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Als die nächsten Verwandten der eben geschilderten Thiere hat man die Kurzschwanzaffen ( Brachyurus ) anzusehen. Sie unterscheiden sich von jenen hauptsächlich durch ihren außerordentlich kurzen stummelhaften Schwanz und den minder starken, nur auf den Wangen einigermaßen entwickelten Bart. Ihr gedrungener Leib hat ziemlich kräftige Glieder; der Kopf ist länglich eiförmig, das Gesicht eirund und ziemlich flach, die länglichen Nasenlöcher liegen ganz seitlich. Die Finger und Zehen sind mit schmalen, langen Nägeln bewehrt. Der etwas zottige Pelz wird auf dem Kopfe kürzer, und das steife Haar sieht hier wie abgeschoren aus; die Kehle ist nackt, das große Maul wird von einzelne Borsten umgeben. Das Gebiß besteht aus vier Schneidezähnen, je einem Eckzahne und fünf oder sechs Backenzähnen in jedem Kiefer. Erstere sind schräg nach vorn gerichtet, die oberen ungleich, da die beiden mittleren die äußeren an Länge und Breite fast um das Doppelte übertreffen, die unteren schlank, länger als die oberen, die äußeren auch etwas länger als die mittleren, die Eckzähne kurz, stark, fast gerade, die unteren innen mit hakiger Spitze versehen. In der Wirbelsäule zählt man außer den Halswirbeln 12 bis 14 Brust-, 6 bis 7 Lenden- und 14 bis 17 Schwanzwirbel.
Die Kurzschwanzaffen gehören ebenfalls den nördlicheren Ländern Südamerikas an, scheinen nur eine sehr beschränkte Verbreitung zu haben und sind im Freileben noch wenig bekannt geworden. Erst in der Neuzeit hat Bates hierüber einige Nachrichten gegeben; von den reisenden Forschern früherer Zeiten erfuhren wir nur, daß sie in kleinen Gesellschaften an Flußrändern vorkommen und während ihrer Wanderung mistönige Laute hören lassen sollen. Außerdem waren einige Beobachtungen über Gefangene bekannt.
Alexander von Humboldt beschrieb zuerst den Cacajao, Chucuto, Chucuzo, Caruiri, Mono feo (häßlicher Affe), Mono rabon und wie er sonst noch von den Eingeborenen genannt wird ( Brachyrus melanocephalus, Simia, Pithecia und Cacajao melanocephala, Pithecia ouakary), einen Affen von ungefähr 65 Centim. Gesammtlänge, wovon der Schwanz etwa 15 Centim. wegnimmt. Der etwas zottige Pelz ist glänzend gelbbraun, auf der Brust, dem Bauche und der Innenseite der Glieder heller, auf der Oberseite der Hände und Füße schwarzgrau, auf dem Kopfe und am Schwanze größtentheils schwarz. Bei einzelnen Stücken erstreckt sich der Schwanz auch über die Vorderarme und Hände, und geht das Bräunlichgelb des Rückens an den Schenkeln und der Schwanzwurzel in Rostroth über. Alle nackten Theile sehen mattschwarz aus; der Augenring ist nußbraun.
Eine andere Art der Gruppe, das Scharlachgesicht, von den Eingeborenen Uakari genannt ( Brachyurus calvus, Ouakaria calvus), unterscheidet sich von dem Cacajao durch noch kürzeren Schwanz, welcher zu einem wulstigen Stummel verkümmert ist, längere Behaarung des Rückens und lichtere Färbung. Seine Gesammtlänge beträgt 40, die Schwanzlänge nur 9 Centim. Die einförmige fahl- oder rothgelbe Färbung des Pelzes geht aus dem Rücken in Fahlweiß, auf der Unterseite in Goldgelb über. Bei sehr alten Stücken lichtet sich die Färbung und erscheint dann fast weiß. Hiervon sticht das lebhaft scharlachrothe Gesicht mit den buschigen gelben Brauen und rothgelben Augen merkwürdig ab, und außerdem trägt auch die Kürze des Kopfhaares, welches wie geschoren aussieht und mit den sehr langen Rückenhaaren im grellsten Widerspruche steht, wesentlich dazu bei, das Aussehen dieses Affen zu einem absonderlichen zu machen.
»An einem sonnigen Morgen des Jahres 1855«, schildert Bates, »sah ich in den Straßen von Ega eine Anzahl von Indianern, welche einen großen, bloß aus Schlingpflanzen zusammengebauten, etwa 4 Meter langen und 1,5 Meter hohen Käfig auf ihren Schultern trugen, in der Absicht, ihn dem thalab fahrenden Dampfer zu übergeben. Der Käfig enthielt ein Dutzend Affen vom wunderlichsten Aussehen. Es waren Hakans, der Umgebung von Ega eigenthümliche Thiere, und sie sollten ein werthvolles Geschenk sein, welches der Vorsteher der Indianer einem Regierungsbeamten in Rio-de-Janeiro verehren wollte. Man hatte die Affen mit der größten Schwierigkeit in den Waldungen des tief liegenden Landes, namentlich in der Nähe der Mündung des Japurá, etwa dreißig Meilen von Ega gefangen.
»Das Scharlachgesicht lebt nur in Waldungen, welche während des größten Theiles vom Jahre überschwemmt sind, und steigt, so viel bekannt, nie auf den Boden herab; die Kürze seines Schwanzes ist demgemäß kein Zeichen für die Lebensweise auf dem Boden, wie beispielsweise bei den Makaken und Pavianen. Wie es scheint, kommt unser Uakari ausschließlich in der erwähnten Gegend vor, insbesondere auf einer Bank des Japurá selbst, nahe seiner hauptsächlichsten Mündung; ja er soll sogar hier, so viel ich erfahren konnte, auf den westlichen Theil des Flusses beschränkt sein. Man sieht ihn, verschiedenen Früchten, seiner Nahrung, nachgehend, in kleinen Trupps in den Kronen der höchsten Bäume. Die Jäger schildern seine Bewegungen als hurtig und gewandt, obwohl er sich weniger auf Springen einläßt, sondern vorzieht, auf starken Aesten dahinzurennen, um so von einem Baume zum anderen zu gelangen. Die Mutter trägt, wie die übrigen südamerikanischen Affen, ihr Junges auf dem Rücken. Alle Gefangenen, welche man erhält, sind mittels des Blasrohres und schwachvergifteter Pfeile erbeutet worden. Die getroffenen Uakaris laufen meist noch sehr weit durch den Wald, und ihre Verfolgung erfordert deshalb einen wohlerfahrenen Jäger. Unter den Indianern wird derjenige als der gewandteste angesehen, welcher im Stande ist, einem verwundeten Affen dieser Art so zu folgen, daß er ihn, wenn er die Besinnung verliert und herabfällt, im rechten Augenblicke mit seinen Armen auffängt. Dem Affen wird sodann eine Prise Salz als Gegengift eingegeben, und er erholt sich in der Regel wieder. Wie selten das Scharlachgesicht selbst in seinem beschränkten Wohngebiete ist, mag daraus hervorgehen, daß der erwähnte Indianervorsteher sechs seiner schlauesten Jäger aussandte und diese ungefähr drei Wochen abwesend waren, bevor es ihnen gelang, jene zwölf Stücke zu erbeuten. Ein unabhängiger Jäger, welcher einen dieser Affen in seine Gewalt bekommen hat, verlangt einen sehr hohen Preis für ihn, 30 bis 40 Milreïs nämlich, nach unserem Gelde 22 bis 30 Thaler, findet auch immer willige Abnehmer, weil gerade das Scharlachgesicht mit Vorliebe zum Geschenk an einflußreiche Leute verwendet wird.
»Alte in beschriebener Weise gefangene Uakaris werden sehr selten zahm, sind mislaunig und trübsinnig, wehren alle Versuche, ihnen zu schmeicheln, von sich ab und beißen Jeden, welcher sie berührt. Selbst in ihren Waldungen hört man keinen eigenthümlichen Schrei von ihnen; in der Gefangenschaft sind sie vollkommen schweigsam. Nach Verlauf einiger Tage oder Wochen werden sie, wenn man sie nicht höchst sorgsam abwartet, gleichgültig gegen alles, nehmen keine Nahrung mehr an und gehen langsam ein. Viele von ihnen sterben an einer Krankheit, welche den Anzeichen nach eine Brust- oder Lungenentzündung zu sein scheint. Der eine, welchen ich hielt, endete an dieser Krankheit, nachdem ich ihn ungefähr drei Wochen in Besitz gehabt hatte. Obgleich ich ihm eine luftige Veranda zu seinem Aufenthalte anwies, verlor er doch bald alle Freßlust; sein langes, glattes und glänzendes Fell wurde schmutzig und zottig, wie wir es an den ausgestopften in den Museen sehen, und das lebhafte Scharlach des Gesichts wandelte sich in eine düstere Färbung um. Der Tod war ein sehr sanfter, da mein Gefangener bereits die letzten vierundzwanzig Stunden schwer und heftig athmend ausgestreckt dalag. Währenddem wurde die Färbung seines Gesichts nach und nach blässer, sah jedoch, als er seine letzten Seufzer verhauchte, noch immer roth aus und dies verlor sich erst zwei oder drei Stunden nach dem Tode.
»Nach meinen Erfahrungen über das mürrische Wesen des Uakari war ich nicht wenig erstaunt, in dem Hause eines Freundes einen außerordentlich lebhaften und umgänglichen Affen dieser Art zu sehen. Das Thier kam, kaum daß ich mich gesetzt hatte, aus einem anderen Zimmer auf mich zugelaufen, kletterte an meinen Beinen in die Höhe, nistete sich auf meinem Schoße ein, indem es sich rund um sich selbst drehte, und schaute mich, nachdem es sich bequem gemacht hatte, mit dem gewöhnlichen Affengrinsen vertraulich an. Allerdings war dies ein junger Uakari, welchen man von der Brust seiner durch den Giftpfeil erlegten Mutter genommen, im Hause zwischen den Kindern aufgezogen und ihm erlaubt hatte, nach Belieben umherzulaufen und sein Mahl gemeinsam mit den übrigen Hausbewohnern einzunehmen.
»Der Uakari gehört zu den vielen Thierarten, welche von den Brasilianern als »sterblich«, d.h. als zart und hinfällig bezeichnet werden, im Gegensätze zu denjenigen, welche sie »hart« nennen. Eine große Anzahl von Stücken dieser Art, welche man von Ega absendet, sterben, bevor sie Para erreichen, und kaum einer von einem Dutzend gelangt lebend bis nach Rio-de-Janeiro. Möglicherweise steht die Schwierigkeit, sie an veränderte Bedingungen zu gewöhnen, in einer gewissen Beziehung zu dem sehr beschränkten Gebiete, in welchem sie leben, und der eigenthümlichen Beschaffenheit desselben. Als ich den Fluß hinabreiste, befand sich ein gezähmter, alter Uakari bei uns auf dem Schiffe, einem großen Schooner, und genoß hier die Freiheit, nach Belieben umherzulaufen. Bei unserer Ankunft in Rio Negro waren wir gezwungen, vier Tage lang vor dem Zollhause liegen zu bleiben; unser Schiffsführer hatte aber nicht Anker geworfen, sondern den Schooner mit dem Bugspriet an einem Uferbaume befestigt. Eines Morgens vermißte man das Scharlachgesicht: es war nach dem Walde geflohen. Zwei Mann wurden ihm nachgesandt, kehrten jedoch nach einer Abwesenheit von mehreren Stunden zurück, ohne auch nur eine Spur des Flüchtlings aufgefunden zu haben. Schon hatten wir diesen gänzlich aufgegeben, als er plötzlich wieder am Saume des Waldes erschien, sich mehr und mehr näherte und auf demselben Wege, den er gegangen, über das Bugspriet nämlich, zurückkehrte, um seinen gewöhnlichen Platz auf dem Verdecke einzunehmen. Er hatte unzweifelhaft gefunden, daß die Waldungen des Rio Negro von denen des Japurádelta's wesentlich verschieden sind und die Gefangenschaft einem Freileben in so wenig ihm zusagender Gegend vorgezogen.«
In dieser anmuthigen und eingehenden Schilderung des trefflich beobachtenden Bates ist meines Erachtens ein vollständiges Lebensbild dieser kurzschwänzigen Affensippschaft enthalten; denn alle bis dahin mitgetheilten Beobachtungen anderer Forscher sind kaum geeignet, unsere Thiere zu kennzeichnen. Humboldt besaß längere Zeit einen Cacajao und bemerkt von demselben, daß er sich gefräßig, stumpfsinnig, furchtsam und gelassen gezeigt habe, gereizt, das Maul auf die sonderbarste Weise aufsperrte, sein Gesicht auf das ärgste verzog und dann in ein lebhaftes, lachendes Geschrei ausbrach, im allgemeinen äußerst unbeholfen war und wenn er etwas ergreifen wollte, regelmäßig eine absonderliche Stellung einnahm, indem er sich mit gekrümmtem Rücken niedersetzte und beide Arme weit von sich streckte, durch den Anblick eines Krokodils oder einer Schlange in die größte Furcht versetzt wurde und dann am ganzen Leibe zitterte, sagt mit all diesem aber kaum etwas für die Gruppe Bezeichnendes. Ein anderer Uakari ( Brachyurus rubcundus), welchen Deville sieben Monate in Gefangenschaft hielt und beobachtete, war sehr sanft gegen seinen Gebieter und alle Leute, welche er kannte, leckte gern deren Gesicht und Hände, mochte aber Indianer nicht leiden. Erzürnt, rieb er mit äußerster Schnelligkeit beide Hände gegen einander. Seine Nahrung bestand vorzugsweise aus Früchten, Zuckerwerk und Milch, Bananen liebte er besonders und ebenso alles süße Gebäck. Gab man ihm mehrere Bananen, so behielt er nur eine in der Hand und legte die andere zu den Füßen nieder. Er trank regelmäßig täglich zweimal aus einem Becher und hielt denselben sehr geschickt zwischen den Händen. Tabaksrauch war ihm unangenehm; wenn man ihm solchen zublies, riß er meist die Cigarre aus dem Munde und zertrümmerte sie in kleine Stückchen. Wie altweltliche Affen, nahm er oft eine ganz aufrechte Stellung ein, konnte auch auf den Beinen eine Strecke weit gehen. Obwohl vollkommen gezähmt, bekundete er doch bei jeder Gelegenheit eine lebhafte Sehnsucht nach seiner Freiheit, machte beispielsweise die größten Anstrengungen zu entfliehen, sobald das Boot, welches ihn führte, mehr als sonst dem Lande sich näherte.
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