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Waldfledermäuse ( Panugo).

Von den Buschseglern unterscheiden sich die Waldfledermäuse oder Waldsegler ( Panugo) nur durch untergeordnete Merkmale, weshalb viele Naturforscher die einen wie die anderen in eine Sippe vereinigen. Das Gebiß beider stimmt vollkommen überein; der Ohrdeckel der Waldfledermäuse aber ist nach oben erweitert und erreicht seine größte Breite über der Mitte. Die Flughäute sind unterseits längs des ganzen Armes und um die Wurzel des fünften Fingers dicht behaart, während bei den Zwergfledermäusen nur in der Nähe des Rumpfes eine schwache Behaarung sich zeigt.

Als Vertreter dieser Sippe oder Untersippe gilt der Abendsegler oder die früh fliegende Fledermaus ( Panugo noctula, Vesperugo noctula, Vesperti1io noctula, proterus, lasiopterus, ferrugineus, macuanus), eine der größten europäischen Arten von 11 Centim. Leibeslänge, wovon fast 4 Centim. auf den Schwanz zu rechnen sind, und 37 Centim. Flugweite, oben und unten mit einfarbigen, gleichmäßig röthlichbraunen, in der Jugend trüben Haaren bekleidet, auf den dickhäutigen Ohren und Flughäuten dunkelschwärzlichbraun gefärbt.

Der Abendsegler kommt von Norddeutschland und England an in ganz Europa vor, findet sich selbst im nordöstlichen, ja sogar im südlichen Asien, verbreitet sich also über einen großen Theil der alten Welt, liebt aber mehr das Flachland und weite Thäler als bergige, hochgelegene Gegenden und tritt deshalb innerhalb seines Verbreitungsgebietes nur stellenweise in größerer Häufigkeit auf. Zur vorübergehenden Tagesruhe verbirgt er sich, laut Koch, am liebsten in Baumritzen, Spechtlöchern, Ställen, nicht betretenen Waldhäuschen und kleinen Schlupfwinkeln, welche man, wenn sie im Inneren hohler Bäume liegen, daran erkennt, daß der Eingang glatt und fettig ist und einen eigentümlich unangenehmen Geruch bemerkbar werden läßt. Aehnliche Aufenthaltsorte wählen unsere Fledermäuse auch zu ihrem Winterschlafe, ziehen sich jedoch zu dieser Zeit ebenso nach Gebäuden, namentlich Kirchenböden, alten, unbewohnten Schlössern und dergleichen Orten zurück, wo sie dann, oft zu Hunderten in dicken Klumpen, dachziegelartig auf einander hängen, falls sie nicht eine wirkliche Wanderschaft antreten. Kolenati beobachtete, daß die Abendsegler an der Donau zu Tausenden westwärts zogen, und Koch fügt dem hinzu, daß in den gebirgigen Theilen Süddeutschlands sie im Herbste zu verschwinden und erst gegen die Mitte des Sommers dahin zurückzukommen pflegen. »Im Winter haben wir den Abendsegler niemals beobachtet, obgleich wir seit Jahren uns genau mit Hülfe der Köhler und Holzsteller nach ihnen umgesehen haben, während im Juli und August diese an ihrem Fluge leicht kenntliche Fledermaus in den gleichen Gegenden eine seltene Erscheinung ist.« An anderen Orten Deutschlands aber und selbst im Norden hat man sie während des Winters gefunden. Sie schart sich um diese Zeit mehr oder weniger massenhaft zusammen, vereinigt sich auch mit verwandten Arten, obwohl gerade sie keineswegs verträglich ist. Der Winterschlaf beginnt ziemlich früh und dauert ununterbrochen fort bis spät in das Frühjahr, welche Erscheinung mit ihrem gegen Kälte und rauhe Witterung sonst so unempfindlichen Wesen in einem gewissen Widerspruche steht. Auch die Fortpflanzung fällt in die späteren Frühlingsmonate; die beiden Jungen, welche das Weibchen wirft, lassen daher auch noch bei Beginn des Winterschlafes leicht von den Alten sich unterscheiden.

Unter allen einheimischen Fledermäusen ist die Abendfledermaus die kräftigste; sie fliegt am höchsten und kommt abends am ersten zum Vorscheine. Nicht selten sieht man sie schon einige Stunden vor Sonnenuntergang und, falls man so sagen darf, oft genug im Kampfe mit Raubvögeln. Durch ihre schnellen Wendungen weiß sie aber fast allen Angriffen sehr geschickt zu entgehen; nicht einmal der behende Baumfalke ( Falco subbutco), welcher doch sogar die Schwalben fängt, vermag ihr beizukommen. Man darf unter allen Fledermäusen sie die gewandteste nennen. »Mit raschen, fast zitternden Flügelschlägen« sagt Altum, »umschwirrt sie fast unheimlich schnell die höchsten Baumwipfel, bald hierhin, bald dorthin sich schwenkend, bald in größeren Zickzacklinien ein Kerbthier verfolgend, bald ohne Flügelschlag mehrere Fuß weit fortschießend, bald wie im Gaukelspiel gleichfalls um einige Fuß sich herabstürzend, um sofort wieder mit dem augenblicklich unterbrochenen Fluge fortzufahren.« Ihre Nahrung besteht in den verschiedensten Kerbthieren aller Art, und auch sie zählt zu den nützlichsten unserer Säugethiere. Von Feinden wird sie weniger heimgesucht als ihre Verwandten; doch fand man im Gewölle der Schleiereule auch ihren Schädel vor. Verderblicher als lebendes Gethier wird ihr der Winter: Altum versichert, daß er sie häufiger als alle anderen Arten erfroren gefunden habe.

Abendsegler ( Panugo noctula).

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