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In der zweiten Familie der Raubthiere vereinigen wir die Hunde ( Canidae). Ihre Hochgeistigkeit, nicht ihre leibliche Begabung bestimmt uns, sie den Katzen anzureihen, obgleich nicht sie, sondern Schleichkatzen und Marder als die nächsten Verwandten von jenen angesprochen werden dürften. Leiblich stehen die Hunde ziemlich weit hinter den Katzen zurück, geistig übertreffen sie ihre Ordnungsverwandten entschieden.
Die Hunde bilden eine nach außen hin ziemlich streng abgeschlossene Familie. Es ist bereits hervorgehoben worden, daß sie in ihrem Leibesbaue nicht so sehr von den Katzen verschieden sind, als man auf eine flüchtige Betrachtung hin wohl annehmen möchte. So bestimmt sie auch ihr eigenthümliches Gepräge im äußeren wie im inneren Bau und ihre Eigenthümlichkeiten in der Lebensweise wie in ihren Sitten festhalten, so viele übereinstimmende Merkmale beider Familien lassen sich nachweisen. In der Größe stehen sie sämmtlich hinter den größeren Arten der vorigen Familie zurück und besitzen demgemäß auch nicht die Stärke und Furchtbarkeit jener vollendetsten Räuber. Ihre Gestalt ist mager, der Kopf klein, die Schnauze spitz, die stumpfe Nase vorstehend, der Hals ziemlich schwach, der Rumpf, welcher auf dünnen oder hohen Beinen mit kleinen Pfoten ruht, in den Weichen eingezogen, der Schwanz kurz und oft buschig behaart. An den Vorderfüßen finden sich regelmäßig fünf, an den Hinterfüßen vier Zehen, welche starke, immer aber stumpfspitzige und nicht zurückziehbare Krallen tragen. Die Augen sind groß und hellem Lichte zugänglicher als die Katzenaugen, die Ohren meist spitziger und größer als bei der vorigen Familie, die Zitzen an Brust und Bauch zahlreicher. In dem kräftigen Gebisse, welches durch 40 bis 44, regelmäßig 42, und zwar sechs Schneide-, je einen Reiß-, oben drei, unten vier Lück- und je drei Backenzähne gebildet wird, sind die Schneidezähne, zumal die der oberen Kinnlade, verhältnismäßig groß, die äußeren Zähne fast eckzahnartig vergrößert, die Reißzähne schlank und etwas gekrümmt, die Lückzähne weniger scharf gezackt als bei den Katzen, die Kauzähne ziemlich stumpfe Mahlzähne, welche die Speise ordentlich zermalmen. Der Schädel ist gestreckt, namentlich die Kiefer sind verlängert. Zwanzig Brust- und Lendenwirbel, drei Kreuzbein- und 18 bis 22 Schwanzwirbel bilden die Wirbelsäule. Den Brustkasten umgeben 13, neun wahre und vier falsche Rippenpaare. Das Schlüsselbein ist noch verkümmert, das Schulterblatt schmal, das Becken kräftig. Der Darmschlauch zeichnet sich durch einen rundlichen Magen aus; der eigentliche Darm hat vier- bis siebenfache Körperlänge.
In ihrer ganzen Anlage zeigen die Hunde, daß sie nicht ausschließlich auf rein thierische Nahrung angewiesen sind, und lassen den Schluß zu, daß sie demgemäß auch weniger mordlustig und blutgierig sein werden als die Katzen. In der That unterscheiden sie sich gerade hierin wesentlich von jenen. Sie stehen an Wildheit, Mordlust und Blutgier unbedingt hinter den Katzen zurück, bekunden vielmehr alle eine mehr oder minder ausgesprochene Gutmüthigkeit. Das Hundegesicht spricht uns in der Regel freundlich an und läßt niemals das trotzige Selbstvertrauen und die Wildheit, welche sich im Katzengesichte ausdrücken, besonders bemerklich werden.
Schon in der Vorzeit waren die Hunde wenigstens in Europa weit verbreitete Säugethiere; es steht auch unzweifelhaft fest, daß sie sehr früh auf der Erdoberfläche erschienen. Gegenwärtig verbreiten sie sich über die ganze bewohnte Erde und treten in den meisten Gegenden häufig auf. Einsame, stille Gegenden und Wildnisse, dieselben mögen gebirgig oder eben sein, ausgedehnte düstere Wälder, Dickichte, Steppen und Wüsten bilden ihre Aufenthaltsorte. Einige schweifen fast beständig umher und halten sich höchstens so lange an einem Orte auf, als sie durch ihre noch unmündige Nachkommenschaft an ihn festgehalten werden, andere graben sich Höhlen in die Erde oder benutzen bereits gegrabene Baue zu festen Wohnungen. Die einen sind rein nächtliche, die anderen bloß halbnächtliche Thiere, manche vollkommen Tagfreunde. Jene verbergen sich während des Tages in ihren Bauen oder in einsamen und geschützten Schlupfwinkeln, im Gebüsche, im Schilfe oder hohen Getreide, zwischen öden und dunklen Felsen, und streifen zur Nachtzeit entweder einzeln oder in Gesellschaften durch das Land, durchwandern dabei unter Umständen viele Meilen, jagen während der Wanderung, besuchen dabei sogar größere Dörfer und Städte und ziehen sich bei Anbruch des Tages in den ersten passenden Schlupfwinkel zurück, den sie auffinden; diese sind bei Tage kaum weniger thätig als bei Nacht. Wenige leben einzeln oder paarweise; denn selbst diejenigen Arten, bei denen Männchen und Weibchen zeitweilig zusammenhalten, schlagen sich unter Umständen in stärkere Meuten zusammen, und man kann wohl behaupten, daß alle Hunde ohne Ausnahme gesellige Thiere sind.
Hinsichtlich der Beweglichkeit geben die Hunde den Katzen wenig nach. Ihre stumpfen Krallen erlauben ihnen nicht, zu klettern, und sie sind deshalb auf den Boden gebannt; auch verstehen sie nicht, so hohe und weite Sprünge auszuführen wie die Katzen: im übrigen aber übertreffen sie diese eher, als sie ihnen nachstehen. Sie sind vortreffliche Läufer und besitzen unglaubliche Ausdauer, schwimmen ohne Ausnahme und zum Theil meisterhaft; ja wir finden bei ihnen bereits förmliche Wasserthiere, d. h. Hunde, welche sich mit wahrer Wonne in den Wellen herumtummeln. Beim Gehen treten sie bloß mit den Zehen auf, wie die Katzen; ihr Gang aber ist eigenthümlich schief, weil sie die Beine nicht gerade vor sich hinzusetzen pflegen.
Alle Hunde haben hochentwickelte Sinne. Das Gehör steht dem der Katzen kaum nach, der Geruch dagegen ist zu einer bewunderungswürdigen Schärfe ausgebildet, und auch vom Gesichte darf man behaupten, daß es besser als bei den Katzen ist; denn die Nachthunde stehen den Katzen gleich und die Taghunde übertreffen sie entschieden.
Noch viel ausgezeichneter sind die geistigen Fähigkeiten der Hunde. Die tiefstehenden Arten bekunden eine bemerkenswerte List und Schlauheit, zum Theil sogar auf Kosten des Muthes, welchen andere in hohem Grade besitzen; die höher stehenden Hunde aber und namentlich diejenigen, welche mit dem Menschen verkehren oder, besser gesagt, sich ihm hingegeben haben mit Leib und Seele, beweisen tagtäglich, daß ihre Geistesfähigkeiten eine Ausbildung erlangt haben wie die keines anderen Thieres. Der zahme Hund und der wilde Fuchs handeln mit vernünftiger Ueberlegung und führen sorgfältig durchdachte Pläne aus, deren Ergebnis sie mit größtmöglicher Sicherheit im voraus abschätzen. Dieser Verstand hat die Hunde auf das innigste mit den Menschen verbunden und stellt sie über alle übrigen Thiere; denn man muß dabei immer bedenken, daß der Hund ein Raubthier ist, gewöhnt, über andere Geschöpfe zu herrschen, und trotzdem seinen Verstand bereitwillig und aus wirklich vernünftigen Gründen dem höheren Menschengeiste unterordnet. Auch bei den ganz wild lebenden Arten zeigt sich dieser hohe Verstand in der großen Vorsicht, Behutsamkeit und dem Argwohne, mit welchem sie alle Handlungen verrichten. Nur der wüthendste Hunger vermag solches Betragen zuweilen in das entgegengesetzte zu verwandeln. Dabei sind die Hunde gemüthliche Burschen, aufgelegt zu Spiel und Scherz, heiter und lustig, gutmüthig und verhältnismäßig sanft, wenngleich nicht sich leugnen läßt, daß es, wie überall, so auch bei ihnen Ausnahmen gibt.
Die Nahrung besteht hauptsächlich aus thierischen Stoffen, zumal aus Säugethieren und Vögeln. Sie fressen frisch erlegte Beute nicht lieber als Aas, für welches alle Arten sogar eine gewisse Vorliebe zu haben scheinen. Einzelne verzehren auch sehr gern Knochen, und andere finden selbst in den schmutzigsten Auswurfsstoffen des menschlichen Leibes noch eine erwünschte Speise. Außerdem genießen sie Lurche, Fische, Schalthiere, Krebse, Kerbthiere oder Honig, Obst, Feld- und Gartenfrüchte, ja sogar Baumknospen, Pflanzensprossen, Wurzeln, Gras und Moos. Manche sind sehr gefräßig und tödten mehr, als sie verzehren können; doch zeigt sich der Blutdurst niemals in der abschreckenden Gestalt wie bei einzelnen Katzen oder Mardern, und keinen einzigen Hund gibt es, welcher sich im Blute der von ihm getödteten Schlachtopfer mit Lust berauscht.
Die Fruchtbarkeit der Hunde ist größer als die der Katzen; ja die Zahl ihrer Jungen erreicht zuweilen die äußersten Grenzen der Erzeugungsfähigkeit der Säugethiere überhaupt. Im Mittel darf man annehmen, daß die Hunde zwischen vier bis neun Junge werfen; doch sind Ausnahmsfälle bekannt, in denen eine Mutter auf einen Wurf ihrer achtzehn und selbst dreiundzwanzig zur Welt brachte. Es kommt vor, daß der Vater seine Sprößlinge oder daß ein anderer männlicher Hund die junge Nachkommenschaft einer Hündin mit Mordgedanken verfolgt und auffrißt, wenn er es thun kann: zumal geschieht dies bei den Wölfen und Füchsen, welche unter Umständen auch Ihresgleichen nicht verschonen. Bei den meisten Arten macht sich die Geselligkeit auch dem jungen Gewölfe gegenüber geltend. Die Mütter sorgen stets in wahrhaft aufopfernder Weise für dieses.
Wegen der großen Anzahl, in welcher manche Hundearten auftreten, ist der Schaden, den die ganze Familie durchschnittlich anrichtet, ein ziemlich bedeutender, und die den Menschen beeinträchtigenden Arten werden deshalb überall unbarmherzig verfolgt. Dagegen leisten die kleineren Arten durch Wegfangen schädlicher Nage- und Kerbthiere oder durch das Aufzehren von Aas und anderem Unrathe gute Dienste und liefern zudem noch ihren Balg, ihre Haut und ihre Zähne zur Benutzung. Und wenn man Schaden und Nutzen, den die ganze Familie bringt, gegen einander abwägen will, kann man gar nicht in Zweifel bleiben, welcher von beiden der überwiegende ist; denn die eine Gruppe oder, wenn man lieber will, die eine Art der Hunde, unsere treuesten Hausfreunde, leisten dem Menschen so viele unberechenbare und unersetzbare Dienste, daß der Schaden, welchen die übrigen Mitglieder anrichten, diesem Nutzen gegenüber kaum in Betracht zu ziehen ist.
Man kann die Hunde in fünf Abtheilungen bringen und einzelne von diesen wieder in kleinere Gruppen zerfällen. Diese Abtheilungen begreifen die Wölfe oder Wildhunde mit rundem Augenstern und mit kurzem Schwanze, die Füchse mit spaltenförmigem Augenstern und mit langem, buschigem Schwanze, die Schleichkatzenhunde, Mittelglieder zwischen beiden Familien, deren Namen sie tragen, die Ohrenhunde, fuchsähnliche, großöhrige Wüstenhunde, mit abweichendem, sehr zahnreichem Gebisse, und die Hiänenhunde, Verbindungsglieder der Hunde und Hiänen.
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Um den Hund und seine zahllosen Rassen richtig zu beurtheilen, ist es unbedingt erforderlich, seine wildlebenden Verwandten, unter denen man seine Ahnen oder Vorfahren zu vermuthen hat, kennen zu lernen. Ohne diese Kunde würde ein guter Theil des Nachfolgenden zunächst unverständlich sein. Auch erscheint es folgerichtig, von den freilebenden Hunden zu den gezähmten überzugehen. Jene lehren uns, was der Hund war, bevor er sich dem Menschen zu eigen gab; in ihnen sehen wir noch das ursprüngliche, in den gezähmten das veränderte und, wohl darf man dies sagen, das vermenschlichte Thier.
Gray zerfällt die Familie und so auch die Wölfe in viele Unterabtheilungen, denen er den Rang von Sippen beilegt. Unter ihnen stellt er eine Gruppe obenan, welche er Urhunde ( Cuon ) nennt und wegen ihres, aus nur 40 Zähnen bestehenden Gebisses in einer besonderen Sippe vereinigt. Die hierher gehörigen Arten mögen hundeartige Wölfe genannt werden. Ihr Kopf ist verhältnismäßig breit, die Schnauze kurz, das aufrecht stehende Ohr hoch, unten breit, oben zugespitzt, der Augenstern rund, der Leib kräftig, in den Weichen eingezogen, der Schwanz buschig und hängend, das Bein stämmig, die langbehaarte Pfote kräftig. Im Verhältnis zu ihrer mäßigen Größe sind alle hierher zu zählenden Arten oder, was keineswegs undenkbar, nach Murie's Untersuchungen sogar als kaum zweifelhaft angenommen werden muß, Spielarten einer und derselben Art, sehr jagdlustige und jagdtüchtige Thiere.
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