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Vierte Familie: Krallenaffen ( Aretopithecei).

Allgemeines

Einzelne Naturforscher sehen in den Thieren, welche wir hier zu einer besonderen Familie vereinigen, nur Sippen der vorhergehenden Abtheilung und stellen sie deshalb mit dieser zusammen; die unterscheidenden Merkmale zwischen ihnen und den vorhergehenden Affen sind aber immerhin beträchtlich genug, um eine derartige Trennung, wie wir sie anwenden, zu rechtfertigen.

Die Krallen- oder Eichhornaffen ( Arcotopitheci ) unterscheiden sich von allen bisher genannten Mitgliedern ihrer Ordnung hauptsächlich dadurch, daß sie mit Ausnahme der Daumenzehen des Fußes an allen Fingern und Zehen schmale Krallennägel, an der Daumenzehe aber einen hohlziegelförmigen breiten Nagel tragen. Außerdem kennzeichnen sie: der rundliche Kopf mit kurzem, plattem Gesicht, kleinen Augen und großen, oft durch Haarbüschel gezierten Ohren, der schlanke Leib, die kurzen Gliedmaßen, die krallenartigen Hände, deren Daumen den übrigen Fingern nicht entgegengesetzt werden kann, während dies bei der Daumenzehe der Fall ist, der lange und buschige Schwanz und der seidenweiche Pelz. Es sind also bei ihnen die Hände zu eigentlichen Pfoten geworden, und nur die Füße zeigen noch ähnliche Bildung wie bei anderen Affen. Ihr Gebiß besteht, wie bei den Altweltsaffen, aus 32 Zähnen. Unter den oberen Schneidezähnen ist der erste größer als der zweite und trägt wie dieser gewöhnlich Zacken an der Wurzel, während die unteren Schneidezähne eine breitmeißelförmige oder cylindrische Gestalt haben und sich verlängern. Die Eckzähne zeichnen sich durch ihre Größe und Stärke, die oberen außerdem durch ihre dreikantige Gestalt und eine vorn und innen verlaufende Rinne aus. Außerdem finden sich drei Lück- und zwei Mahlzähne in jedem Kiefer. Erstere sind kegelförmig, von außen und innen zusammengedrückt, die des Unterkiefers jederseits auch mit einem schwachen Höcker besetzt, die Mahlzähne zweihöckerig. Der Schädel ist fast kugelig, das Gesicht ziemlich flach, die Stirn flach und breit. Im Gerippe zählt man 9 Rippen-, 10 Lenden-, 3 Kreuz- und 21 bis 31 Schwanzwirbel; sieben von den ersteren tragen wahre, fünf falsche Rippen.

Das Verbreitungsgebiet der Krallenaffen umfaßt alle nördlichen Länder der Südhälfte Amerikas und dehnt sich nördlich bis Mexiko aus, während es nach Süden hin kaum über Brasilien hinausreicht. Letztgenanntes Kaiserreich, Guiana und Peru beherbergen die meisten Arten; in Mexiko kommen, so viel bis jetzt bekannt, nur zwei von ihnen vor. So sehr diese Arten in Gestalt und Färbung sich ähneln, so bestimmt scheinen sie wirklich verschieden zu sein. Frühere Naturforscher hielten viele von ihnen nur für Spielarten, und auch der Prinz von Wied war anfangs derselben Meinung, hat sich aber durch den Augenschein überzeugt, daß die unter sich so übereinstimmenden Thiere verschiedener Art sind, und daß man innerhalb einer und derselben Art nur außerordentlich selten und höchst geringe Abweichungen findet. Eine und dieselbe Gestalt, die gleiche Art der Behaarung, ja sogar die Vertheilung und Hauptmischung ihrer Farben wiederholt sich bei mehreren Arten in merkwürdiger Weise, so daß sehr oft nur geringfügige Unterscheidungsmerkmale angegeben werden können. Ebenso grenzen auch die Verbreitungsgebiete verschiedener Krallenaffen dicht aneinander, da der Wohnort einer jeden Art meist sehr beschränkt zu sein scheint und nur ausnahmsweise eine von ihnen über größere Landesstrecken sich verbreitet. »Breitere Flüsse«, sagt Wied, »bilden oft die Grenzen, und der reisende Beobachter findet plötzlich eine Art durch eine andere ersetzt, welche nur durch geringe Unterschiede von ihr getrennt und dennoch bestimmt artlich verschieden ist.« Wie hoch sie im Gebirge emporsteigen, ist zur Zeit mit Sicherheit noch nicht festgestellt; Schomburgk begegnete ihnen bis zu 500 Meter über dem Meere; in den Andes kommen sie jedoch unzweifelhaft in noch höherem Gürtel vor.

Alle Krallenaffen sind Baumthiere im eigentlichen Sinne des Wortes. Sie bewohnen in größter Mannigfaltigkeit die weiten Waldungen ihrer heimatlichen Länder, und zwar keineswegs die hochstämmigen, feuchten Urwaldungen der Küste oder der Niederungen allein, sondern auch die dürftiger bestandenen, buschartigen Wälder des Innern. In der Regel halten sie sich in unbewohnten oder menschenleeren Gegenden auf; ausnahmsweise aber kommen sie doch bis in die Pflanzungen, ja selbst bis in die Dörfer und Städte herein, wie dies beispielsweise in Para der Fall zu sein pflegt. In ihrem Auftreten und Wesen erinnern sie mindestens ebenso sehr an die Eichhörnchen wie an die Affen. Sie scheinen erstere, welche in Brasilien nur selten vorkommen, gewissermaßen zu ersetzen, da sie in annähernd derselben Arten- und Stückzahl auftreten, wie gedachte Nager beispielsweise in Indien oder auf den Sundainseln. Ihre Haltung ist nicht die aufgerichtete der Affen: sie sitzen im Gegentheile gewöhnlich mit Händen und Füßen auf oder liegen selbst platt auf dem Bauche, wobei der lange, dick behaarte Schweif gerade herabhängt; sie lieben es auch nicht, wie ihre Verwandten, die ausgezeichnetsten Kletterer, welche wir überhaupt kennen, im dünnen Gezweige sich zu bewegen, sondern halten sich mehr auf den dicken Aesten auf und treiben sich hier ganz nach Art der Eichhörnchen umher, ihre langen Krallen genau in derselben Weise verwendend, wie jene Nager dies zu thun pflegen. Auf große Sprünge von einem Baume zum anderen lassen sie sich nicht ein, weil sie nicht im Stande sind, beim Aufspringen sofort mit Sicherheit sich festzuhalten, verfolgt, in der That auch manchmal aus großen Höhen auf den Boden herabstürzen, wie dies unter anderem Bates einmal beobachtete. Dagegen klettern sie mit außerordentlicher Gewandtheit und Sicherheit senkrecht in die Höhe und ebenso schnell rund um den Stamm herum, ganz wie wir dies bei den Eichhörnchen ebenfalls beobachten. Auf zwei Füßen sieht man sie niemals gehen, und immer treten sie mit der ganzen Sohle auf; doch erheben sie sich, wenn sie etwas zum Munde führen, ausnahmsweise mit dem Vordertheile ihres Leibes, indem sie sich wie Eichhörnchen halten.

Kein einziger von allen Reisenden, deren Werke ich kenne, beschreibt, wie und wo die Eichhornaffen nächtigen. Nester nach Art der Eichhornhorste bauen sie nicht; wahrscheinlich aber dienen ihnen Höhlungen der Bäume während der Nacht zum Aufenthalte. So schließe ich aus dem Betragen der Gefangenen, welche ihnen gebotene Schlafkästchen sofort zu benutzen und auch bei Tage oft nach ihnen sich zurückzuziehen pflegen, jedenfalls aber in ihnen Zuflucht suchen, sobald ihnen irgend etwas Unangenehmes begegnet. Wahrscheinlich bilden sie auch in der Freiheit wie in der Gefangenschaft förmliche Klumpen in gedachten Höhlen, indem die ganze Gesellschaft sich dicht aneinander schmiegt und gegenseitig mit dem Schwanze zudeckt. Einige Zeit nach Sonnenaufgang beginnen sie ihre Streifzüge und durchwandern bei dieser Gelegenheit einen mehr oder minder großen Theil des Waldes, sind, wie der Prinz von Wied sagt, bald hier, bald dort, und kündigen in gewisser Entfernung durch ihre Stimme, kurze, ein- oder zweisilbige pfeifende Laute, dem Jäger oder Forscher sich an. Hat eine Bande bei der Annäherung eines Feindes nicht Zeit, zu entfliehen, so verbirgt sie sich hinter die dicken Baumzweige, blickt dann aber von Zeit zu Zeit ängstlich hervor und verfolgt alle Bewegungen des ersteren. Bates schreibt ihnen einen hohen Grad von Neugier zu, da sie auch in Gegenden, wo sie allseitig Schutz genießen und deshalb viel von ihrer Scheu verloren haben, wie bei Para z. B., jeden in Sicht kommenden Menschen eine Zeitlang mit größter Aufmerksamkeit beobachten, bevor sie ihr gewöhnliches Treiben wieder beginnen. Auch hierin ähneln sie den Eichhörnchen sehr: sie bekunden dieselbe Unruhe und Rastlosigkeit und ebenso dieselbe Scheu und Aengstlichkeit wie diese. Ihr Köpfchen ist keinen Augenblick lang ruhig, und die dunkeln Augen richten sich bald auf diesen, bald auf jenen Gegenstand, immer aber mit einer gewissen Hast und, wie es scheinen will, mit wenig Verständnis von einem Dinge zum anderen irrend und dabei bald an dieses, bald an jenes denkend. Hiermit will ich freilich nicht gesagt haben, daß ich den Krallenaffen überhaupt tiefe Gedanken zuschreiben möchte; ich halte sie im Gegentheile für die geistlosesten aller Affen, für in hohem Grade beschränkte Geschöpfe, deren geistige Fähigkeiten schwerlich über die gleich großer Nager sich erheben dürften. Wie letztere sehen sie klüger aus, als sie sind. Ihre Handlungen zeugen von wenig Ueberlegung: sie folgen ganz den Eingebungen des Augenblicks und vergessen das, was sie eben beschäftigte, sofort, wenn ein neuer Gegenstand sie irgendwie anregt. Diese Unstätigkeit ihres Wesens bekundet sich auch durch Aeußerungen ihres Wohlbehagens oder Misfallens, mit denen sie nicht kargen. Eben höchst zufrieden mit ihrem Schicksale, anscheinend glücklich über die Liebkosungen, welche ihnen von Freundeshand werden, grinsen sie im nächsten Augenblicke selbst ihren Gebieter an, thun ängstlich, als ob es ihnen an Hals und Kragen ginge, oder fletschen die Zähne und versuchen zu beißen. Sie sind geistig ebenso viel Nager wie Affe, haben mit beiden Reiz- und Erregbarkeit gemein, ermangeln jedoch der Eigenartigkeit, welche jeder höher stehende Affe bekundet, ähneln sich vielmehr geistig ebenso wie leiblich. Der eine handelt genau wie der andere: nicht einmal Verschiedenheit der Art bedingt einen merklichen Unterschied des Wesens und Gebarens. Aengstlich, mistrauisch, verschlossen, kleinlich und vergeßlich, handelt der Krallenaffe gleichsam ohne Selbstbewußtsein, den Eingebungen des Augenblicks willenlos sich hingebend, das eben Erstrebte nicht mehr beachtend, falls irgend ein anderes Bild dem Auge sich bietet. Er besitzt alle Eigenschaften eines Feiglings: die klägliche Stimme, die ersichtliche Unfähigkeit oder Unwilligkeit, in Unvermeidliches sich zu fügen, die jammerhafte Hinnahme aller Ereignisse, die krankhafte Sucht, jede Handlung eines anderen Geschöpfes auf sich zu beziehen, das eifrige Bestreben, bald zu prahlen, bald sich zurückzuziehen, die Unstätigkeit im Ausdrucke wie in der Stellung, im Wollen wie im Vollbringen. Dieser ewige Wechsel von einem zum anderen, welcher sich in jeder Bewegung wie in dem Gebaren ausspricht, hat etwas höchst Unbehagliches und Unangenehmes und verringert die Zahl ihrer Freunde wesentlich.

Verschiedene Früchte, Samen, Pflanzenblättchen und Blüten bilden einen Haupttheil der Nahrung unserer Aeffchen; nebenbei aber stellen sie mit dem größten Eifer allerlei Kleingethier nach, Kerbthiere, Spinnen und dergleichen kleinen Wirbelthieren unzweifelhaft bevorzugend, diese aber ebenfalls nicht verschmähend. Jedenfalls sind sie mehr als alle übrigen Affen Raubthiere, d. h. fressen mehr als letztere thierische Stoffe neben den pflanzlichen.

In ihrer Heimat scheint die Fortpflanzung der Krallenaffen nicht an eine bestimmte Zeit sich zu binden, denn man sieht jahraus jahrein Alte mit ihren Jungen. Das Weibchen bringt in der Regel ebenfalls nur ein einziges Kind zur Welt, zuweilen aber deren zwei und selbst drei. Dann befestigt sich das eine von diesen auf dem Rücken, das andere an der Brust, und eins um das andere saugt abwechselnd. Auch unterstützen sich, wie wir von Gefangenen wissen, beide Geschlechter gegenseitig in der Last der Erziehung ihrer Jungen. Das Männchen wird von dem Weibchen aufgefordert, zeitweilig eines von den Kindern zu schleppen und scheint dies auch ohne Anstand zu thun. Die Jungen sind bei ihrer Geburt nicht größer als Hausmäuse, jedoch bereits ganz behaart und wie alle jungen Affen geistig verhältnismäßig ziemlich entwickelt.

Als die schlimmsten Feinde der schmucken Geschöpfe werden die Raubvögel genannt. Den Baumkatzen entgehen sie oft, Dank ihrer Schnelligkeit und Behendigkeit und ihrer vorsichtigen Auswahl der Schlafstellen; vor den Adlern und Falken dagegen gibt es keine Flucht. Unzählige fallen diesen gefährlichen Räubern zur Beute: ihr Tagleben ist eigentlich nur ein Kampf um Sein oder Nichtsein. Der Mensch stellt ihnen weniger ihres Nutzens als ihrer leichten Zähmbarkeit halber nach. Ihr Fleisch wird zwar von den Eingeborenen gegessen, aber dem anderer Affen nachgestellt; das Fell findet nur ausnahmsweise Verwerthung, indem man es zu Mützen verarbeitet, oder sonstwie zu Verbrämungen benutzt. Um so häufiger sieht man Krallenaffen als Gefangene in den Hütten der Indianer und den Wohnungen der Südamerikaner europäischer Abkunft. Man bemächtigt sich der Jungen wie der Alten, ersterer, indem man sie den getödteten Müttern abnimmt, letzterer, indem man sie mit schwach vergifteten Pfeilen schießt und dann in der bereits angegebenen Weise wieder zu heilen sucht, oder aber, indem man eine Fischreuse mit Bananen oder anderen ihrer Lieblingsfrüchte ködert und auf den Bäumen anbringt, welche regelmäßig von ihnen besucht werden. Sie kriechen durch die enge Oeffnung in das Innere und fallen rettungslos in die Gewalt des Fängers, da sie wegen der nach einwärts gerichteten, trichterförmig angeordneten, spitzigen Stöcke einen Ausweg sich nicht zu bahnen wissen. Nach der Versicherung des Prinzen von Wied fängt man in dieser Weise oft mehrere in einer und derselben Reuse. Es spricht gegen den Verstand der Krallenaffen, daß sie in einer so plumpen Falle sich fangen lassen.

Im Anfange ihrer Gefangenschaft sind alle Krallenaffen geradezu unleidliche Geschöpfe. Ihr grenzenloses Mistrauen bekundet sich gegen Jedermann, und es währt sehr lange, bevor sie sich daran gewöhnen können, den sie pflegenden Menschen anders als ihren Feinden gegenüber sich zu betragen. Als hervorragende Züge des Wesens treten zunächst nur überaus große Aengstlichkeit und machtloser Jähzorn hervor, beide fast in ununterbrochenem Wechsel. Später mildert sich der letztere einigermaßen, und stille Traurigkeit tritt an seine Stelle. Der Eingeborene läßt sich hierdurch nicht im geringsten beirren; er behandelt auch dieses wenig versprechende Geschöpf von Anfang an mit der ihm eigenen Geschicklichkeit und beharrlichen Freundlichkeit und gewinnt ihm nach und nach wirklich Vertrauen ab. Junge Krallenaffen werden von den Indianerinnen gewöhnlich im Haare getragen, wahrscheinlich in der Absicht, ihnen die fehlende Mutter zu ersetzen; ältere erhalten ihre Stätte im Busen der sorgsamen Frauen. Auch gibt man sie größeren Affen, Klammer-, Woll- und Rollschwanzaffen in die Pflege. Wie diese in den Affenhäusern unserer Thiergärten ohne Widerstreben der Bemutterungssucht eines liebedürftigen Pavianweibchens sich fügen, lassen sich Krallenaffen gern von größeren Verwandten tragen, überwachen und beherrschen. Auch unaufgefordert klammern sie sich an dem Rücken der stärkeren Familiengenossen fest, deren Gutmüthigkeit solcher Hingebung nicht zu widerstehen vermag, und nach geraumer Zeit sind beide ein Herz und eine Seele. Der mistrauische Krallenaffe erkennt in dem größeren seinen Pfleger und Beschützer, dieser in jenem einen Schützling, welcher der Leitung durch einen erhabenen Geist dringend bedarf. Anfänglich versucht er vielleicht die ungewohnte Last von sich abzuschütteln, später ruft er den Pflegling sehnsüchtig herbei, wenn dieser zeitweilig sich entfernte. Daß ein Krallenaffe unter solcher Leitung sehr bald einen guten Theil seines Mistrauens verliert, läßt sich begreifen: so viel Verstand besitzt er doch, um einen Wohlthäter von anderen Wesen zu unterscheiden. Dies macht schließlich auch dann sich bemerklich, wenn ein Krallenaffe ausschließlich in menschlicher Gesellschaft lebt und von bestimmten Leuten gut, noch besser, wenn er zärtlich behandelt wird. Bates versichert, eines unserer Aeffchen gesehen zu haben, welches ebenso spiellustig wie ein Kätzchen war, mit den Kindern im Hause und außerhalb desselben umherlief und sehr wohl wußte, daß es in ihnen seine besten Freunde hatte, da es sich gegen Fremde anders benahm, beispielsweise es nicht leiden wollte, wenn sich Jemand in die Hängematte setzte. Aehnliche Beobachtungen werden von Allen gemacht, welche Krallenaffen mild und zärtlich behandeln.

Das gewöhnliche Futter, welches man den frisch Gefangenen reicht, sind süße Früchte, namentlich Bananen. Daran, daß alle Krallenaffen mindestens ebenso viele thierische als Pflanzenstoffe fressen, denken weder die Europäer noch die Indianer; letztere aber gestatten, wie bemerkt, ihren Gefangenen eine größere Freiheit und ermöglichen es ihnen daher, mit den ihnen fehlenden Stoffen sich zu versorgen, während erstere sie in engem Gewahrsam zu halten pflegen. Hierin sehe ich den hauptsächlichsten Grund der sonst unbegreiflichen Hinfälligkeit und Sterblichkeit dieser Thiere auch in ihrer Heimat und noch mehr während der Seereise. Von den zahllosen Krallenaffen, welche man längs der ganzen Ostküste Brasiliens den Fremden anbietet, gelangt nur ein sehr geringer Bruchtheil lebend nach Europa. Die meisten der hierher zurückreisenden Europäer kaufen sich solche Aeffchen, füttern sie unterwegs aber, laut Hensel, nur mit süßem Gebäck und Zucker oder sperren sie haufenweise in so kleine Käfige, daß sie sich kaum rühren können. »Berücksichtigt man«, sagt dieser Forscher, »nun noch die wahrhaft nervöse Aengstlichkeit der dummen Thierchen, welche deswegen unter allen Affen die langweiligsten sind und außer ihrer Niedlichkeit nichts Empfehlendes besitzen, so wird man sich wohl nicht wundern dürfen, daß sie die Gefangenschaft so schlecht ertragen.« In Brasilien und auch bei uns zu Lande hält man alle Krallenaffen für besonders hinfällig, namentlich in hohem Grade empfindlich gegen die Kälte. Weder das eine noch das andere aber ist thatsächlich begründet. Bei geeigneter Pflege, also wenn man ihnen Kerbthiere nicht vorenthält, ihnen wenigstens Fleisch oder Eier zum Ersatze derselben reicht, halten sie sich sehr gut, wie ja schon daraus hervorgeht, daß sie bei uns durchaus nicht selten sechs bis acht Jahre ausdauern und sich fortpflanzen. Auffallenderweise versichern alle Reisenden, daß letzteres in Brasilien selbst nicht geschehe, und bestätigen damit nur, daß man die Aeffchen drüben nicht gebührend zu pflegen weiß. Wäre mangelnde Wärme ihnen wirklich in so hohem Grade verderblich, als man anzunehmen pflegt, so würde hier zu Lande kein einziger Krallenaffe längere Zeit ausdauern, und müßte er sich im Gegentheile in Brasilien vortrefflich halten: sie sterben aber unter der Pflege von Europäern in ihren Heimatsländern verhältnismäßig in viel größerer Anzahl als in Europa, selbst in den kälteren Theilen unseres heimatlichen Erdtheiles, können auch, wie wir durch bestimmte Thatsachen nachzuweisen vermögen, ohne allen Schaden sogar empfindliche Kälte ertragen. Im Frankfurter Thiergarten hält man sie während des Sommers ohne Bedenken im Freien und bringt sie nur in den Wintermonaten in erwärmte Räume; in den Thierschaubuden müssen sie oft noch weit mehr aushalten. Reichenbach erzählt, daß ihm während eines sehr kalten Winters aus einer Thierschaubude ein Saguin zum Ausstopfen zugesendet wurde. »Derselbe war steif gefroren, lebte aber alsbald in der warmen Stube wieder auf, indem er zuerst mit den Füßen zuckte, dann leicht zu athmen begann und nach und nach wieder alle Bewegungen übte, so daß er nach zwei Stunden der Besitzerin als ihr wiedererwachter Liebling zurückgegeben werden konnte. Mehrere Personen sind bei diesem Vorfalle Zeugen gewesen.« Diese Erfahrung beweist, daß die Krallenaffen auch in dieser Hinsicht an die Nager erinnern, und ebenso, mehr als jede längere Auseinandersetzung, daß die Hinfälligkeit, über welche allseitig geklagt wird, nicht in der geringen Wärme zu suchen ist. Mit welcher Leidenschaft alle in der gewöhnlichen Weise gepflegten, d. h. nur mit Früchten und Süßigkeiten, bestenfalls mit Milchbrod ernährten Krallenaffen über das zu ihrer Erhaltung Fehlende herfallen, erfährt man, wenn man ihnen Kerbthiere, namentlich Maikäfer reicht. Sie lassen dann augenblicklich alles Uebrige, auch die nach Ansicht ihrer Pfleger leckerste Speise stehen, stürzen sich mit Hast auf die ersehnte Nahrung und fressen davon, so viel sie können. Ich rathe deshalb jedem Thierfreunde, welcher an diesen, für mich wenig anziehenden Geschöpfen Vergnügen findet und sie längere Zeit am Leben erhalten, wo möglich zur Fortpflanzung schreiten sehen will, aus Vorstehendem sich die Nutzanwendung zu ziehen.

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