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In der dritten Unterfamilie vereinigen wir die Schlaffschwänze ( Aneturae ), meist kleine oder doch nur mittelgroße Affen mit schlaffen, allseitig behaarten, greifunfähigen Schwänzen, deren letzte Wirbel stetig dünner werden.
Die Schweifaffen ( Pithecia) haben einen gedrungen gebauten Leib, welcher durch die lange und lockere Behaarung noch plumper erscheint, als er wirklich ist, verhältnismäßig kräftige Glieder und einen dicken buschigen, nach der Spitze zu meist mit verlängerten Haaren bekleideten Schwanz. Das Haar ihres Oberkopfes ist haubenartig gescheitelt, das der Wangen und des Kinnes zu einem mehr oder minder langen kräftigen Vollbarte verlängert. Von den übrigen Breitnasen unterscheiden sie sich außerdem durch ihr Gebiß, da die sehr kräftigen dreikantigen Eckzähne von den absonderlich zusammengedrängten, an den Spitzen sehr verschmälerten und gegeneinander geneigten, schief nach vorn und außen gerichteten Schneidezähnen getrennt sind.
Das Verbreitungsgebiet der wenigen Arten dieser Gruppe beschränkt sich auf die nördlichen Theile Südamerikas. Hier bewohnen sie hohe, trockene, von Unterholz freie Wälder, von anderen Affen sich fern haltend. Nach Tschudi sind sie Dämmerthiere, deren Thätigkeit erst nach Sonnenuntergang beginnt und bis zum Aufgange fortwährt; über Tags schlafen sie und sind dann schwer aufzujagen, weil sie durch kein Geräusch sich verrathen und nur verfolgt, lebhafter sich bewegen. Leicht zähmbar, bleiben sie doch in der Gefangenschaft oft mürrisch und verdrießlich, und wenn sie am Tage wachen, zeigen sie sich träge oder traurig. Schomburgk bemerkt, daß er diesen Angaben Tschudi's nach seinen eigenen Erfahrungen durchaus widersprechen müsse, wenigstens was das Nachtleben unserer Affen anlange. Nach seinen Beobachtungen beschränken sich die verschiedenen Arten auf bestimmte Oertlichkeiten und halten sich von den übrigen streng abgesondert, lassen auch öfters ihre Stimme vernehmen und verrathen sich dadurch dem Reisenden. »Ueberall, wo die Belaubung des Ufers dicht erschien«,so erzählt er, »fand ich auch Herden von Affen in den Zweigen versammelt, unter denen die wirklich netten Schweifaffen die größte Anzahl bildeten. Ihr schön gescheiteltes, langes Haar, die üppig stolzen Kinn- und Backenbärte, ihre langbehaarten, fuchsähnlichen Schwänze verleihen den lebhaft- und klugblickenden Thieren ein ungemein freundliches, zugleich aber auch lächerliches Aeußere. Es waren die ersten, denen ich auf meiner Reise begegnete. Natürlich mußte ich augenblicklich an das Land springen, um mein Jagdglück zu versuchen. Ich schoß ein Männchen und ein Weibchen. Doch bereute ich fast meinen Schuß, als ich die bittere, das Herz tief ergreifende Wehklage des letzteren hörte, welches ich nur stark verwundet hatte. Diese Klagetöne stimmen genau mit den bitteren Schmerzenslauten eines Kindes überein.«
In den großen Wäldern am oberen Marañon und Orinoco tritt die gemeinste Art der Sippe sehr häufig auf. Es ist dies der Satansaffe, Kuxio der Indianer ( Pithecia Satanas, Cebus und Saki Satanas, Simia chiropotes, Simia sagulata, Pithecia israelitica), ein 40 Centim. langes Thier mit fast ebenso langem Schwanze. Der ganz runde Kopf wird durch eine Art von Mütze ausgezeichnet, welche aus nicht sehr langen, dicht anliegenden Haaren besteht, die sich von einem gemeinsamen Wirbel auf der Höhe des Hinterhauptes strahlenförmig ausbreiten und auf dem Vorderkopfe gescheitelt erscheinen. Die Wangen und das Kinn sind von einem dicken schwarzen Barte umgeben. Der Oberleib ist dicht, aber nicht lang, die untere Seite dagegen nur dürftig behaart, der Schwanz sehr buschig. Alte Männchen und Weibchen haben schwarze, am Rücken rußigfahlgelbe, die Jungen bräunlichgraue Färbung. Verschiedene Abweichungen sind häufig.
Eine zweite Art der Sippe, der Weißkopfaffe ( Pithecia leucocephala , Simia pithecia, Pithecia nocturna, adusta, rufiventer, etc.), ändert nach Alter und Geschlecht vielfach ab und hat deshalb viele Benennungen erhalten. Alte Männchen sind am ganzen Körper schwarz, nur an den Vorderarmen etwas lichter gefärbt; den Vorderkopf bis zu den Augenbrauen bekleiden kurze, helle Haare, welche in der Mitte der Stirn die schwarze Haut frei lassen und an den Wangen sich bartartig verlängern. Zuweilen sehen sie auch ockerfarben und da, wo sie das Gesicht einfassen, rostroth aus. Das schwarze Gesicht ist mit weißen oder rostfarbigen Haaren besetzt. Ohren, Sohlen, Finger und Nägel sind schwarz. Bei den Weibchen sind die Haare an der Ober- und Außenseite braunschwarz mit gelber Spitze, an der Unterseite licht roströthlich, die des Backenbartes am Grunde schwarz. Die Jungen ähneln den Weibchen. Im allgemeinen ist der Pelz lang, straff und grob und nur an der Unterseite und den Händen dünn und spärlich. Ein lichter Haarkranz faßt das Gesicht ein und bildet einen Backenbart.
Der weißköpfige Schweifaffe oder Saki lebt in den Ländern des Amazonenstromes und in Guiana, mehr in Büschen als auf hohen Waldbäumen, hält sich in Gesellschaften von sechs bis zehn Stücken zusammen und scheint ein ziemlich träges Geschöpf zu sein. Seine Nahrung soll, wie Laborde berichtet, aus Beeren, Früchten und Honigwaben bestehen. Die Weibchen bringen ein Junges zur Welt und tragen dieses lange Zeit auf dem Rücken. Genaueres ist mir nicht bekannt.
Der Satansaffe lebt in einem sehr untergeordneten Verhältnisse zu den Rollaffen, welche ihn nicht selten zwingen, von den Bäumen herabzusteigen und in das Gebüsch sich zurückzuziehen, wo sie ihn seiner erbeuteten Nahrung berauben, ja sogar ihn mißhandeln. Seines langen Bartes wegen soll er das Wasser, welches er zu sich nimmt, mit der hohlen Hand zum Munde bringen und nur wenn er sich beobachtet sieht, auf gewöhnliche Weise trinken.
Tschudi bemerkte dies nicht, versichert vielmehr, daß er das Wasser wie andere Affen auch zu sich nimmt, indem er auf die Füße sich niederläßt und das Maul ins Wasser steckt. Unser Forscher gab seinen Gefangenen oft einen Krug mit engem Halse, so daß sie den Kopf nicht hineinstecken konnten; aber auch dann bedienten sie sich nicht der hohlen Hand, sondern machten es geradeso wie ihre Verwandten, indem sie den halben Arm in das Gefäß steckten und das Wasser von der Hand und von dem Arme ableckten. Nach Humboldts Beobachtungen ist der Satansaffe wild und in hohem Grade reizbar. Deshalb läßt er schwer sich zähmen und bleibt in der Gefangenschaft immer böse. Seinen Unwillen zeigt er bei der geringsten Veranlassung durch Zähnefletschen, Gesichtverzerrungen und das lebhafte Funkeln seiner Augen. Wenn er wirklich gereizt wird, stellt er sich aufrecht, reibt das Ende seines Bartes und springt wild um den Gegenstand seines Zornes herum. Bisweilen wird er so wüthend, daß er sich z. B. in einem ihm vorgehaltenen Stocke verbeißt und sich denselben kaum entreißen läßt.
Von diesen Affen gelangt nur ausnahmsweise eine oder die andere Art lebend nach Europa, am ehesten noch nach London, dessen überaus reicher Thiergarten von den über alle Welt zerstreueten Engländern besser versorgt wird als jeder andere. Ende der sechsziger Jahre lebten in Regents-Park mehrere Satansaffen und ein Weißkopfaffe – wie lange, vermag ich nicht zu sagen.
Ganz im Gegensatze hierzu und vollkommen im Einklange mit früheren Angaben von Spix, schildert Bates einen Verwandten, den Zottelaffen, woraus hervorgeht, daß wenigstens nicht alle Arten dem von Humboldt gezeichneten Bilde entsprechen. Der Zottelaffe oder Parauacu ( Pithecia hirsuta, Simia, Yarkea hirsuta) erreicht eine Gesammtlänge von etwa 1 Meter, wovon beinah die Hälfte auf den sehr entwickelten Schwanz gerechnet werden muß, und ist mit ziemlich dicken, bis 12 Centim. langen, an der Spitze nach vorn gebogenen Haaren bekleidet, welche über die wie kurz geschoren erscheinende Stirn herabhängen, das Gesicht theilweise bedeckend, und den übrigen Leib bärenfellartig bekleiden. Das schwarze, mit Grau gesprenkelte Haar geht am Kopfe in Rußbraun, auf der Brust in Röthlichschwarz, an der Innenseite der Schenkel in Röthlichweiß über; der kurze borstige Backenbart sieht schmutziggrau aus, bei manchen Stücken noch lichter erscheinend. Die Hand- und Fußsohlen haben gelbbraune, das Gesicht, so weit es nackt, schwarze Färbung.
Spix entdeckte den Zottelaffen in den Waldungen Brasiliens, zwischen den Flüssen Solimonas und Negro, und berichtet, daß er morgens und abends aus den Wäldern hervorkomme, zu zahlreichen Trupps sich versammele und die Luft dann mit seinem durchdringenden Geschrei erfülle. Aeußerst vorsichtig und flink, flieht ein solcher Trupp beim geringsten Geräusch eiligst in das Innere der Waldungen, und der Jäger erlangt deshalb nur selten einen von ihnen. Einmal gezähmt, zeigt er sich sehr anhänglich gegen seinen Gebieter. Bates vervollständigt letztere Angaben. »Auch dieser Affe«, sagt er, »ist ein sehr zartes Thier, welches selten mehrere Wochen in der Gefangenschaft aushält; gelingt es aber, ihn am Leben zu erhalten, so gewinnt man in ihm ein überaus anhängliches Geschöpf. Mein Nachbar in Ega, ein französischer Schneider, besaß einen Zottelaffen, welcher bereits nach wenigen Wochen so zahm geworden war, daß er seinem Gebieter wie ein Hund nicht allein im Hause, sondern auch auf der Straße folgte. Während mein Bekannter arbeitete, nahm der Affe seinen Platz auf Jenes Schulter ein; gegen Fremde, ja sogar gegen andere Hausbewohner dagegen verhielt er sich abwehrend. Niemals sah ich einen Affen, welcher so große Anhänglichkeit an seinen Gebieter bekundet hätte als dieses anmuthige, ängstliche, schweigsame kleine Geschöpf. Der lebhafte und leidenschaftliche Kapuzineraffe scheint freilich unter allen amerikanischen Affen, was Verstand und Gelehrigkeit anlangt, obenan zu stehen, und der Klammeraffe hat vielleicht die liebenswürdigste und empfänglichste Sinnesart; der Parauacu aber, obschon er ein trübsinniges und freudloses Thier ist, übertrifft alle in der Hingebung an ein menschliches Wesen. Daß es ihm übrigens keineswegs an Verstand und Herzensgüte fehlt, davon gab unser Liebling eines Tages genügende Beweise. Mein Nachbar hatte sein Haus am Morgen verlassen, ohne, wie er sonst zu thun pflegte, den Zottelaffen mitzunehmen, dieser ihn schmerzlich vermißt und wie es scheint geschlossen, daß er seinen Gebieter wohl bei mir finden werde, da beide, der Affe und sein Herr mir täglich ihren Besuch abzustatten pflegten. Ohne den Umweg über die Straße zu nehmen, machte das kleine Geschöpf sich auf, durcheilte auf kürzestem Wege Gärten, Gebüsche und Dickichte und erschien in meiner Behausung. Niemals vorher hatte er diesen Weg, von welchem wir durch einen den Affen beobachtenden Nachbar Kunde erhielten, vorher zurückgelegt. Als er, bei mir angelangt, den Gebieter auch nicht fand, setzte er sich mit dem unverkennbarsten Ausdrucke der Enttäuschung und Entsagung auf meinem Tische nieder und wartete geduldig auf seinen Herrn. Kurze Zeit darauf trat dieser wirklich ein, und einen Augenblick später saß der aufs höchste erfreute Liebling auf seinem gewöhnlichen Platze, der Schulter.
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