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Die Flughunde im engeren Sinne ( Pteropus) haben eine hundeartige Schnauze, ziemlich lange, nackte, zugespitzte Ohren und eine sehr entwickelte Flughaut, welche jedoch zwischen den Schenkeln nur einen schmalen Hautsaum bildet. Der Schwanz fehlt gänzlich. Das Gebiß besteht aus vier Schneidezähnen in jedem Kiefer, jederseits einem Eckzahne, und je fünf Backenzähne in den oberen, sechs Backenzähne in den unteren Kiefern.
Die größte aller bekannten Arten, der Kalong, fliegende Hund oder fliegende Fuchs ( Pteropus edulis, P. assamensis, P. javanicus?), klaftert bei 40 Centim. Leibeslänge bis 1,5 Meter. Die Färbung des Rückens ist tief braunschwarz, des Bauches rostigschwarz, des Halses und Kopfes rostiggelbroth, der Flatterhaut braunschwarz.
Der Kalong lebt auf den indischen Inseln, namentlich auf Java, Sumatra, Banda und Timor, wie alle seine Familienglieder entweder in größeren Wäldern oder in Hainen von Fruchtbäumen, welche alle Dörfer Java's umgeben, hier mit Vorliebe die wagerechten Aeste des Kapok ( Eriadendron) und des Durian ( Durio zibethinus) zu seinem Ruhesitze sich erwählend. Unter Umständen bedeckt er die Aeste so dicht, daß man sie vor Kalongs kaum noch unterscheiden kann. Einzelne Bäume sind buchstäblich mit Hunderten und Tausenden behangen, welche hier, so lange sie ungestört sind, ihren Tagesschlaf halten, gestört aber scharenweise in der Luft umherschwärmen. Gegen Abend setzt die Masse sich in Bewegung, und einer fliegt in einem gewissen Abstande hinter dem anderen her; doch kommt es auch vor, daß die Schwärme in dichterem Gedränge gemeinschaftlich einem Orte zufliegen. So erzählt Oxley, daß ein Schwarm dieser Thiere mehrere Stunden brauchte, um über das in der Straße von Malakka vor Anker liegende Schiff fortzuziehen. Logan sah die Kalongs zu Millionen in den Mangrovesümpfen am Nordrande der Insel Singapore hängen und abends die Luft durch ihre Menge verdunkeln. »Dichtgedrängte Schwärme«, schreibt mir Haßkarl dagegen, »sah ich nie fliegen, sondern stets nur einzelne, diese aber allerdings in großer Anzahl, des Abends bei Batavia meist strandeinwärts sich wendend.« Unter Bäumen, welche sie eine Zeitlang als Schlafplätze benutzt haben, sammelt sich ihr Koth in Massen an, und sie verbreiten dann einen so heftigen Geruch, daß man sie oft eher mittels der Nase als durch das Auge wahrnimmt.
Ihre Nahrung besteht aus den verschiedensten Früchten, insbesondere mehrerer Feigenarten und der Mango, denen zu Liebe sie massenhaft in die Fruchtgärten auf Java einfallen, hier oft erheblichen Schaden anrichtend. Doch begnügen sie sich keineswegs einzig und allein mit pflanzlicher Nahrung, stellen im Gegentheile auch verschiedenen Kerfen und selbst kleinen Wirbelthieren nach. So hat sie neuerdings Shortt zu seiner Ueberraschung als Fischräuber kennen gelernt. »Als ich«, sagt er, »in Konlieveram mich aufhielt, wurde meine Aufmerksamkeit auf einen Regenteich gezogen, welcher einem vor kurzem gefallenen Regenschauer sein Dasein verdankte und buchstäblich mit kleinen Fischchen besäet schien, welche im Wasser spielten und über die Oberfläche desselben emporsprangen. Diese Erscheinung, das plötzliche Auftreten von Fischen in zeitweilig vertrocknenden und dann wieder mit Wasser sich füllenden Regenteichen war nichts neues für mich; meine Aufmerksamkeit wurde vorerst auf eine Anzahl großer, etwas schwerfällig fliegender Vögel gerichtet, welche über dem Wasser rüttelten, mit ihren Füßen dann und wann einen Fisch ergriffen und hierauf mit ihrer Beute sich nach einigen Tamarindenbäumen begaben, um dort sie zu verzehren. Bei genauer Untersuchung fand ich, daß die vermeintlichen Vögel Kalongs waren. Durch die eintretende Dunkelheit des Abends verhindert, konnte ich sie nur kurze Zeit beobachten, kehrte aber am nächsten Abend eine Stunde früher zu dem Teiche zurück und bemerkte dasselbe. Nunmehr forderte ich meinen Gefährten Watson auf, sein Gewehr zu holen und einige der Thiere zu schießen, um mich vollständig zu überzeugen. Watson schoß zwei oder drei von ihnen während sie fischten, und stellte es somit außer allen Zweifel, daß ich es mit Kalongs zu thun hatte. Bei einem späteren Besuche beobachtete ich wiederum dasselbe.«
Hier und da werden Kalongs verfolgt, weniger des von ihnen verursachten Schadens halber, als um sie für die Küche zu verwenden. Der Malaie bedient sich zu ihrer Jagd in der Regel des Blasrohres, zielt auf ihre Fittige, den empfindlichsten Theil des Leibes, betäubt sie und bringt sie so in seine Gewalt; der Europäer wendet erfolgreicher das Feuergewehr an. Während des Fluges sind sie ungewöhnlich leicht zu schießen, denn ihre Flügel verlieren augenblicklich das Gleichgewicht, wenn auch nur ein einziger Fingerknochen durch ein Schrotkorn zerschmettert worden ist. Schießt man aber bei Tage auf sie, während sie schlafend an den Aesten hängen, so gerathen sie, wenn sie flüchten wollen, in eine solche Unordnung, daß einer den anderen beirrt und die Getroffenen, welche ihre Flügel dann nicht entfalten können, gewöhnlich so fest an die Zweige sich klammern, daß sie auch, nachdem sie verendet sind, nicht herabfallen. »Ich sah«, bemerkt Haßkarl noch, »daß Liebhaber vom Schießen in eine Masse dicht aufeinander und nebeneinander hängender Kalongs feuerten. Es fielen jedoch nur einige herunter, die übrigen flogen, obgleich sie sehr beunruhigt schienen, nicht weg, sondern krochen nur dichter auf- und übereinander, mit ihren langen Flügeln sich festhaltend.« Jagor dagegen erzählt, daß eine durch Schüsse gestörte Gesellschaft von Kalongs nur zum Theile auf den Aesten hängen blieb, während andere Scharen in der Luft umherschwirrten. Das Fleisch wird übrigens keineswegs aller Orten und am wenigsten von Europäern gegessen. Wallace hebt als für die Bewohner von Batschian bemerkenswerth hervor, daß sie fast die einzigen Menschen im Archipel seien, welche fliegende Hunde essen. »Diese häßlichen Geschöpfe«, sagt er, »werden für eine große Leckerei gehalten, und man stellt ihnen deshalb sehr nach, wenn sie im Anfange des Jahres in großen Flügen auf der Insel erscheinen, um hier Fruchternte zu halten. Sie können dann während ihrer Tagesruhe leicht gefangen oder mit Stöcken heruntergeschlagen werden: man trägt sie oft korbweise nach Hause. Ihre Zubereitung erfordert eine große Sorgfalt, da Haut und Fell einen ranzigen, stark fuchsartigen Geruch haben. Aus diesem Grunde kocht man sie meist mit viel Gewürz und Zuthaten, und so zubereitet schmecken sie in der That vortrefflich, ähnlich wie ein gut gebratener Hase.« Gefangene fügen sich rasch in den Verlust ihrer Freiheit, werden auffallend bald zahm und lassen sich auch sehr leicht erhalten. So wählerisch sie in der Freiheit sind, wo sie sich nur die saftigsten Früchte auslesen, so anspruchslos zeigen sie sich in der Gefangenschaft. Hier fressen sie jede Frucht, welche man ihnen bietet, besonders gern aber auch Fleisch.
Roch brachte einen männlichen Kalong lebend nach Frankreich. Er hatte ihn hundert und neun Tage am Bord des Schiffes ernährt, anfangs mit Bananen, später mit eingemachten Früchten, dann mit Reis und schließlich mit frischem Fleische. Einen todten Papagei fraß er mit großer Gier, und als man ihm Rattennester aufsuchte und ihm die Jungen brachte, schien er sehr befriedigt zu sein. Schließlich begnügte er sich mit Reis, Wasser und Zuckerbrod. Bei der Ankunft in Gibraltar erhielt er wieder Früchte, und fortan fraß er kein Fleisch mehr. Nachts war er munter und plagte sich sehr, aus dem Käfige zu kommen; am Tage verhielt er sich ruhig und hielt sich wie unsere Fledermäuse an einem Fuße, eingehüllt in seine Flügel, in denen er selbst den Kopf verbarg. Wenn er seines Unraths sich entleeren wollte, hing er, ebenso wie die Fledermäuse, auch mit den Vorderklauen sich auf und brachte seinen Körper so in eine wagerechte Lage. Er gewöhnte sich bald an die Leute, welche ihn pflegten; namentlich seinen Besitzer kannte er vor Allen, ließ sich von ihm berühren und das Fell krauen, ohne zu beißen. Ebenso hatte er sich gegen eine Negerin betragen, welche auf der Insel Moritz seine Pflegerin gewesen war. Ein anderer, jung eingefangener Kalong wurde bald gewöhnt, Jedermann zu liebkosen, leckte die Hand wie ein Hund und war auch ebenso zutraulich.
Um so lächerlicher ist es, wenn Thierbudenbesitzer das harmlose Geschöpf heute noch in der abscheulichsten Weise verleumden. Die »Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen« in der großen »Hauptstadt der Bildung« brachte unter den übrigen wissenschaftlichen Nachrichten noch im Jahre 1858 ihrem Leserkreise die überraschende Nachricht, daß der berüchtigte Vampir oder Blutsauger zum ersten Male lebend in Berlin sei, und daß dieses entsetzliche Thier in der Nacht lebendes Vieh morde und Blut sauge. Die Milch und Semmel, welche in dem Käfige des Ungeheuers aufgestellt war, um ihm als Nahrung zu dienen, wurde bei dieser Anzeige klüglich nicht erwähnt. Das treue Hundegesicht und die große Sanftmuth des Thieres strafte den haarsträubenden Bericht allerdings Lügen, und kennzeichnete diesen unzweifelhaft als einen, wie er aus der Feder solcher Thierbesitzer hervorzugehen pflegt, welche es für nöthig halten, ihre Sehenswürdigkeiten den Leuten in der pomphaftesten Weise anzupreisen. Daß selbst unwissende Menschen noch hartnäckig der Naturwissenschaft entgegentreten, darf uns nicht wundern; um so trauriger aber ist es, daß man heute noch trotz aller wissenschaftlichen Werke und Anstalten, welche wir besitzen, durch so plumpe Lügen sich täuschen oder herbeilocken läßt.
Ein Flughund, welchen ich durch eigene Beobachtung wenn auch nur in Gefangenschaft kennen gelernt habe, der Flugfuchs, wie wir ihn nennen wollen ( Pteropus Edwardsi, P. medius, P. leucocephalus), erreicht eine Länge von 28 bis 32 Centim. und klaftert zwischen 1,1 bis 1,25 Meter. Sein spärlich behaartes Gesicht und die nackten Ohren sind schwarz, der Kopf und die Oberseite vom Mittelrücken an dunkelbraun, ein längs der Kehlmitte verlaufender Streifen, Brust und Bauch röthlichhellbraun; ein breites Nackenband, welches sich bis zur Rückenmitte herab verschmälert um die Halsseiten herumzieht, ist gilblichfahlgrau, hinten, oben und unten, d. h. gegen den Kopf und Rücken hin, in Hellbraun übergehend, die Iris dunkelbraun, die Flughaut, wie bei den meisten Arten, schwarzbraun.
Der Flugfuchs verbreitet sich von Ostindien an bis nach Madagaskar, vorausgesetzt, daß der hier vorkommende Flughund wirklich mit dem in Indien lebenden gleichartig ist. Hier wie dort bewohnt er Waldungen, Haine und Gärten oft in zahlloser Menge, auf Ceilon, laut Tennent, sehr häufig alle Küstengegenden der Insel, auf Madagaskar und Mayotte, laut Pollen, nicht minder zahlreich, auf Réunion dagegen nur einzeln, die aus alten Bäumen bestehenden Waldungen des Innern, am liebsten einzeln gelegene Wäldchen oder Baumgruppen in einer gewissen Entfernung von der Küste. Beiden Naturforschern verdanken wir eine eingehende Schilderung des Freilebens dieses lebhaften Thieres.
Wie seine Verwandten hält der Flugfuchs unter allen Umständen in Gesellschaften sich zusammen, und wenn irgend möglich, wählt er alte Bäume zu seiner Tagesruhe. Ein Lieblingsplatz von ihm waren eine Zeitlang die großen Silberwoll- und indischen Raspelbäume des Pflanzengartens von Paradenia in der Nahe von Kandy auf Ceilon, woselbst Tennent sie tagtäglich beobachten konnte. Einige Jahre früher hatten sie hier sich zusammengefunden und waren namentlich im Herbste tagtäglich zu sehen, während sie später, nachdem sie die Früchte der elastischen Feige aufgezehrt hatten, eine Wanderung antraten. Auf gedachten Bäumen hingen sie in so erstaunlicher Menge, daß starke Aeste durch ihr Gewicht abgebrochen wurden. Jeden Morgen zwischen neun und elf Uhr flogen sie umher, anscheinend zur Uebung, möglicherweise um Fell und Fittige zu sonnen und von dem Morgenthau zu trocknen. Bei dieser Gelegenheit bildeten sie Schwärme, welcher ihrer Dichtigkeit wegen nur mit Mücken oder Bienen zu vergleichen waren. Nach solchem Ausfluge kehrten sie zu den Lieblingsbäumen zurück, hier wie eine Affenherde lärmend und kreischend und stets unter einander hadernd und streitend, weil jeder den schattigsten Platz für sich auszusuchen strebte. Alle Zweige, auf denen sie sich niederlassen, entblättern binnen kurzem infolge ihrer unruhigen Hast, da sie ihre Krallen in rücksichtslosester Weise gebrauchen. Gegen Sonnenuntergang treten sie ihre Raubzüge an und durchfliegen dann wahrscheinlich weite Strecken, weil sie ihrer bedeutenden Anzahl und Gefräßigkeit halber sich nothwendigerweise über ausgedehnte Räume verbreiten müssen. Auch Pollen bemerkt, daß man die Flugfüchse sehr oft während des Tages umherfliegen sähe und zuweilen bemerken könne, wie sie hoch in die Luft sich erhöben, um einem anderen Walde zuzufliegen. Unter solchen Umständen glaubt man einen Flug von Krähen zu sehen, da sie wie diese Vögel nur langsam und ununterbrochenen Flügelschlages dahin ziehen. Gegen Abend sieht man sie nach Art der Fledermäuse längs der Waldungen auf- und abstreichen, besonders gern in der Nähe von solchen, welche die Küste oder Flußufer besäumen. Auf Mayotte sah sie Pollen nach Art der Schwalben und kleinen Fledermäuse hart über der Oberfläche des Wassers dahinfliegen, die Wellen fast mit ihren Fittigen berührend; wahrscheinlich geschah dies, wie ich hinzufügen will, des Fischens halber. Aus Madagaskar nähren sie sich hauptsächlich von wilden Datteln, welche sie, nach den Kothhaufen unter ihren Schlafbäumen zu urtheilen, in außerordentlicher Menge vertilgen müssen. Auf Ceilon fressen sie die Früchte der Guava, der Bananen und mehrerer Feigenarten, zeitweilig auch die Blütenknospen verschiedener Bäume. Außerdem sollen sie, wenn man den Saft der Kokospalme auffängt, herbeikommen, gierig lecken und dabei sich förmlich berauschen – eine Angabe der Eingeborenen, welche nach angestellten Beobachtungen glaublich erscheint. Auch sie fressen aber unzweifelhaft neben pflanzlichen thierische Stoffe, Kerbthiere verschiedener Art, Eier und Junge von kleinen Vögeln, Fische und, nach Versicherung der Singalesen, auch Kriechthiere, da sie die Baumschlange angreifen sollen. Ungeachtet ihrer Geselligkeit wird jeder Flugfuchs, laut Tennent, von den übrigen beim Fressen arg behelligt und hat seine liebe Noth, die glücklich erlangte Beute vor der Zudringlichkeit seiner Genossen zu sichern und einem Orte zuzutragen, woselbst er jene ungestört genießen kann. Bei solchen Streitigkeiten unter einander beißen sie sehr heftig, krallen sich an einander fest, schreien dabei ununterbrochen, bis der Verfolgte endlich einen sicheren Platz erreicht hat. Hier pflegt er an einem Fuße sich aufzuhängen und mit dem anderen die Frucht so zu halten, daß er bequem davon fressen kann. Beim Trinken hängen sie sich an tiefe Aeste über dem Wasser und nehmen die Flüssigkeit lappend wie ein Hund zu sich.
Singalesen und Malgaschen verfolgen auch den Flugfuchs seines Fleisches wegen. Letztere wenden, nach Pollen, eine sehr einfache und sichere Falle an, um sich des beliebten Wildes zu bemächtigen. Auf einem Baume, welchen die Flugfüchse besuchen, befestigen sie an dem höchsten Zweige zwei lange Stangen, welche jederseits mit Rollen versehen sind. Ueber diese führen sie Stricke, welche aufgezogen und niedergelassen werden können, und binden an denselben wie Flaggen Netze an. Sobald nun einer der Flughunde sich an dem Netze anhängt, zieht der Fänger dieses so schnell als möglich auf den Boden herab und gelangt dadurch in den meisten Fällen in den Besitz des Thieres, welches noch keine Zeit fand, sich zu befreien oder nicht loslassen wollte. Sie durch Schüsse zu Boden zu strecken, wenn sie auf Bäumen sitzen, ist keineswegs eine leichte Aufgabe, während sie im Fluge mühelos erlegt werden können. Wenn man mehrere von ihnen tödten will, braucht man nur einen Verwundeten anzubinden, damit er schreit; denn alle, welche sich in der Nachbarschaft befinden, kommen auf das klägliche Kreischen ihres Kameraden herbei, als wollten sie demselben Hülfe leisten. Das Wildpret gilt nach Ansicht der Eingeborenen und einzelner Europäer, welche den leicht begreiflichen Ekel vor solchen Braten überwunden haben, als ausgezeichnet, namentlich in der Feistzeit unserer Flughunde, während welcher der ganze Leib zuweilen nur ein in Fett eingewickeltes Stück Fleisch zu sein scheint. Die Malgaschen werfen den zum Schmoren bestimmten Flugfuchs einfach auf ein Kohlenfeuer, ohne ihn vorher abzuhäuten, und drehen und wenden ihn so lange, bis er gar geworden ist. Daß ein in dieser Weise zubereiteter Braten gesittete Menschen anekelt, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden; indessen gewöhnt man sich mit der Zeit an alles, zumal wenn das Gebotene dem Geschmacke wirklich zusagt.
Unter allen bekannten Flughunden gelangt diese Art am häufigsten lebend nach Europa, bleibt bei geeigneter Pflege in unseren Käfigen auch geraume Zeit am Leben. Im Jahre 1871 brachte ein Engländer von Indien her mit einem Male fünfzig Paare dieser Thiere auf den Markt, und gab mir Gelegenheit, einige von ihnen zu erwerben und längere Zeit zu beobachten. Ich habe meine Wahrnehmungen zwar bereits veröffentlicht kann jedoch nichts Besseres thun als das Gesagte hier wenigstens theilweise zu wiederholen.
Ueber Tags hängen die Flughunde an einem ihrer Beine sich auf, bald an dem rechten, bald an dem linken, ohne dabei regelmäßig zu wechseln. Das andere Bein wird in schiefer Richtung von oben nach unten oder von hinten nach vorne über den Bauch gelegt, der Kopf auf die Brust herab, im Hängen also heraufgebogen, so daß das Genick den tiefsten Punkt des Körpers bildet und nur die gespitzten Ohren es überragen. Nachdem das Thier diese Stellung eingenommen hat, schlägt es erst den einen Fittig mit halb entfalteter Flatterhaut um den Leib, sodann den zweiten etwas mehr gebreiteten darüber und hüllt dadurch den Kopf bis zur Stirnmitte, den Leib bis auf den Rücken vollkommen ein. Der handartig gebildete Fuß mit seinen großen, starken, bogig gekrümmten, scharfen, spitzigen Zehennägeln findet an jedem Aste oder am Drahte des Gebauers sicheren Anhalt, und die Stellung des hängenden Flughundes erscheint demgemäß, so ungewöhnlich sie dem Unkundigen vorkommen mag, ungezwungen, bequem und natürlich. Die Flughaut schirmt das Auge vor den Sonnenstrahlen und schließt, mit Ausnahme des Gehörs, die edlen Sinneswerkzeuge vollständig von der Außenwelt ab, läßt aber neben den Kopfseiten noch Raum für den zur Athmung erforderlichen Luftstrom und erfüllt somit den Zweck einer Umhüllung besser als jede Decke. Zum Verkehre mit der Außenwelt genügt das Gehör, welches zwar, so weit man von den kurzen, spitzigen und nackthäutigen Ohren folgern darf, an Schärfe dem anderer Flatterthiere bedeutend nachstehen muß, immerhin aber genügend entwickelt sein wird, um jedes störende oder gefahrdrohende Geräusch zum Bewußtsein des Schläfers zu bringen. Der Schlaf währt so lange als die Sonne am Himmel steht, wird aber zeitweilig unterbrochen, um irgend ein wichtiges oder unaufschiebliches Geschäft vorznnehmen. Zu den regelmäßigen Arbeiten gehört das Putzen der Flatterhaut. Es handelt sich dabei nicht allein um Reinigung, sondern, und mehr noch, um Einfetten und Geschmeidigmachen dieses wichtigen Gebildes. Jedes einzelne Feld wird mittels der Schnauzenspitze an allen Theilen gedehnt und ausgeweitet und jede einzelne Talgdrüse dadurch theilweise entleert, die Haut sodann aber innen und außen mit der Zunge beleckt und geglättet. Hierauf pflegt das Thier einen Flügel nach dem anderen zu voller Breite zu entfalten, gleichsam um sich zu überzeugen, daß kein Theil übersehen wurde. Nach vollendeter Arbeit hüllt es sich ein wie vorher. Hat es ein natürliches Bedürfnis zu befriedigen, so entfaltet es beide Flügel, hebt sich durch Schaukeln mit dem Kopfe nach vorn und oben, greift mit beiden Daumenkrallen nach dem Zweige oder Drahte, an welchem es bisher hing, läßt mit dem Fuße los, fällt dadurch mit dem Hintertheile nach unten und kann sich nunmehr entleeren, ohne sich zu beschmutzen oder zu benässen. Unmittelbar darauf greift es mit den Füßen nach oben und nimmt, sobald es sich festgehängt, die frühere Stellung wieder ein. Gegen Sonnenuntergang, meist noch etwas später, erwachen die Flughunde aus ihrem Tagesschlafe, lockern die bis dahin eng umschlossene Umhüllung ein wenig, spitzen und bewegen die Ohren, putzen noch einige Zeitlang an der Flughaut herum und recken und dehnen sich. Humpelnden Ganges, halb kriechend, halb kletternd, bewegen sie sich vorwärts, mit Daumen und Fußklauen überall nach einem Halte suchend, bis sie in entsprechende Nähe des Futter- und Trinkgefäßes gelangt sind. Am liebsten fressen und trinken sie in ihrer gewöhnlichen Stellung, indem sie eingehängt den Kopf bis zum Futter- oder Trinkgefäße herabstrecken und nun einen Bissen nach dem anderen nehmen oder in der bereits geschilderten Weise trinken. Sie genießen alle Arten von Obst, am liebsten Datteln, Apfelsinen, Kirschen und Birnen, minder gern Aepfel und Pflaumen; gekochter Reis behagt ihnen nicht sonderlich, Milchbrod ebenso wenig, obwohl ihnen beide Nahrungsmittel genügen, wenn andere nicht geboten werden. Sie fassen den Bissen mit dem Maule, kauen ihn aus, lecken dabei behaglich den ausfließenden Saft auf und lassen den Rest, einen großen Theil der Fasern, fallen, fressen überhaupt sehr liederlich und verwerfen mehr als sie genießen. Ist ihnen ein Bissen zu groß, so kommen sie mit der eben freien Hand zu Hülfe; erforderlichenfalls wird auch die Daumenkralle mit zum Halten verwendet. Zu ihren besonderen Genüssen gehört Milch, möglicherweise ihrer Schmackhaftigkeit halber, möglicherweise auch, weil sie das Bedürfnis empfinden, die ihnen doch nur sehr mangelhaft gebotene thierische Nahrung zu ersetzen. Sie trinken täglich ihr Schälchen Milch mit sichtlichem Behagen leer und lassen sich, wenn ihnen diese Leckerei winkt, recht gern ein gewaltsames Erwecken aus ihrem süßesten Schlummer gefallen.
Erst nach wirklich eingetretener Dunkelheit sind sie zu vollem Leben erwacht. Sie haben sich munter gefressen. Ihre dunklen Augen schauen hell ins Weite. Noch einmal werden alle Felder der Flughaut beleckt und geglättet, die Fittige abwechselnd gedehnt, gereckt und wieder zusammengefaltet, die Haare durch Kratzen und Lecken gekrümmt und gesäubert: nunmehr versuchen sie, in ihrem engen Gefängnisse die nöthige Bewegung sich zu verschaffen. Die Fittige bald etwas gehoben, bald wieder fast gänzlich zusammengeschlagen, klettern sie ununterbrochen auf und nieder, kopfoberst, kopfunterst, durchmessen alle Seiten des Käfigs, durchkriechen alle Winkel. Es sieht zum Erbarmen aus, wie sie sich abmühen, irgendwo oder wie die Möglichkeit zu entdecken, ihrer Bewegungslust Genüge zu leisten. Man möchte ihnen auch gern helfen; leider aber ist es nicht möglich, sie so unterzubringen, daß alle ihre Eigenschaften zur Geltung kommen können. Der größte Käfig wäre für sie als flatternde Säugethiere noch viel zu klein, dürfte sie sogar gefährden, weil sie in einigermaßen ausgedehntem Raume zu fliegen versuchen, an den Wänden anstoßen und sich schädigen würden. In einem größeren Raume sind sie übrigens im Stande, von ihrem hochhängenden Käfige aus wirklich zu fliegen. Dies haben mir meine Gefangenen bewiesen, als sie einmal zufällig frei gekommen waren und am anderen Morgen an der Decke des betreffenden Raumes angehängt gefunden wurden. Viel schwieriger wird es ihnen, sich vom Boden oder von der Decke ihres auf dem Boden stehenden Käfigs aus zu erheben. Ein von mir angestellter Versuch, sie beim Fliegen zu beobachten, misglückte gänzlich. Ich ließ ihren Käfig in ein großes Zimmer bringen und die Thüre öffnen. Beide Flughunde waren vollkommen munter, kletterten ununterbrochen in dem Käfige umher, verließen denselben aber nicht. Die geöffnete Thüre schien für sie nicht vorhanden zu sein; daß die Oeffnung ihnen einen Weg zum Entkommen bieten könnte, kam ihnen, weil sie keine darauf bezüglichen Erfahrungen gemacht hatten, nicht in den Sinn. Ein Höhlenthier würde anders gehandelt haben, eine kleine in Häusern lebende Fledermaus sicherlich auch. Wir mußten uns endlich entschließen, sie gewaltsam aus dem Käfige zu nehmen, eine Arbeit, welche uns leichter schien als sie war; denn wir hatten unsere liebe Noth, sie von den Gitterstäben des Käfigs loszulösen und in unsere Gewalt zu bekommen. War es uns wirklich geglückt, ihre beiden Fußhände loszuhaken, so griffen sie mit der Daumenkralle zu und hingen sich so fest, daß man sie, ohne ihnen Schaden zu thun, nicht frei machen konnte; waren glücklich auch die Daumenkrallen gepackt, so schlüpften die Fußhände wieder aus der Hand, oder ein unversehens beigebrachter Biß that seine Wirkung, und alle mühsam eingepackten Beine und Hakenkrallen wurden gleichzeitig frei. Endlich gelang es trotz alles Beißens, sie herauszubringen und auf den Käfig zu setzen. Meine Hoffnung, daß sie von hier aus abfliegen würden, erfüllte sich aber nicht. Sie kletterten anscheinlich ängstlich an den Außenwänden des Gebauers auf und nieder, schauten verlangend ins Innere, untersuchten die Wände von allen Seiten, verließen sie jedoch nicht. Es wurde nunmehr eine schwache Stange herbeigeholt, in einiger Höhe über dem Boden befestigt und an ihr die Flughunde angehängt. Jetzt entfalteten sie die mächtigen Fittige, ließen die Fußhände los, thaten einige lautklappende Flügelschläge und fielen auf den Boden herab, mit möglichster Eile und doch höchst ungeschickt auf demselben weiter kriechend.
Meine Gefangenen, ein Pärchen, lebten im vollsten Einverständnisse zusammen. Besondere Zärtlichkeiten erwiesen sie sich freilich nicht; Zank und Streit kamen jedoch ebenso wenig vor. Sie fraßen gleichzeitig aus einer Schüssel, tranken gemeinschaftlich ans einer Tasse und hingen friedlich dicht neben einander. Auf Gleichgültigkeit gegen Gesellschaft war dieses schöne Verhältnis nicht zurückzuführen: dazu sind die Flughunde zu leidenschaftlich. So gutmüthig sie zu sein scheinen, so willig sie sich von uns behandeln, berühren, streicheln lassen, so heftig werden sie, wenn Fremde sie muthwillig stören oder necken. Ein höchst ärgerliches Knurren verkündet dann deutlich, wie zornig sie sind. Ihre Leidenschaft äußert sich auch zuweilen ihres Gleichen gegenüber, und es ist immer gefährlich, zwei Flughunde, welche nicht durch eine längere Reise an einander gewöhnt, vielleicht zusammen gefangen genommen worden waren, in einem Gebauer unterzubringen. Selbst die Gatten eines Paares, welche nur zeitweilig getrennt wurden, fallen unter Umständen bei der Wiedervereinigung über einander her, kämpfen wüthend mit einander und verletzen sich so gefährlich, daß einer von ihnen oder beide unterliegen. So fand man zwei seit kurzem zusammengebrachte Flugfüchse des Berliner Thiergartens in wüthendstem, ingrimmigstem Kampfe auf Leben und Tod begriffen. Man trennte die aufs höchste erregten Thiere mit größter Mühe, war aber doch schon zu spät gekommen. Der Besiegte starb an seinen Bißwunden unmittelbar nach der Trennung, der noch vor Ingrimm zitternde und wüthend schnarrende Sieger lag am anderen Morgen todt auf dem Boden seines Käfigs. Die Untersuchung ergab, daß beide Flugfüchse gegenseitig an derselben Stelle, dem Schultergelenke, sich angegriffen hatten. Bei dem zuerst unterliegenden waren Oberarm, Seitenbrust und Achselgegend von Bissen förmlich zerfetzt, die Blutgefäße zerrissen und die Brustmuskeln theilweise abgebissen. Diese wüthenden Kämpfe erklären sich, wenn man bedenkt, daß die Flughunde, welche keine geschlossenen Gesellschaften bilden, mit Fremden nichts zu thun haben wollen und wahrscheinlich jeden Eindringling bekämpfen. Ein erkrankter Genosse wird dem gesunden in wenig Tagen der Trennung ebenso fremd wie jeder neue, den man zu ihm bringt. Geschlechtliche Rücksichten kommen nicht zur Geltung, und der Zweikampf beginnt.
Leider halten sich gefangene Flugfüchse auch bei der besten Pflege nicht allzu lange Zeit. Man kann ihnen alles ersetzen, nur die ihnen so nothwendige Flugbewegung nicht. Infolge dessen bekommen sie früher oder später Geschwüre an verschiedenen Stellen ihrer Fittige und gehen an diesen schließlich zu Grunde. Gleichwohl sollen einzelne Stücke im Londoner Thiergarten mehrere Jahre gelebt und sich fortgepflanzt haben. Auch meine Gefangenen leben nunmehr seit länger als zwei Jahren im Käfige. Ihre Geschwüre an den Flügeln haben wir durch Aetzen mit Höllenstein geheilt; seitdem scheinen sie sich sehr wohl zu befinden.
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