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Von dem afrikanischen Menschenaffen unterscheidet sich der asiatische, welcher gewöhnlich Orang-Utan (Waldmensch), fälschlich Orang-Utang, auf Borneo aber Meias oder Majas genannt wird ( Simia satyrus , Pithecus satyrus), Vertreter der Sippe der Orangaffen ( Simia), durch die bedeutend längeren Arme, welche bis zu den Knöcheln der Füße herabreichen, und durch den kegel- oder pyramidenförmig zugespitzten Kopf mit weit vorstehender Schnauze, hat auch nur zwölf rippentragende Wirbel. So lange er jung ist, gleicht sein Schädel dem eines Menschenkindes in hohem Grade; mit dem zunehmenden Alter aber tritt das thierische auch bei ihm derartig hervor, daß der Schädel nur noch entfernt an den des jungen Affen erinnert.
Der größte männliche Orang-Utan, welchen Wallace erlegte, war im Stehen 1,35 Meter hoch, klafterte aber mit ausgestreckten Armen 2,4 Meter; das Gesicht war 35 Centim. breit; der Umfang des Leibes betrug 1,15 Meter. Der Leib, an welchem der Bauch stark hervortritt, ist an den Hüften breit, der Hals kurz und vorn faltig, weil das Thier einen großen Kehlsack besitzt, welcher aufgeblasen werden kann; die langen Gliedmaßen haben auch lange Hände und Finger. Die platten Nägel fehlen häufig den Daumen der Hinterhände. Die Lippen sind unschön, weil nicht allein gerunzelt, sondern auch stark aufgeschwollen und aufgetrieben; die Nase ist ganz flach gedrückt, und die Nasenscheidewand verlängert sich über die Nasenflügel hinaus; Augen und Ohren sind klein, aber denen des Menschen ähnlich gebildet. In dem furchtbaren Gebisse treten die Eckzähne stark hervor; der Unterkiefer ist länger als der Oberkiefer. Die Behaarung ist spärlich auf dem Rücken und sehr dünn auf der Brust, um so länger und reichlicher aber an den Seiten des Leibes, wo sie lang herabfällt. Im Gesichte entwickelt sie sich bartähnlich; auf den Oberlippen und am Kinne, am Schädel und auf den Unterarmen ist sie aufwärts, übrigens abwärts gerichtet. Gesicht und Handflächen sind nackt, Brust und Oberseiten der Finger fast gänzlich nackt. Gewöhnlich ist die Färbung der Haare ein dunkles Rostroth, seltener ein Braunroth, welches auf dem Rücken und auf der Brust dunkler, am Barte aber heller wird. Die nackten Theile sehen bläulich- oder schiefergrau aus. Alte Männchen unterscheiden sich von den Weibchen durch ihre bedeutende Größe, dichteres und längeres Haar, reichlicheren Bart und eigentümliche Schwielen oder Hautlappen an den Wangen, welche sich halbmondförmig von den Augen an nach den Ohren hin und zum Oberkiefer herabziehen und das Gesicht auffallend verhäßlichen. Die jüngeren Thiere sind bartlos, sonst aber reicher behaart und dunkler gefärbt.
Einige Naturforscher nehmen mit den Eingeborenen mehrere Arten Orang-Utans an; andere halten die Unterschiede für solche, welche durch das Alter der Thiere bedingt werden.
Der Orang-Utan ist seit alter Zeit bekannt. Schon Plinius gibt an, daß es auf den indischen Bergen Satyrn gäbe, »sehr bösartige Thiere mit einem Menschengesicht, welche bald aufrecht, bald auf allen Vieren gingen und wegen ihrer Schnelligkeit nur gefangen werden könnten, wenn sie alt oder krank seien.« Seine Erzählung erbt sich fort von Jahrhundert zu Jahrhundert und empfängt von jedem neuen Bearbeiter Zusätze. Man vergißt fast, daß man noch von Thieren redet; aus den Affen werden beinahe wilde Menschen. Uebertreibungen jeder Art verwirren die ersten Angaben und entstellen die Wahrheit. Bontius, ein Arzt, welcher um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts auf Java lebte, spricht wieder einmal aus eigener Anschauung. Er sagt, daß er den Waldmenschen einigemal gesehen habe, und zwar ebensowohl Männer als Weiber. Sie gingen öfters aufrecht und geberdeten sich ganz wie andere Menschen. Bewunderungswürdig wäre ein Weibchen gewesen. Es habe sich geschämt, wenn es unbekannte Menschen betrachtet hätten, und nicht nur das Gesicht, sondern auch seine Blöße mit den Händen bedeckt; es habe geseufzt, Thränen vergossen und alle menschlichen Handlungen so ausgeübt, daß ihm nur die Sprache gefehlt habe, um wie ein Mensch zu sein. Die Javaner behaupten, daß die Affen wohl reden könnten, wenn sie nur wollten, es jedoch nicht thäten, weil sie fürchteten, arbeiten zu müssen. Daß die Waldmenschen aus der Vermischung von Affen und indianischen Weibern entständen, sei ganz sicher. Schouten bereichert diese Erzählung durch einige Entführungsgeschichten, in denen Waldmenschen der angreifende, malaiische Mädchen aber der leidende Theil sind. Es versteht sich fast von selbst, daß die Orang-Utans nach allen diesen Erzählungen aufrecht aus den Hinterfüßen gehen, obwohl hinzugefügt wird, »daß sie auch auf allen vier Beinen laufen könnten.« Eigentlich sind die Reisebeschreiber an den Uebertreibungen, welche sie auftischen, unschuldig; denn sie geben bloß die Erzählungen der Eingeborenen wieder. Diese wußten sich natürlich die Theilnahme der Europäer für unsere Affen zu Nutze zu machen, weil sie ihnen solche verkaufen wollten und deshalb ihre Waare nach Kräften priesen, – nicht mehr und nicht minder, als es Thierschausteller bei uns zu Lande heutigen Tages auch noch thun.
Dank den trefflichen Forschungen Wallace's sind wir über das Freileben des Orang-Utan genauer unterrichtet als über das jedes anderen Menschenaffen. Der genannte Reisende hatte die beste Gelegenheit, das Thier kennen zu lernen und die Berichte der Eingeborenen mit seinen eigenen Beobachtungen zu vergleichen. Zur Ehre seiner Vorgänger, von denen mehrere, namentlich Owen, Kessel und Brooke bemüht waren, ihre Schilderungen von Fabeln und Irrthümern zu reinigen, muß ich sagen, daß unser Gewährsmann, obgleich er nur eigene Beobachtungen wiedergibt, die Angaben jener in allem wesentlichen bestätigt.
»Man weiß«, sagt er, »daß der Orang-Utan Sumatra und Borneo bewohnt, und hat guten Grund zu glauben, daß er auf diese beiden großen Inseln beschränkt ist. Jedoch scheint er auf der ersteren viel seltener zu sein als auf der letzteren. Hier hat er eine weite Verbreitung. Er bewohnt ausgedehnte Gegenden der Südwest-, Südost-, Nordost- und Nordwestküsten, hält sich aber ausschließlich in niedrig gelegenen und sumpfigen Wäldern auf. In Sadong findet man ihn bloß in flachen, wasserreichen, mit hohem Urwalde bedeckten Gegenden. Ueber die Sümpfe erheben sich viele vereinzelt stehende Berge, welche zum Theil von Dajaks bewohnt werden und mit Fruchtbäumen bebaut worden sind. Sie bilden für den Meias einen Anziehungspunkt; denn er besucht sie ihrer Früchte halber, obwohl er sich des Nachts stets in den Sumpfwald zurückzieht. In allen Gegenden, wo der Boden sich etwas erhebt und trocken ist, wohnt der Orang-Utan nicht. So kommt er beispielsweise in den tieferen Thälern des Sadonggebietes häufig vor, fehlt dagegen jenseits der Grenze, innerhalb welcher Ebbe und Flut bemerkbar sind. Der untere Theil des Saravakthales nun ist sumpfig, jedoch nicht überall mit hohem Walde bedeckt, sondern meist von der Ripapalme bestanden, und nahe der Stadt Saravak wird das Land trocken und hügelig und ist in Besitz genommen von kleinen Strecken Urwald mit Dschungeln. Eine große Fläche ununterbrochenen und gleichmäßig hohen Urwaldes ist für das Wohlbefinden unseres Affen Bedingung. Solche Wälder bilden für ihn ein offenes Land, in welchem er sich nach jeder Richtung hin bewegen kann, mit derselben Leichtigkeit wie der Indianer durch die Steppe und der Araber durch die Wüste zieht. Er geht von einem Baumwipfel zum anderen, ohne jemals auf den Boden hinabzusteigen. Die hohen und trockenen Gegenden, welche mehr durch Lichtungen und später auf diesen wachsendes, niederes Dschungel bedeckt sind, eignen sich wohl für Menschen, nicht aber für die eigenthümliche Art der Bewegung unseres Thieres, welches hier auch vielen Gefahren ausgesetzt sein würde. Wahrscheinlich finden sich außerdem in seinem Gebiete auch Früchte in größerer Mannigfaltigkeit, indem die kleinen inselartigen Berge als Gärten oder Anpflanzungen dienen, so daß inmitten der sumpfigen Ebene die Bäume des Hochlandes gedeihen können.
»Es ist ein seltsamer und fesselnder Anblick, einen Meias gemächlich seinen Weg durch den Wald nehmen zu sehen. Er geht umsichtig einen der größeren Aeste entlang in halb aufrechter Stellung, zu welcher ihn die bedeutende Länge seiner Arme und die verhältnismäßige Kürze seiner Beine nöthigen, und zwar bewegt er sich wie seine Verwandten, indem er auf den Knöcheln, nicht wie wir auf den Sohlen geht. Stets scheint er solche Bäume zu wählen, deren Aeste mit denen des nächst stehenden verflochten sind, streckt, wenn er nahe ist, seine langen Arme aus, faßt die betreffenden Zweige mit beiden Händen, scheint ihre Stärke zu prüfen und schwingt sich dann bedächtig hinüber auf den nächsten Ast, auf welchem er wie vorher weiter geht. Nie hüpft oder springt er, niemals scheint er auch nur zu eilen, und doch kommt er fast ebenso schnell fort, wie Jemand unter ihm durch den Wald laufen kann.« – An einer anderen Stelle meint Wallace, daß er im Laufe einer Stunde bequem eine Entfernung von fünf bis sechs englischen Meilen zurücklegen könne. »Die langen mächtigen Arme sind für ihn von größtem Nutzen; sie befähigen ihn, mit Leichtigkeit die höchsten Bäume zu erklimmen, Früchte und junge Blätter von dünnen Zweigen, welche sein Gewicht nicht aushalten würden, zu pflücken und Blätter und Aeste zu sammeln, um sich ein Nest zu bauen.« Ein von unserem Forscher verwundeter Orang-Utan zeigte seinem Verfolger, in welcher Weise der Bau solches Nestes geschieht. »Sobald ich geschossen hatte«, erzählt Wallace, »kletterte der Meias höher im Wipfel des Baumes hinauf und hatte bald die höchsten Spitzen desselben erreicht. Hier begann er sofort rings herum Zweige abzubrechen und sie Kreuz und Quer zu legen. Der Ort war trefflich gewählt. Außerordentlich schnell griff er mit seinem einzigen noch unverwundeten Arme nach jeder Richtung hin, brach mit der größten Leichtigkeit starke Aeste ab und legte sie rückwärts quer übereinander, so daß er in wenigen Minuten eine geschlossene Masse von Laubwerk gebildet hatte, welche ihn meinen Blicken gänzlich entzog. Ein ähnliches Nest benutzt der Meias auch fast jede Nacht zum Schlafen; doch wird dieses meist niedriger auf einem kleinen Baume angebracht, in der Regel nicht höher als acht bis fünfzehn Meter über dem Boden, wahrscheinlich weil es hier weniger den Winden ausgesetzt ist als oben. Der Meias soll sich in jeder Nacht ein neues machen; ich halte dies jedoch deshalb kaum für wahrscheinlich, weil man die Ueberreste häufiger finden würde, wenn das der Fall wäre. Die Dajaks sagen, daß sich der Affe, wenn es sehr naß ist, mit Pandanblättern oder sehr großen Farnen bedeckt. Das hat vielleicht zu dem Glauben verleitet, daß er sich eine Hütte in den Bäumen erbaue.
»Der Orang-Utan verläßt sein Lager erst, wenn die Sonne ziemlich hoch steht und den Thau auf den Blättern getrocknet hat. Er frißt die mittlere Zeit des Tages hindurch, kehrt jedoch selten während zweier Tage zu demselben Baume zurück. So viel ich in Erfahrung bringen konnte, nährt er sich fast ausschließlich von Obst, gelegentlich auch von Blättern, Knospen und jungen Schößlingen. Unreife Früchte zieht er den reifen anscheinend vor, ißt auch sehr sauere oder stark bittere. Insbesondere scheint ihm die große rothe fleischige Samendecke einer Frucht vortrefflich zu schmecken. Machmal genießt er nur den kleinen Samen einer großen Frucht und verwüstet und zerstört dann weit mehr als er ißt, so daß man unter den Bäumen, auf denen er gespeist hat, stets eine Menge Reste liegen sieht. In hohem Grade liebt er die Durian und vernichtet eine Menge dieser köstlichen Früchte, kreuzt aber niemals Lichtungen, um sie zu holen.« Die Durian wächst, wie Wallace an einer anderen Stelle seines Werkes bemerkt, an einem großen und hohen Waldbaume, welcher in seinem Gesammtgepräge unserer Ulme ähnlich ist, aber eine glattere und mehr blätterige Rinde besitzt. »Die Frucht ist rund oder leicht eiförmig, hat die Größe einer Kokosnuß, grüne Färbung und ist mit kleinen, starken, scharfen Stacheln bedeckt, deren Ansätze sich gegenseitig berühren und infolge dessen sechseckig erscheinen. Sie bewaffnen die Frucht so vollständig, daß es bei abgebrochenem Stengel seine Schwierigkeit hat, eine Durian vom Boden aufzuheben. Die äußere Rinde ist so dick und zähe, daß die Frucht nie zerbricht, von welcher Höhe sie auch herabfallen möge. Von der Wurzel zur Spitze sieht man fünf sehr schwach gezeichnete Linien, über welche die Stacheln sich ein wenig wölben; sie zeigen die Nähte an, in denen die Frucht mit einem starken Messer und einer kräftigen Hand getheilt werden kann. Die fünf Zellen sind innen atlasartig weiß, und jede wird von einer Masse rosafarbenen Breies angefüllt, in welchem zwei oder drei Samen von der Größe einer Kastaniennuß liegen. Dieser Brei, das Eßbare, ist ebenso unbeschreiblich in seiner Zusammensetzung wie in seinem Wohlgeschmacke: ein würziger, butteriger, stark nach Mandeln schmeckender Eierrahm gibt die beste Vorstellung davon. Dazwischen aber machen sich Düfte bemerklich, welche an Rahm, Käse, Zwiebelbrühe, Jereswein und anderes Unvergleichbare erinnern. Auch hat der Brei eine würzige, kleberige Weichheit, welche sonst keinem Dinge zukommt und ihn noch schmackhafter macht. Die Durian ist weder sauer noch süß noch saftig, und doch vermißt man den Mangel einer dieser Eigenschaften nicht. Denn sie erscheint vollkommen so, wie sie ist; sie verursacht keine Uebelkeit, bringt überhaupt keine schlechten Wirkungen hervor, und jemehr man von ihr ißt, desto weniger fühlt man sich geneigt, aufzuhören. Durianessen ist in der That eine neue Art von Empfindung, welche eine Reise nach dem Osten lohnt.« Es scheint wunderbar, wie der Meias im Stande ist, diese Frucht zu öffnen. Wahrscheinlich beißt er zuerst einige Stacheln ab, macht dann ein kleineres Loch und sprengt die Schale mit seinen mächtigen Fingern.
»Aeußerst selten steigt der Orang-Utan auf die Erde herab, wahrscheinlich nur dann, wenn er, vom Hunger getrieben, saftige Schößlinge am Ufer sucht oder wenn er bei sehr trockenem Wetter nach Wasser geht, von welchem er für gewöhnlich genug in den Höhlungen der Blätter findet. Nur einmal sah ich zwei halberwachsene Orangs auf der Erde in einem trockenen Loche am Fuße der Siénunjonhügel. Sie spielten zusammen, standen aufrecht und faßten sich gegenseitig an den Armen an. Niemals geht dieser Affe aufrecht, es sei denn, daß er sich mit den Händen an höheren Zweigen festhalte, oder aber, daß er angegriffen werde. Abbildungen, welche ihn darstellen, wie er mit einem Stocke geht, sind gänzlich aus der Luft gegriffen.
»Vor dem Menschen scheint sich der Meias nicht sehr zu fürchten. Diejenigen, welche ich beobachtete, glotzten häufig einige Minuten lang auf mich herab und entfernten sich dann nur langsam bis zu einem benachbarten Baume. Wenn ich einen gesehen hatte, mußte ich oft eine halbe Meile und weiter gehen, um mein Gewehr zu holen; trotzdem fand ich ihn nach meiner Rückkehr fast stets auf demselben Baume oder innerhalb eines Umkreises von ein paar hundert Fuß. Niemals sah ich zwei ganz erwachsene Thiere zusammen, wohl aber Männchen wie auch Weibchen, zuweilen begleitet von halberwachsenen Jungen.
»Die Dajaks sagen, daß der Meias niemals von Thieren im Walde angefallen wird, mit zwei seltenen Ausnahmen. Alle Dajakshäuptlinge, welche ihr ganzes Leben an Orten zugebracht haben, wo das Thier häufig vorkommt, versicherten: Kein Thier ist stark genug, um den Meias zu verletzen, und das einzige Geschöpf, mit dem er überhaupt kämpft, ist das Krokodil. Wenn er kein Obst im Dschungel findet, geht er an die Flußufer, um hier junge Schößlinge und Früchte, welche dicht am Wasser wachsen, zu fressen. Dann versucht es das Krokodil, ihn zu packen; der Meias aber springt auf dasselbe, schlägt es mit Händen und Füßen, zerfleischt und tödtet es. Der Mann fügte hinzu, daß er einmal solchem Kampfe zugeschaut habe, und versicherte, daß der Meias stets Sieger bleibe. Ein anderer Häuptling sagte mir Folgendes: Der Meias hat keine Feinde; denn kein Thier wagt es, ihn anzugreifen, bis auf das Krokodil und die Tigerschlange. Er tödtet aber das Krokodil stets durch sein gewaltige Kraft, indem er sich auf dasselbe stellt, seine Kiefern aufreißt und ihm die Kehle aufschlitzt. Greift eine Tigerschlange den Meias an, so packt er sie mit seinen Händen, beißt sie und tödtet sie bald. Der Meias ist sehr stark: kein Thier im Dschungel ist so kräftig wie er.
»Ausnahmsweise geschieht es wohl auch, daß ein Orang-Utan mit Menschen kämpft. Eines Tages kamen einige Dajaks zu mir, um mir zu erzählen, daß ein Meias am gestrigen Tage einen ihrer Genossen beinahe getödtet habe. Einige Meilen den Fluß hinab steht das Haus eines Dajak, und die Bewohner sahen einen großen Orang-Utan, welcher sich an den Schößlingen einer Palme am Ufer gütlich that. Aufgeschreckt zog er sich in das Dschungel zurück, und eine Anzahl mit Speeren und Beilen bewaffneter Männer liefen hin, um ihm den Weg abzuschneiden. Der vorderste Mann versuchte seinen Speer durch den Körper des Thieres zu rennen; der Meias aber ergriff seinen Gegner mit den Händen, packte in demselben Augenblicke den Arm mit dem Maule und wühlte sich mit den Zähnen in die Muskeln über dem Elnbogen ein, sie entsetzlich zerreißend und zerfetzend. Wären die Anderen nicht zur Stelle gewesen, er würde den Mann noch weit ernstlicher verletzt, wenn nicht getödtet haben. Die Gefährten aber machten das muthige Thier bald mit ihren Speeren und Beilen nieder. Der Verwundete blieb lange Zeit krank und erlangte den Gebrauch seines Armes niemals vollständig wieder.« Von der Wahrheit dieser Erzählung konnte sich Wallace selbst überzeugen, weil er am nächsten Tage den Kampfplatz besuchte und dem getödteten Orang-Utan den Kopf abschnitt, um diesen seinen Sammlungen einzuverleiben.
Gelegentlich einer seiner Jagden erlangte unser Forscher auch einen jungen Orang-Utan. Von Dajaks herbeigerufen, sah er einen großen Meias sehr hoch auf einem Baume sitzen und erlegte ihn mit drei Schüssen. Während die Leute ihn zurüsteten, um ihn nach Hause zu tragen, bemerkte man noch ein Junges, welches mit seinem Kopfe im Sumpfe lag. »Dieses kleine Geschöpf«, berichtet Wallace, »war nur einen Fuß lang und hatte augenscheinlich am Halse der Mutter gehangen, als sie vom Baume herabfiel. Glücklicherweise schien es nicht verwundet zu sein, und nachdem der Mund vom Schlamme gesäubert worden war, fing es an zu schreien und schien kräftig und lebhaft. Als ich es nach Hause trug, gerieth es mit seinen Händen in meinen Bart und faßte so fest hinein, daß ich große Mühe hatte, frei zu kommen; denn die Finger sind gewöhnlich am letzten Gelenke hakenartig nach innen gebogen. Es hatte noch keinen einzigen Zahn; doch kamen einige Tage darauf die beiden unteren Vorderzähne zum Vorscheine. Unglücklicherweise konnte ich keine Milch schaffen, da weder Malaien noch Chinesen noch Dajaks dieses Nahrungsmittel verwenden, und vergeblich bemühte ich mich um ein weibliches Thier, welches mein Kleines säugen könnte. Ich sah mich daher genöthigt, ihm Reiswasser aus der Saugflasche zu geben. Dies aber war doch eine zu magere Kost, und das kleine Geschöpf gedieh auch nicht gut dabei, obgleich ich gelegentlich Zucker und Kokosnußmilch hinzufügte, um die Atzung nahrhafter zu machen. Wenn ich meinen Finger in seinen Mund steckte, saugte es mit großer Kraft, zog seine Backen mit aller Macht ein und strengte sich vergeblich an, etwas Milch herauszuziehen, und erst nachdem es das eine Zeitlang getrieben hatte, stand es mismuthig davon ab und fing ganz wie ein Kind unter ähnlichen Umständen zu schreien an. Liebkoste und wartete man es, so war es ruhig und zufrieden; sowie man es aber ablegte, schrie es stets, namentlich in den ersten paar Nächten, welche es unter großer Unruhe verbrachte. Ich machte einen kleinen Kasten als Wiege zurecht und reichte ihm eine weiche Matte, welche täglich gewechselt und gereinigt wurde, fand es jedoch sehr bald nöthig, auch den kleinen Meias zu waschen. Diese Behandlung gefiel ihm, nachdem er sie einige Male durchgemacht hatte, in so hohem Grade, daß er zu schreien begann, sobald er schmutzig war, und nicht eher aufhörte, als bis ich ihn herausnahm und nach dem Brunnen trug. Obwohl er beim ersten kalten Wasserstrahl etwas strampelte und sehr komische Grimassen schnitt, beruhigte er sich dann doch sofort, wenn das Wasser über seinen Kopf lief. Das Abwaschen und Trockenreiben liebte er außerordentlich, und vollkommen glücklich schien er zu sein, wenn ich sein Haar bürstete. Dann lag er ganz still und streckte Arme und Beine von sich, während ich das lange Haar auf Rücken und Armen strählte. In den ersten paar Tagen klammerte er sich mit allen Vieren verzweifelt an alles, was er packen konnte, und ich mußte meinen Bart sorgfältigst vor ihm in Acht nehmen, da seine Finger das Haar hartnäckiger als irgend etwas festhielten, und ich mich ohne Hülfe unmöglich von ihm befreien konnte. Wenn er aber ruhig war, wirtschaftete er mit den Händen in der Luft umher und versuchte irgend etwas zu ergreifen. Gelang es ihm, einen Stock oder einen Lappen mit zwei Händen oder mit diesen und einem Fuße zu fassen, so schien er ganz glücklich zu sein. In Ermangelung eines anderen ergriff er oft seine eigenen Füße, und nach einiger Zeit kreuzte er fast beständig seine Arme und packte mit jeder Hand das lange Haar unter der entgegengesetzten Schulter. Bald aber ließ seine Kraft nach, und ich mußte auf Mittel sinnen, ihn zu üben und seine Glieder zu stärken. Zu diesem Zwecke verfertigte ich ihm eine kurze Leiter mit drei oder vier Sprossen und hing ihn eine Viertelstunde lang an dieselbe. Zuerst schien ihm dies zu gefallen; er konnte jedoch nicht mit Händen und Füßen in eine bequeme Lage kommen und ließ, nachdem er jene verschiedene Male geändert hatte, eine Hand nach der anderen los, bis er zuletzt auf den Boden herabfiel. Manchmal, wenn er nur an zwei Händen hing, ließ er eine los und kreuzte sie nach der gegenüberliegenden Schulter, um hier sein eigenes Haar zu packen, und da ihm dieses meist angenehmer als der Stock zu sein schien, ließ er auch die andere los, fiel herab, kreuzte beide Arme und lag zufrieden auf dem Rücken. Da ich sah, daß er Haar so gern hatte, bemühte ich mich, ihm eine künstliche Mutter herzustellen, indem ich ein Stück Büffelhaut in einen Bündel zusammenschnürte und niedrig über dem Boden aufhing. Zuerst schien ihm dasselbe ausgezeichnet zu gefallen, weil er mit seinen Beinen nach Belieben umherzappeln konnte und immer etwas Haar zum Festhalten fand. Meine Hoffnung, die kleine Waise glücklich gemacht zu haben, schien erfüllt. Bald aber erinnerte er sich seiner verlorenen Mutter und versuchte zu saugen. Dazwischen zog er sich so viel als möglich in die Höhe und suchte nun überall nach der Saugwarze, bekam aber nur den Mund voll Haare und Wolle, wurde verdrießlich, schrie heftig und ließ nach zwei oder drei vergeblichen Versuchen gänzlich von seinem Vorhaben ab. Eines Tages war ihm etwas Wolle in die Kehle gekommen, und ich fürchtete schon, daß er ersticken würde; nach vielem Keuchen aber erholte er sich doch wieder. Somit mußte ich die nachgemachte Mutter zerreißen und den letzten Versuch, das kleine Geschöpf zu beschäftigen, aufgeben. Nach der ersten Woche fand ich, daß ich ihn besser mit einem Löffel füttern und ihm mehr abwechselnde und nahrhaftere Kost reichen könnte. Gut eingeweichter Zwieback mit etwas Ei und Zucker gemischt, manchmal süße Kartoffeln wurden gern gegessen, und ich bereitete mir ein nie fehlschlagendes Vergnügen dadurch, daß ich die drolligen Grimassen beobachtete, durch welche er seine Billigung oder sein Misfallen über das, was ich ihm gegeben hatte, ausdrückte. Das arme kleine Geschöpf beleckte die Lippen, zog die Backen ein und verdrehte die Augen mit dem Ausdrucke der höchsten Befriedigung, wenn er seinen Mund mit dem, was er besonders liebte, voll hatte, während er andererseits den Bissen eine kurze Zeit mit der Zunge im Munde herumdrehte, als ob er einen Wohlgeschmack daran suchen wolle, und wenn er ihn nicht süß oder schmackhaft genug fand, regelmäßig alles wieder ausspie. Gab man ihm dasselbe Essen fernerhin, so begann er zu schreien und schlug heftig um sich, genau wie ein kleines Kind im Zorne zu thun pflegt.
»Als ich meinen jungen Meias ungefähr drei Wochen besaß, bekam ich glücklicherweise einen jungen Makaken, welcher klein aber sehr lebhaft war und allein fressen konnte. Ich setzte ihn zu dem Meias, und sie wurden sogleich die besten Freunde. Keiner fürchtete sich im geringsten vor dem anderen. Der kleinere Makak setzte sich ohne die mindeste Rücksicht auf den Leib, ja selbst auf das Gesicht des Meias, und während ich diesen fütterte, pflegte jener dabei zu sitzen und alles aufzunaschen, was daneben fiel, gelegentlich auch mit seinen Händen den Löffel aufzufangen. War ich mit der Atzung fertig geworden, so leckte er das, was an den Lippen des Meias saß, begierig ab und riß diesem schließlich das Maul auf, um zu sehen, ob noch etwas darin sei. Den Leib seines Gefährten betrachtete er wie ein bequemes Kissen, indem er sich oft darauf niederlegte, und der hülflose Meias ertrug allen Uebermuth seines Gefährten mit der beispiellosesten Geduld; denn er schien zu froh zu sein, überhaupt etwas Warmes in seiner Nähe oder einen Gegenstand zur Verfügung zu haben, um den er zärtlich seine Arme schlingen konnte. Nur wenn sein Gefährte weggehen wollte, hielt er ihn so lange, als er konnte, an der beweglichen Haut des Rückens oder Kopfes oder auch wohl am Schwanze fest, und der Makak vermochte nur nach vielen kräftigen Sprüngen sich los zu machen. Merkwürdig war das verschiedene Gebaren dieser zwei Thiere, welche im Alter nicht weit auseinander sein konnten. Der Meias benahm sich ganz wie ein kleines Kind, lag hülflos auf dem Rücken, rollte sich langsam hin und her, streckte alle Viere in die Luft, in der Hoffnung, irgend etwas zu erhaschen, war aber noch kaum im Stande, seine Finger nach einem bestimmten Gegenstande hinzubringen, öffnete, wenn er unzufrieden war, seinen fast zahnlosen Mund und drückte seine Wünsche durch ein sehr kindliches Schreien aus; der junge Makak dagegen war in beständiger Bewegung, lief und sprang umher, wann und wo es ihm Vergnügen machte, untersuchte alles, ergriff mit der größten Sicherheit die kleinsten Dinge, erhielt sich mühelos auf dem Rande des Kastens im Gleichgewichte, kletterte an einem Pfahle hinauf und setzte sich in den Besitz von allem Eßbaren, welches ihm in den Weg kam. Man konnte keinen größeren Gegensatz sich denken: der Meias erschien neben dem Makaken noch mehr denn als ein kleines Kind.
»Nachdem ich meinen Gefangenen ungefähr einen Monat besessen hatte, zeigte sich, daß er wohl allein laufen lernen würde. Wenn man ihn auf die Erde legte, stieß er sich mit den Beinen weiter oder überstürzte sich und kam so schwerfällig vorwärts. Wenn er im Kasten lag, pflegte er sich am Rande gerade aufzurichten, und es gelang ihm auch ein- oder zweimal bei dieser Gelegenheit, sich herauszuhelfen. War er schmutzig oder hungrig, oder fühlte er sich sonst vernachlässigt, so begann er heftig zu schreien, bis man ihn wartete. Wenn Niemand im Hause war, oder wenn man auf sein Schreien nicht kam, wurde er nach einiger Zeit von selbst ruhig. Sowie er aber dann einen Tritt hörte, fing er wieder um so ärger an.
»Nach fünf Wochen kamen seine beiden oberen Vorderzähne zum Vorscheine. In der letzten Zeit war er nicht im geringsten gewachsen, sondern an Größe und Gewicht derselbe geblieben wie anfangs. Das kam zweifellos von dem Mangel an Milch oder anderer ebenso nahrhafter Kost her. Reiswasser, Reis und Zwieback waren doch nur dürftige Ersatzmittel, und die ausgepreßte Milch der Kokosnuß, welche ich ihm manchmal gab, vertrug sich nicht mit seinem Magen. Dieser Nahrung hatte ich auch eine Erkrankung an Durchfall zuzuschreiben, unter welcher das arme kleine Geschöpf sehr litt; doch gelang es mir, ihn durch eine geringe Gabe Ricinusöl wieder herzustellen. Eine oder zwei Wochen später wurde er wieder krank und diesmal ernstlicher. Die Erscheinungen waren genau die des Wechselfiebers, auch von Anschwellungen der Füße und des Kopfes begleitet. Er verlor alle Eßlust und starb, nachdem er in einer Woche bis zu einem Jammerbilde abgezehrt war. Der Verlust meines kleinen Lieblings, den ich fast drei Monate besessen und groß zu ziehen gehofft hatte, that mir außerordentlich leid. Monatelang hatte er mir durch sein trolliges Gebaren und seine unnachahmlichen Grimassen das größte Vergnügen bereitet.«
Zur Vervollständigung des von Wallace so trefflich gezeichneten Lebensbildes eines jungen Orang-Utan, will ich noch einige ältere Berichte folgen lassen. Die ersten genauen Beobachtungen verdanken wir dem Holländer Vosmaern, welcher ein Weibchen längere Zeit zahm hielt. Das Thier war gutmüthig und bewies sich niemals boshaft oder falsch. Man konnte ihm ohne Bedenken die Hand in das Maul stecken. Sein äußeres Ansehen hatte etwas Trauriges, Schwermüthiges. Es liebte die menschliche Gesellschaft ohne Unterschied des Geschlechtes, zog aber diejenigen Leute vor, welche sich am meisten mit ihm beschäftigten. Man hatte es an eine Kette gelegt, worüber es zuweilen in Verzweiflung gerieth; es warf sich dann auf den Boden, schrie erbärmlich und zerriß alle Decken, welche man ihm gegeben hatte. Als es einmal frei gelassen wurde, kletterte es behend in dem Sparrwerke des Daches umher und zeigte sich hier so hurtig, daß vier Personen eine Stunde lang zu thun hatten, um es wieder einzufangen. Bei diesem Ausfluge erwischte es eine Flasche mit Malagawein, entkorkte sie und brachte den Wein schleunigst in Sicherheit, stellte dann aber die Flasche wieder an ihren Ort. Es fraß alles, was man ihm gab, zog aber Obst und gewürzhafte Pflanzen anderen Speisen vor. Gesottenes und gebratenes Fleisch oder Fische genoß es ebenfalls sehr gern. Nach Kerbthieren jagte es nicht, und ein ihm dargebotener Sperling verursachte ihm viel Furcht; doch biß es ihn endlich todt, zog ihm einige Federn aus, kostete das Fleisch und warf den Vogel wieder weg. Rohe Eier soff es mit Wohlbehagen aus. Der größte Leckerbissen schienen ihm Erdbeeren zu sein. Sein gewöhnliches Getränk bestand in Wasser; es trank aber auch sehr gern alle Arten von Wein und besonders Malaga. Nach dem Trinken wischte es die Lippen mit der Hand ab, bediente sich sogar eines Zahnstochers in derselben Weise wie ein Mensch. Diebstahl übte es meisterhaft; es zog den Leuten, ohne daß sie es merkten, Leckereien aus den Taschen heraus. Vor dem Schlafengehen machte es stets große Anstalten. Es legte sich das Heu zum Lager zurecht, schüttelte es gut auf, legte sich noch ein besonderes Bündel unter den Kopf und deckte sich dann zu. Allein schlief es nicht gern, weil es die Einsamkeit überhaupt nicht liebte. Bei Tage schlummerte es zuweilen, aber niemals lange. Man hatte ihm eine Kleidung gegeben, welche es sich bald um den Leib und bald um den Kopf legte, und zwar ebenso wohl wenn es kühl war als während der größten Hitze. Als man ihm einmal das Schloß seiner Kette mit dem Schlüssel öffnete, sah es mit großer Aufmerksamkeit zu und nahm sodann ein Stückchen Holz, steckte es ins Schlüsselloch und drehte es nach allen Seiten um. Einst gab man ihm eine junge Katze. Es hielt dieselbe fest und beroch sie sorgfältig. Die Katze kratzte es in den Arm, da warf es dieselbe weg, besah sich die Wunde und wollte fortan nichts wieder mit Miez zu thun haben. Es konnte die verwickeltsten Knoten an einem Stricke sehr geschickt mit den Fingern oder, wenn sie zu fest waren, mit den Zähnen auflösen und schien daran eine solche Freude zu haben, daß es auch den Leuten, welche nahe zu ihm hintraten, regelmäßig die Schuhe aufband. In seinen Händen besaß es eine außerordentliche Stärke und konnte damit die größten Lasten aufheben. Die Hinterhände benutzte es ebenso geschickt wie die vorderen. So legte es sich z. B., wenn es etwas mit den Vorderhänden nicht erreichen konnte, auf den Rücken und zog den Gegenstand mit den Hinterfüßen heran. Es schrie nie, außer wenn es allein war. Anfangs glich dieses Geschrei dem Heulen eines Hundes. Die Auszehrung machte seinem jungen Leben bald ein Ende.
Ein anderer zahmer Meias, von dem uns Jeffries erzählt, hielt seinen Stall sehr reinlich, scheuerte den Boden desselben öfters mit einem Lappen und Wasser und entfernte alle Ueberreste von Speisen und dergleichen. Er wusch sich auch Gesicht und Hände wie ein Mensch. Ein anderer Orang-Utan zeichnete sich durch große Zärtlichkeit gegen alle aus, welche freundlich mit ihm sprachen, und küßte seinen Herrn und seinen Wärter echt menschlich. Gegen Unbekannte war er sehr schüchtern, gegen Bekannte ganz zutraulich.
Der Pongo, welchen Cuvier in Paris beobachtete, war etwa zehn bis elf Monate alt, als er nach Frankreich kam, und lebte dort noch fast ein halbes Jahr. Seine Bewegungen waren langsam und auf dem Boden schwerfällig. Er setzte beide Hände geschlossen vor sich nieder, erhob sich auf seine langen Arme, schob den Leib vorwärts, setzte die Hinterfüße zwischen die Arme vor die Hände und schob den Hinterleib nach, stemmte sich dann wieder auf die Fäuste etc. Wenn er sich auf eine Hand stützen konnte, ging er auch auf den Hinterfüßen, trat aber immer mit dem äußeren Rande des Fußes auf. Beim Sitzen ruhte er in der Stellung der Morgenländer mit eingeschlagenen Beinen. Das Klettern wurde ihm sehr leicht; er umfaßte dabei den Stamm mit den Händen, nicht mit den Armen und Schenkeln. Wenn sich die Zweige zweier Bäume berührten, kam er leicht von einem Baume zum anderen. In Paris ließ man ihn an schönen Tagen oft in einem Garten frei; dann kletterte er rasch auf die Bäume und setzte sich auf die Aeste. Wenn ihm Jemand nachstieg, schüttelte er die Aeste aus allen Kräften, als wenn er seinen Nachfolger abschrecken wollte; zog man sich zurück, so endeten diese Vorsichtsmaßregeln; erneuerte man den Versuch, so begannen sie sogleich wieder. Auf dem Schiffe hatte er sich oft im Takelwerke lustig gemacht; das Schwanken des Fahrzeugs hatte ihm jedoch viel Angst bereitet, und er war nie gegangen, ohne sich an Seilen und dergleichen zu halten. Beim Schlafen bedeckte er sich gern mit jedem Zeuge, welches er finden konnte, und die Matrosen durften sicher darauf zählen, daß sie ein ihnen fehlendes Kleidungsstück bei ihm finden würden. Die Essenszeit kannte er genau, kam regelmäßig zur rechten Zeit zu seinem Wärter hin und nahm, was dieser ihm gab. Fremdenbesuche wurden ihm oft lästig, und nicht selten versteckte er sich so lange unter seinen Decken, bis die Leute wieder fort waren. Bei Bekannten that er dies nie. Nur von seinem Wärter nahm er Futter an. Als sich einst ein Fremder an den gewöhnlichen Platz seines Pflegers setzte, kam er zwar herbei, verweigerte aber, als er den Fremden bemerkte, alle Nahrung, sprang auf den Boden, schrie und schlug sich, wie in Verzweiflung, vor den Kopf. Seine Speise nahm er mit den Fingern und nur selten gleich mit den Lippen auf und beroch alles, was er nicht kannte, vorher sorgfältig. Sein Hunger war unverwüstlich: er konnte, wie die Kinder, zu jeder Zeit essen.
Zuweilen biß und schlug er zu seiner Vertheidigung um sich, aber nur gegen Kinder und mehr aus Ungeduld als aus Zorn. Er war überhaupt sanft und liebte die Gesellschaft, ließ sich gern schmeicheln und gab Küsse im eigentlichen Sinne. Wenn er etwas sehnsüchtig verlangte, ließ er einen starken Kehllaut hören. Denselben vernahm man gleichfalls, wenn er im Zorne war; doch wälzte er sich dann oft am Boden und schmollte, falls man ihm nicht willfahrte. Zwei junge Katzen hatte er besonders lieb gewonnen und hielt die eine oft unter dem Arme oder setzte sie sich auf den Kopf, obschon sie sich mit ihren Krallen an seiner Haut festhielt. Einigemal betrachtete er ihre Pfoten und suchte die Krallen mit seinen Fingern auszureißen. Da ihm dies nicht gelang, duldete er lieber die Schmerzen, als daß er das Spiel mit seinen Lieblingen aufgegeben hätte.
Eine fernere Mittheilung rührt von einem guten Beobachter her, welcher den Orang-Utan drei Monate mit sich auf dem Schiffe hatte. Das Thier hauste, so lange sich das Schiff in den asiatischen Gewässern befand, auf dem Verdecke, seinem beständigen Aufenthalte, und suchte sich nur des Nachts eine geschützte Stelle zum Schlafen aus. Während des Tages war der Orang-Utan außerordentlich aufgeräumt, spielte mit anderen kleinen Affen, welche sich am Bord befanden, und lustwandelte im Takelwerke umher. Das Turnen und Klettern schien ihm ein besonderes Vergnügen zu machen; denn er führte es mehrmals des Tages an verschiedenen Tauen aus. Seine Gewandtheit und die bei diesen Bewegungen sichtbar werdende Muskelkraft war erstaunenswerth. Kapitän Smitt, der Beobachter, hatte einige hundert Kokosnüsse mitgenommen, von welchen der Affe täglich zwei erhielt. Die äußerst zähe, zwei Zoll dicke Hülle der Nuß, welche selbst mit einem Beile nur schwer zu durchhauen ist, wußte er mit seinem gewaltigen Gebiß sehr geschickt zu zertrümmern. Er setzte an dem spitzigen Ende der Nuß, wo die Frucht kleine Erhöhungen oder Buckel hat, mit seinen furchtbaren Zähnen ein, packte die Nuß dann mit dem rechten Hinterfuße und riß so regelmäßig die zähe Schale auseinander. Dann durchbohrte er mit den Fingern einige der natürlichen Oeffnungen der Nuß, trank die Milch aus, zerschlug hierauf die Nuß an einem harten Gegenstande und fraß den Kern.
Nachdem das Schiff die Sundastraße verlassen hatte, verlor gedachter Waldmensch mit der abnehmenden Wärme mehr und mehr seine Heiterkeit. Er hörte auf zu turnen und zu spielen, kam nur noch selten auf das Verdeck, schleppte die wollene Decke seines Bettes hinter sich her und hüllte sich, sobald er stille saß, vollständig in dieselbe ein. In der gemäßigten südlichen Zone hielt er sich größtenteils in der Kajüte auf und saß dort oft stundenlang mit der Decke über dem Kopfe regungslos auf einer Stelle. Sein Bett bereitete er sich ebenfalls mit der größten Umständlichkeit. Er schlief nie, ohne vorher seine Matratze zwei- bis dreimal mit dem Rücken der Hände ausgeklopft und geglättet zu haben. Dann streckte er sich auf den Rücken, zog die Decke um sich, so daß nur die Nase mit den dicken Lippen frei blieb, und lag in dieser Stellung die ganze Nacht oder zwölf Stunden, ohne sich zu rühren. In seiner Heimat geschah sein Aufstehen und Niederlegen so regelmäßig wie der Gang einer Uhr. Punkt sechs Uhr morgens oder mit Sonnenaufgang erhob er sich, und sowie der letzte Strahl der Sonne hinter dem Gesichtskreise entschwunden war, also Punkt sechs Uhr abends, legte er sich wieder nieder. Je weiter das Schiff nach Westen segelte und demgemäß in der Zeit abwich, um so früher ging er zu Bette und um so früher stand er auf, weil er eben auch nur seine zwölf Stunden schlief. Diese Veränderung des Schlafengehens stand übrigens nicht genau mit der Zeitrechnung des Schiffes im Verhältnis; allein eine gewisse Regelmäßigkeit war nicht zu verkennen. Am Vorgebirge der guten Hoffnung ging er bereits um zwei Uhr des Mittags zu Bette und stand um halb drei Uhr des Morgens auf. Diese beiden Zeiten behielt er später bei, obwohl das Schiff im Verlaufe seiner Reise die Zeit noch um zwei Stunden veränderte.
Außer den Kokosnüssen liebte er Salz, Fleisch, Mehl, Sago etc. und wandte alle mögliche List an, um während der Mahlzeit eine gewisse Fleischmenge sich zu sichern. Was er einmal gefaßt hatte, gab er nie wieder her, selbst wenn er geschlagen wurde. Drei bis vier Pfund Fleisch aß er mit Leichtigkeit auf einmal. Das Mehl holte er sich täglich aus der Küche und wußte dabei immer eine augenblickliche Abwesenheit des Kochs zu benutzen, um die Mehltonne zu öffnen, seine Hand tüchtig voll zu nehmen und sie nachher auf dem Kopfe abzuwischen, so daß er stets gepudert zurück kam. Dienstags und Freitags, sobald acht Glas geschlagen wurde, stattete er den Matrosen unwandelbar seinen Besuch ab, weil die Leute an diesen Tagen Sago mit Zucker und Zimmet erhielten. Ebenso regelmäßig stellte er sich um zwei Uhr in der Kajüte ein, um am Mahle Theil zu nehmen. Beim Essen war er sehr ruhig und, gegen die Gewohnheit der Affen, reinlich; doch konnte er nie dazu gebracht werden, einen Löffel richtig zu gebrauchen. Er setzte den Teller einfach an den Mund und trank die Suppe aus, ohne einen Tropfen zu verschütten. Geistige Getränke liebte er sehr und erhielt deshalb mittags stets sein Glas Wein. Er leerte dieses in ganz eigenthümlicher Weise. Aus seiner Unterlippe konnte er durch Vorstrecken einen drei Zoll langen und fast ebenso breiten Löffel bilden, geräumig genug, um ein ganzes Glas Wasser aufzunehmen. In diesen Löffel schüttete er das betreffende Getränk, und niemals trank er, ohne ihn zuvor herzustellen. Nachdem er das ihm gereichte Glas sorgfältig berochen hatte, bildete er seinen Löffel, goß das Getränk hinein und schlürfte es sehr bedächtig und langsam zwischen den Zähnen hinunter, als ob er sich einen recht dauernden Genuß davon verschaffen wollte. Nicht selten währte dieses Schlürfen mehrere Minuten lang, und erst dann hielt er sein Glas von neuem hin, um es sich wieder füllen zu lassen. Er zerbrach niemals ein Gefäß, sondern setzte es stets behutsam nieder, und unterschied sich hierdurch sehr zu seinem Vortheile von den übrigen Affen, welche, wie bekannt, Geschirre gewöhnlich zerschlagen.
Nur ein einziges Mal sah sein Besitzer, daß er sich an der Schiffswand aufrichtete und so einige Schritte weit ging. Dabei hielt er sich jedoch wie ein Kind, welches gehen lernt, immer mit beiden Händen fest. Während der Reise kletterte er selten umher und dann stets langsam und bedächtig; gewöhnlich that er es nur dann, wenn ein anderer, kleiner Affe, sein Liebling, wegen einer Unart bestraft werden sollte. Dieser flüchtete sich dann regelmäßig an die Brust seines großen Freundes und klammerte sich dort fest, und Bobi, so hieß der Orang-Utan, spazierte mit seinem kleinen Schützlinge in das Takelwerk hinauf, bis die Gefahr verschwunden schien.
Man vernahm nur zwei Stimmlaute von ihm: einen schwachen, pfeifenden Kehllaut, welcher Gemüthsaufregung kennzeichnete, und ein schreckliches Gebrüll, welches dem einer geängsteten Kuh etwa ähnelte und Furcht ausdrückte. Diese wurden einmal durch eine Herde von Pottfischen hervorgerufen, welche nahe am Schiffe vorüberschwamm, und ein zweites Mal durch den Anblick verschiedener Wasserschlangen, welche sein Gebieter mit aus Java gebracht hatte. Der Ausdruck seiner Gesichtszüge blieb sich immer gleich.
Leider machte ein unangenehmer Zufall dem Leben des schönen Thieres ein Ende, noch ehe es Deutschland erreichte. Bobi hatte von seiner Lagerstätte aus den Kellner des Schiffes beobachtet, während dieser Rumflaschen umpackte, und dabei bemerkt, daß der Mann einige Flaschen bis aus weiteres liegen ließ. Es war zu der Zeit, als er sich schon um zwei Uhr nachmittags zu Bette legte. In der Nacht vernahm sein Herr ein Geräusch in der Kajüte, als wenn Jemand mit Flaschen klappere, und sah beim Schimmer der auf dem Tische brennenden Nachtlampe wirklich eine Gestalt an dem Weinlager beschäftigt. Zu seinem Erstaunen entdeckte er in dieser seinen Orang-Utan. Bobi hatte eine bereits fast ganz geleerte Rumflasche vor dem Munde. Vor ihm lagen sämmtliche leere Flaschen behutsam in Stroh gewickelt, die endlich gefundene volle hatte er auf geschickte Weise entkorkt und seinem Verlangen nach geistigen Getränken völlig Genüge leisten können. Etwa zehn Minuten nach diesem Vorgänge wurde Bobi plötzlich lebendig. Er sprang auf Stühle und Tische, machte die lächerlichsten Bewegungen und geberdete sich mit steigender Lebhaftigkeit, wie ein betrunkener und zuletzt wie ein wahnsinniger Mensch. Es war unmöglich, ihn zu bändigen. Sein Zustand hielt ungefähr eine Viertelstunde an, dann fiel er zu Boden; es trat ihm Schaum vor den Mund, und er lag steif und regungslos. Nach einigen Stunden kam er wieder zu sich, fiel aber in ein heftiges Nervenfieber, welches seinem Leben ein Ziel setzen sollte. Während seiner Krankheit nahm er nur Wein mit Wasser und die ihm gereichten Arzneien zu sich, nichts weiter. Nachdem ihm einmal an den Puls gefühlt worden war, streckte er seinem Herrn jedesmal, wenn dieser an sein Lager trat, die Hand entgegen. Dabei hatte sein Blick etwas so Rührendes und Menschliches, daß seinem Pfleger öfters die Thränen in die Augen traten. Mehr und mehr nahmen seine Kräfte ab, und am vierzehnten Tage verschied er nach einem heftigen Fieberanfalle.
Ich habe mehrere lebende Orang-Utans beobachtet, keinen einzigen aber kennen gelernt, welcher mit einem Schimpanse gleichen Alters hätte verglichen werden können. Allen fehlte die letzteren so auszeichnende neckische Munterkeit und die Lust zu scherzen: sie waren im Gegentheile ernsthaft bis zum äußersten, mehrere auch still und deshalb langweilig. Jede ihrer Bewegungen war langsam und gemessen, der Ausdruck ihrer braunen, gutmüthigen Augen unendlich traurig. So stellten sie fast in jeder Hinsicht ein Gegenstück des Schimpanse dar.
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