unfern des Lagerplatzes und bei hellem Tage einen der Esel, wurde indessen noch zeitig genug durch das Geschrei der Hirtenknaben verscheucht. »Bei Gondar«, sagt derselbe Naturforscher, »wurden wir durch das Geschrei einer in unserem Haushofe befindlichen Ziege aus dem Schlafe geweckt. Es zeigte sich, daß ein Leopard über die neun Schuh hohe Hofmauer geklettert war und die schlafende Ziege an der Kehle gepackt hatte. Ein Pistolenschuß, der aber nicht traf, verscheuchte das Raubthier aus dem Hofe, in welchem es die sterbende Ziege zurückließ. Nach zwei Stunden kam der Leopard wieder in den Hof gesprungen und drang sogar bis in mein Schlafzimmer, wo die todte Ziege lag! Als er uns ansspringen hörte, entfloh er abermals unverletzt. Sieben Tage später wurden wir nachts durch das Jammergeschrei unserer Haushühner geweckt, welche hoch oben an der Decke des Vorzimmers auf einer schwebend hängenden Stange saßen. Drei Leoparden auf einmal hatten uns einen Besuch zugedacht. Während nun mein Neger Abdallah mit gespanntem Gewehre das Knurren einer dieser Bestien in dem Vorhofe hei den Maulthieren belauschte, sah ich die beiden anderen auf der Mauer des Hinterhofes, wohin ich mich begeben hatte, umhergehen und zwar mit leisem, aber so sicherem Tritte, daß ich darüber ganz erstaunt war. Die zu große Dunkelheit der Nacht machte einen sicheren Schuß unmöglich. Da es den Leoparden gelungen war, einige Hühner zu erhaschen, so konnten wir einer baldigen Wiederholung ihres Besuches gewiß sein. Wirklich erschienen sie auch schon in der nächsten Nacht wieder. Einer aber, welcher bereits zwei Stück Geflügel ertappt hatte, mußte mit dem Leben büßen, indem Abdallah ihm durch einen glücklichen Schuß die Wirbelsäule zerschmetterte.«

Von seiner kühnen Mordlust lieferte der Leopard auch mir einen schlagenden Beweis. Wir ritten vormittags durch einen Theil des Bogosgebirges. Da hörten wir über uns wieder einmal das stets zur Jagd herausfordernde Gebell der großen Paviane, und beschlossen sofort, unsere Büchsen an ihnen zu erproben. Unsere Leute, unter denen sich der egyptische Koch meines Freundes van Arkel d'Ablaing befand, blieben unten im Thale stehen, um die Maulthiere zu halten; wir kletterten langsam an der Bergwand empor, wählten uns einen ziemlich passenden Platz und feuerten von da aus nach den oben sitzenden Affen. Es war ziemlich hoch, und mancher von den Schüssen ging fehl; einige hatten jedoch getroffen: die Opfer derselben brachen entweder zusammen oder suchten verwundet das Weite. So sahen wir einen uralten Mantelpavian, welcher leicht am Halse verletzt worden war, taumelnd und unsicher den Felsen herabkommen und an uns vorüberschwanken, mehr und mehr dem Thale sich zuwendend, woselbst wir ihn als Leiche zu finden hofften. Wir beachteten ihn deshalb nicht weiter, sondern ließen ihn ruhig seines Weges ziehen und feuerten unsere Büchsen wieder nach anderen Hamadryaden ab, welche noch da oben saßen.

Urplötzlich entstand ein wahrer Aufruhr unter den Affen und wenige Sekunden später ein wüster Lärm unten im Thale. Sämmtliche männliche Mantelpaviane rückten auf der Felskante vor; grunzten, brummten, brüllten und schlugen wüthend mit den Händen auf den Boden. Aller Augen richteten sich zur Tiefe, die ganze Bande rannte hin und her; einige besonders grimmige Männchen begannen an der Felswand herabzuklettern. Wir glaubten schon, daß wir jetzt angegriffen werden sollten, und beeilten uns etwas mehr als gewöhnlich mit dem Laden der Büchsen. Da machte uns der Lärm unten auf die Tiefe aufmerksam. Wir hörten unsere Hunde bellen, die Leute rufen und vernahmen endlich die Worte: zu Hülfe! zu Hülfe! ein Leopard! An der Bergwand hinabschauend, erkannten wir denn auch wirklich das Raubthier, welches auf geradem Wege unseren Leuten zueilte, sich aber bereits mit einem Gegenstande beschäftigte, welcher uns unkenntlich blieb, weil er durch den Leoparden verdeckt war. Gleich darauf fielen unten zwei Schüsse. Die Hunde bellten laut auf, und die bis auf den Egypter wehrlosen Leute riefen von neuem mehrmals zu Hülfe. Dann wurde es bis auf das fort und fort dauernde Gebell der Hunde still.

Die ganze Geschichte war so schnell vorübergegangen, daß wir noch immer nicht wußten, um was es sich eigentlich handelte. Wir stiegen deshalb ziemlich eilfertig an der Bergwand hinunter in das Thal. Hier trafen wir unsere Leute in den verschiedensten Stellungen. Der Egypter hatte sich auf einen Felsblock gestellt, hielt krampfhaft die Doppelbüchse seines Herrn in der Hand und starrte nach einem ziemlich dichten Busche hin, vor welchem die Hunde, jedoch in achtungsvoller Entfernung, standen; der eine Abessinier war noch immer beschäftigt, die aufs äußerste erregten Maulthiere zu beruhigen; der dritte Diener, ein junger Mensch von etwa fünfzehn Jahren, war an der anderen Thalseite emporgeklettert und schien von dort aus das Ganze überwachen zu wollen, seine eigene Sicherheit natürlich nebenbei ebenfalls im Auge behaltend.

»Im Busche liegt der Leopard«, sagte mir der Egypter; »ich habe auf ihn geschossen.«

»Er ist, auf einem Affen reitend, den Berg heruntergekommen«, fügte der Abessinier hinzu; »gerade auf uns los kam er: wahrscheinlich wollte er die Maulthiere oder uns auch noch verschlingen.«

»Dicht an Euch ist er vorüber gelaufen«, schloß der dritte; »ich habe ihn schon oben auf dem Berge gesehen, als er auf den Affen sprang.«

Vorsichtig die gespannte und abgestochene Büchse in der Hand haltend, näherte ich mich dem Busche bis auf zehn, acht, fünf Schritte, aber ich konnte, so sehr, ich mich auch anstrengte, noch immer nichts von dem Leoparden gewahren. Endlich verließ der Wächter oben, welcher durch mein Vorgehen Muth gefaßt zu haben schien, seine Warte und deutete mit der Hand auf einen bestimmten Fleck. Hier, dicht vor mir, sah ich den Leoparden endlich liegen. Er war todt. Etwa zehn Schritte weiter thalwärts lag der ebenfalls getödtete Hamadryas.

Nun klärte sich der Hergang auf. Beim Hinaufklettern waren wir unzweifelhaft außerordentlich nahe am Lagerplatze des Raubthieres vorübergegangen. Dann waren von uns etwa zehn Schüsse abgefeuert worden, deren Knall stets ein vielfaches Echo hervorgerufen hatte. Der von uns verwundete Affe war, den Berg herunterkommend, jedenfalls auch nicht weit von dem Lager des Raubthieres vorübergehumpelt. Auf ihn hatte der Leopard sich gestürzt, ungeachtet der Menschen, welche er gesehen und gehört, ungeachtet der alle Thiere schreckenden Schüsse, ungeachtet des hellen, sonnigen Tages. Wie ein Reiter auf dem Rosse sitzend, war er auf dem Pavian in das Thal hinabgeritten, und nicht einmal das Schreien und Lärmen der Leute hatte ihn zurückgeschreckt. Der Koch unten, welcher mit den Anderen weniger für das Leben des Affen als für das eigene fürchtete, hatte, wie er zugestand, »in der Todesangst« die zweite Büchse seines Herrn aufgenommen, nach der Gegend hingehalten und dem Leoparden glücklich eine Kugel mitten durch die Brust gejagt. Dann hatte er auch den Hamadryas erlegt, wahrscheinlich ohne eigentlich zu wissen, in welcher Absicht.

Wie sich später ergab, hatte der Leopard den Affen mit den beiden Vordertatzen gerade vorn am Maule gepackt und hier tiefe Löcher eingerissen, mit den Hinterbeinen aber im Gesäße des Thieres fest sich einzuklammern versucht oder sie, stellenweise wenigstens, nachschleifen lassen. Unbegreiflich war es uns, daß der Mantelpavian, trotz der früher erhaltenen Verwundung, von seinem furchtbaren Gebisse nicht Gebrauch gemacht hatte.

Die Bewohner Mittelafrika's und die Reisenden wissen ähnliche Geschichten zu erzählen. So kam ein Leopard an Gordon Cummings Wagen heran, holte neben dem Feuer ein großes Stück Fleisch weg, und als die Hunde ihm nachsprangen, zerkratzte und zerbiß er zwei derselben so fürchterlich, daß sie bald nachher starben.

In Städten und Dörfern, welche nah am Walde liegen, besucht der Leopard die Häuser nur allzu oft, raubt hier vor den Augen der Menschen irgend ein Thier und schleppt es fort, ohne sich durch das Geschrei der Leute beirren oder sein Wild sich entreißen zu lassen. Ihm ist jedes Hausthier recht; er nimmt auch die Hunde mit, obgleich diese tüchtig sich wehren. Genau dasselbe berichtet man vom Panther. Tennent erzählt, daß ein solcher einstmals einen Hund aus der Mitte seiner schlafenden Gebieter raubte, bemerkt auch, daß die Jäger auf Ceilon kein Raubthier mehr hassen als ihn, weil die Hunde auf der Jagd durch ihn aufs höchste gefährdet werden. In Abessinien kann man des Leoparden halber weder Hunde oder Katzen noch Hühner behalten und muß für die Ziegen und Schafe mindestens ebenso gute Wohnungen herrichten als für die Menschen. Glaubwürdige Männer erzählen, daß er die Hunde erst förmlich von den Orten, welche sie bewachen sollten, weglocke und sich dann plötzlich von der anderen Seite nähere, um seinen Raub ungestört ausführen zu können. Während ich mich in den Walddörfern Ostsudâns befand, kamen die Leoparden in einer Woche beinahe jede Nacht bis an das Dorf heran, wurden aber von den in sehr großer Anzahl vorhandenen und vortrefflich eingeschulten Windspielen jedesmal zurückgetrieben. In den Urwäldern am Blauen Flusse hörte ich die eigenthümlich grunzende Stimme des Thieres mit Beginn der Nacht fast regelmäßig, auch die Fährten der nächtlich jagenden Räuber bemerkte ich sehr oft bei Streifereien, hatte jedoch damals nie das Glück, einen Leoparden selbst zu sehen. Als ich den Arabern mein Befremden hierüber aussprach, erklärten sie mir die Sache nach ihrer Weise einfach durch die große Schlauheit des Thieres. Der Leopard, sagten sie, wisse sehr wohl, daß ich für ihn ein weit gefährlicherer Gegner sei als sie selbst und ihn todtschießen würde, wenn er sich mir zeigen wolle, während sie ihm mit ihren Lanzen nicht viel anhaben könnten, und er deshalb vor ihnen nicht sonderlich sich in Acht zu nehmen brauche. Mehrmals habe ich auf dem Anstande gelegen, und an solchen Orten, welche der Leopard nachts vorher besucht hatte, lebende Ziegen für ihn als Köder angebunden: allein immer lauerte ich vergebens. Hieraus glaube ich schließen zu dürfen, daß er bei seinen Streifereien doch nicht so oft an denselben Ort zurückkehrt, als man gewöhnlich glaubt.

In der Regel greift der Leopard den Menschen nicht an: er ist zu klug, vielleicht auch zu feig, als daß er es auf einen Kampf mit dem ihm Ehrfurcht einflößenden Gegner ankommen lassen sollte. Als ich eines schönen Nachmittags mit Pater Fillipini unweit des Dorfes Mensa ein Dickicht durchstreifte, winkte mich mein Jagdgenosse zu sich heran und fragte mich leise, warum ich auf den Leoparden, welcher soeben kaum dreißig Schritte von mir vorübergelaufen sei, nicht geschossen habe; ihm selbst sei dies unmöglich gewesen, weil sein Zündhütchen abgefallen und er einige Augenblicke waffenlos gewesen wäre. Ich mußte bekennen, daß ich von dem schleichenden Räuber auch nicht das Geringste wahrgenommen hatte. Wir durchsuchten das nicht eben umfangreiche Dickicht sehr sorgfältig, jedoch vergeblich: die schlaue Katze hatte sich eiligst aus dem Staube gemacht. Aehnliche Begegnungen mögen oft genug vorkommen, ohne daß der eine Theil eine Ahnung davon hat. Ein noch näheres Zusammentreffen mit einem Panther schildert Skinner, ein Beamter in brittischen Diensten, welcher, Straßen anlegend und andere Bauten ausführend, Jahre lang die Waldungen Ceilons durchkreuzte. Durch ein leises Rascheln aufmerksam gemacht, sah er zu nicht geringem Schrecken in einer Entfernung von wenigen Fußen von sich, einen mächtigen Panther, welcher die Augen starr auf ihn gerichtet hatte und vielleicht mit sich zu Rathe ging, ob es gewagt werden dürfe, den Zweifüßler anstatt eines erwarteten Vierfüßlers anzuspringen. Skinner verlor die Geistesgegenwart nicht, blieb stehen und heftete seine Augen auf den Gegner, bis diesem die Lage unheimlich wurde und er sich zu unseres Mannes unsäglichem Vergnügen zur Flucht wandte.

Ganz anders zeigt sich der Leopard, wenn er angegriffen oder verwundet wurde. Unter solchen Umständen stürzt er sich wie rasend auf seinen Gegner. So erzählt Cumming, daß einer seiner Freunde, welcher einen Pardel nur verwundete, augenblicklich von ihm angesprungen, niedergeworfen und gräßlich zerfleischt, aber zum Glück doch gerettet wurde, weil der Gegner den nächsten Augenblick schon seiner eigenen Wunde erlag. Der Diener des Geistlichen Stella in den Bogosländern wurde, wie man mir mittheilte, durch einen einzigen Schlag eines Leoparden, auf welchen er geschossen hatte, getödtet. Man kennt übrigens auch Beispiele, daß der Leopard, ohne irgend gereizt zu sein, den Menschen angriff. Kolbe berichtet, daß der Bürgermeister der Kapstadt unversehens von einem Leoparden angesprungen wurde. Dieser schlug dem Manne die Klauen in den Kopf und fuhr mit dem Maule nach dem Halse, um ihm die Schlagadern zu durchbeißen. Der Angegriffene aber wehrte sich tapfer, rang mit seinem Gegner, und beide fielen zu Boden. Schon ermattet, strengte der Mann seine letzten Kräfte an, drückte dem grimmigen Thiere den Kopf fest auf den Boden, zog sein Schnappmesser heraus und schnitt ihm den Hals ab; er selbst aber hatte an seinen Wunden noch lange zu leiden. In Abessinien kommen alljährlich Unglücksfälle vor, d. h. auch erwachsene, wehrhafte Leute werden von dem Leoparden angegriffen und umgebracht. Kinder gehören, wie bemerkt, unter das Wild, auf welches er geradezu Jagd macht.

Auch der Panther greift zuweilen Erwachsene an. Auf Ceilon wurden, laut Tennent, nach einander zwei Männer, welche auf Kanzeln in Baumkronen gegen die Elefanten Wache halten sollten, von einem Panther weggeholt, welcher, ihnen unbemerkt, die luftige Höhe erklommen hatte; andere Eingeborene fielen der dreisten Katze sogar in der Veranda ihres Hauses zum Opfer. Blatternkranke sollen von Panthern arg gefährdet werden, wie man glaubt, wegen des widerlichen Blatterngeruches, welcher das Raubthier anzieht, richtiger wohl infolge ihrer hülflosen Lage in den Krankenhütten, welche man, um Ansteckung zu verhüten, in den Waldungen anzulegen pflegt.

Die Paarungszeit des Leoparden fällt in die Monate, welche dem Frühlinge der betreffenden Länder vorausgehen. Dann sammeln sich oft mehrere Männchen an einem Orte, schreien abscheulich nach Art verliebter Katzen, aber viel lauter und tiefer, und kämpfen ingrimmig unter einander. Wie man an Gefangenen erfuhr, wirft das Weibchen nach neunwöchentlicher Tragzeit drei bis fünf Junge, welche blind zur Welt kommen und am zehnten Tage ihre Augen öffnen. Es sind dies kleine, allerliebste Geschöpfe, ebenso wohl was ihre schöne Zeichnung als ihr hübsches Betragen betrifft. Sie spielen lustig, wie die Katzen, unter einander und mit ihrer Mutter, welche sie zärtlich liebt und muthvoll vertheidigt. Freilebend verbirgt diese ihre Nachkommenschaft in einer Felsenhöhle, unter den Wurzeln eines starken Baumes, in dichten Gebüschen oder in Baumhöhlen selbst; sobald die Kleinen aber einmal die Größe einer starken Hauskatze erreicht haben, begleiten sie die Alte bei ihren nächtlichen Raubzügen und kommen, Dank des guten Unterrichts, welchen sie genießen, bald dahin, sich selbst ihre Nahrung zu erwerben. Eine säugende Alte wird zu einer Geisel für die ganze Gegend. Sie raubt und mordet mit der allergrößten Kühnheit, ist aber dennoch vorsichtiger als je, und so kommt es, daß man nur in seltenen Fällen ihrer oder der Jungen habhaft werden kann.

Uebrigens thun die Leoparden auch schon während ihrer Paarungszeit an ein und demselben Orte viel Schaden, obschon sie, so lange sie durch die Liebe beschäftigt werden, weniger blutgierig und räuberisch sein sollen. Man hat nicht selten ihrer sechs bis acht zu gleicher Zeit bemerkt. Ein holländischer Kapbauer hatte das Vergnügen, gegen sein Erwarten mit einer solchen Gesellschaft zusammenzukommen. Er reiste in der im Lande gebräuchlichen Weise mit Ochsenwagen von einer Ortschaft zur anderen. Während die Genossen in einem anmuthigen Thale ihr Lager aufschlugen, ging er auf die Jagd hinaus, um ein Wildpret für die Küche zu erbeuten. Nach einem längeren, vergeblichen Streifzuge wollte er eben zum Lager zurückkehren, war auch bereits in dessen Nähe angelangt: da erblickte er zu seinem nicht geringen Entsetzen plötzlich sieben Leopardenköpfe zwischen dem zerklüfteten Gesteine und dem Riedgrase eines Hügels. In der Ueberraschung handelte er so albern wie er nur immer konnte: er schoß sein einfaches Gewehr auf das Gerathewohl nach der Gruppe ab! Glücklicherweise machte sich das Ende besser, als zu vermuthen gewesen wäre. Die Leoparden blieben ruhig; nur ein einziger sprang auf und focht in der Luft umher, gleichsam, als wolle er nach der Kugel fangen, welche wahrscheinlich recht nahe an ihm vorbeigepfiffen war. Der Bauer schlich sachte davon.

Wo der Leopard vorkommt, führt man einen Vernichtungskrieg gegen ihn. Die Jagdarten sind natürlich höchst verschieden, weil das Feuergewehr nur hier und da eine Rolle spielt; im allgemeinen aber ist dieses doch die einzige Waffe, welche den Jäger sichert und ihm zugleich Erfolg verspricht. Wer scharfe Hunde besitzt und die Jagd des Leoparden bei Tage betreibt, braucht sich nicht vor ihm zu fürchten. Die Hunde, welche freilich im höchsten Grade gefährdet werden, beschäftigen ihn und geben dem Jäger Zeit, mit aller Muße eine gute Ladung Rehposten oder eine sichere Kugel ihm auf das bunte Fell zu brennen. Le Vaillant berichtet uns in ergötzlicher Weise von einer derartigen Jagd, bei welcher man mit vielen Hunden einen großen Busch umstellte und auf gut Glück hineinschoß, bei jeder Bewegung des Parders zurückprallte und endlich doch noch zum Ziele kam, indem er, der Erzähler, einen guten Schuß anbringen konnte. Nur sehr wenige Jäger sind so tollkühn, ohne Hunde auf die Leopardenjagd zu gehen. Sie umwickeln sich dann gewöhnlich den einen Arm dick mit Fellen und tragen ein scharfes, breites Dolchmesser bei sich. Das Raubthier stürzt sich, wenn es gefehlt wurde, sofort auf den Angreifer, und dieser hält ihm den geschützten Arm entgegen. In demselben Augenblicke, wo jener in den Fellen sich verkrallt, stößt der Jäger ihm das breite Messer in das Herz.

Es verdient der Erwähnung, daß auch unter den einfachsten Naturkindern über solche Jagden die köstlichsten Münchhausiaden umlaufen. So erzählte mir ein Schech in Rosêres:

»In der Umgegend unserer Stadt sind die Leoparden zwar sehr häufig, aber doch nicht gefürchtet, weil unsere Leute Söhne der Stärke sind und mit Leichtigkeit jedes wilde Thier zu bewältigen verstehen. Die Jagd des Leoparden ist nun vollends eine Kleinigkeit. Wenn man weiß, wo er aufgebäumt hat, braucht man einfach in den Wald zu gehen und den Leoparden aufzufordern, vom Baume herabzukommen; dann sticht man ihn todt.«

Ich sprach meine Verwunderung über die Folgsamkeit des Thieres unverhohlen aus; mein Berichterstatter blieb mir jedoch die Antwort nicht schuldig.

»Es ist ganz leicht«, sagte er, »einen Leoparden vom Baume herabzubringen. Er betrachtet nämlich seinen schönen Namen » Nimmr« als eine Verhöhnung und entrüstet sich auf das äußerste, wenn man ihn so ruft. Unsere vortrefflichen Knaben nun nehmen zwei scharfe Lanzen, gehen unter seinen Baum, halten beide Lanzen neben sich über ihren Köpfen in die Höhe, so daß die Spitzen das Haupt decken, und rufen laut: »Komm herab, Nimmr, komm herab, du Sohn der Feigheit, du Fleckiger, du Schelm, komm, wenn du Muth hast!« Hierüber wird das Thier wüthend, vergißt alle Vorsicht und springt blind auf den Angreifer, natürlich aber in beide Lanzen, welche ihm in das Herz dringen.«

Pater Fillipini hat während seines langjährigen Aufenthaltes in Habesch und den Bogosländern viele Leoparden erlegt oder in den von ihm gestellten Fallen getödtet. Unter allen Jagdberichten, welche er mir gab, hat mich einer besonders angesprochen.

In Keren, dem Hauptdorfe des eigentlichen Bogoslandes, hat die katholische Mission einen festen Wohnsitz gegründet. Sie hält, wie die ganze Gebirgsbevölkerung, ihre Herden, welche, wenigstens das kleine Vieh, nachts immer in einen wohlverwahrten Stall gebracht werden. Der Ziegenhirt, ein junger Bursche von fünfzehn Jahren, schläft auf einer etwa anderthalb Meter über dem Boden erhöhten Lagerstätte im Stalle.

In einer Regennacht vernimmt unser in der nächsten Hütte ruhende Pater den lauten Angstschrei aller in dem Stalle eingepferchten Ziegen und die Hülferufe ihres Hirten. Er schließt ganz richtig, daß ein Leopard irgendwie eingedrungen sein müsse, und eilt mit seinem treuerprobten Schweizerstutzen an den gefährdeten Stall.

»Was ist bei dir los, Knabe?«

»O, Vater, ein Leopard ist in dem Stalle! Er hat eine Ziege zusammengewürgt und wird wahrscheinlich auch über mich herfallen wollen. Seine Augen funkeln gräßlich.«

»Wie ist er eingedrungen?«

»Er hat die Wand mit seinen Tatzen aus einander geschlagen und so eine Thüre sich gebildet; auf der anderen Seite ist sie.«

Unser Pater geht auf die andere Seite, findet glücklich das Eingangsloch, holt einen großen Stein und legt diesen vor die Oeffnung.

»Sei ruhig, mein Sohn! dir wird nichts geschehen; zünde aber Licht an, damit ich sehen kann.«

»Ich habe kein Feuer, mein Vater!«

»Ich werde Dir solches bringen.«

Der Jäger geht zurück, holt ein Wachslicht und Streichhölzchen, macht eine kleine Oeffnung durch die Strohwand und reicht beides dem Knaben mit der Aufforderung, Licht anzuzünden. Der arme Bursche ist durch den Ueberfall des gefürchteten Thieres so erschreckt, daß er unter seinen Fellen, welche er als schützende Decke über sich ausgebreitet hat, nicht hervorkommt. Pater Filippini muß also ein zweites Loch öffnen, durch welches er die zweite Hand steckt. Er bittet den Knaben, ihm wenigstens die Hand zu reichen und die Kerze zu fassen, streicht Licht an, und einen Augenblick später ist der nicht allzugroße Raum, wenn auch dürftig genug, erhellt.

Jetzt wird es dem Leoparden bedenklich. Er läßt die gemordete Ziege liegen und schleicht, den Leib dicht an die Wand des Stalles gedrückt, unhörbar dahin, seinem Ausgangsloche zu. Ein allgemeines Flüchten der geängstigten Ziegen zeigt seine Bewegung dem Ohre unseres Paters an, welcher mit der Büchse in der Hand vor einem dritten durch die Wand gebohrten Schießloche steht.

»Leuchte mehr nach dieser Seite, Talla!«

Es geschieht; allein der Jäger sieht nur einen Schatten, ohne im Stande zu sein, ihn aufs Korn zu nehmen. Der Junge fackelt mit dem Lichte hin und her; der Leopard wird ängstlich und läßt ein leises Knurren vernehmen. Nun strengt der Pater auch sein Gehör an, um das Raubthier zu erspähen. Da fällt ein Lichtstrahl gerade in die glänzenden Feueraugen des Leoparden: im Nu ist die Büchse an der Wange – der Schuß kracht in das Innere des Stalles; alle Ziegen rennen entsetzt umher; der Junge läßt vor Schreck das Licht zu Boden fallen, daß es erlischt: dann wird es still.

»Lebt der Leopard noch, Talla?«

»Ich weiß es nicht, mein Vater; die Ziegen aber sind ruhig geworden.«

»Nun, dann ist er auch getroffen«, sagte der muthige Geistliche, ladet, holt sich neues Licht, öffnet die Thür und tritt, allerdings immer noch mit gespannter Büchse, in den Stall. An der gegenüberstehenden Wand liegt der Leopard; die Kugel ist ihm zwischen den Augen in den Kopf gedrungen.

Bei weitem die wenigsten Leoparden, welche getödtet werden, enden ihr Leben durch die Kugel. Verschiedene Fallen sind weit ergiebiger als das Feuergewehr. Wo Europäer hausen, wendet man starke Tellereisen und Schlagfallen an oder hängt ein Stück Fleisch in ziemlicher Höhe an einem Baumaste auf und spickt den Boden darunter mit ziemlich langen, eisernen Spitzen. Das Raubthier springt nach dem Fleische, welches zu sicherem Sprunge zu hoch hängt, und stürzt oft in eine der dort aufgepflanzten Spitzen. Pater Filippini hat gegen ein Viertelhundert Leoparden in Fallen gefangen, welche nach Art der Mäusefallen eingerichtet, aber selbstverständlich viel größer sind. Eine Henne oder eine junge Ziege wurde in der hintersten Abtheilung der Falle als Köder ausgesetzt. Früher oder später überwog die Raublust doch alle Schlauheit, und der Räuber saß im Kerker, wo ihn der Pater dann am anderen Morgen mit aller Ruhe und Sicherheit todtschoß. Einmal fing sich auch ein Löwe in einer solchen Falle; für ihn aber war noch keine Kugel gegossen. Er schlug erzürnt mit einem Prankenschlage die Fallthüre entzwei und entwich!

Genau dieselbe Falle wendet man am Vorgebirge der guten Hoffnung an. Es ist für die ganze Umgegend ein Fest, wenn eine von ihnen ihren Zweck erfüllt und den gehaßten Räuber in die Gewalt des Menschen gebracht hat. Drayson schildert in lebendiger Weise einen derartigen Fang.

»Ein Haus in der Nähe von Natal wurde mehrmals von einem Leoparden besucht und nach Möglichkeit ausgeplündert. Das Thier hatte in kurzer Zeit einen Hund, unzählbare Hühner und ein Ferkel weggetragen und bezeigte eine so außerordentliche Freßlust, daß es geradezu unersättlich schien. Man baute also eine Falle und setzte eine alte Henne in den hintersten Theil des Käfigs. Der Leopard war zu schlau, als daß er bei der ersten Gelegenheit, welche ihn mit der Falle bekannt gemacht hatte, in dieselbe gegangen wäre, kehrte jedoch wenige Nächte später zurück, vergaß seine List über der Begierde nach der Henne und wurde gefangen. Man erzählte mir, daß er kurz nach seiner Einschließung ganz rasend gewesen sei und, obwohl vergeblich, die allerkräftigsten Anstrengungen gemacht habe, um sich aus dem verhaßten Kerker einen Ausweg zu bahnen.

»Ich besuchte ihn am Morgen nach seiner Gefangennahme und wurde mit dem abscheulichsten Zähnefletschen und den wüthendsten Blicken empfangen; doch konnte er seinerseits auch meine Blicke nicht vertragen und suchte denselben sobald als möglich zu entgehen. Wenn ich ihn stetig ansah, drückte er sich in eine Ecke. Wahrscheinlich war er über seine Ohnmacht und die Unfähigkeit, sich zu rächen, äußerst wüthend.

»Verschiedene Kaffern, welche viel von seinen spitzbübischen Besuchen zu leiden gehabt hatten, kamen, um jetzt bei ihm vorzusprechen. Sie schütteten ihren ganzen reichen Schatz von Verwünschungen auf sein verruchtes Haupt. Rund um den Käfig stellten sie sich und begrüßten ihn etwa mit folgenden Redensarten: »O, du niederträchtiger, feiger Hund, du erbärmlicher Hühnerfresser, bist du endlich gefangen, bist du es? Erinnerst du dich noch an das roth und weiße Kalb, welches du mir letzten Monat todtgeschlagen hast? Dies Kalb war mein! Du muthloser Lump, warum hast du denn nicht gewartet, bis ich mit meinem Speer und Stecken kam? Du hast wohl geglaubt, daß dein Fell besser werden möchte, wenn du dich vorher hättest dick und voll fressen können? So, jetzt bist du gefangen!«

»Schau nach meinem Speer«, sagte ein anderer, »den will ich dir ins Herz stoßen, wie ich ihn jetzt in den Grund stoße. Ach, zeige mir nur deine Zähne, sie sollen mir zum Halsbande werden, und dein Herz will ich rösten.«

»Plötzlich, inmitten der rührenden Ansprache, machte der Leopard einen mächtigen Satz und rüttelte an dem Gitter des Käfigs: – und in alle Winde zerstoben die Helden!

»Man hatte sich vorgenommen, das Thier nach der Kapstadt zu bringen, um es nach Europa zu versenden; aber während der zweiten Nacht wäre es beinahe entkommen, und als mehrere Tage vergangen, ehe man einen zur Fortschaffung geeigneten Käfig fertig brachte, wurde es nothwendig, den jetzt sehr gedemüthigten Schelm zu erschießen.«

Reiche Ansiedler am Kap machen sich ein besonderes Vergnügen daraus, gefangene Pardel durch Hunde todtbeißen zu lassen. »Einer von ihnen«, so erzählt Lichtenstein, »fing einen großen, lebendigen Parder und machte dies allen seinen Freunden bekannt, welche sich nach Landessitte an einem bestimmten Nachmittage in großer Anzahl bei ihm versammelten, um das Thier zu beschauen und Zeugen von dem Kampfe mit den Hunden zu sein, die es zu Tode beißen sollten. Nach vorhergegangener guter Bewirtung wurden die Gäste zur Falle geführt, in welcher das Thier noch steckte und woraus es erst sehr vorsichtig geholt werden mußte, um auf den Kampfplatz gebracht zu werden. Diese Falle lag in der Tiefe einer Bergschlucht und war von rohen Felsstücken ausgemauert, doch so, daß zwei große, dem übrigen Gemäuer ähnliche Felsen, den Eingang bildeten, übrigens in Hinsicht der Bauart ganz wie eine gewöhnliche Mäusefalle, nur alles in sehr großem Verhältnis. Oben war die Falle mit rohem Gebälke bedeckt, durch dessen Zwischenräume man das wüthende, schön gefärbte Thier beobachten konnte. Die Leute, welche es jetzt fesseln sollten, suchten erst eine Pfote nach der anderen in Schlingen zu fangen, dann zog man den Leoparden heraus und band ihm, trotz seines entsetzlichen Brüllens und vergeblichen Wüthens, die vier Beine an einander. Hierauf begab sich Jemand in die Grube und warf auch eine Schlinge über den Kopf, damit es möglich werde, ihm einen festen Maulkorb anzulegen. Nun erst war man im Stande, den Leoparden nach dem Werft – so heißt bei allen Ansiedlern ein großer, freier Platz zwischen dem Wohnhause und den Wirtschaftsgebäuden – zu schaffen, woselbst jetzt der eine Hinterlauf, den man zwischen der Hackensehne und dem Unterschenkelbein durchstach, vermittels eines Ringes an einer Kette befestigt ward, welche in einem freistehenden Pfahl eingeklammert war. Nach und nach löste man einen Riemen nach dem anderen und ließ das Thier endlich frei an der Kette sich bewegen. Es erlangte bald seine ganze Kraft und Geschmeidigkeit wieder und gewährte in dem Wechsel seiner wilden Sprünge und seiner behenden Seitenbewegungen in der Thal ein sehr schönes Schauspiel. Mehr kriechend als schleichend pflegt der Parder seiner Beute nachzustellen, drückt den Bauch dabei fast auf die Erde, den Kopf mit aufwärts gerichteten Augen zwischen den Vordertatzen ausgestreckt. In dieser Lage bewegte er sich auch jetzt und, festgehalten von der Kette, streckte er sich so lang aus, daß man ein ganz anderes Thier vor sich zu sehen glaubte. Dabei wandt sich der Leib unaufhörlich seit- und aufwärts, so daß man seine Bewegungen denen einer kriechenden Schlange zu vergleichen geneigt war. Fest überzeugt, daß die vorher untersuchte Kette nicht brechen könne, wagten sich die Zuschauer ganz nahe hinzu und reizten ihn durch Würfe mit kleinen Kieseln und andere Neckereien zum Aufspringen und Brüllen. Darüber ward es Abend. Man berathschlagte, ob man ihn jetzt den Hunden preisgeben sollte, die inzwischen sämmtlich in einem Stalle eingesperrt waren, und eben gingen die Meisten hinweg, um den Kampf vorzubereiten, als plötzlich bei einem starken Rucke der Ring sich öffnete, und das nunmehr freie Raubthier auf den Landdrost und nach denen, die sich am vorwitzigsten genähert hatten, unbändig losstürzte. Wir ergriffen in der ersten Bestürzung die Flucht und hörten schon das glücklicherweise etwas abgemattete und seiner vollen Sprungkraft beraubte Ungethüm dicht hinter uns schnauben, als unsere eigenen mitgebrachten Hunde an uns vorbeistürmten und es auch sogleich an Ohren und Kehle packten. Den besten von ihnen, welcher vor Alter einen Eckzahn verloren hatte, schüttelte es leicht von den Ohren ab und tödtete ihn mit einem einzigen kräftigen Bisse nach dem Kopfe. Indessen kamen auch die übrigen Hunde herbei, welche den Parder desto sicherer packten, und von denen sich zwei in die Gurgel so verbissen, daß er in weniger als einer Viertelstunde, ohne weiter ein Lebenszeichen zu geben, erwürgt war. Bis dahin wehrte er sich verzweifelt mit seinen Krallen und verwundete noch einen der Hunde so schwer, daß dieser ebenfalls am anderen Tage starb. Bei dem Zerlegen des Thieres fanden sich alle Muskeln am Halse und Nacken zerbissen, aber in dem Felle selbst, welches äußerst zäh und von dichten Haaren geschützt ist, war auch nicht das kleinste Loch.«

Wohl nirgends benutzt man von dem erlegten Raubthiere etwas mehr als das bunt gezeichnete Fell, welches seiner Schönheit halber überall in hohem Werthe steht, selbst in Europa zu Schabrackendecken noch Verwendung findet und einen Preis von fünfzehn bis zwanzig Thaler hat. Auch im Sudan wird es sehr geschätzt und zwar mehr von den Negern als von den Mohammedanern, welche es höchstens zu Fußdecken gebrauchen, während die Neger in ihm ein Siegeszeichen erkennen. Ich erwähne dies besonders aus dem Grunde, weil auch die Kaffern genau dieselben Ansichten hegen. Der Krieger des Kaffernlandes, welcher so glücklich gewesen ist, einen Leoparden zu tödten, wird mit Ehrfurcht und Bewunderung betrachtet. Er schmückt sich stolz mit seinem Siegeszeichen, und Jeder, welcher nicht eine ähnliche Probe seines Muthes aufweisen kann, betrachtet jenen mit Neid und Schelsucht. Die Zähne werden in eigenthümlicher Weise mit Faden und Draht zusammengeschlungen und in Gemeinschaft mit Perlen zu einer Kette aufgereiht, welche über die Brust des Kriegers herabhängt und von der dunkeln Haut des Mannes lebhaft absticht. Die Klauen verwendet man in ähnlicher Weise, das Fell endlich verarbeitet man zu dem Karroß oder Deckmantel. Die Schwanzenden werden ausgeschnitten und an einer Schnur befestigt, welche sich der Held um den Leib schlingt. Wenn ein Kaffer etwa acht oder zehn solcher Schwänze aufzuweisen hat, welche rings um seinen Körper hängen, dünkt er sich der Höchsten einer zu sein und blickt fast verachtend auf seine Gefährten herab, welche bloß, wie es allgemein gebräuchlich ist, Affenschwänze tragen können.

Obgleich nur die allerwenigsten Leoparden, welche man jung oder alt fängt, nach Europa gebracht werden, ist die schöne Katze doch in allen Thiergärten und Thierschaubuden eine gewöhnliche und unter den drei verwandten Arten jedenfalls die häufigste Erscheinung. Bei gehöriger Pflege hält der Leopard die Gefangenschaft lange aus. Er verlangt, wie alle Katzen, einen warmen und reinlichen Käfig und täglich etwas mehr als ein Kilogramm gutes Fleisch, ist aber im übrigen sehr anspruchslos. Bei besonders guter Laune springt er in eigenthümlich künstlichen Sätzen, welche gewöhnlich zwei durch einander geschlungene Kreise bilden, unaufhörlich in seinem Käfige auf und ab, so schnell meist, daß das Auge seinen Bewegungen kaum folgen kann. Zur Ruhe wählt er, so lange er mit seiner Umgebung noch nicht sich befreundet hat, die dunkelste Ecke seines Käfigs, später mit Vorliebe einen erhöheten Baumast und dergleichen. Ungestört hält er einen mehrere Stunden währenden Mittagsschlaf; so fest er aber auch zu schlafen scheint, so sicher vernimmt er jedes Geräusch: die Ohren spitzen, die geschlossenen Augen öffnen sich, um nach der Ursache desselben zu forschen, und seine volle Aufmerksamkeit wird rege. Jedes Thier, welches an seinem Käfige vorübergeht, erweckt seine Raublust: lautlos duckt er sich nieder, legt sich zum Sprunge zurecht und verfolgt alle Bewegungen der ersehnten Beute, auch wenn er durch unzählige Versuche erprobt hat, daß das Gitter des Käfigs jeden Raubversuch vereitelt. Seine Raubthiernatur macht sich eben geltend; er versucht wenigstens, einen Raub auszuführen. Gewährt man ihm mehr Freiheit, als er zeitweilig genoß, so macht sich der alte sündhafte Adam sofort wieder bemerklich, und man lernt jetzt in ihm das Raubthier kennen, wie es war und ist.

Während meines Aufenthaltes in Afrika hielt ich einen männlichen Parder geraume Zeit in Gefangenschaft, konnte es aber niemals zu einem erträglichen Verhältnisse zwischen mir und ihm bringen. Sobald ich mich dem Käfige näherte, drückte er durch Grinsen und Zähnefletschen, wohl auch durch ein heiseres Fauchen seine Unzufriedenheit aus, und wenn ich mich ihm nur einen Zoll weiter als gewöhnlich näherte, durfte ich sicher darauf rechnen, daß er mit einer seiner Tatzen nach mir schlug, natürlich regelmäßig dann, wenn ich es mir am wenigsten versah. Ich hatte ihn, wie alle die Raubthiere, welche ich bei mir führte, mittels einer langen Kette noch besonders fesseln lassen, und so durfte ich mir schon das Vergnügen gewähren, ihn zuweilen aus dem Käfige herauszulassen. Sobald er auf den Hof trat, begann er förmlich zu rasen, sprang wie toll empor, dehnte sich, zog Gesichter, fauchte und warf die wildesten Blicke nach allen Seiten. Dabei ging er Jedem, welcher sich ihm näherte, sofort zu Leibe und geberdete sich so sprechend, daß wir wohl wußten, er würde uns niederreißen, wenn er uns erlangen könnte. Jemehr ich die Kette durch einen angebundenen Strick verlängerte, um so toller wurden seine Bewegungen, um so mehr steigerte sich seine Wuth. Die ganze Wildheit des freilebenden Thieres, welche lange gewaltsam unterdrückt worden war, schien durchzubrechen, der Blutdurst regte sich, und seine Augen drohten der ganzen übrigen Thiergesellschaft Tod und Verderben. Gurgelnd flogen die Affen an den Wänden, Stöcken und Säulen empor, ängstlich meckerten die Ziegen, wie toll rannten die Strauße in ihrem Käfige auf und nieder, grollend blickte der Löwe auf den rasenden Roland. Dieser versuchte auf alle nur mögliche Weise freizukommen, und mehrmals wurde es uns angst und bange bei diesen Beobachtungsproben. Das allerschwierigste war, den Leoparden wieder in seinen Käfig zurückzubringen. Aus freien Stücken ging er nicht hinein, und gezwungen konnte er kaum werden. Das einfachste wäre gewesen, ihn an dem Stricke, bezüglich der Kette, wieder in den Käfig zu ziehen; allein dieser stand so, daß man in den Bereich seiner Sprünge hätte kommen müssen, wenn man die Kette erreichen wollte. Drohungen vermochten gar nichts über ihn: wenn wir ihm die Peitsche vorhielten, zeigte er uns dagegen seine Tatzen; wenn wir ihn anschrien, fauchte er; wenn wir auf ihn losgingen, legte er sich zum Sprunge zurecht. Es galt, seinen Trotz zu brechen, ohne ihn dabei zu mißhandeln; denn er war nicht mein Eigenthum, und ich mußte ihn schonen. Ich wagte nicht einmal, mich der aus dem Felle des Nilpferdes geschnittenen Peitsche zu bedienen, welche bei anderen Thieren gewöhnlich vollkommen ausreichte; ich wagte es auch im Grunde nicht, weil mir die Peitsche nicht lang genug erschien, und ich doch das Thier bis zum Käfige treiben mußte. Deshalb nahm ich einen neuen Stallbesen und befestigte diesen an einer langen dünnen Stange: damit bekam er seine Prügel; aber sie fruchteten nichts, und ich mußte auf andere Mittel denken. Das beste von allen war, wie ich zufällig entdeckte, ihn mit Wasser zu begießen, und dabei leistete mir nun wieder eine große Spritze die vortrefflichsten Dienste. Sobald er einen Eimer Wasser über den Kopf bekommen hatte oder durch den Strahl der Spritze dauernd eingenäßt wurde, suchte er so schleunig als möglich in seinen Käfig zu kommen; und später brachte ich ihn so weit, daß ich ihm bloß die Spritze und den Besen zu zeigen brauchte, um ihn augenblicklich dahin zu vermögen, seinen Schlupfwinkel zu suchen.

Und doch läßt der Leopard sich ebenfalls zähmen, fast ebenso gut wie Löwe oder Tiger, wenn auch in der Regel nicht in derselben Zeit. Ich habe bisher allerdings niemals einen wirklich zahmen Leoparden, sondern immer nur zahme Panther gesehen und gepflegt; Kreuzberg aber versicherte mir auf das bestimmteste, daß auch der Leopard sich abrichten lasse, ja, daß er kaum einen Unterschied zwischen ihm und einem Panther mache. Gerade die wildesten Stücke sollen oft, wenn auch nicht die zahmsten werden, so doch die gelehrigsten sein. Doch ist das Wesen der Thiere sehr verschieden geartet: einzelne lernen in acht bis vierzehn Tagen ihre sogenannten Kunststücke, andere nehmen keine Lehre an, werden deshalb von den Thierbändigern als »Dumme« bezeichnet und baldmöglichst abgeschafft. Panther, welche von Jugend auf mit verständigen Pflegern Umgang hatten, werden ebenso zahm wie andere große Katzen, nehmen gern Liebkosungen von bekannten Personen entgegen, schnurren dabei behaglich nach Katzenart und schmiegen sich, den gelenken Leib schlangenartig biegend, zärtlich an ihren Gebieter an oder reiben sich wenigstens behaglich an den Gittern ihres Käfigs. Ein Panther, welchen ich pflegte, antwortete durch ein absonderliches Schnauben auf den Anruf, sprang mir und anderen Bekannten freudig entgegen, langte mit der Tatze nach mir, in der Absicht, mich an sich heranzuziehen, ließ sich streicheln und liebkosen, und leckte mit großer Zartheit die ihm gereichte Hand – ganz wie ein wohlerzogener Hund. Niemals dachte er daran, von seinen Klauen Gebrauch zu machen: die gefährlichen Tatzen blieben in der Hand seines Freundes immer weich und sammetig. Kreuzberg besaß einen anderen Panther, welcher so artig war, daß man ihm gestatten durfte, mit der Familie das Zimmer zu theilen und mit den Kindern zu spielen. Eines der letzteren, ein vierjähriges Mädchen, stand in hoher Gunst bei dem Thiere und durfte mit ihm verkehren wie mit einem Hunde, beispielsweise auf seine Brust sich legen und in solcher Stellung einschlafen, ohne irgendwelche Tücke befürchten zu müssen. Daß Leoparden ebenso zahm werden können, erscheint mir, ungeachtet der mir fehlenden Belege, mindestens höchst wahrscheinlich zu sein; denn mit Hunden schließen sie unter Umständen ein nicht minder inniges Freundschaftsverhältnis, als Panther pflegen, und mit letzteren oder mit Ihresgleichen leben sie, kleine Scharmützel gelegentlich der Paarzeit oder angesichts des Futters abgerechnet, in Frieden. Volles Vertrauen aber erwirbt sich der Leopard wohl nur in den seltensten Fällen: sein unbändiges Wesen, sein Jähzorn und eine ihm kaum abzusprechende Tücke, welche klar und deutlich in dem Gesichte ausgedrückt ist, läßt stets einen hinterlistigen, bösen Streich befürchten.

Darstellungen des Leoparden finden sich häufig auf egyptischen Denkmälern. »Das älteste, mir bekannte Bild«, belehrt mich Professor Dümichen, »gehört dem bei Besprechung des Löwen bereits erwähnten Grabe des Ptahhotep auf dem Pyramidenfelde an und stammt aus dem dritten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung. Unter den Darstellungen und Inschriften dieses Grabes, welche ich in meinen »Resultaten etc.« veröffentlicht habe, sieht man auf der einen Wand in der zweiten Reihe von oben einen Leoparden im Käfige, welcher von Männern getragen wird. Im Grabe des Nomarchen Nehera zu Beni Hassan ist an der einen Wandseite eine prächtige Jagdscene abgebildet: unter den dort dargestellten Thieren, auf welche Fürst Nehera und sein Sohn Recht ihre Pfeile abdrücken, erblicken wir auch den Leoparden. Dagegen sieht man in dem unter der Thutmosis-Herrschaft im siebenzehnten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung errichteten Terrassentempel von Deïr-el-Bahheri, dessen hauptsächlichste Bilder ich in meiner »Flotte einer egyptischen Königin« veröffentlicht habe, mehrere wohlgelungene Abbildungen, welche, nach Ihrer Versicherung, ganz unverkennbar den Panther darstellen. Höchst bezeichnend für das mildere Wesen dieses Thieres ist, daß es von Männern am Stricke geführt wird. Ein an der linken Schulter befestigtes Leopardenfell war das besondere Abzeichen hoher priesterlicher Würde; aber auch die Göttin Safech, »die Herrin der Schrift und Vorsteherin der Bibliotheken«, wie sie in den Inschriften genannt wird, trägt gewöhnlich das Fell des Pardels. Unter den Tributen aus südlichen Ländern, welche auf verschiedenen Denkmälern durch Bild und Schrift bezeichnet werden, gewahrt man wiederholt große Haufen von Fellen, welche in den begleitenden Inschriften »Felle von Pardeln des Südens« genannt werden. Geschichtliche Texte endlich, welche die Heldenthaten eines Königs erzählen, erwähnen nicht selten, daß Seine Majestät allerhöchst in Wuth geriethen »gleich einem Leoparden«.

Von den Römern wurden Leopard und Panther vielfach zu den Kampfspielen in Rom benutzt. Letzterer war zu der Römer Zeiten in Kleinasien viel häufiger als gegenwärtig, und Caelius schrieb an Cicero, welcher damals Landvogt in Sicilien war: »Wenn ich in meinen Spielen nicht ganze Herden von Pardeln zeige, wird man die Schuld auf Dich werfen«. Scaurus war der erste, welcher unter seiner Aedilitätswürde 150 gescheckte Thiere schickte; dann sandte Pompejus 410, Augustus aber 420 Stück. Früher war es durch einen alten Senatsbeschluß verboten, die sogenannten »afrikanischen Thiere« nach Italien zu bringen; der Tribun Aufidius überstellte einen Antrag an das Volk und erwirkte die Erlaubnis, daß sie zu den circensischen Spielen kommen dürften. Dies geschah im Jahre 670 nach Erbauung Roms. Den Namen Leopard hat zuerst der Geschichtsschreiber Julius Capitolinus am Ende des dritten Jahrhunderts gebraucht, weil man glaubte, daß das Thier ein Bastard von Panther und Löwe sei. Hierauf bezieht sich wohl auch eine Stelle des Plinius, welcher die Thiere ziemlich gut kennt, aber sagt, daß es der Löwe rieche, wenn ein Panther mit einer Löwin zu thun gehabt habe, und sich dann räche. Derselbe Naturforscher erzählt, daß die Parder durch ihre Witterung alle vierfüßigen Thiere anlocken, durch ihren garstigen Kopf aber wieder abschrecken; deshalb verstecken sie sich, um die durch den Wohlgeruch herangezogenen Thiere zu fangen. An einer anderen Stelle heißt es, daß die Löwen, Parder und alle anderen des Geschlechts rauhe Zungen haben wie eine Feile und damit die Haut des Menschen ablecken. Daher werden auch die gezähmten wüthend, wenn sie bis auf das Blut gekommen sind. Die Griechen nennen den Leoparden Pardalis; Aristoteles spricht einige Male von ihm. Er erzählt, daß er vier Zitzen habe, daß er gescheckt sei, daß er in Asien, niemals aber in Europa vorkomme, daß die Weibchen mehr Muth hätten als die Männchen, und daß sie sich zu heilen wüßten, wenn sie mit dem Kraute Pardalianches sich vergiftet hätten, da sie dann Menschenkoth suchten und dieser ihnen hälfe. Das Kraut tödte auch die Löwen, und deshalb hingen die Jäger Menschenkoth an einen Baum, damit das Thier nicht weit weggehe; springe es darnach in die Höhe, so gehe es zu Grunde. Oppian unterscheidet zwei Arten von gefährlichen Pardalis, größere, derbere (Panther), und kleinere (Leoparden), welche aber jenen an Stärke nichts nachgeben. Nach dem Dichter sind sie die Amme des Bacchus gewesen, und deshalb lieben sie auch den Wein.

Die Fabelei einzelner Schriftsteller des Alterthums findet noch bis zu Geßners Zeiten unbedingten Glauben. »Ein grausam, grimm, fräßig, geschwind thier«, schildert unser alter Freund, »begirlich zu metzgen und blut vergießen. Wiewol etlich meinend der Leppard sölle sonderlich verstanden werden, ein thier so durch vermischung der Löuwin oder Löuwen, mit dem Pardo oder Pantherthier geboren wirdt, den Löuwen nit unänlich, allein sein brust und vorderleyb one schaupen oder haar, wonend gmeinklich bey den flüssen an orten so mit böumen oder dickem gesteud besetzt sind: belustigend sich mächtig deß weynß, sauffend sich voll: werdend zu zeyten also besoffen vollen weynß gefangen: sy überfrißt sich auch zu zeyte, als dann legt sy sich in jr hüle schlaafen biß sy aufgetöuwt hat: so er gifft gefrässen, so bringt er sich mit menschenkaat widerub zurecht.

»Mit wunderbarem list sol er die Affen bekriegen, als Elianus schreybt.

»Wo er die menge der Affen erfahren hat, spricht Elianus, so legt er sich noch bey jnen nider auff den boden, sterckt die bein von jm, spert den rachen und äugen weyt auf, hält sich gleych als ob er tod seye, wann dann die Affen sölichs ersehend, habend sy grosse fröud darab, trauwend jm doch nit gantz wol, schickend zu ersten die frächest herab, dz spil zu erfaren, welche mit verzagtem hertzen, yetz nahet, dann widerkeert: der Leppard aber halt sich gantz still als tod. So nun die anderen Affen ersehend den ersten unverletzt um seinen feind härumb traben, stellend sy die forcht hinweg, lauffend all herzu, sröuwend sich, dantzend, springend auff und umb der todten feynd här als ob sy seinen spottend. So nun der Leppard sy müd, verdrossen, on sorg achtet, so das spil im besten ist, als dann junckt er unbewartet sach auf, ergreifst, zerreißt, zerzeert jren ein guten teil, braucht das beste und feißtest zu seiner spyß und narung. Er verbirgt sich auch zu zeyten in die dickest der böume oder dicke gesteud, springt auf die, falt an die so fürgend, erwürgt was er ankommen mag. Das Pantherthier sol ein blinde frucht gebären gleich als auch die Katze, und die selbig mit grossem schmertzen, ein kleine frucht, gebirt sälten. Zu zeyten vermischt sich das Pantherthier mit dem Wolff, dannethär Wirt geboren ein thier Thoes genannt, welche gestalt gefläcket ist, der kopff aber dem Wolff gleych: von sölchem wirt under den Wölffen geredt werden. Der Löuw vergleycht sich mit einem dapfferen, aufrechten, redlichen mann, der Leppard aber oder Pantherthier einem bösen, argedykischen weyb, hat auch zu solcher arglistigkeit, schalckheit mit forcht gemischt ein rechte form, gestalt, und glidmaß von natur überkommen. Ein wunderbarliche, grosse liebe söllend sy gegen jren jungen haben, von welcher Demetrius Physicus ein hübsche history schreybt, wie ein mann einen Lepparden in der straaß begegnet, und Leppard jm liebkoset als wann er etwas von jm begärte, der mann zuersten erschrocken, doch zulest dem Lepparden zu willen worden, welcher jn zu einer gruben geführt, in welche seine jungen gestürtzt warend, welche dann der mann heraufgezogen, und das thier jn mit vil schimpffs als ob er jm um solchen Dienst danckete, widerumb an sein statt gewisen. Zu zeyten wolt auch einer nit ab einem Gitze fräffen so mit jm auferzogen und gespeyßt ward. Doch schreybend etlich, daß wie heimsch er yemer gemacht, gleych von jugend auferzogen werde, laß er doch seine Dyck nit, gleych den bösen Weybern. Der Leppard ist allen thieren verhaßt, und fliehend jn fast alle thier, auch der Track. Es söllend vor wenig jahren nach dem tod des künigs Francisco, den Franzosen ein Leppard männlin und weyblin abkommen, entrunner, in die wäld kommen seyn, und bei Orliens vil der Menschen erwürgt und ertödt haben, ein braut so yetz wolt hochzeht haben auß der statt geraubet haben, und vil todtne körper und weyberen daselbst gefunden, welchen sy allein die brüst abgefressen habend. Das thier so Hyaena, Vilfraß oder Grabthier genannt wird, ist dem Lepparden aufsetzig: es sol auch der Leppard ab sölchesse gesicht gräßlich erschräcken, dermassen daß sy jm kein widerstand begärt zu thun, und ob jr beider fäl bey einandern gehenkt werdend, so fließt dem fäl des Lepparden das haar aus. Auß welcher Ursach die Egyptier so sy bedeuten wöllend daß der edler, stärcker, grösser, von dem minderen überwunden seye, so malend sy solche zwey fäl zusammen. Esculapius schreybt, daß der Leppard ein todtenschädelen eines Menschen ersähe, so neme er die flucht.«

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Wahrscheinlich schließt sich eine große Katze Innerasiens, der Irbis, am nächsten an die Pardel an. Gray will ihn als Vertreter einer besonderen Sippe ( Unica ) angesehen wissen und hebt besonders die Kürze und Breite der Gesichtsknochen sowie das jäh aufsteigende Stirnbein als bezeichnende Merkmale hervor, zu denen außerdem noch die schlanken, einigermaßen an die des Gepard erinnernden Läufe und der allseitig lange und dichte, aus gekräuseltem, im Grunde wolligem Haare bestehende, nur am Bauche weiche und schlaffe Pelz hinzuzuzählen wären. Ob diese Kennzeichen insgesammt zur Trennung des Irbis von verwandten Katzen berechtigen, steht zunächst noch dahin.

Der Irbis ( Leopardus Irbis, Felis unica, tulliana und uncioides), von Buffon ungerechtfertigterweise Unze genannt, steht an Größe dem Panther kaum nach; seine Gesammtlänge beträgt 2,20 Meter, die Schwanzlänge 90 Centim. Die Grundfärbung des Pelzes ist weißlichgrau mit lichtgelblichem Anfluge, wie gewöhnlich ans dem Rücken dunkler und an der Unterseite weiß. Die schwarzen Flecken, welche sich deutlich abzeichnen, sind auf dem Kopfe klein und voll, am Halse größer und ringförmig, und am Rumpfe endlich zu einem Tüpfelring mit dunkler Mitte ausgedehnt. Auf dem Rücken verläuft eine dunkle Linie, welche sich ans dem mattschwarz gefleckten Schwanze unterbrochen fortsetzt; auf der Unterseite stehen Vollflecken. Die kurzen, stumpfen Ohren sind am Grunde und an der Spitze schwarz, in der Mitte aber weiß, die in vier Reihen geordneten Schnurren theils weiß, theils schwarz.

Irbis ( Leopardus Irbis).

Schon durch seine Bekleidung bekundet der Irbis, daß er in kälterer Gegend lebt als der Leopard. Seine Heimat ist das mittlere Asien bis nach Sibirien hinauf; er soll an den Quellen des Jenisei und am Baikalsee nicht gerade selten, häufiger aber in Thibet und noch an den Küsten des Persischen Golfs zu finden sein. »Der Irbis«, bemerkt Radde, »ist selbst in denjenigen Gegenden Südostsibiriens, in denen der Tiger häufig auftritt, sehr selten. Ueber das Vorkommen desselben im östlichen Sajan, den Baikalgebirgen und in Transbaikalien hat sich während meiner Reise nichts ermitteln lassen. Ebenso konnte bei zweimaliger Durchreise des oberen Amurlaufes hierüber nichts in Erfahrung gebracht werden. Erst bei den Birar-Tungusen gewannen die Erkundigungen solche Gewißheit, daß ich den Irbis als ein sehr seltenes Thier der Fauna des Burejagebirges zuzählen darf. Er scheint demnach in Westsibirien in größerer Häufigkeit verbreitet zu sein, da nach Lessings mündlichen Mittheilungen er sich einzeln sogar in der Umgegend von Krasnojarsk zeigen und im südlichen Altai nicht gar selten sein soll. Die Birar-Tungusen weisen ihm die hochgrasigen, steppenartigen Flächen am Sungari als eine Gegend an, wo er nicht selten lebt. Es war diesen Leuten bekannt, daß der Irbis gern auf Bäume klettert und von ihnen aus die Beute überfällt, wie es der Luchs auch thut; sie gaben aber sogleich zum Unterschiede von letzterem den langen Schwanz an. Von seiner List wußten sie manches Beispiel zu erzählen. Man fürchtet ihn bei weitem nicht so wie den Tiger und versichert, daß mehrere gute Hunde ihn auf einem Baume stellen.«

Hierauf beschränkt sich das mir über das Freileben des Irbis Bekannte. Von seinem Betragen in Gefangenschaft weiß ich nichts zu berichten. Sicherem Vernehmen nach gelangten zwar im Jahre 1871 zwei lebende Irbis in den Thiergarten zu Moskau, wurden dort aber meines Wissens nicht beobachtet, auch so erbärmlich behandelt, daß sie, wie der größte Theil aller dort lebenden Thiere überhaupt, binnen kurzem ihr Dasein endigten.

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