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Okens Ausspruch, daß die größten Thiere innerhalb einer Familie oder Sippe auch immer die vollkommensten seien, findet wie bei den altweltlichen Affen, so auch bei den neuweltlichen seine Bestätigung. Den Brüllaffen ( Mycetes) wird in der dritten Familie unserer Ordnung der erste Rang eingeräumt. Ihr Körper ist schlank, aber doch gedrungener als bei den übrigen Sippen der neuweltlichen Affen; die Gliedmaßen sind gleichmäßig entwickelt, die Hände fünffingerig; der Kopf ist groß und die Schnauze vorstehend, die Behaarung dicht und am Kinn bartartig verlängert. Als eigenthümliches Merkmal der Brüllaffen muß vor allem der kropfartig verdickte Kehlkopf angesehen werden. Alexander von Humboldt war der erste Naturforscher, welcher dieses Werkzeug zergliederte. »Während die kleinen amerikanischen Affen«, sagt er, »die wie Sperlinge pfeifen, ein einfaches dünnes Zungenbein haben, liegt die Zunge bei den großen Affen auf einer ausgedehnten Knochentrommel. Ihr oberer Kehlkopf hat sechs Taschen, in denen sich die Stimme fängt, und wovon zwei taubennestförmige große Aehnlichkeit mit dem unteren Kehlkopfe der Vögel haben. Der dem Brüllaffen eigene klägliche Ton entsteht, wenn die Luft gewaltsam in die Knochentrommel einströmt. Wenn man bedenkt, wie groß die Knochenschachtel ist, wundert man sich nicht mehr über die Stärke und den Umfang der Stimme dieser Thiere, welche ihren Namen mit vollem Rechte tragen.« Der Schwanz der Brüllaffen ist sehr lang, am hinteren Ende kahl, nerven- und gefäßreich, auch sehr muskelkräftig und daher zu einem vollkommenen Greifwerkzeuge gestaltet.
Weit verbreitet, bewohnen die Brüllaffen fast alle Länder und Gegenden Südamerika's. Dichte, hochstämmige und feuchte Wälder bilden ihren bevorzugten Aufenthalt; in den Steppen finden sie sich nur da, wo die einzelnen Baumgruppen zu kleinen Wäldern sich vergrößert haben und Wasser in der Nähe ist. Trockene Gegenden meiden sie gänzlich, nicht aber auch kühlere Landstriche. So gibt es in den südlicheren Ländern Amerika's Gegenden, in denen der schon merkliche Unterschied zwischen Sommer und Winter noch gesteigert wird durch die Verschiedenheit in der Hebung über den Meeresspiegel. Hier stellen sich, laut Hensel, im Winter heftige Nachtfröste ein, und am Morgen ist der Wald weiß bereift; die Pfützen frieren so fest zu, daß das Eis die schweren Bisamenten der Ansiedler trägt, und man selbst mit faustgroßen Steinen auf dasselbe werfen kann, ohne es zu zerbrechen. »Freilich hält eine solche Kälte nicht lange an, und die warme Mittagssonne zerstört wieder die Wirkungen der Nacht. Empfindlicher als diese Fröste sind die kalten Winterregen, welche nahe am Gefrierpunkte oft mehrere Tage, ausnahmsweise auch Wochen, anhalten und von einem durchdringend kalten Südwinde begleitet werden. Während das zahme Vieh, wenn es nicht gut genährt ist, diesen Witterungseinflüssen leicht unterliegt, befindet sich die wilde Thierwelt ganz wohl dabei; und sobald an heiteren Tagen die Sonne zur Herrschaft gelangt, ertönt auch wieder die Stimme des Brüllaffen als Zeichen seines ungestörten Wohlbefindens. Wenn man an solchen Tagen des Morgens, sobald die Wärme der Sonnenstrahlen anfängt sich bemerkbar zu machen, einen erhöhten Standpunkt gewinnt, so daß man das ganze Blättermeer eines Gebirgsthales vor sich ausgebreitet sieht, entdeckt man auf demselben auch mit unbewaffnetem Auge hier und da rothleuchtende Punkte: die alten Männchen der Brüllaffen, welche die trockenen Gipfel der höchsten Berge erstiegen haben und hier, behaglich in einer Gabel oder auf dichtem Zweige ausgestreckt, ihren Pelz den wärmenden Strahlen der Sonne darbieten. Das Aeußerste erreicht die Winterkälte von Rio-Grande-do-Sul auf der Hochebene der Sierra, wo keine Orange mehr gedeiht und die Wirkungen der Winterstürme, welche aus den Pampas und von Patagonien her wehen, besonders hart empfunden werden. Hier fällt nicht selten Schnee in dichten Lagen und bleibt mehrere Tage liegen; niemals aber hat man bemerkt, daß die Kälte den Brüllaffen Abbruch gethan hätte.«
In unseren Lehrbüchern werden gegen ein Dutzend Arten von Brüllaffen aufgeführt; doch ist jetzt ausgemacht, daß gerade diese Thiere vielfach abändern, und daher so gut als entschieden, daß alle auf wenige Arten zurückgeführt werden müssen.
Unserer Lebensschilderung liegen die Beobachtungen zu Grunde, welche Alexander von Humboldt, Prinz Max von Neuwied, Rengger, Schomburgk und Hensel über die Brüllaffen gesammelt haben. Nach Ansicht der Erstgenannten beziehen sich ihre Beschreibungen auf zwei verschiedene Arten: den Aluaten und den Caraya. »Die Brüllaffen von Rio-Grande-do-Sul«, sagt Hensel, »haben einen außerordentlich dicken Pelz, namentlich auf der Oberseite des Kopfes und Körpers, während die Bauchseite und die Innenseite der Schenkel nur sparsam behaart ist; das Haarkleid schien im Sommer und Winter gleich stark zu sein, wenigstens ist mir hier, auch bei anderen Thieren, kein Unterschied zwischen Sommer- und Winterbälgen aufgefallen. Doch muß ich bemerken, daß ich im Nationalmusemn zu Rio-de-Janeiro mehrere ausgestopfte Brüllaffen von Paraguay, schwarze sowohl wie rothe, gesehen habe, welche sich durch ein kurzes, dünnes und glatt anliegendes Haarkleid auszeichnen, während andere aus der Provinz Santa Catharina denen von Rio-Grande-do-Sul glichen. Die Farbe der Thiere ist eigenthümlich und bei beiden Geschlechtern verschieden: die Männchen sind roth und gleichen in der Farbe genau unserem Eichhörnchen; gewöhnlich ist die Oberseite, namentlich der Oberkopf, und das Kreuz heller, zuweilen gelbroth, in seltenen Fällen ist sogar das ganze Thier mehr gelb als roth; manche Stücke sind rothbraun bis schwarzbraun. Die immer viel kleineren Weibchen sind schwarzbraun; doch zeigen auf der Oberseite die Spitzen der Haare citronengelblichen oder bräunlichgelben Schein. Nicht sehr selten sind sie etwas röthlich, ja zuweilen so roth, wie die der Männchen, so daß man erst durch die Besichtigung des getödteten Thieres sich von seinem Geschlechts überzeugen kann. Sieht man einen Trupp hoch oben auf dem Wipfel eines Baumes sitzen, so erscheinen im allgemeinen die Männchen roth, die Weibchen schwarz; die Jungen beiderlei Geschlechts haben die Farbe der erwachsenen Weibchen. Leicht möglich ist es, daß bei den klimatischen Verschiedenheiten innerhalb des Verbreitungskreises des Brüllaffen auch mancherlei Veränderungen in der Farbe desselben auftreten werden; ja schon in einem verhältnismäßig kleinen Raume scheinen sich Farbenunterschiede bemerkbar zu machen. So glaube ich beobachtet zu haben, daß in den feuchten Wäldern, an den Flußufern der Tiefwälder unterhalb des Urwaldgürtels, die rothen Weibchen viel häufiger waren als in den Bergen, und daß bei diesem Geschlechts die Spitzen der Haare, namentlich der Oberseite, um so mehr eine bräunlichgelbe Färbung annehmen, in je höherem und kälterem Klima die Thiere leben. Es wäre durchaus nicht auffallend, wenn die rothe Farbe beider Geschlechter in den feuchten Urwäldern Nordbrasiliens dunkler würde und schließlich ins Schwarze überginge.« An einer anderen Stelle bemerkt derselbe Naturforscher, daß ihn die Vergleichung der Schädel doch von der Verschiedenheit und Selbständigkeit mehrerer Arten überzeugt habe.
Der Aluate oder rothe Brüllaffe ( Mycetes seniculus, Simia, Cebus, Stentor seniculus) hat röthlichbraunen, auf der Rückenmitte goldgelben Pelz; die Haare sind kurz, etwas steif und am Grunde einfarbig; Unterhaare fehlen. Die Länge beträgt etwa 1,5 Meter, wovon freilich 70 Centim. auf den Schwanz kommen. Das Weibchen ist kleiner und dunkelfarbiger.
Beim Caraya oder schwarzen Brüllaffen ( Mycetes Caraya, Simia caraya, Stentor und Mycetes niger) ist das Haar bedeutend länger und einfarbig schwarz, nur an den Seiten etwas röthlich, beim Weibchen auch auf der Unterseite gelblich, und beträgt die Länge etwa 1,3 Meter, wovon die Hälfte auf den Schwanz kommt. Ersterer bewohnt fast den ganzen Osten Südamerikas, letzterer Paraguay.
Der Brüllaffe ist eines derjenigen amerikanischen Thiere, welches schon seit der ältesten geschichtlichen Zeit den Reisenden, immer aber nur unvollständig, bekannt wurde und deshalb zu vielen Fabeln Veranlassung gab. Solche haben heutigen Tages noch unter den nicht selbst beobachtenden Weißen und Indianern Geltung. Wir lassen sie gänzlich bei Seite und halten uns dafür an unsere Gewährsmänner.
»Nach meiner Ankunft«, sagt der trefflich beobachtende Schomburgk, »hatte ich bei Auf- und Untergang der Sonne aus dem Urwalde das schauerliche Geheul zahlreicher Brüllaffen herübertönen hören, ohne daß es mir bei meinen Streifereien gelungen wäre, die Thiere selbst aufzufinden. Als ich eines Morgens nach dem Frühstücke, mit meinem Jagdzeuge versehen, dem Urwalde zuschritt, schallte mir aus der Tiefe desselben abermals jenes wüste Geheul entgegen und setzte meinen Jagdeifer in volle Flammen. Ich eilte also durch Dick und Dünn dem Gebrülle entgegen und erreichte auch nach vieler Anstrengung und langem Suchen, ohne bemerkt zu werden, die Gesellschaft. Vor mir auf einem hohen Baume saßen sie und führten ein so schauerliches Koncert auf, daß man wähnen konnte, alle wilden Thiere des Waldes seien in tödtlichem Kampfe gegen einander entbrannt, obschon sich nicht leugnen ließ, daß doch eine Art von Uebereinstimmung in ihm herrschte. Denn bald schwieg nach einem Taktzeichen die über den ganzen Baum vertheilte Gesellschaft, bald ließ ebenso unerwartet einer der Sänger seine unharmonische Stimme wieder erschallen, und das Geheul begann von neuem. Die Knochentrommel am Zungenbeine, welche durch ihren Wiederhall der Stimme eben jene mächtige Stärke verleiht, konnte man während des Geschreies auf und nieder sich bewegen sehen. Augenblicke lang glichen die Töne dem Grunzen des Schweines, im nächsten Augenblicke aber dem Brüllen des Jaguars, wenn er sich auf seine Beute stürzt, um bald wieder in das tiefe und schreckliche Knurren desselben Raubthieres überzugehen, wenn es, von allen Seiten umzingelt, die ihm drohende Gefahr erkennt. Diese schauerliche Gesellschaft hatte jedoch auch ihre lächerlichen Seiten, und selbst auf dem Gesichte des düstersten Menschenfeindes würden für Augenblicke Spuren eines Lächelns sich gezeigt haben, wenn er gesehen, wie diese Koncertgeber sich mit langen Bärten starr und ernst einander anblickten. Man hatte mir gesagt, daß jede Herde ihren eigenen Vorsänger besäße, welcher sich nicht allein durch seine feine schrillende Stimme von allen tiefen Bassisten unterscheide, sondern auch durch eine viel schmächtigere und feinere Gestalt auszeichne. Ich fand die erstere Angabe bei dieser Herde vollkommen bestätigt; nach der feineren und schmächtigen Gestalt sah ich mich freilich vergeblich um, bemerkte dafür aber auf dem nächsten Baume zwei schweigsame Affen, welche ich für ausgestellte Wachen hielt: – waren sie es, so hatten sie ihre Dienste schlecht genug versehen; denn unbemerkt stand ich in ihrer Nähe.«
Diese anmuthige Schilderung beweist uns hinlänglich, daß wir es bei den Brüllaffen mit höchst eigenthümlichen Geschöpfen zu thun haben. Man kann, ohne einer Uebertreibung sich schuldig zu machen, behaupten, daß ihr ganzes Leben und Treiben eine Vereinigung von allerhand Absonderlichkeiten ist und deshalb der Beobachtung ein ergiebiges Feld bietet, während man andererseits anerkennen muß, daß die Indianer zu entschuldigen sind, wenn sie die Brüllaffen ihres trübseligen Aeußeren und ihres langweiligen Betragens halber misachten und hassen. Selbst die Verleumdungen, welche man sich zu Schulden kommen ließ, sind erklärlich, wenn man bedenkt, daß unsere Thiere weder im Freileben noch in der Gefangenschaft irgend welche Anmuth, ja selbst irgend welche Abwechselung in ihrer Lebensweise zeigen.
»Der Brüllaffe«, sagt Hensel, »lebt in dem Urwalde von Rio-Grande-do-Sul in großer Menge; er ist dasjenige wilde Thier, welches man am leichtesten finden und jagen kann, ja das man zu vermeiden sogar Mühe hat. Er lebt in kleinen Trupps von fünf bis zehn Stücken, welche ein bestimmtes, ziemlich kleines Gebiet haben, das sie nicht zu verlassen pflegen. In jedem Trupp findet sich wenigstens ein altes Männchen, welches gewissermaßen die Aufsicht zu führen scheint; in den meisten Fällen jedoch enthält der Trupp, wenn er nicht zu schwach ist, mehrere erwachsene Männchen, unter denen wahrscheinlich eines, das stärkste oder älteste, den Vorrang behauptet. Dabei geht es ohne Zweifel nicht immer ganz friedfertig zu, wie die Narben beweisen, welche man oft in den Gesichtern der Männchen, zuweilen auch in denen der Weibchen erblickt. Doch sind die Thiere im ganzen sehr harmlos und im Vergleiche zu anderen Affen ruhig und gleichgültig.« Diese Angaben stimmen mit früheren Beobachtungen vollkommen überein. Doch mag noch erwähnt sein, daß unsere Affen in manchen Waldungen so häufig auftreten, daß Humboldt ihrer vierzig zu einer Bande vereinigt sah und schätzen durfte, es möchten auf einer Geviertmeile des Waldes Wohl gegen zweitausend von ihnen leben.
Während des Tages bilden die höchsten Bäume des Waldes den Lieblingsaufenthalt der Brüllaffen; bei anbrechender Dämmerung ziehen sie sich in das dichte, von Schlingpflanzen durchflochtene Laub der niedrigen Bäume zurück und überlassen sich hier dem Schlafe. Langsam, fast kriechend klettern sie von einem Aste zu dem anderen, Blätter und Knospen auswählend, langsam mit der Hand sie abpflückend und langsam sie zum Munde bringend. Sind sie gesättigt, so setzen sie sich in zusammengekauerter Stellung auf einem Aste nieder und verharren hier regungslos, wie uralte schlafende Männchen erscheinend; oder sie legen sich der Länge lang über den Ast hin, lassen die vier Glieder zu beiden Seiten steif herabhängen und halten sich eben nur mit dem Wickelschwanze fest. Was der eine thut, wird von den anderen langsam und gedankenlos nachgemacht. Verläßt eines der erwachsenen Männchen den Baum, auf welchem die Familie sich gerade aufhält, so folgen ihm alle übrigen Glieder der Gesellschaft rücksichtslos nach. »Wahrhaft erstaunlich«, sagt Humboldt, »ist die Einförmigkeit in den Bewegungen dieses Affen. So oft die Zweige benachbarter Bäume nicht zusammenreichen, hängt sich das Männchen an der Spitze des Trupps mit dem zum Fassen bestimmten schwieligen Theile des Schwanzes auf, läßt den Körper frei schweben und schwingt ihn hin und her, bis es den nächsten Ast packen kann. Der ganze Zug macht an derselben Stelle genau dieselbe Bewegung.«
Für die Brüllaffen ist der Schwanz unzweifelhaft das wichtigste aller Bewegungswerkzeuge; sie brauchen ihn, um sich zu versichern – und das thun sie in jeder Stellung – sie benutzen ihn, um etwas mit ihm zu erfassen und an sich zu ziehen. Immer und immer dient er hauptsächlich dazu, jeder ihrer langsamen Bewegungen die ihnen unerläßlich dünkende Sicherheit zu verleihen. Man kann nicht behaupten, daß sie schlecht klettern: sie sind im Gegentheile sehr geschickt; aber niemals machen sie wie andere Affen weite, niemals gewagte Sprünge. Beim Dahinschreiten halten sie sich fest an dem Aste, bis der hin- und hertastende Schwanz einen sicheren Halt gefunden und denselben mit einer oder zwei Windungen umschlungen hat; beim Herabklettern versichern sie sich so lange an dem Aste, welchen sie verlassen wollen, bis sie mit den Händen einen neuen Halt gefunden, beim Aufwärtssteigen an dem unteren Aste, bis sie mit Händen und Füßen den oberen sicher gepackt haben. Die Kraft des Schwanzes ist größer als die der Hände; denn die Beugemuskeln an seiner Spitze sind so stark, daß sie, einer Uhrfeder vergleichbar, das Schwanzende immer zusammenrollen. Der Brüllaffe kann sich mit der Spitze seines Schwanzes, auch wenn er dieselbe nur mit einer halben Windung um den Ast schlingt, wie an einem Haken aufhängen, kann alles einem solchen Werkzeuge Mögliche ausführen und ist verloren, dem Verderben Preis gegeben, wenn er seines Schwanzes beraubt wurde. Noch im Tode trägt der Schwanz längere Zeit die Last des Körpers, und nicht immer strecken sich unter dieser Last die eingerollten Muskeln: Azara erzählt, daß man zuweilen schon halb verfaulte Carayas noch fest an ihrem Aste hängen sieht.
Wenig andere Thiere sind so ausschließlich an die Bäume gebunden wie die Brüllaffen. Sie kommen höchst selten auf die Erde hernieder, wahrscheinlich bloß dann, wenn es ihnen unmöglich ist, von den niederen Aesten und Schlingpflanzen herab zu trinken. Humboldt sagt, daß sie nicht im Stande wären, Wanderungen oder auch nur Wandelungen auf ebenem Boden zu unternehmen, und Rengger erklärt die Behauptung der Indianer, nach welcher die Brüllaffen manchmal über breite Ströme setzen sollen, für ein Märchen, welches den Fremden aufgebürdet wird. »Sie fürchten sich«, sagt er, »so sehr vor dem Wasser, daß, wenn sie durch das schnelle Anschwellen des Stromes auf einem Baume abgeschieden werden, sie eher verhungern als durch Schwimmen einen anderen Baum zu gewinnen suchen. So traf ich einst eine solche Affenherde auf einem von Wasser rings umgebenen Baume an, welche, ganz abgemagert, sich vor Schwäche kaum mehr bewegen konnte. Sie hatte nicht nur alle Blätter und zarten Zweige, sondern sogar einen Theil der Rinde des Baumes verzehrt. Um den nahen Wald zu erreichen, hätte sie nur eine Strecke von sechszig Fuß zu durchschwimmen gehabt.« Derselbe Naturforscher versichert, niemals einen Brüllaffen auf freiem Felde gesehen oder seine Fährte irgendwo auf dem Boden angetroffen zu haben.
Wenn der Brüllaffe keine Nachstellung erfährt, hält er sich in einem bestimmten Gebiete auf, welches höchstens eine Meile Umfang haben mag. Oft verweilt eine Familie während des ganzen Tages auf einem und demselben Baume. Höchst selten sieht man einzelne. Die Familie hält sehr treu zusammen. »Sie scheinen sich«, sagt Hensel, »ihrer unschädlichen Stellung gleichsam bewußt zu sein; denn da, wo sie nicht durch Geschosse noch durch das Bellen der Hunde furchtsam gemacht werden, scheuen sie den Menschen durchaus nicht. Es kommt hier wohl vor, daß man sich unter einem Baume befindet, auf dem man bei zufälligem Hinaufblicken einen ganzen Trupp Brüllaffen erblickt, welche schon lange den Eindringling ernst beobachteten und erst dann die Flucht ergreifen, wenn sie sehen, daß sie die Aufmerksamkeit desselben erregt haben. Auch fliehen sie in einem solchen Falle nicht in übereilter Hast und ebenso wenig weit, suchen sich vielmehr bald in den Wipfeln benachbarter hoher Bäume zu verbergen. Da, wo sie oft beunruhigt werden, sind sie viel scheuer und verschwinden schon bei dem ersten Laute des Hundes. Wenn sie sich verbergen, wissen sie alle Vortheile so geschickt zu benutzen, daß man zuweilen lange nach ihnen vergeblich sucht, obgleich man genau weiß, daß sie den Baum noch nicht verlassen haben können. Namentlich schlüpfen sie gern in die dichten Büsche von Schmarotzerpflanzen und verharren hier regungslos. Mit Hülfe eines Glases erkennt man dann zuweilen das schwarze Gesicht inmitten eines Orchideenbusches, wie es unverwandt den Jäger anstiert, um sich keine seiner Bewegungen entgehen zu lassen; doch wird der Pelz der alten Männchen gewöhnlich zum Verräther, da er, wenn er aus dem Verstecke hervorleuchtet, nicht leicht eine Misdeutung zuläßt.
»Wenn im Sommer die Strahlen der Morgensonne die Kühle der Nacht und die Nebel der Thäler an den Berglehnen vertrieben haben, dann löst die kleine Gesellschaft der Brüllaffen den Klumpen auf, zu welchem geballt sie auf den Aesten eines stark belaubten Baumes die Nacht zugebracht hatte. Der Trupp sucht zunächst das Nahrungsbedürfnis zu befriedigen, und ist dies geschehen, so bleibt ihm bis zum Eintritte der drückenden Tageshitze noch immer so viele Zeit übrig, um sich auch dem geselligen Vergnügen widmen zu können, das bei einem so ernsthaften Thiere selbstverständlich frei ist von aller Unziemlichkeit, welche seine Gattungsgenossen kennzeichnet. Die Gesellschaft hat sich jetzt eine riesige Wildfeigenart ausgesucht, deren dichtes Blätterdach gegen die Sonnenstrahlen schützt, während die gewaltigen wagrechten Aeste vortrefflich zu Spaziergängen geeignet sind. Einen dieser Aeste, in dessen Nähe sich die Mitglieder der Gesellschaft nach Belieben gruppirt haben, wählt sich das Familienhaupt und schreitet darauf ernst würdig mit erhobenem Schwanze hin und her. Bald beginnt es, anfangs etwas leise, einzelne abgebrochene Brülltöne auszustoßen, wie es der Löwe zu thun pflegt, wenn er sich zu einer Kraftleistung seiner Lunge vorbereitet. Diese Laute, welche aus einer Ein- und aus einer Ausathmung sich gebildet zu haben scheinen, werden immer heftiger und in schnellerer Reihenfolge ausgestoßen; man hört, wie die Erregung des Sängers wächst. Endlich hat sie ihren höchsten Grad erreicht; die Zwischenpausen werden verschwindend klein, und die einzelnen Laute verwandeln sich in ein fortdauernd heulendes Gebrüll. In diesem Augenblicke scheint eine unendliche Begeisterung die übrigen, bis dahin stummen Mitglieder der Familie, männliche wie weibliche, zu ergreifen: sie alle vereinigen ihre Stimme mit der des Vorsängers, und wohl zehn Sekunden lang tönt der schauerliche Chorus durch den stillen Wald. Den Beschluß machen wieder einzelne Laute, wie sie den Hauptgesang eingeleitet haben. Doch hören sie eher auf als diese.
»Die in der ganzen Klasse der Säugethiere einzig dastehende Stimme überrascht nicht durch ihre unbedingte Stärke: denn hierin kann sie sich mit dem Gebrülle des Löwen oder des brünstigen Edelhirsches nicht messen, sondern durch das Verhältnis derselben zu einem so kleinen Körper, welcher nicht schwerer zu sein pflegt als der eines starken Fuchses. Man hat oft versucht, die Stimme des Brüllaffen zu beschreiben; wer sie jedoch nicht selbst gehört hat, wird sich nicht davon eine genügende Vorstellung machen können.«
Am häufigsten und lebhaftesten schreien die Brüllaffen, laut Rengger, in der warmen Jahreszeit, zumal des Morgens und Abends. Bei kaltem oder regnerischem Wetter hört man sie selten, in der Nachtzeit niemals. Zuweilen brüllen sie stundenlang mit kurzen Unterbrechungen fort. Humboldt erprobte, daß man das Heulen bis auf achthundert Klaftern Entfernung höre, und der Prinz von Wied glaubt, daß es noch weiter vernehmbar sei; doch stützt sich Humboldts Angabe auf genaue Beobachtung und nicht auf Schätzung. »Mitten auf den weiten mit Gras bewachsenen Ebenen«, sagt er, »unterscheidet man leicht eine vereinzelte Baumgruppe, welche von Brüllaffen bewohnt ist und von welcher der Schall herkommt. Wenn man nun auf diese Baumgruppe zugeht oder sich davon entfernt, kann man den Abstand, in dem das Geheul noch vernehmbar ist, ziemlich genau messen.« Warum die Thiere eigentlich ihre sonderbaren Gesänge aufführen, ist ein Räthsel, wenn man eben nicht annehmen will, daß sie sich durch die ihnen eigene Tonkunst gegenseitig ergötzen wollen. Beim Erscheinen eines Hundes endigt das Gebrüll der Affen augenblicklich; die Gesellschaft sucht sich so schnell als möglich hinter dichte Aeste oder zwischen dem Laube zu verstecken, flieht auch wohl durch die höchsten Wipfel der Bäume, immer aber so langsam, daß der Jäger, wenn der Wald von Unterholz ziemlich rein ist, sie leicht verfolgen kann. Man hat beobachtet, daß die fliehenden Affen, wohl aus Angst, beständig ihren breiigen Koth fallen lassen: die Sage, welche erzählt, daß die verfolgten Thiere ihre Feinde mit Koth bewerfen, ist somit erklärt.
Alles, was der Brüllaffe bedarf, bietet ihm sein luftiger Aufenthalt in Fülle. Die Mannigfaltigkeit und der Reichthum der verschiedenen Früchte lassen ihn niemals Mangel leiden. Neben den Früchten frißt er Körner, Blätter, Knospen und Blumen der verschiedensten Art, wahrscheinlich auch Kerbthiere, Eier und junge, unbehülfliche Vögel. Den Pflanzungen wird er niemals schädlich, wenn er sich auch tagelang am Saume derselben aufhält: er zieht Baumblätter dem Mais und den Melonen vor.
Zuweilen sieht man ihn, nach Hensel, mit der Spitze des Wickelschwanzes an einem Zweige hängen und die Blätter eines unter ihm befindlichen Astes pflücken, um sie noch im Herabhängen in den Mund zu stopfen und zu verzehren. Daß die Nahrung vorzugsweise in Blättern besteht, beweisen nicht nur die stets schwarzen Zähne, sondern auch der Magen der Erlegten, welcher immer einen grünlichen Speisebrei wie von zerkauten Blättern enthält.
In Südamerika wirft das Weibchen im Juni oder Juli, manchmal auch schon zu Ende Mais oder erst anfangs August ein einziges Junges. Hensel versichert, daß die Fortpflanzung der Brüllaffen an keine bestimmte Jahreszeit gebunden ist; denn man findet neugeborene Junge das ganze Jahr hindurch und kann also auch an einem und demselben Tage Keimlinge und Junge der verschiedensten Entwickelungs- und Altersstufen sammeln. Niemals scheinen sie mehr als ein Junges zu haben. Während der ersten Woche nach der Geburt hängt sich der Säugling wie bei den altweltlichen Affen mit Armen und Beinen an den Unterleib der Mutter an; später trägt diese ihn auf dem Rücken. Sie legt ihre Gefühle nicht durch Liebkosungen an den Tag, wie andere Affen es thun, verläßt aber doch das Pfand ihrer Liebe wenigstens in der ersten Zeit niemals, während sie später das schon bewegungsfähiger gewordene Kind bei ängstlicher Flucht manchmal von sich abschüttelt oder gewaltsam auf einen Ast setzt, um ihren eigenen Weg sich zu erleichtern. Indianer, welche letzteres sahen, haben behauptet, daß die Brüllaffenmutter überhaupt lieblos und gleichgültig gegen ihre Jungen wäre; der Prinz von Wied sagt aber ausdrücklich: »Gefahr erhöht die Sorge der Mutter, und selbst tödtlich angeschossen, verläßt sie ihr Junges nicht«. Dieses ist ebenso langweilig wie die Alte und, zumal wegen des großen Kehlkopfes, wo möglich noch häßlicher.
»Die Feinde der Brüllaffen«, sagt Hensel, »sind außer dem Menschen natürlich nur solche Raubthiere, welche die Bäume besteigen, namentlich der Puma, der Ozelot und vor allem die Hirare, nächst dem Vielfraß der größte unter den Mardern. Ich habe den Schädel eines solchen Thieres heimgebracht, welches bei Tage von einem Jäger in dem Augenblicke erlegt wurde, als es mit einem starken, schon halb erwürgten männlichen Brüllaffen vom Baume herabkam. Das furchtbare Geschrei der ganzen Affengesellschaft hatte den Jäger herbeigelockt, welcher eben noch zur rechten Zeit kam, um den Räuber zu strafen. Vielleicht die gefährlichsten Feinde besitzt der Brüllaffe unter den Vögeln. Ein großer weißer Raubvogel, welcher aber sehr selten sein und nur im Dunkel der Wälder fliegen soll, wahrscheinlich eine Harpyie, raubt die jungen Affen. Wie der Sperber über das Gebüsch streicht, so jagt er dicht über den Baumwipfeln einher, fährt unter den arglosen Affentrupp und reißt den Müttern die Jungen vom Rücken. Der Schrecken der so unvermuthet überfallenen Thiere ist so groß, daß sie die Vertheidigung, selbst die Flucht vergessen und nur mit jämmerlichem Geschrei die Hände zur Abwehr über die Köpfe halten.«
In den von Hensel bereisten Theilen Südamerikas jagt man den Brüllaffen mit Hunden. Letztere besitzen eine große Vorliebe für diesen Affen, welcher ihnen das angenehmste Futter unter allem Wilde ist, während sie den Kapuzineraffen selbst im größten Hunger nicht anrühren. Dabei ist der Geruch, welchen der Brüllaffe verbreitet, ein sehr starker und den Menschen unangenehmer. Namentlich gilt das vom Harn und Koth. Die Hunde jedoch sind anderer Meinung, und da sie bereits den kleinsten Tropfen Harn, welcher von den Bäumen auf den Boden oder die Blätter der Sträucher gefallen ist, auffinden und dann stundenlang unter solch einem Baume bellen, darf man sie nur in den Wald lassen, um in kurzer Zeit eine Gesellschaft der Brüllaffen zu ermitteln. Schießt man einige Male diese Thiere, so gewöhnen sich die Hunde bald so an die Affenjagd, daß sie nichts anderes jagen wollen und bloß nach Affen suchen. Daher werden diese von den Jägern stets geschont, und nur hier und da findet sich ein Brasilianer, welcher sie ihres Fleisches wegen schießt. Für die Affenhunde ist schon der erste Ton des Gebrülls der Affen das Zeichen zur Jagd, und ihr Bellen unter dem bald gefundenen Baume unterbricht sogleich den Gesang der letzteren, welche sich verbergen oder flüchten. In einsamer Gegend jedoch oder da, wo sie nicht beunruhigt werden, steigt das alte Männchen auf einen der unteren Aeste und beginnt von hier aus ein Gezänk mit den Hunden, welches diese zur höchsten Wuth entflammt. Schießt man jetzt das Thier herunter, so fürchten die Hunde nicht mehr den schweren Fall desselben, sondern ergreifen es schon in der Luft. Bei einem solchen Streite mit den Hunden nimmt die Stimme des Brüllaffenmännchens einen etwas veränderten Ton an und gleicht genau der eines bösartigen Schweines, welches, wenn ein Unbekannter in den Stall tritt, für die Sicherheit seiner Nachkommenschaft fürchtet.
Wenn man auf Brüllaffen schießt, rennen sie so schnell als möglich davon; und selbst unverwundete Thiere verlieren dabei Harn und Koth, obwohl dies gewöhnlich nur Schwerverwundeten, welche sich nicht mehr retten können und nun in die höchste Angst gerathen, begegnet, namentlich, wenn sie von einem Baume auf den anderen wollen. Einen höchst erheiternden Anblick gewährt es, laut Hensel, wenn im ersten Schrecken eines der fast halb erwachsenen Jungen einem der alten Männchen auf den Rücken springt, um so schneller davon zu kommen, aber durch eine kräftige Ohrfeige von dem Erzürnten belehrt wird, daß der verlangte Liebesdienst nicht mit den Pflichten des Familienvaters verbunden ist.
»Der Brüllaffe«, fährt Hensel fort, »besitzt eine große Lebensfähigkeit und flüchtet noch nach Verwundungen, unter denen andere Thiere unfehlbar von den Bäumen herabstürzen müßten. Ich traf einst unter einem Trupp ein sehr großes Männchen von heller, fast gelber Färbung, dessen Besitz mir wünschenswerth erschien. Die erste Kugel zerschmetterte dem Thiere, welches schon auf der Flucht war, einen Hinterschenkel und die Wurzel des Schwanzes, so daß es den Baum nicht mehr verlassen konnte; eine zweite Kugel ging durch den Bauch, so daß die Eingeweide eine Spanne lang heraushingen; eine dritte durchbohrte etwas höher den Magen und einen Theil der Brust; eine vierte traf, da die bedeutende Höhe des Baumes und die Unruhe des Thieres ein sicheres Zielen nicht gestattete, die Kehle, ging durch den hohen Winkel des Unterkiefers und zerstörte den Brüllapparat, ohne daß das unglückliche Geschöpf, welches auf jede der Kugeln mit einem heftigen Grunzen geantwortet hatte, herabgefallen wäre. Endlich machte ein glücklicher Schrotschuß seinem Leiden ein Ende. Es geht hieraus eine Lebenszähigkeit hervor, wie man sie sonst nur bei Raubthieren, nicht aber bei Pflanzenfressern anzutreffen pflegt. Aber selbst dann, wenn der Brüllaffe tödtlich verwundet wird und stirbt, entgeht er nicht selten noch dem Jäger, besonders nach Schrotschüssen. Verliert nämlich das geschossene Thier das Bewußtsein plötzlich, so stürzt es vom Baume; in anderen Fällen hat es aber noch Zeit, sich mit der Spitze seines Wickelschwanzes an irgend einem dünnen Aste festzuhängen, und bleibt auch nach dem Tode noch tagelang in dieser Lage, bis die Befestigung allmählich von einem starken Winde gelockert und endlich aufgelöst wird. Man sieht hieraus, daß das Aufhängen selbst zwar willkürlich geschieht, das Hängenbleiben aber mechanisch ist. Alle eigentlichen Wickelschwänze zeigen an der Unterseite der flachen Spitze des Schwanzes eine lange kahle Fläche, welche dieselbe sammetartige Rauhigkeit, überhaupt denselben Bau wie der Handteller hat. Will sich der Affe fest anhängen, so erreicht er dies mit zwei Windungen, deren zweite über die erstere weggeht, wobei die Rauhigkeit der Greiffläche das Abgleiten verhindert. Man kann auf diese Weise sehr leicht einen todten Affen an einem Stocke ebenso fest aufhängen, wie der Lebende hängt, und erst wenn durch das Hin- und Herschwanken die zweite Windung von der ersten abgleitet, fällt das Thier herab.«
Unsere besten Gewehre können übrigens mit der furchtbaren und doch so einfachen Waffe der Indianer, dem Blasrohre, nicht sich messen. Deshalb fällt es den Rothhäuten viel leichter als uns, Brüllaffen zu erlegen. Trotz der unübertrefflichen Geschicklichkeit, mit welcher sie ihre Waffe zu führen wissen, besteigen sie noch gern einen der benachbarten Bäume, und senden von dessen Wipfel aus das tödtliche Geschoß nach der harmlosen Herde.
In einem großen Theile von Paraguay bilden die Brüllaffen einen Gegenstand eifriger Jagd. Ihr Fell ist gesucht und das Fleisch bei den Indianern beliebt. Aus dem Pelze des schwarzen Brüllaffen ließ Dr. Francia einmal über hundert Grenadiermützen verfertigen. Außerdem verwendet man es zu Beuteln, Satteldecken etc. Von dem Fleische lebten Reisende, so z. B. der Prinz von Wied, oft lange Zeit fast ausschließlich. Sie versichern, daß es wohlschmeckend sei und eine sehr kräftige Brühe gebe. Die Nahrung hat aber unter allen Umständen ihr Abschreckendes, zumal wenn die Indianer dem Affen das Haar abgesengt oder ihn abgebrüht in den Topf gesteckt oder ihn zum Braten an einen spitzen Stab befestigt haben. »Aller Widerwille«, sagt Schomburgk, »wird in Dem rege, welcher solchen Braten zum ersten Male sieht; denn er kann nicht anders glauben, als daß er an einem Mahle von Kannibalen theilnehmen solle, bei welchem ein kleines Kind vorgesetzt wird, und es gehört wahrlich bei einem nur irgend reizbaren Magen eine starke Willenskraft dazu, um Gabel und Messer nach solchem Braten auszustrecken.«
Humboldt bestätigt diese Worte vollkommen. »Die Art, wie diese menschlichen Thiere gebraten werden, trägt viel dazu bei, daß ihr Anblick dem gesitteten Menschen so widerwärtig ist. Ein kleiner Rost oder ein Gitter aus sehr hartem Holze wird einen Fuß hoch über dem Boden befestigt. Der abgezogene Affe wird zusammengebogen, als säße er; meist legt man ihn so, daß er sich auf seine mageren langen Arme stützt; zuweilen kreuzt man ihm die Hände auf dem Rücken. Wenn er auf dem Gitter befestigt ist, zündet man ein helles Feuer darunter an; Flamme und Rauch umspielen den Affen, und deshalb wird er zugleich gebraten und berußt. Sieht man nun die Eingeborenen Arme oder Beine eines gebratenen Affen verzehren, so kann man sich kaum des Gedankens erwehren, die Gewohnheit, Thiere zu essen, welche im Körperbau dem Menschen so nahe stehen, möge in gewissem Grade dazu beitragen, daß die Wilden so wenig Abscheu vor dem Genusse des Menschenfleisches haben. Die gebratenen Affen, besonders solche mit sehr rundem Kopfe, gleichen auf schauerliche Weise Kindern, daher auch Europäer, wenn sie von solchen sich nähren müssen, lieber Kopf und Hände abschneiden und nur den Rumpf auftragen lassen. Das Affenfleisch ist so trocken und mager, daß Bonpland in seiner Sammlung zu Paris einen Arm und eine Hand aufbewahrt hat, welche in Esmeralda am Feuer geröstet wurden; nach mehreren Jahren rochen diese Theile nicht im geringsten.« In vielen Gegenden Südamerika's wird das Affenfleisch von den Europäern nicht berührt und gilt als die verächtlichste Speise; die Indianer dagegen sind eifrige Liebhaber solcher Kost, und Affenfleisch bildet einen der gewöhnlichsten Nahrungsstoffe bei ihnen allen.
Man gibt sich nur selten mit der Zähmung der Brüllaffen ab; auch hat deren Erziehung ihre großen Schwierigkeiten. Rengger sah nur zwei, welche beide über ein Jahr alt waren. Sie wurden mit verschiedenen Baumblättern gefüttert und zogen diese jeder anderen Nahrung vor. Nach Aussage der Wärter erkrankten sie, wenn man ihnen Mais, Maniok oder Fleisch gab. Sie tranken weder viel noch oft und nur Wasser oder Milch. Ihr Benehmen hatte etwas Trauriges und Langweiliges. Sie waren sehr sanft und zutraulich; aber niemals sah man eine Spur von Fröhlichkeit an ihnen. Gewöhnlich kauerten sie mit stark nach vorn gebogenem und auf die Brust gesenktem Kopfe in einem Winkel, legten die Vorderhände auf den Schoß oder stützten sie neben die Hinterhände auf den Boden und schlangen den Schwanz um die Beine, so daß er auf die Hände zu liegen kam. In dieser Stellung konnten sie stundenlang verweilen, bis der Hunger sie vermochte, Nahrung zu suchen. Alsdann gingen sie auf den vier Pfoten schrittweise vorwärts; nur selten sah man sie traben oder Sprünge machen. In aufrechter Stellung konnten sie kaum einen Augenblick sich erhalten. Ihre Sinne schienen scharf zu sein; sie wählten ihre Nahrung mit Sorgfalt aus, hörten und sahen gut und bewiesen, daß ihr Tastsinn sehr entwickelt war. Von Verstand war wenig zu bemerken: sie erzeigten ihrem Wärter kaum mehr Aufmerksamkeit als fremden Leuten, und ließen sich zu nichts abrichten. – Von anderen gezähmten Brüllaffen erzählt Wied, daß sie ihrem Herrn außerordentlich zugethan waren, und kläglich zu schreien begannen, wenn derselbe auch nur einen Augenblick von ihnen sich entfernte. Die Trägheit, Traurigkeit und Grämlichkeit sowie die knarrende, röchelnde Stimme, welche die Jungen manchmal hören ließen, machte sie aber Allen, selbst ihrem Herrn, unangenehm und widerlich.
»Die einzige Weise, Brüllaffen zu fangen«, sagt Hensel, »ist die, daß man die Mütter, welche noch kleine Junge an sich tragen, todtschießt, wobei es sich zuweilen ereignet, daß das Junge weder durch den Schuß noch durch den Sturz vom hohen Baume beschädigt wird, und so, indem es die todte Mutter nicht los läßt, in die Gewalt des Jägers kommt. Da es natürlich auch schwer ist, das Junge auf der fliehenden Mutter zu entdecken, so erhält man im allgemeinen die Brüllaffen nur selten; auch sind die kleinen Thiere oft noch so jung, daß eine ganz besondere Pflege dazu gehören würde, sie am Leben zu erhalten. Als ich einst einen so kleinen Brüllaffen erhielt, welcher bloß aus einem dicken Kopfe und langen, ungemein mageren Armen und Beinen zu bestehen schien, legte ich denselben an eine Hühnerhündin, deren Junge etwa acht Tage alt waren. Obgleich die Hündin sehr gierig auf Affenfleisch war, so schien sie doch durch die klägliche Stimme der kleinen Waise gerührt zu sein, und duldete deren Anwesenheit. Leider waren ihre Zitzen für den kleinen Mund des Affen zu groß, und dieser konnte sie nicht ergreifen, so sehr er sich auch Mühe gab. Außerdem wollte er nicht, wie die jungen Hunde, im Neste liegen bleiben, sondern klammerte sich immer mit seinen mageren aber kräftigen Händen an das Fell der Alten, so daß diese oft entsetzt auf die Seite sprang und ihn, wiewohl vergeblich, abzuschütteln versuchte. Ich mußte das Thierchen endlich tödten, um es nicht verhungern zu lassen. In einem anderen Falle, als ich Gelegenheit hatte, Milch zu erhalten, trank der kleine Affe sehr gern aus einem Kaffeelöffel, den er mit den Händen packte und sich selbst in den Mund zu schieben versuchte; allein ich mußte auch ihn tödten, weil er aus Mangel an Wärme täglich schwächer wurde. Merkwürdig ist die Kraft, mit welcher diese jungen Thiere einen ergriffenen Gegenstand festhalten können. Man hat Mühe, sie von den Kleidern zu entfernen, und gelingt es ihnen zufälligerweise, den Bart zu fassen, so glauben sie, auf mütterlichem Boden zu sein und krallen die langen Finger so fest hinein, daß sie nicht ohne das Opfer einiger Büschel Haare wieder los zu machen sind, wogegen sie außerdem durch lautes Zetergeschrei ankämpfen.
»Wollte man in einem unserer Thiergärten den Brüllaffen Gelegenheit geben, ihre merkwürdigen Eigenschaften geltend zu machen, so müßten für ihren Aufenthalt ganz besondere Einrichtungen getroffen werden; denn schwerlich würde eine Gesellschaft dieser Thiere in engen Käfigen oder selbst in den Räumen eines Affenhauses, von neugierigen Menschen umstanden, ihre Künste zum besten geben. Man müßte sie im Freien auf hohen einzelstehenden Bäumen unterbringen. Ihre Flucht würde ein Zaun von senkrecht stehenden Bretern, der nach Innen zu keine Anhaltpunkte bietet, leicht verhindern. Ich glaube, daß eine Höhe desselben von zwei Meter hinreichend wäre; denn der Brüllaffe ist, wie schon oben angegeben wurde, ein schlechter Springer. Am besten würde ein Laubbaum neben einer Gruppe dichter Nadelbäume für den Aufenthalt dieser Affen passen, welche dadurch Gelegenheit hätten, sich je nach der Tageszeit oder Witterung einen kälteren oder wärmeren Ort zu wählen; vielleicht würden sie sich auch entschließen, eine auf den Bäumen angebrachte Hütte zu beziehen, oder wenigstens hier vor Regen und großer Kälte Schutz suchen.« Ich meinestheils halte diesen Vorschlag Hensels für unausführbar; denn nach den allgemeinen Erfahrungen sind wir durchaus nicht berechtigt, von der Dauerhaftigkeit eines freilebenden Thieres auch auf seine Haltbarkeit im Käfige zu schließen. Somit meine ich, daß man höchstens an sehr warmen Sommertagen den Brüllaffen die Freude machen dürfte, sie auf Bäumen herumklettern zu lassen, nachts aber ihnen das warme Haus zur Wohnung anweisen müßte. In den Affenhäusern des Londoner Thiergartens lebte vor einigen Jahren ein Brüllaffe anscheinend in gutem Wohlsein; seine Stimme ließ er jedoch nicht hören und unterschied sich dadurch sehr zu seinem Nachtheile von dem Langarmaffen, dessen klangvolle Laute ich geschildert habe. Ein anderes Stück gelangte neuerdings lebend in die Hände eines unserer ersten Händler und gab Mützel Gelegenheit, seine treffliche Abbildung, die erste richtige, welche ich kenne, mit dem lebenden Thiere zu vergleichen.
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