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Erste Familie: Katzen ( Felidae).

Allgemeines

Der Laie wird keinen Augenblick im Zweifel sein, welcher Familie er die Ehre geben soll, die Reihe aller Raubthiere zu beginnen. Er gedenkt an den schon von den Alten zu der Thiere König gekrönten Löwen und räumt ihm gern jede Bevorzugung ein, sogar auf Kosten des liebsten und getreuesten Hausfreundes Hund, dessen geistiges Wesen einer anderen, weit werthvolleren Krone würdig ist. Diesmal darf auch der Forscher mit dem Laien übereinstimmen, und somit vereinigen wir in der ersten Familie die Katzen ( Felidae ).

Unter den Krallenthieren nehmen die Katzen beinahe dieselbe Stellung ein, welche dem Menschen unter den Handthieren zukommt. Sie sind nicht bloß die vollendetsten Raubthiergestalten, sondern, mit alleiniger Ausnahme des Menschen, die vollendetsten Thiere überhaupt. Ein gleiches Ebenmaß zwischen Gliedern und Leib, gleiche Regelmäßigkeit und Einhelligkeit des Baues wie bei ihnen finden wir in der ersten Klasse nicht wieder. Bei ihnen ist jeder einzelne Leibestheil anmuthig und zierlich, und eben deshalb befriedigt das ganze Thier unser Schönheitsgefühl in so hohem Grade. Wir dürfen, ohne fehlzugreifen, unsere Hauskatze als Bild der gesammten Gesellschaft betrachten; denn in keiner zweiten Familie ist die Grundform bei allen Mitgliedern so streng wiederholt, in keiner anderen Thiergruppe unterscheiden sich die einzelnen Sippen und Arten so wenig von einander wie bei den Katzen. Alle Sippenkennzeichen erscheinen hier als nebensächliche, äußerliche Merkmale im Vergleiche zu den Unterschieden, welche die verschiedenen Gruppen und Arten anderer Familien aufweisen: der Löwe mit seiner Mähne oder der Luchs mit seinen Ohrpinseln und dem Stumpfschwanze bleiben ebenso gut Katzen, wie der Hinz oder der Leopard. Selbst dem Jagdpanther oder Gepard, welcher das allgemeine Gepräge am wenigsten zeigt, muß man scharf auf die Finger sehen, bevor man ihn ganz kennen lernt: als halbe Katze nur, als Zwitter gleichsam von Katze und Hund. Eine so vollkommene Uebereinstimmung wird bloß bei Thieren gefunden, welche eine hohe Stellung einnehmen.

Der Bau des Katzenleibes darf als bekannt vorausgesetzt werden; denn der kräftige und doch zierliche Leib, der kugelige Kopf auf dem starken Halse, die mäßig hohen Beine mit den dicken Pranken, der lange Schwanz und das weiche Fell mit seiner immer angenehmen, der Umgebung innig sich anschmiegenden Färbung sind Kennzeichen, welche Jedermann sich eingeprägt haben dürfte. Vollendet am Katzenleibe müssen die Waffen erscheinen. Das Gebiß ist furchtbar. Die Eck- oder Reißzähne bilden große, starke, kaum gekrümmte Kegel, welche alle übrigen Zähne weit überwiegen und eine wahrhaft vernichtende Wirkung äußern können. Ihnen gegenüber verschwinden die auffallend kleinen Schneidezähne, erscheinen selbst die starken, durch scharfe, gegenseitig in einander eingreifende Zacken und Spitzen ausgezeichneten Kauzähne, welche aufgehört haben, Mahlzähne zu sein, schwach und unbedeutend. Mit diesem Gebiß steht die dicke und fleischige, wegen ihrer feinen, hornigen, auf krausen Warzen sitzenden und nach hinten gerichteten Stacheln besonders merkwürdige Zunge im vollsten Einklange. Sie bewaffnet gleichsam noch einmal das Maul, ebenso wie bei manchen Schlangen und den raubgierigsten Fischen außer den Kinnladen der Gaumen mit Zähnen gespickt ist. Wenn nun auch die Stacheln der Katzenzunge von jenen Gaumenzähnen genügend sich unterscheiden, haben sie doch immer noch Schärfe genug, um bei fortgesetztem Lecken eine zarte Haut blutig zu ritzen, und übrigens dienen sie wirklich beim Fressen zur Unterstützung der Zähne, welche wegen ihrer Schärfe und Zackung nur einen einseitigen Gebrauch zulassen, zum Zermalmen der Speise aber als unbrauchbar sich erweisen. Die Zähne sind jedoch nicht die eigentlichen Angriffswaffen der Katzen: in ihren Klauen besitzen sie noch furchtbarere Werkzeuge zum sicheren Ergreifen und tödtlichen Verwunden ihrer Beute oder zur Abwehr im Kampfe. Ihre breiten und abgerundeten Füße zeichnen besonders durch die verhältnismäßige Kürze sich aus, und diese hat ihren Grund darin, daß das letzte Zehenglied aufwärts gebogen ist. So kann es beim Gange den Boden gar nicht berühren und ermöglicht dadurch Schonung der auf ihm sitzenden sehr starken und äußerst spitzigen Sichelkrallen. In der Ruhe und bei gewöhnlichem Gange erhalten zwei dehnbare Bänder, von denen das eine oben und das andere seitlich befestigt ist, das Glied in seiner aufrechten Stellung; bei Zorn und im Augenblicke der Benutzung zieht es der starke, tiefe Beugemuskel, dessen Sehne sich unten ansetzt, gewaltsam hernieder, streckt dadurch den Fuß und verwandelt ihn in die fürchterlichste Tatze, welche es überhaupt geben kann. Dieser Fußbau ist die Ursache, daß die gehenden Katzen niemals eine Fährte hinterlassen, in welcher Abdrücke der Krallen bemerklich sind; das Leisetreten dagegen hat seinen Grund in den weichen, oft dicht behaarten Ballen an den Sohlen.

Geripp des Tigers (Tigris regalis). Aus dem Berliner anatomischen Museum.

Um wo möglich allen Lesern gerecht zu werden, will ich noch folgende Kennzeichen der Katzen angeben. Die Wirbelsäule zählt 20 Brust- und Lendenwirbel, 2 bis 3 Kreuzbein- und 15 bis 29 Schwanzwirbel. Das Gebiß besteht aus 30 Zähnen und zwar sechs Vorderzähnen und einem Reißzahne sowie je zwei Lückzähnen oben und unten, endlich zwei Backenzähnen im Oberkiefer und einem im Unterkiefer. Die Knochen der Gliedmaßen sind durchgehends sehr kräftig, die Schulterbeine aber verkümmert. Die Vorderfüße haben fünf, die hinteren vier Zehen. Der Darm erreicht die drei- bis fünffache Leibeslänge. Beim Weibchen stehen vier Zitzen am Bauche oder noch vier an der Brust.

Die Katzen sind starke und äußerst gewandte Thiere. Jede ihrer Bewegungen zeigt von ebenso viel Kraft wie anmuthiger Behendigkeit. Fast alle Arten der Familie ähneln sich in ihren leiblichen wie in ihren geistigen Eigenschaften, wenn auch diese oder jene Art etwas vor der anderen voraus zu haben oder hinter ihr im Nachtheile zu stehen scheint. Alle Katzen gehen gut, aber langsam, vorsichtig und geräuschlos, laufen schnell und sind fähig, wagerechte Sprünge zu machen, welche die Länge ihres Leibes verhältnismäßig um zehn bis fünfzehn Mal übertreffen. Nur höchst wenige der größeren Arten sind nicht im Stande, zu klettern, während diese Kunst von der Mehrzahl mit vielem Geschicke betrieben wird. Obgleich vom Hause aus große Feinde des Wassers, schwimmen sie doch recht gut, wenn es sein muß; wenigstens kommt keine einzige Art leicht im Wasser um. Zudem verstehen sie ihren schmucken Leib zusammenzudrücken oder zusammenzurollen, gebrauchen ihre Tatzen mit großer Fertigkeit und wissen mit unfehlbarer Sicherheit vermittelst derselben ein Thier selbst in seinem Laufe oder Fluge zu erfassen. Hierzu kommt noch die verhältnismäßige Stärke ihrer Glieder und ihre Ausdauer. Die größten Arten strecken mit einem einzigen Schlage ihrer furchtbaren Pranken ein Thier zu Boden, welches größer ist als sie selbst, und schleppen ohne Mühe unglaubliche Lasten fort.

Unter den Sinnen stehen wohl Gehör und Gesicht obenan. Ersteres ist unzweifelhaft das Werkzeug, welches sie bei ihren Raub- und Streifzügen leitet. Sie vermögen Geräusche auf große Entfernungen hin wahrzunehmen und richtig zu beurtheilen, vernehmen den leisesten Fußtritt, das schwächste Rascheln im Sande und finden durch ihr Gehör selbst nicht gesehene Beute auf. Diese Sinnesschärfe scheint schon äußerlich angedeutet zu sein; denn obschon die Ohrmuscheln fast nirgends besonders groß zu sein pflegen, zeigen sie doch hier und da besondere Verzierungen oder Anhängsel durch steife Haare etc., welche zwar weniger zur Auffangung des Schalles dienen, aber doch den hervorragendsten Sinn kennzeichnen dürften. Das Gesicht ist weniger begünstigt, obwohl keineswegs schwach zu nennen. Ihr Auge reicht wahrscheinlich nicht in große Fernen, ist aber für die Nähe vortrefflich. Der Stern, welcher bei den größeren Arten rund ist und im Zorne sich kreisförmig erweitert, nimmt bei den kleineren Arten die Gestalt einer Ellipse an und zeigt sich dann einer großen Ausdehnung fähig. Bei Tage zieht er unter Einwirkung des zu grellen Lichtes bis auf einen feinen Spalt sich zusammen, in der Aufregung oder in der Dunkelheit rundet er fast bis zu einem vollen Kreise sich aus. Auf das Gesicht dürfen wir wohl das Gefühl folgen lassen, welches ebenso wohl als ausgebildete Tastfähigkeit wie als Empfindungsvermögen sich kund gibt. Zu Tastwerkzeugen dienen hauptsächlich die Bartschnurren zu beiden Seiten des Maules und über den Augen, vielleicht auch die Pinsel am Ohre der Luchse. Schneidet man einer Katze ihre Bartschnurren weg, so versetzt man sie in eine höchst ungemüthliche Lage; sie wird förmlich rath- und thatlos oder zeigt zum mindesten eine merkliche Unruhe und Ungewißheit, welche später, jedoch bloß nach dem Wiederwachsen jener Borsten, sich verliert. Aber auch die Pfoten erscheinen zum Tasten ganz geeignet. Die Empfindlichkeit ist über den ganzen Körper verbreitet. Alle Katzen sind höchst empfänglich für Einflüsse von außen und zeigen eine unverkennbare Misstimmung bei unangenehmen oder große Behaglichkeit bei angenehmen Reizen. Wenn man ihr seidenweiches Haar streichelt, wird man sie stets in eine fast freudige Aufregung versetzen, während sie, wenn dieses Haar befeuchtet wird oder sie sonstigen widerwärtigen Einflüssen ausgesetzt sind, großen Mismuth an den Tag legen. Geruch und Geschmack dürften so ziemlich auf gleicher Stufe stehen; vielleicht ist der Geschmack noch besser als der Geruch. Die meisten Katzen sind trotz ihrer rauhen Zunge für Gaumenkitzel sehr empfänglich und erfreuen sich besonders an schwach gesalzenen und süßlichen Speisen, vor allem an thierischen Flüssigkeiten, wie an Blut und an Milch, während dem Geruchswerkzeuge schon sehr starkriechende Dinge geboten werden müssen, wenn es sich befriedigt zeigen soll. Die merkwürdige Vorliebe gewisser Katzen für stark duftende Pflanzen, wie für Baldrian und Katzengamander, läßt jedenfalls die Schlußfolgerung zu, daß ihr Geruch nur ein sehr untergeordneter sein kann; denn alle feinriechenden Thiere würden sich mit Abscheu von derartigen Gegenständen abwenden: die Katzen aber wälzen sich wie sinnlos, gleichsam im höchsten Rausche, auf jenen Pflanzen herum.

Hinsichtlich ihrer geistigen Fähigkeiten stehen die Katzen hinter den Hunden zurück, jedoch nicht so weit, wie man gewöhnlich anzunehmen pflegt. Vergessen darf man nicht, daß wir bei Abwägung der Geisteskräfte beider Familien beständig an zwei kaum maßgebende Vorbilder denken: an den seit Jahrtausenden von uns erzogenen, geschulten, gebildeten, vermenschlichten Haushund und an die vernachlässigte, vorurtheilsvoll betrachtete und gewöhnlich mishandelte Hauskatze. Vergleichen wir wildlebende Arten beider Familien, beispielsweise Fuchs und Luchs, so stellt sich das Ergebnis schon ganz anders und zwar entschieden günstiger für die Katzen. Diese als geistig tief stehende Thiere zu betrachten, wie ausgesprochen oder nicht ausgesprochen noch häufig geschieht, ist ein grober Fehler. Bei der Mehrzahl der Arten treten allerdings die höheren oder edlen Geisteskräfte weniger als die niederen hervor; doch liefert uns unser Hinz, wenn er gut behandelt wird, den Beweis, daß auch die Katzen der Erziehung und Geistesveredelung fähig sind. Die Hauskatze gibt uns oft genug Beispiele von treuer Anhänglichkeit an den Menschen und von hohem Verstande. Der Mensch nimmt sich gewöhnlich nicht die Mühe, ihre Fähigkeiten genauer zu erforschen, sondern läßt von dem einmal feststehenden Urtheile über sie sich einnehmen und von selbständiger Prüfung zurückschrecken. Der Charakter der meisten Arten ist allerdings ein Gemisch von ruhiger Besonnenheit, ausdauernder List, Blutgier und Tollkühnheit; doch gibt es auch sehr edelstolze, muthige Katzen wie den Löwen, oder sanfte wie den Jagdleoparden. In Gesellschaft des Menschen zeigen sie sich bald durchaus anders als in der Freiheit; sie erkennen die menschliche Herrschaft an, fühlen Dankbarkeit für ihren Herrn, wollen, daß er ihnen schmeichele, sie liebkose, kurz werden oft rückhaltslos zahm, wenn auch zuweilen ihre tief eingewurzelten natürlichen Begabungen plötzlich wieder durchbrechen. Hierin beruht hauptsächlich der Grund, daß man die Katzen falsch und tückisch nennt; denn nicht einmal derjenige Mensch, welcher Thiere zu quälen oder zu mishandeln pflegt, will ihnen das Recht zugestehen, einmal auf Augenblicke das ihnen auferlegte Joch der Sklaverei abzuschütteln.

Die Katzen sind gegenwärtig in allen Theilen der alten Welt und in Amerika zu finden. Sie bewohnen die Ebenen wie die Gebirge, dürre, sandige Stellen wie feuchte Niederungen, den Wald wie das Feld. Einige steigen selbst in das Hochgebirge hinauf und werden dort in beträchtlichen Höhen getroffen; andere treiben sich auf freien, offenen, mit Gesträuchen bewachsenen Steppen oder in Wüsten umher; noch andere ziehen die schilfreichen Ufer von Flüssen, Bächen und Sümpfen vor: bei weitem der größte Theil aber gehört dem Walde an. Die Bäume bieten ihnen alles erforderliche, namentlich vortreffliche Verstecke, in denen sie sich leicht verbergen können, ebenso wohl, um über ihre Beute herzufallen, als auch, um sich den Blicken ihrer Feinde zu entziehen. Zu solchen Verstecken dienen den kleineren Arten Felsspalten, hohle Bäume, verlassene Baue von anderen Säugethieren und dergleichen, während sich die größeren im Gebüsche zu verbergen pflegen. Obwohl die wildlebenden Katzen diejenigen Gegenden bevorzugen, in denen der Mensch noch nicht zur vollen Herrschaft gelangen konnte, kommen sie doch oft in unverschämt dreister Weise zu den Wohnungen des Menschen heran, um hier über ihn selbst herzufallen oder seinen Viehstand zu berauben. Zu diesem Behufe verlassen sie ihr Lager mit Einbruch der Nacht und streifen nun entweder ziemlich weit umher oder legen sich an belebten Paßstraßen der Menschen und Thiere auf die Lauer. Bei Tage fallen nur höchst wenige auf Beute, und ebenso ziehen sie sich zu dieser Zeit feig zurück, wenn sie angegriffen werden. Ihr wahres Leben beginnt und endigt mit der Dunkelheit. Besonders gut gelegene Versteckplätze werden ziemlich regelmäßig bewohnt: die Mehrzahl aber hat kein bestimmtes Lager und wählt sich, sobald der Morgen sie auf dem Streifzuge überrascht, zum Verstecke den ersten besten Ort, welcher Sicherheit verheißt.

Ihre Nahrung nehmen die Katzen sich aus allen Klassen der Wirbelthiere, wenn auch die Säugethiere unzweifelhaft ihren Verfolgungen am meisten ausgesetzt sind. Einige Arten stellen mit Vorliebe Vögeln nach, andere, aber wenige, verzehren nebenbei das Fleisch mancher Lurche, namentlich der Schildkröten, wieder andere gehen sogar auf den Fischfang aus. Die wirbellosen Thiere werden im ganzen wenig von ihnen behelligt, und wohl nur zufällig fängt sich diese oder jene Art einen Krebs oder ein Kerbthier. Sämmtliche Katzen fressen vorzugsweise Beute, welche sie selbst sich erworben haben, nur sehr wenige fallen auf das Aas und dann gewöhnlich auch bloß auf solches, welches von selbst gemachter Beute herrührt. Dabei bekunden einige unersättlichen Blutdurst: es gibt Arten, welche, wenn sie es können, bloß von Blut sich nähren und förmlich in diesem »ganz besonderen Safte« berauschen.

In der Art und Weise ihres Angriffes ähneln sich alle Arten mehr oder weniger. Leisen, unhörbaren Schrittes schleichen sie äußerst aufmerksam durch ihr Jagdgebiet und äugen und lauschen scharf nach allen Richtungen hin. Das geringste Geräusch erregt ihre Aufmerksamkeit und bewegt sie, der Ursache desselben nachzugehen. Dabei gleiten sie in geduckter Stellung vorsichtig auf dem Boden hin, regelmäßig unter dem Winde, und fallen, wenn sie sich nahe genug glauben, plötzlich mit einem oder mehreren Sätzen über ihr Schlachtopfer her, schlagen ihm die furchtbaren Tatzen in das Genick oder in die Seiten, reißen es zu Boden, erfassen es mit dem Maule und beißen einige Male schnell nach einander heftig zu. Hierauf öffnen sie das Gebiß ein wenig, ohne jedoch das erfaßte Thier fahren zu lassen, beobachten es vielmehr scharf und beißen von neuem, sowie noch ein Fünkchen Leben in ihm sich regt. Viele stoßen während dem ein Brüllen oder Knurren aus, welches ebenso gut Behaglichkeit als Gier oder Zorn ausdrückt, und bewegen nebenbei die Spitze ihres Schwanzes: Die meisten haben die abscheuliche Gewohnheit, ihre Schlachtopfer noch lange zu quälen, indem sie ihnen scheinbar etwas Freiheit gewähren und sie oft auch wirklich ein Stückchen laufen lassen, jederzeit aber im rechten Augenblicke wieder erfassen, von neuem niederdrücken, nochmals laufen lassen etc., bis die Gepeinigten endlich ihren Wunden erliegen. Auch die größten Arten scheuen Thiere, von denen sie bedeutenden Widerstand erwarten, und greifen sie bloß dann an, wenn sie durch Erfahrung sich überzeugt haben, daß sie trotz der Stärke ihrer Gegner als Sieger aus einem etwaigen Kampfe hervorgehen. Selbst Löwe, Tiger und Jaguar fürchten anfangs den Menschen und gehen ihm fast feig aus dem Wege; nachdem sie aber gelernt haben, welch schwaches, wehrloses Geschöpf er ist, werden sie seine furchtbarsten Feinde, und es scheint fast, als ob sie dann das Menschenfleisch dem aller übrigen Säugethiere entschieden vorziehen. Obgleich beinahe alle Katzen gute Läufer sind, stehen sie doch von weiterer Verfolgung eines Schlachtopfers ab, wenn ihnen der Angriffssprung mislang. Nur an sehr geschützten Orten verzehren sie eine gemachte Beute gleich an Ort und Stelle; gewöhnlich schleppen sie das erfaßte Thier, nachdem sie es getödtet oder wenigstens widerstandslos gemacht haben, an einen stillen, versteckten Ort und verzehren es hier in aller Ruhe und Behaglichkeit. Wenn ihre Wohngegend reich an Beute ist, zeigen sie sich außerordentlich lecker und überlassen bei weitem den größten Theil der von ihnen erjagten Geschöpfe anderen Thieren, den Schmarotzern und Bettlern an ihrer Tafel.

In der Regel werfen die weiblichen Katzen mehrere, ausnahmsweise nur ein einziges Junge. Man kann sagen, daß die Anzahl der letzteren zwischen Eins und Sechs schwankt; einige Arten sollen noch mehr zur Welt bringen. Die Pflegerin der Jungen ist die Mutter; der Vater bekümmert sich bloß gelegentlich um sie. Eine Katzenmutter mit ihren Jungen gewährt ein höchst anziehendes Bild. Man sieht die mütterliche Zärtlichkeit und Liebe in jeder Bewegung der Alten ausgedrückt, hört sie in jedem Tone, welchen man vernimmt. Es liegt eine Zartheit und Weiche in der Stimme, welche man gar nicht vermuthet hätte. Dabei beobachtet die Alte ihre Kleinen mit so viel Sorgfalt und Aufmerksamkeit, daß man gar nicht zweifeln kann, wie sehr ihr die Kinderschar ans Herz gewachsen ist. Besonders wohlthuend ist bei einem solchen Katzengehecke die Reinlichkeitsliebe, zu welcher die Mutter ihre Jungen schon in der frühesten Jugend anhält. Sie hat ohne Unterlaß zu putzen, zu lecken, zu glätten, zu ordnen und duldet nicht den geringsten Schmutz in der Nähe des Lagers. Gegen feindliche Besuche vertheidigt sie ihre Sprößlinge mit Hintansetzung des eigenen Lebens, und alle größeren Arten der Familie werden, wenn sie Junge haben, im höchsten Grade furchtbar. Bei vielen Katzen muß die Mutter ihre Brut unter Umständen auch gegen den Vater schützen, weil dieser die Jungen, so lange sie noch blind sind, ohne weiteres auffrißt, wenn er in das unbewachte Lager kommt. Daher rührt wohl auch hauptsächlich die große Sorgfalt aller Katzen, ihr Geheck möglichst zu verbergen. Nachdem die Jungen etwas mehr herangewachsen sind und sich schon als echte Katzen zeigen, ändert sich die Sache; dann thut auch der Kater oder das Katzenmännchen überhaupt ihnen nichts mehr zu Leide. Und nun beginnt ein gar lustiges Kindheitsleben der kleinen, zu Spiel und Scherz jeder Art immer geneigten Thiere. Die natürliche Begabung zeigt sich schon bei den ersten Bewegungen und Regungen, deren die Kätzchen fähig sind. Ihre Kinderspiele sind bereits nichts anderes als Vorübungen zu der ernsten Jagd, welche die Erwachsenen betreiben. Alles, was sich bewegt, zieht ihre Aufmerksamkeit auf sich. Kein Geräusch entgeht ihnen: die kleinen Lauscher spitzen sich bei dem leisesten Rascheln in der Nähe. Anfangs ist der Schwanz der Alten die größte Kinderfreude der Jungen. Jede seiner Bewegungen wird beobachtet, und bald macht sich die übermüthige Gesellschaft daran, diese Bewegungen durch ihre Fangversuche zu hemmen und zu hindern. Doch die Alte läßt durch solche Neckereien nicht im geringsten sich stören und fährt fort, ihrer inneren Seelenstimmung durch die Schwanzbewegungen Ausdruck zu geben, ja sie bietet ihren Kleinen förmlich dieses Glied zu beliebigem Gebrauche dar. Wenige Wochen später sieht man die ganze Familie bereits mit den lebhaftesten Spielen beschäftigt, und nun wird die Alte geradezu kindisch, die Löwenmutter ebenso gut wie die Erzeugerin unserer Hauskatzen. Oft ist die ganze Gesellschaft zu einem scheinbaren Knäuel geballt, und eins fängt und häkelt nach dem Schwanze des anderen. Mit dem zunehmenden Alter werden die Spiele immer ernstlicher. Die Kleinen lernen erkennen, daß der Schwanz doch nur ein Stück ihres eigenen Selbst ist, wollen aber ihre Kraft bald an etwas anderem versuchen. Jetzt schleppt ihnen die Alte kleine, oft noch halb, oft ganz lebendige Thiere zu. Diese werden frei gelassen, und es übt sich die junge Brut mit Eifer und Ausdauer in dem räuberischen Gewerbe, welches sie später betreiben wird. Schließlich nimmt die Alte sie mit auf die Jagd hinaus; da lernen sie nun vollends alle Listen und Schleichwege, die ruhige Beherrschung ihrer selbst, die plötzlichen Angriffe, kurz die ganze Kunst des Raubes. Erst wenn sie ganz selbständig geworden sind, trennen sie sich von der Mutter oder den Eltern und führen nun längere Zeit ein einsames, umherschweifendes Leben.

Die Katzen stehen der ganzen übrigen Thierwelt als Feinde gegenüber; deshalb ist der Schaden, welchen sie anrichten, außerordentlich bedeutend. Freilich muß man bedenken, daß die großen Arten der Familie fast sämmtlich in Ländern leben, welche unglaublich reich an Beute sind; ja man kann sogar behaupten, daß einige geradezu einer schädlichen Vermehrung mancher Wiederkäuer und Nager hindernd in den Weg treten, und somit mittelbar auch uns nützlich werden. Bei den kleineren Arten überwiegt der Nutzen, welchen sie leisten, den von ihnen angerichteten Schaden bei weitem. Ihre Jagd beschränkt sich auf kleinere Säugethiere und Vögel, und namentlich die dem menschlichen Haushalte so überaus lästigen und schädlichen kleinen Nager finden in ihnen das wirksamste Gegengewicht und die gefährlichsten Feinde. Unser Hinz ist uns geradezu unentbehrlich geworden; aber auch die wildlebenden kleineren Katzenarten bringen viel mehr Nutzen als Schaden. Außerdem verwerthet der Mensch das Fell und hier und da selbst das Fleisch unserer Thiere. In China dient das Katzenfell als Standeszeichen; die übrigen Völker schätzen es mehr seiner Farbenschönheit als seiner wirklichen Güte wegen; denn diese ist nicht eben hoch anzuschlagen.

Jagd und Fang der schädlichen Arten werden überall mit großem Eifer betrieben, und es gibt Leute, welche gerade in der Gefährlichkeit dieser Jagd das höchste Vergnügen der Erde finden.

Zur Sonderung der verschiedenen Katzenarten in kleinere Gruppen oder Sippen sind, wie erwähnt, ziemlich nebensächliche Merkmale maßgebend. Man ordnet die Thiere schon nach ihrer Färbung oder nach äußeren Haarwucherungen. Einzelne Arten bieten durch ihren ziemlich abweichenden Leibesbau, durch die stumpfkralligen Zehen oder den kurzen Schwanz bessere Anhaltspunkte zur Unterscheidung dar; aber auch diese Unterschiede berechtigen kaum zur Trennung von den übrigen Arten. Gleichwohl folgen wir hier der hergebrachten Eintheilung und stellen den Löwen die einfarbigen Katzen Amerika's, den Tigern die Pardelkatzen, den Luchsen die Buschkatzen und Hinze gegenüber, räumen dem Bindegliede zwischen Katze und Hund, dem Jagdleoparden oder Gepard, eine gewisse Selbständigkeit ein und geben allen diesen Unterscheidungsformen etwa den Werth der Sippen aus anderen Familien. Die nachstehenden Blätter werden jedoch durch Wort und Bild beweisen, daß das ganze künstliche Gebäude der Systematik bei den Katzen auf sehr schwachem Grunde fußt, und jeden Leser alle Katzen der Erde als Geschwisterkinder erkennen lassen.

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