Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Afrika beherbergt nicht nur die größten, die klügsten und die häßlichsten Affen der alten Welt, sondern auch die schönsten, nettesten und gemüthlichsten. Zu diesen gehört unzweifelhaft die zahlreiche Gruppe, welche uns unter dem Namen » Meerkatzen« bekannt ist. Wir sehen dieses oder jenes Mitglied der betreffenden Sippe häufig genug in jedem Thiergarten oder in jeder Thierschaubude und finden es auch öfters als lustigen Gesellschafter irgend eines Thierfreundes.
Die Meerkatzen erhielten ihren Namen schon im sechszehnten Jahrhundert, jedenfalls weil sie zuerst von dem Westen Afrika's, nämlich von Guinea zu uns kamen und entfernt an die Gestalt einer Katze erinnern. Ihre Aehnlichkeit mit unserem nützlichen Hausthiere ist übrigens nur eine sehr oberflächliche, denn alle Meerkatzen sind echte Affen in Gestalt und Wesen. Bewohner der Wendekreisländer des genannten Erdtheils, beschränken sie sich, mit Ausnahme einer einzigen Art, welche auf Madagaskar vorkommt, auf das afrikanische Festland. Wo sich Urwälder finden, zeigen sich auch diese Affen in großer Anzahl. Manche Arten erhalten wir ebenso wohl ans dem Osten wie auch aus dem Westen und aus der Mitte des Erdtheils; die meisten aber kommen aus Westafrika, ziemlich viele auch aus Abessinien und den oberen Nilländern.
Sie zeichnen sich durch leichte und zierliche Formen, schlanke Gliedmaßen, feine, kurze Hände mit langen Daumen, auch durch einen langen Schwanz ohne Endquaste aus und besitzen weite Backentaschen und große Gesäßschwielen. Ihre Farben sind meistens ziemlich lebhaft, bei einzelnen Arten oft recht angenehm bunt. Man kennt ungefähr zwanzig Arten. In den Nilländern findet man zuerst unter dem sechszehnten Grade nördlicher Breite Meerkatzen; im Westen und Osten reichen sie bis hart an die Meeresküste. Feuchte oder wenigstens von Flüssen durchschnittene Waldungen werden von ihnen trockenen Berggegenden stets vorgezogen; in der Nähe von Feldern siedeln sie sich außerordentlich, gern an. Recht deutlich bemerkt man bei ihnen die eigenthümliche Erscheinung, daß sich Affen und Papageien nicht bloß in Gestalt, Lebensart und Wesen, sondern auch hinsichtlich der Verbreitung entsprechen. Man darf mit Sicherheit darauf rechnen, daß man in Afrika da, wo man Papageien findet, auch unseren Meerkatzen begegnen wird, oder umgekehrt Papageien zu vermuthen hat, wo sich Meerkatzen aufhalten.
Die Meerkatzen gehören zu den geselligsten, beweglichsten, lustigsten und, wie bemerkt, gemüthlichsten aller Affen. Man findet sie fast stets in ziemlichen Banden; Familien kommen kaum vor. Es ist eine wahre Lust, wenn man einer Herde dieser Thiere im Walde begegnet. Da kann man ein Leben, ein Schreien und Kämpfen, ein sich Zürnen und Versöhnen, ein Klettern und Laufen, Rauben und Plündern, Gesichterschneiden und Gliederverrenken bemerken! Sie bilden einen eigenen Staat und erkennen keinen Herrn über sich an, als den Stärkeren Ihresgleichen; sie beachten kein Recht, als das, welches durch spitze Zähne und kräftige Hände von dem alten Affenstammvater geübt wird; sie halten keine Gefahr für möglich, aus welcher es nicht auch einen Ausweg gebe; sie machen sich jede Lage behaglich, fürchten niemals Mangel und Noth und verbringen so ihr Leben in beständiger Regsamkeit und Fröhlichkeit. Ein grenzenloser Leichtsinn und ein höchst spaßhafter Ernst im Vereine ist ihnen eigen; mit beiden beginnen und vollbringen sie alle ihre Geschäfte. Kein Ziel ist zu weit gesteckt, kein Wipfel zu hoch, kein Schatz sicher genug, kein Eigenthum achtbar. So darf es uns nicht Wunder nehmen, daß die Eingeborenen Ostsudahns nur mit grenzenloser Verachtung und mit Zorn von ihnen sprechen; ebenso wenig aber wird man es dem unbetheiligten Beobachter verdenken, wenn er sie als höchst ergötzliche Wesen betrachtet.
Man kann eine Meerkatzenbande im Urwalde nicht übersehen. Wenn man auch den wechselvollen Ausruf des Leitaffen nicht vernimmt, hört man wenigstens bald das Geräusch, welches die laufende und springende Gesellschaft auf den Bäumen verursacht, und wenn man dieses nicht hört, sieht man die Thiere laufen, spielen, ruhig dasitzen, sich sonnen, gewisser Schmarotzer halber sich Liebesdienste erzeigen: niemals fällt es ihnen ein, vor irgend Jemand sich zu verbergen. Auf dem Boden trifft man sie bloß da, wo es etwas zu fressen gibt; sonst leben sie in den Wipfeln der Bäume und nehmen ihren Weg von einem Aste zum anderen. Und dabei ist es ihnen völlig gleichgültig, ob sie die dichtesten Dornengebüsche durchlaufen oder nicht.
Aeußerst anziehend für den Beobachter ist es, wenn er eine auf Raub ausziehende Gesellschaft belauschen kann. Mich hat die Dreistigkeit, welche sie dabei zeigen, ebenso ergötzt, wie sie den Eingeborenen empörte. Unter Führung des alten, oft geprüften und wohlerfahrenen Stammvaters zieht die Bande der Thiere dem Getreidefelde zu; die Aeffinnen mit kleinen Kindern tragen diese in der oben beschriebenen Weise am Bauche, die Kleinen haben aber noch zum Ueberflusse auch mit ihrem Schwänzchen ein Häkchen um den Schwanz der Frau Mutter geschlagen. Anfangs nähert sich die Rotte mit großer Vorsicht, am liebsten, indem sie ihren Weg noch von einem Baumwipfel zum anderen verfolgt. Der alte Herr geht stets voran; die übrige Herde richtet sich nach ihm Schritt für Schritt und betritt nicht nur dieselben Bäume, sondern sogar dieselben Aeste wie er. Nicht selten steigt der vorsichtige Führer auf einem Baume bis in die höchste Spitze hinauf und hält von dort aus sorgfältige Umschau; wenn das Ergebnis derselben ein günstiges ist, wird es durch beruhigende Gurgeltöne seinen Unterthanen angezeigt, wenn nicht, die übliche Warnung gegeben. Von einem dem Felde nahen Baume steigt die Bande ab, und nun geht es mit tüchtigen Sprüngen dem Paradiese zu. Hier beginnt jetzt eine wirklich beispiellose Thätigkeit. Man deckt sich zunächst für alle Fälle. Rasch werden einige Maiskolben und Durrahähren abgerissen, die Körner enthülst und mit ihnen die weiten Backentaschen so voll gepfropft, als nur immer möglich; erst, wenn diese Vorrathskammern gefüllt sind, gestattet sich die Herde etwas mehr Lässigkeit, zeigt sich aber auch zugleich immer wählerischer, immer heikler in der Auswahl der Nahrung. Jetzt werden alle Aehren und Kolben, nachdem sie abgebrochen worden sind, erst sorgsam berochen, und wenn sie, was sehr häufig geschieht, diese Probe nicht aushalten, sofort ungefressen weggeworfen. Man darf darauf rechnen, daß von zehn Kolben erst einer wirklich gefressen wird; in der Regel nehmen die Schlecker bloß ein paar Körner aus jeder Aehre und werfen das Uebrige weg. Dies ist es eben, welches ihnen den grenzenlosen Haß der Eingeborenen zugezogen hat.
Wenn sich die Affenherde im Fruchtfelde völlig sicher fühlt, erlauben die Mütter ihren Kindern, sie zu verlassen und mit Ihresgleichen zu spielen. Die strenge Aufsicht, unter welcher alle Kleinen von ihren Erzieherinnen gehalten werden, endet deshalb jedoch nicht, und jede Affenmutter beobachtet mit wachsamen Blicken ihren Liebling; keine aber bekümmert sich um die Sicherheit der Gesammtheit, sondern verläßt sich, wie alle übrigen Mitglieder der Bande, ganz auf die Umsicht des Herdenführers. Dieser erhebt sich selbst während der schmackhaftesten Mahlzeit von Zeit zu Zeit auf die Hinterfüße, stellt sich aufrecht wie ein Mensch und blickt in die Runde. Nach jeder Umschau hört man beruhigende Gurgeltöne, wenn er nämlich nichts Unsicheres bemerkt hat: im entgegengesetzten Falle stößt er einen unnachahmlichen, zitternden oder meckernden Ton zur Warnung aus. Hierauf sammelt sich augenblicklich die Schar seiner Untergebenen, jede Mutter ruft ihr Kind zu sich heran, und im Nu sind alle zur Flucht bereit; jeder aber sucht in der Eile noch so viel Futter aufzuraffen, als er fortbringen zu können glaubt. Ich habe es mehrmals gesehen, daß Affen fünf große Maiskolben mit sich nahmen. Davon umklammerten sie zwei mit dem rechten Vorderarme, die übrigen faßten sie mit der Hand und mit den Füßen, und zwar so, daß sie beim Gehen mit den Kolben den Boden berührten. Bei wirklicher Gefahr wird nach und nach mit sauren Mienen alle Last abgeworfen, der letzte Kolben aber nur, wenn der Verfolger ihnen sehr nahe auf den Leib geht, und die Thiere wirklich Hände und Füße zum Klettern nothwendig haben. Immer wendet sich die Flucht dem ersten besten Baume zu. Ich habe beobachtet, daß die Meerkatzen auch auf ganz einzeln stehende Bäume kletterten, von denen sie wieder absteigen und weiterfliehen mußten, wenn ich sie dort aufstörte: sowie sie aber einmal den Wald erreicht haben und wirklich flüchten wollen, sind sie geborgen; denn ihre Gewandtheit im Klettern ist fast ebenso groß wie die der Langarmaffen. Es scheint kein Hindernis für sie zu geben: die furchtbarsten Dornen, die dichtesten Hecken, weit von einander stehende Bäume – nichts hält sie auf. Jeder Sprung wird mit einer Sicherheit ausgeführt, welche uns in größtes Erstaunen setzen muß, weil kein bei uns heimisches Kletterthier es dem Affen auch nur annähernd nachthun kann. Wie die Schlankaffen sind auch sie im Stande, mit Hülfe des steuernden Schwanzes noch im Sprunge die von ihnen anfangs beabsichtigte Richtung in eine andere umzuwandeln; sie fassen, wenn sie einen Ast verfehlten, einen zweiten, werfen sich vom Wipfel des Baumes auf die Spitze eines tiefstehenden Astes und lassen sich weiter schnellen, setzen mit einem Sprunge von dem Wipfel auf die Erde, fliegen gleichsam, über Gräben hinweg, einem anderen Baume zu, laufen pfeilschnell an dem Stamme empor und flüchten weiter. Auch hierbei geht der Leitaffe stets voran und führt die Herde durch sein sehr ausdrucksvolles Gegurgel bald rascher, bald langsamer. Man gewahrt bei flüchtenden Affen niemals Angst oder Muthlosigkeit, muß vielmehr ihre unter allen Umständen sich gleichbleibende Geistesgegenwart bewundern. Ohne zu übertreiben kann man sagen, daß es für sie, wenn sie wollen, eigentlich keine Gefahr gibt. Nur der tückische Mensch mit seinen weittragenden Waffen kann sie in seine Gewalt bringen; den Raubsäugethieren entgehen sie leicht, und die Raubvögel wissen sie schon abzuwehren, falls es sein muß.
Wenn es dem Leitaffen gut dünkt, hält er in seinem eiligen Laufe an, steigt rasch auf die Höhe eines Baumes hinauf, vergewissert sich der neu erlangten Sicherheit und ruft hierauf mit beruhigenden Tönen seine Schar wieder zusammen. Diese hat jetzt zunächst ein wichtiges Geschäft zu besorgen. Während der rasenden Flucht hat keiner darauf achten können, Fell und Glieder von Kletten und Dornen freizuhalten; letztere hängen vielmehr überall im Pelze oder stecken oft tief in der Haut. Nun gilt es vor allen Dingen, sich gegenseitig von den unangenehmen Anhängseln zu befreien. Eine höchst sorgfältige Reinigung beginnt. Der eine Affe legt sich der Länge lang auf einen Ast, der andere setzt sich neben ihn und durchsucht ihm das Fell auf das gewissenhafteste und gründlichste. Jede Klette wird ausgelöst, jeder Dorn herausgezogen, ein etwa vorkommender Schmarotzer aber auch nicht ausgelassen, vielmehr mit Leidenschaft gejagt und mit Begierde gefressen. Uebrigens gelingt ihnen die Reinigung nicht immer vollständig; denn manche Dornen sind so tief eingedrungen, daß sie dieselben bei aller Anstrengung nicht aus ihren Gliedern herausziehen können. Dies darf ich verbürgen, weil ich selbst eine Meerkatze geschossen habe, in deren Hand noch ein Mimosendorn steckte, welcher von unten eingedrungen war und die ganze Hand durchbohrt hatte. Daß solches möglich ist, hat mich nicht verwundert, weil ich mir selbst einmal einen Mimosendorn eingetreten habe, welcher die Ledersohle, meine große Fußzehe und das Oberleder des Stiefels durchdrang, ich mir also wohl denken kann, daß ein von oben herunter auf einen Ast springender Affe kräftig genug auffällt, um eine ähnliche Erfahrung von der Schärfe und Härte jener Dornen machen zu können.
Erst nachdem die Reinigung im großen und ganzen beendet ist, tritt die Affenherde wieder den Rückzug an, d.h. sie geht ohne weiteres von neuem nach dem Felde zurück, um dort ihre Spitzbübereien fortzusetzen. So kommt es, daß der Einwohner des Landes sie eigentlich niemals aus seinen Feldern los wird, sondern stets unter einer Plage zu leiden hat, welche noch ärger als die der Heuschrecken ist. Da die Leute keine Feuergewehre besitzen, wissen sie sich nur durch oftmaliges Verjagen der Affen zu schützen; denn alle anderen Kunstmittel zur Vertreibung fruchten bei diesen losen Geistern gar nichts – nicht einmal die sonst unfehlbaren Kraftsprüche ihrer Heiligen oder Zauberer; und eben deshalb sehen die braunen Leute Innerafrika's alle Affen als entschiedene Gottesleugner und Glaubensverächter an. Ein Weiser Schech Ostsudahns sagte mir: »Glaube mir, Herr, den deutlichsten Beweis von der Gottlosigkeit der Affen kannst Du darin erblicken, daß sie sich niemals vor dem Worte des Gesandten Gottes beugen. Alle Thiere des Herrn achten und ehren den Propheten – Allahs Frieden sei über ihm! – die Affen verachten ihn. Derjenige, welcher ein Amulet schreibt und in seine Felder aufhängt, auf daß die Nilpferde, Elefanten und Affen seine Früchte nicht auffressen und seinen Wohlstand schädigen, muß immer erfahren, daß nur der Elefant dieses Warnungszeichen achtet. Das macht, weil er ein gerechtes Thier, der Affe aber ein durch Allahs Zorn aus dem Menschen in ein Scheusal verwandeltes Geschöpf ist, ein Sohn, Enkel und Urenkel des Ungerechten, wie das Nilpferd die abschreckende Hülle des scheußlichen Zauberers«.
In Ostsudahn jagt man die Meerkatzen nicht, wohl aber fängt man sie, und zwar gewöhnlich in Netzen, unter denen man leckere Speisen aufstellt. Die Affen, welche den Köder wegnehmen wollen, werden von den Netzen bedeckt und verwickeln sich dergestalt in diese, daß sie nicht im Stande sind, sich frei zu machen, so wüthend sie auch sich geberden. Wir Europäer erlegten die Thiere mit dem Feuergewehre ohne alle Schwierigkeit, weil sie erst dann fliehen, wenn einige aus ihrer Mitte ihr Leben gelassen haben. Sie fürchten sich wenig oder nicht vor dem Menschen. Oft habe ich beobachtet, daß sie Fußgänger oder Reiter, Maulthiere und Kamele unter sich wegziehen ließen, ohne zu mucksen, während sie dagegen beim Anblicke eines Hundes sofort ihr Angstgeschrei ausstießen.
Bei der Affenjagd ging es mir wie so vielen Anderen vor mir: sie wurde mir einmal gründlich verleidet. Ich schoß nach einer Meerkatze, welche mir gerade das Gesicht zudrehte; sie war getroffen und stürzte von dem Baume herab, blieb ruhig sitzen und wischte sich, ohne einen Laut von sich zu geben, das aus den vielen Wunden ihres Antlitzes hervorrieselnde Blut mit der einen Hand so menschlich, so erhaben ruhig ab, daß ich, aufs äußerste erregt, hinzueilte und, weil beide Läufe meines Gewehres abgeschossen waren, dem Thiere mein Jagdmesser mehrere Male durch die Brust stieß, um es von seinen Leiden zu befreien. Aber ich habe von diesem Tage an nie wieder auf kleine Affen geschossen und rathe Jedem davon ab, welcher nicht seiner wissenschaftlichen Arbeiten wegen auf die Affenjagd gehen muß. Mir war es immer, als habe ich einen Menschen gemordet, und das Bild des sterbenden Affen hat mich förmlich verfolgt.
Nur einmal haben mir die Meerkatzen eine Jagdfreude gemacht. Ich beobachtete, daß allabendlich Schlangenhalsvögel, Ibisse und Reiher auf einer einzelnen Mimose am Stromufer des Asrakh zum Schlafen bäumten, und beschloß, dort anzustehen. Zufällig nächtigte eine Affenherde auf demselben Baume. Bedenken ausdrückende Töne wurden laut, als ich im nahen Maisfelde mich unter einem flugs zusammengestellten Schirme verborgen hatte: die Gesellschaft oben im Wipfel ahnte offenbar nichts Gutes. Nach länger währendem Gegurgel und Gezeter schien man übereingekommen zu sein, die belagerte Stelle zu verlassen. Vorsichtig stieg der Leitaffe vom Wipfel hernieder nach den unteren Aesten. Er untersuchte und prüfte. Sein Vorsatz schien nicht verändert zu werden; denn nach einigem Besinnen stieg er langsam noch weiter am Stamme herab, unzweifelhaft in der Absicht, dem nahen Walde zuzufliehen. Andere folgten; nur die säugenden Mütter waren noch oben im Wipfel. In diesem Augenblicke bäumte ein Schlangenhalsvogel auf, ein Feuerstrahl aus meinem Gewehre blitzte durch die Dämmerung. Unbeschreiblicher Wirrwarr im Wipfel war die erste Wirkung des Schusses. Der Leitaffe kehrte sofort wieder um, alle übrigen flüchteten mit ihm nach den höchsten und dichtesten Aesten. Jeder suchte ein sicheres Versteck. Welch Gezeter, Schreien, Gurgeln, Hin- und Herspringen folgte nun! Jeder neue Schuß vermehrte das Entsetzliche der Lage. Das ganze Volk fühlte sich in höchsten Aengsten. Wohl mochten hundert Pläne zur Flucht das ewig rege und erfindungstüchtige Affengehirn beschäftigen – kein einziger schien ausführbar. Das fürchterliche Feuergewehr verursachte schließlich ein geradezu unsinniges Handeln. Einzelne Affen sprangen von den Aesten auf den Boden herab und kletterten dann wieder angsterfüllt am Stamme desselben Baumes empor, welcher ihnen eine Viertelminute vorher zu unsicher erschienen war. Endlich regte sich nichts mehr da oben. Jeder Affe saß ergebungsvoll auf dem Baume, so dicht an den Stamm gedrückt als möglich. Mein Anstand währte sehr lange, weil die wiederholt aufgeschreckten Vögel immer und immer wieder zu dem geliebten Schlafplatze zurückkehrten; nach den letzten Schüssen vernahm ich aber nur noch ein ängstliches Stöhnen der fast dem Entsetzen erliegenden Affenbande. Erst als ich schon längst nach meinem Schiffe zurückgekehrt war, hörte ich wieder Gurgeltöne, mit welchen der Stammvater zu beruhigen versuchte.
Von Raubthieren haben die freilebenden Meerkatzen nicht viel zu leiden. Den Raubsäugethieren gegenüber sind sie viel zu behend; höchstens der Leopard dürfte dann und wann ein noch unvorsichtiges Aeffchen sich erlisten. Den Raubvögeln widerstehen sie durch vereinigte Kraft. Einer der kühnsten Stößer ihrer Heimat ist unstreitig der gehäubte Habichtsadler ( Spizaëtos occipitalis). Er nimmt die bissigen Erdeichhörnchen ohne weiteres vom Boden weg und kümmert sich nicht im geringsten um ihre scharfen Zähne und um ihr Fauchen; an die Affen aber wagt er sich nur selten und wohl niemals ein zweites Mal. Davon habe ich mich selbst überzeugen können. Als ich eines Tages in den Urwäldern jagte, hörte ich plötzlich das Rauschen eines jener Räuber über mir und einen Augenblick später ein fürchterliches Affengeschrei: der Vogel hatte sich auf einen noch sehr jungen, aber doch schon selbständigen Affen geworfen und wollte diesen aufheben und an einen entlegenen Ort tragen, um ihn dort ruhig zu verspeisen. Allein der Raub gelang ihm nicht. Der von dem Vogel erfaßte Affe klammerte sich mit Händen und Füßen so fest an den Zweig, daß ihn jener nicht wegziehen konnte, und schrie dabei Zeter. Augenblicklich entstand ein wahrer Aufruhr unter der Herde, und im Nu war der Adler von vielleicht zehn starken Affen umringt. Diese fuhren unter entsetzlichem Gesichterschneiden und gellendem Schreien auf ihn los und hatten ihn sofort auch von allen Seiten gepackt. Jetzt dachte der Gaudieb schwerlich noch daran, die Beute zu nehmen, sondern gewiß bloß an sein eigenes Fortkommen. Doch dieses wurde ihm nicht so leicht. Die Affen hielten ihn fest und hätten ihn wahrscheinlich erwürgt, wenn er sich nicht mit großer Mühe frei gemacht und schleunigst die Flucht ergriffen hätte. Von seinen Schwanz- und Rückenfedern aber flogen verschiedene in der Luft umher und bewiesen, daß er seine Freiheit nicht ohne Verlust erkauft hatte. Daß dieser Adler nicht zum zweiten Male auf einen Affen stoßen würde, stand wohl fest.
Vor derartigen Raubthieren fürchten sich die Meerkatzen also ebenso wenig wie vor dem Menschen. Um so größeres Entsetzen bereiten ihnen Kriechthiere und Lurche, namentlich Schlangen. Ich habe zu erwähnen vergessen, daß unsere Affen Vogelnester jederzeit unbarmherzig ausnehmen und nicht bloß die Eier, sondern auch die jungen Vögel leidenschaftlich gern fressen. Wenn sie aber das Nest eines Höhlenbrüters ausplündern wollen, verfahren sie stets mit der größten Sorgfalt, eben aus dieser Furcht vor den Schlangen, welche oft in solchen Nestern ihrer Ruhe pflegen. Mehr als einmal habe ich gesehen, daß, wenn sie eine Baumhöhlung entdeckt hatten, sie stets sorgfältig untersuchten, ob nicht etwa eine Schlange darin wäre. Zuerst wurde hineingeschaut, so weit dies möglich war, hierauf nahmen sie das Ohr zur Hülfe, und wenn auch dieses ihnen nichts Ungewöhnliches mittheilte, streckten sie zögernd den einen Arm in die Höhle. Niemals tauchte ein Affe mit einem einzigen kühnen Griffe in die Tiefe, sondern stets in Absätzen, immer ein Stückchen tiefer, und immer horchte und schaute er dazwischen wieder in das Loch hinein, ob sich darin das gefürchtete Kriechthier verrathe. In der Gefangenschaft habe ich ihre Angst vor den Schlangen noch ausführlicher beobachten können, – doch davon später.
Die Fortpflanzungszeit der freilebenden Meerkatzen scheint an keine bestimmte Jahreszeit gebunden zu sein. Man sieht bei jeder Herde Säuglinge, Kinder und Halberwachsene, der mütterlichen Zucht nicht mehr bedürftige. In den Gärten und Thierschaubuden Europa's pflanzen sich die meisten Arten bei guter Pflege ebenfalls fort, wenn auch seltener als Makaken und Paviane.
Während meines langjährigen Aufenthaltes in Afrika habe ich stets viele Affen und darunter auch regelmäßig Meerkatzen in der Gefangenschaft gehalten und berichte nach eigener Erfahrung über das geistige Wesen der Thiere, welches man fast nur an Gefangenen beobachten kann. Ich darf versichern, daß jedes dieser merkwürdigen Thiere sein eigenes Wesen hatte und mir beständig Gelegenheit zu ebenso anziehenden als unterhaltenden Beobachtungen gab. Der eine Affe war zänkisch und bissig, der andere friedfertig und zahm, der dritte mürrisch, der vierte immer heiter, dieser ruhig und einfach, jener pfiffig, schlau und ununterbrochen auf dumme, boshafte Streiche bedacht; alle aber kamen darin überein, daß sie größeren Thieren gern einen Schabernack anthaten, kleinere dagegen beschützten, hegten und pflegten. Sich selbst wußten sie jede Lage erträglich zu machen. Dabei lieferten sie täglich Beweise eines scharfen Verstandes, wahrhaft berechnender Schlauheit und wirklich vernünftiger Ueberlegung, zugleich aber auch der größten Gemüthlichkeit und zärtlichsten Liebe und Aufopferung anderen Thieren gegenüber, und ich habe wegen aller dieser Eigenschaften einzelne herzlich liebgewonnen.
Als ich auf dem Blauen Flusse reiste, brachten mir die Einwohner eines Uferdorfes einmal fünf frischgefangene Meerkatzen zum Verkaufe. Der Preis war sehr niedrig; denn man verlangte bloß zehn Groschen unseres Geldes für eine jede. Ich kaufte sie in der Hoffnung, eine lustige Reisegesellschaft an ihnen zu bekommen, und band sie der Reihe nach am Schiffsbord fest. Meine Hoffnung schien jedoch nicht in Erfüllung gehen zu sollen; denn die Thiere saßen traurig und stumm neben einander, bedeckten sich das Gesicht mit beiden Händen wie tiefbetrübte Menschenkinder, fraßen nicht und ließen von Zeit zu Zeit traurige Gurgeltöne vernehmen, welche offenbar Klagen über das ihnen gewordene Geschick ausdrücken sollten. Es ist auch möglich, daß sie sich über die geeigneten Mittel beriethen, aus der Gefangenschaft wieder loszukommen; wenigstens schien mir ein Vorfall, welcher sich in der Nacht begab, Ergebnis ihrer Gurgelei zu sein. Am anderen Morgen nämlich saß bloß noch ein einziger Affe an seinem Platze, die übrigen waren entflohen. Kein einziger der Stricke, mit denen ich sie gefesselt hatte, war zerbissen oder zerrissen; die schlauen Thiere hatten vielmehr die Knoten sorgfältig gelöst, an ihren Gefährten aber, welcher etwas weiter von ihnen saß, nicht gedacht und so ihn in der Gefangenschaft sitzen lassen.
Dieser übriggebliebene war ein Männchen und erhielt den Namen Koko. Er trug sein Geschick mit Würde und Fassung. Die erste Untersuchung hatte ihn belehrt, daß seine Fesseln für ihn unlösbar seien, und ich meinestheils sah darauf, ihm diese Ueberzeugung noch mehr einzuprägen. Als Weltweiser schien sich Koko nun gelassen in das Unvermeidliche zu fügen und fraß schon gegen Mittag des folgenden Tages Durrahkörner und anderes Futter, welches wir ihm vorwarfen. Gegen uns war er heftig und biß Jeden, der sich ihm nahte; doch schien sein Herz nach einem Gefährten sich zu sehnen. Er sah sich unter den anderen Thieren um und wählte sich unbedingt den sonderbarsten Kauz, welchen er sich hätte aussuchen können: einen Nashornvogel nämlich, welchen wir aus seinem heimatlichen Walde mitgebracht hatten. Wahrscheinlich hatte ihn die Gutmüthigkeit des Vogels bestochen. Die Verbindung beider wurde bald eine sehr innige. Koko behandelte seinen Pflegling mit unverschämter Anmaßung; dieser aber ließ alles sich gefallen. Er war frei und konnte hingehen, wohin er wollte; gleichwohl näherte er sich oft aus freien Stücken dem Affen und ließ nun über sich ergehen, was diesem gerade in den Sinn kam. Daß der Vogel Federn anstatt der Haare hatte, kümmerte Koko sehr wenig: sie wurden ebenso gut nach Läusen durchsucht wie das Fell der Säugethiere, und der Vogel schien wirklich bald so daran sich zu gewöhnen, daß er später gleich von selbst die Federn sträubte, wenn der Affe sein Lieblingswerk begann. Daß ihn dieser während des Reinigens hin- und herzog, ihn beim Schnabel, an einem Beine, an dem Halse, an den Flügeln und an dem Schwanze herumriß, brachte das gutmüthige Geschöpf ebenso wenig auf. Er hielt sich zuletzt regelmäßig in der Nähe des Affen auf, fraß das vor diesem liegende Brod weg, putzte sich und schien seinen Freund fast herausfordern zu wollen, mit ihm sich zu beschäftigen. Die beiden Thiere lebten mehrere Monate in engster Gemeinschaft zusammen, auch später noch, als wir nach Chartum zurückgekehrt waren und der Vogel im Hofe frei umherlaufen konnte. Erst der Tod des letzteren löste das schöne Verhältnis. Koko war wieder allein und langweilte sich. Zwar versuchte er, mit gelegentlich vorüberschleichenden Katzen sich abzugeben, bekam aber von diesen gewöhnlich Ohrfeigen anstatt Freundschaftsbezeigungen und wurde einmal auch mit einem bissigen Kater in einen ernsthaften Kampf verwickelt, welcher unter entsetzlichem Fauchen, Miauen, Gurgeln und Schreien ausgefochten wurde, aber unentschieden blieb, obschon er mit dem Rückzuge des jedenfalls unversehens gepackten Mäusejägers endete.
Ein junger, mutterloser Affe gewährte Koko's Herzen endlich die nöthige Beschäftigung. Gleich als er das kleine Thierchen erblickte, war er außer sich vor Freude und streckte verlangend die Hände nach ihm aus; wir ließen den Kleinen los und sahen, daß er selbst sofort zu Koko hinlief. Dieser erstickte den angenommenen Pflegesohn fast mit Freundschaftsbezeigungen, drückte ihn an sich, gurgelte vergnügt und begann sodann vor allen Dingen die allersorgfältigste Reinigung seines vernachlässigten Felles. Jedes Stäubchen, jeder Stachel, jeder Splitter, welche in jenen kletten-, distel- und dornenreichen Ländern immer im Felle der Säugethiere hängen bleiben, wurden herausgelesen und weggekratzt. Dann folgte wieder neue Umarmung und andere Beweise der größten Zärtlichkeit. Wenn einer von uns Koko das Pflegekind entreißen wollte, wurde er wüthend, und wenn wir den Kleinen ihm wirklich abgenommen hatten, traurig und unruhig. Er benahm sich ganz, als ob er ein Weibchen, ja als ob er die Mutter des kleinen Waisenkindes wäre. Dieses hing mit großer Hingabe an seinem Wohlthäter und gehorchte ihm auf das Wort.
Leider starb dieses Aeffchen trotz aller ihm erwiesenen Sorgfalt schon nach wenigen Wochen. Koko war außer sich vor Schmerz. Ich habe oft tiefe Trauer bei Thieren beobachtet, niemals aber in dem Grade, wie unser Affe jetzt sie zeigte. Zuerst nahm er seinen todten Liebling in die Arme, hätschelte und liebkoste ihn, ließ die zärtlichsten Töne hören, setzte ihn dann an seinem bevorzugten Platze auf den Boden, sah ihn immer wieder zusammenbrechen, immer unbeweglich bleiben, und brach nun von neuem in wahrhaft herzbrechende Klagen aus. Die Gurgeltöne gewannen einen Ausdruck, welchen ich vorher nie vernommen hatte; sie wurden ergreifend weich, ton- und klangreich, und dann wieder unendlich schmerzlich, schneidend und verzweiflungsvoll. Immer und immer wiederholte er seine Bemühungen, immer wieder sah er keinen Erfolg und begann dann wieder zu klagen und zu jammern. Sein Schmerz hatte ihn veredelt und vergeistigt; er rührte uns und bewegte uns zu dem tiefsten Mitleide. Ich ließ endlich das Aeffchen wegnehmen, weil schon wenige Stunden nach dessen Tode die Fäulnis begann, und die kleine Leiche über eine hohe Mauer werfen. Koko hatte aufmerksam zugesehen, geberdete sich wie toll, zerriß in wenig Minuten seinen Strick, sprang über die Mauer hinweg, holte sich den Leichnam und kehrte mit ihm in den Armen auf seinen alten Platz zurück. Wir banden ihn wieder fest, nahmen ihm den Todten nochmals und warfen ihn weiter weg; Koko befreite sich zum zweiten Male und that wie vorher. Endlich vergruben wir das Thier. Eine halbe Stunde später war Koko verschwunden. Am anderen Tage erfuhren wir, daß in dem Walde eines nahen Dorfes, welcher sonst nie Affen beherbergte, ein menschengewöhnter Affe zu sehen gewesen sei.
Ungefähr einen Monat später erhielt ich eine Meerkatzenmutter mit ihrem Kinde und konnte nun mit Muße das Verhältnis zwischen beiden belauschen. Auch dieses Kleine starb, obwohl ihm nichts mangelte. Von diesem Augenblicke an hörte die Alte auf zu fressen und verendete nach wenig Tagen.
Ich erfuhr aber auch genug Beweise von dem Muthwillen derselben Affenart. Sie waren zuweilen sehr ergötzlich, zuweilen aber auch recht ärgerlich. Ein Freund von mir besaß eines dieser Aeffchen, welches im höchsten Grade zärtlich an ihm hing, aber doch nicht an Reinlichkeit zu gewöhnen war. Während es mit seinem Herrn spielte, beschmutzte es diesen oft in der schändlichsten Weise, und weder Schläge noch andere Zuchtmittel, welche man in solchen Fällen bei Thieren anwendet, schienen das geringste zu fruchten. Dieser Affe war sehr diebisch und nahm alle glänzenden Gegenstände, welche er erwischen und forttragen konnte, augenblicklich an sich. Der Genannte wohnte in dem Geschäftshause der ostindischen Gesellschaft. Im Untergeschosse befanden sich die Schreiber- und die Kassenstube. Beide waren gegen menschliche Diebe durch starke Eisengitter vor den Fenstern wohl geschützt, nicht aber gegen solche Spitzbuben, wie jener Affe war. Eines Tages bemerkte mein Freund beide Backentaschen seines Lieblings vollgepfropft, lockte ihn deshalb an sich heran, untersuchte die Vorrathskammern und fand in der einen drei und in der anderen zwei Guineen, welche sich der Affe aus der Kasse heraufgeholt hatte. Das Geld wurde natürlich dem Eigenthümer zurückgegeben, derselbe aber zugleich ersucht, in Zukunft auch die Glasfenster verschlossen zu halten, um dem kleinen Diebe das Stehlen unmöglich zu machen.
Eine Meerkatze brachte ich mit in meine Heimat. Sie gewann sich sehr bald die Zuneigung meiner Eltern und anderer Leute, ließ sich aber doch viel lose Streiche zu Schulden kommen. Die Hühner meiner Mutter brachte sie geradezu in Verzweiflung, weil es ihr den größten Spaß zu machen schien, diese Thiere zu jagen und zu ängstigen. Im Hause selbst ging sie durch Küche und Keller, in alle Kammern und auf den Boden, und was ihr recht schien, wurde entweder zerbissen oder gefressen oder mitgenommen. Niemand war so geschickt, ein Hühnernest aufzufinden, wie sie: die Hühner mochten es anfangen wie sie wollten: Hassan, so hieß der Affe, kam gewiß hinter ihre Schliche, nahm die Eier weg und trank sie aus. Einige Male bewies er jedoch gerade bei dieser Räuberei wahren Menschenverstand. Meine Mutter schalt ihn aus und züchtigte ihn, als er wieder mit dottergelbem Maule erschien. Am anderen Tage brachte er ihr zierlich ein ganzes Hühnerei, legte es vor sie hin, gurgelte beifällig und ging seiner Wege. Unter allen irdischen Genüssen schien ihn Milch und noch mehr Rahm am meisten zu entzücken. Es dauerte gar nicht lange, so wußte er in der Speisekammer prächtig Bescheid und genau, wo diese leckeren Dinge aufbewahrt wurden, ermangelte auch nicht, jede Gelegenheit zu benutzen, um seine Naschhaftigkeit zu befriedigen. Auch hierbei wurde er erwischt und ausgescholten; deshalb verfuhr er in Zukunft listiger. Er nahm sich nämlich das Milchtöpfchen mit auf den Baum und trank es dort in aller Ruhe aus. Anfangs warf er die ausgeleerten Töpfe achtlos weg und zerbrach sie dabei natürlich fast immer; dafür wurde er bestraft, und zu dem innigen Vergnügen meiner Mutter brachte er ihr nun regelmäßig die leeren, aber unzerbrochenen Töpfchen wieder!
Sehr spaßhaft war es, wenn dieser Affe auf den Ofen kletterte, oder wenn er ein ziemlich langes Ofenrohr bestieg und wahrhaft verzweifelt von einem Beine auf das andere sprang, weil ihm die Wärme des Rohres zu arg wurde. Er führte dergestalt die allerdrolligsten Tänze aus; so gescheit war er aber nicht, daß er den heißen Boden verlassen hätte, bevor er wirklich gebrannt worden war. Er blieb sehr gleichgültig gegen alle unsere Hausthiere, hielt aber mit einem weiblichen Pavian, welchen ich ebenfalls mitgebracht hatte, innige Freundschaft und ließ sich von diesem hätscheln und pflegen, als ob er ein kleiner unverständiger Affe gewesen wäre. Des Nachts schlief er stets in des Pavians Armen, und beide hielten sich so fest umschlungen, daß es aussah, als wären sie nur ein Wesen. Pavian und Meerkatze unterhielten sich lange mit verschiedenen kurzen Gurgeltönen und verstanden sich ganz entschieden vortrefflich. Seiner Pflegerin bewies er trotz seines Alters denselben kindlichen Gehorsam wie jenes oben erwähnte junge Aeffchen seinem Wohlthäter. Er folgte ihr überall hin, wohin diese von uns geführt wurde, und kam sogleich in das Zimmer, in welches wir seine mütterliche Freundin brachten. Nur in deren Gesellschaft unternahm er längere Ausflüge, aber wenn er allein seinem Treiben nachging, entfernte er sich niemals weit und blieb mit ihr in beständiger Unterhaltung. Selbst entschiedene Gewaltthätigkeiten ließ er sich von ihr gefallen, ohne zu grollen. Er theilte jeden guten Bissen mit seiner Pflegemutter; diese aber erkannte solche Herzensgüte selten und niemals dankbar an. So oft Hassan auch einmal etwas für sich behalten wollte, änderte sich das Verhältnis zwischen beiden. Denn wie ein Raubthier fiel dann der große Pavian über den armen Burschen her, brach ihm das Maul auf, holte mit den Fingern das Futter aus Hassans Backentaschen heraus, fraß es auf und kniff und puffte den armen Wehrlosen wohl auch noch tüchtig dabei.
Gegen uns war er liebenswürdig, gab aber niemals seine Selbständigkeit auf. Er kam auf den Ruf – wenn er wollte, sonst antwortete er wohl, rührte sich aber nicht. Wenn wir ihn gefangen hatten und gewaltsam festhielten, verstellte er sich nicht selten mit größter Meisterschaft und geberdete sich zuweilen, als müsse er im nächsten Augenblicke abscheiden; sowie er aber frei wurde, rächte er sich für die erlittene Gefangenschaft durch Beißen und entfloh hierauf mit vielsagendem Gegurgel.
Der zweite kalte Winter, den er in Deutschland verlebte, endete leider sein frisches, fröhliches Leben, und das ganze Haus trauerte um ihn, als ob ein Kind gestorben wäre. Jedermann hatte seine unzähligen Unarten vergessen und gedachte nur noch seines heiteren Wesens und seiner Gemüthlichkeit.
Der Grünaffe, Abulandj oder Nißnaß der Araber ( Cercopithecus Sabaeus, Simia Sabaea), erreicht Durchschnittsgröße, d. h. eine Länge von 1 Meter, wovon die Hälfte auf den Schwanz gerechnet werden muß, und eine Schulterhöhe von 40 Centim. Die Haare der Oberseite sind graulichgrün, schwarz geringelt und gespitzt, die der Arme, Beine und des Schwanzes einförmig aschgrau, die des kurzen Backenbartes weißlich, an der Wurzel schwarz geringelt, die der Unten- und Innenseite der Beine weißlich; Nase, Maul und Augenbrauen sehen schwarz aus; das Gesicht hat hellbraune Färbung.
Höchst wahrscheinlich unterscheiden sich die westafrikanischen Vertreter des Abulandj, denen man den Namen Cercopithecus griseoviridis gegeben hat, artlich nicht von der ostafrikanischen Art, und muß derselben somit ein weit größerer Verbreitungskreis, als man bisher angenommen, zugesprochen werden. Jedenfalls steht so viel fest, daß der Abulandj von Abessinien bis zu den westlichsten Zuflüssen des Nil an geeigneten Oertlichkeiten überall vorkommt.
Andere Meerkatzen zeichnen sich durch besondere Schönheit aus. Eine der bekanntesten, die Diana ( Cercopithecus Diana, Simia Diana, Cercopithecus barbatus), ein ziemlich kleines, schlankes Thier, ist an ihrem langen Backen- und Stutzbarte leicht kenntlich. Ihre Hauptfarbe ist schiefergrau, der Rücken und das Kreuz sind purpurbraun, die unteren Theile weiß, die Schenkel hinten gelblich. Dem Weibchen mangelt der Bart. Die Gesammtlänge beträgt etwa 1 Meter, wovon über die Hälfte auf den Schwanz kommt.
Mit der Diana hat der Nonnenaffe ( Cercopithecus mona, Simia mona) Aehnlichkeit; doch fehlt ihm der Stutzbart. Gesicht und Gliedmaßen sind schwarz, Hinterkopf, Nacken und Rücken kastanienbraun, Oberkopf und Scheitel braun und grünlichgelb gemischt, ein Bogenstreifen über dem Auge schwarz und ein zweiter darüber blaß, Backenbart gelblichweiß, Unterhals, Brust, Bauch und Innerarme weiß. Die Leibeslänge eines ausgewachsenen Männchens beträgt 55 Centim. die Schwanzlänge 60 Centim.
Beide Affen stammen aus Westafrika.
Nicht alle Meerkatzen sind so liebenswürdig wie die eben beschriebenen Arten; einige scheinen sogar recht mürrisch und widerwärtig zu sein. Nach meinen Erfahrungen ist der Husarenaffe ( Cercopithecus ruber, pyrrhonotus und patas – Seite 123), wahrscheinlich die Callitriche des Plinius, die langweiligste und unliebenswürdigste Meerkatze, und ihr Geist entspricht so durchaus nicht dem schön gefärbten Leibe. In der Größe übertrifft dieser Affe den vorher beschriebenen fast um die Hälfte, mindestens um ein Drittel. Das Gesicht ist schwarz, die Nase weißlich, der Backenbart weiß, ein Fleck auf dem Kopfe dunkelroth, schwärzlich umsäumt, der übrige Pelz oben schimmernd röthelfarbig oder goldig roth, unten, an der Innenseite der Beine, an den Vorderarmen und Unterschenkeln weiß.
Der Verbreitungskreis des Husarenaffen erstreckt sich vom Westen Afrika's bis Habesch; das Thier scheint jedoch überall spärlicher aufzutreten als der Abulandj oder Grünaffe. Ich habe jenen, so viel ich mich erinnere, nur einige Male in den Waldungen des Blauen Flusses oberhalb Sennahrs gesehen; Heuglin und Hartmann dagegen trafen ihn häufiger, und zwar vorzugsweise in dünn bestandenen Steppenwaldungen oder im Hochgrase, mit welchem die Färbung seines Pelzes übereinstimmt. In seinem Wesen scheint er das gerade Gegentheil des Abulandj zu sein. Sein Gesichtsausdruck ist der eines Staatshämorrhoidariers, ewig mürrisch und unfreundlich nämlich, und sein Handeln straft diesen Ausdruck in keiner Weise Lügen. So lange er noch jung ist, zeigt er sich wenigstens einigermaßen liebenswürdig; mit steigendem Alter aber nimmt seine Reizbarkeit in einer Weise zu, daß man wirklich kaum mehr mit ihm auszukommen vermag. An ein freundschaftliches Verhältnis zwischen ihm und irgend einem anderen Geschöpfe, seine Mitaffen nicht ausgeschlossen, ist kaum zu denken. Alles scheint ihm widerwärtig zu sein, ihn mindestens im höchsten Grade zu langweilen, die unschuldigste Handlung eine ihm angethane Beleidigung zu sein. Ein Blick erregt seinen Aerger, Gelächter bringt ihn in förmliche Wuth. Dann sperrt er, so weit er kann, das Maul auf und zeigt die verhältnismäßig überaus großen Zähne, versucht auch, falls es ihm irgend möglich, dieselben an dem gehaßten Gegner zu erproben. Freundliche Worte helfen so viel als nichts, Schläge verschlimmern mehr, als sie bessern. Ich erinnere mich nicht, jemals einen wirklich zahmen älteren Husarenaffen gesehen zu haben, bin vielmehr nur mit wüthenden und tückischen bekannt geworden. – Unsere Gefangenen erhalten wir von der Küste Guinea's, ausnahmsweise auch von Egypten, wohin der Husarenaffe vom Sudahn gebracht wird.
*