Edgar Wallace
Der grüne Bogenschütze
Edgar Wallace

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23

Julius hatte alle seine Aufträge ausgeführt und eilte nun durch den dunklen Park zum Dorf. Zu seiner Beruhigung fand er Spike Holland mit einem anderen Herrn beim Billardspiel.

»Er will mich sprechen?« fragte Spike. »Ist er denn verrückt geworden?«

»Hören Sie einmal zu, Holland. Denken Sie vor allen Dingen daran, daß Sie niemals mit mir gesprochen haben, wenn der Alte Sie fragt.«

»Ach was, seien Sie still,« sagte Spike müde. »Um was handelt es sich denn? Will er mich zum Abendessen in die Burg einladen?«

»Ich weiß nicht, aber er ist nicht ganz normal heute.«

»Ist irgend etwas passiert?« fragte Spike, als sie zusammen durch den Park gingen.

»Nein,« erwiderte Julius schnell. Er wollte den merkwürdigen Eindruck verschweigen, den Valerie Howetts Name auf den Alten gemacht hatte.

Er klopfte und drückte die Klinke der Bibliothekstür nieder, aber sie war geschlossen. Die dicke, starke Eichentür und die schweren Portieren ließen Bellamys Stimme nicht in die Halle dringen.

»Ich vermute, daß er noch telephoniert. Ich mußte eine Verbindung nach Limehouse für ihn bestellen, bevor ich ins Dorf ging.«

Spike schaute bewundernd zu den Gewölben der hohen Eingangshalle mit den kühn geschwungenen Rippen empor. Die große, breite Steintreppe war noch dieselbe wie zu den Zeiten der ersten de Curcys, nur war sie jetzt mit breiten Teppichen bedeckt.

»Wohin führt diese Tür?« fragte er. Julius erklärte es ihm.

»Das ist mein Zimmer. Dahinter liegt der Speisesaal, der nur von mir benützt wird. Dann gibt es dort noch ein Arbeitszimmer, das aber niemals möbliert worden ist.«

»Wo ist der Hausmeister?« fragte Spike, als er sich plötzlich daran erinnerte, daß er die Bekanntschaft dieses Mannes machen wollte.

»Er wird das Essen für den Alten holen, ich kann ihn jetzt nicht rufen.«

Die Tür wurde aufgeschlossen, und Abel Bellamy erschien in der Öffnung.

»Kommen Sie sofort herein, Holland. Savini, Sie brauchen nicht zu warten, ich werde Ihnen klingeln, wenn ich Sie brauche.« Damit schloß er die Tür hinter Spike, der sich sehr wunderte.

»Ich habe noch einmal alles überlegt und überdacht, Holland,« sagte der Alte, der wirklich guter Laune zu sein schien. »Es tut mir leid, daß ich Sie neulich so vor den Kopf gestoßen habe. Wenn ich Ihnen irgendwelche Auskünfte über diesen verfluchten grünen Spuk geben kann, dann fragen Sie mich bitte. Ich kann Ihnen sagen, daß es ein sehr lebendiger Geist ist. Ich fand heute morgen meine beiden Hunde betäubt in der Halle liegen.«

»Ist er denn wieder in Ihr Zimmer gekommen?«

Bellamy nickte.

Spike erzählte ihm nicht, daß er das schon wußte.

»Wo wohnen Sie eigentlich, Holland?«

»Ich habe mein Quartier in dem alten Dorfgasthaus, im ›Blauen Bären‹, aufgeschlagen.«

»Das ist ja schön. Nehmen Sie bitte eine Zigarre. Sie sind nicht so gut wie die Sorte, die ich in London hatte; sie werden Ihnen den Appetit nicht verderben!«

Spike wählte sich eine Zigarre und war neugierig, aus welchem Grund Bellamy ihn eigentlich aus Garre hatte kommen lassen.

»Haben Sie sich mit der Bevölkerung im Dorfe schon ordentlich angefreundet? Haben Sie genügend Nachrichten von den Kaufleuten und anderen gesammelt, um meine Lebensgeschichte zu schreiben? Es sind doch ganz nette Menschen?«

»Ach ja, sie sind ganz nett.«

»Wer ist denn eigentlich der Bewohner von Lady's Manor? Kommt wohl auch aus Amerika – wie? Habe gehört, daß er eine sehr schöne Tochter hat.«

»Sie ist wunderhübsch,« gab Spike zu.

»Kennen Sie sie gut? Haben Sie sie schon drüben in Amerika gekannt?«

»Ich bin nicht aus der Gegend von Philadelphia, ich stamme aus New York.«

Bellamy nickte.

»Alle guten Zeitungsleute kommen aus New York,« sagte er, obwohl dieses Kompliment ihn beinahe erstickt hätte. »Vermutlich interessiert sich die junge Dame – wie ist doch gleich ihr Name – Valerie Howett – auch für die Burg? Hat sie noch nicht danach gefragt und will sie nicht allerhand darüber wissen?«

»Ich könnte nicht sagen, daß sie besonderes Interesse dafür an den Tag gelegt hat. Sie ist vollständig mit der Einrichtung von Lady's Manor beschäftigt.«

Bellamy schien etwas enttäuscht zu sein.

»Es wäre doch ganz natürlich, wenn sie sich für die alte Burg interessierte. Hier sitze ich nun, ein alter rauher Amerikaner, und lebe in einer Burg, die tausend Jahre alt ist. Hat sie denn niemals den Wunsch geäußert, das Schloß hier zu sehen?«

»Möglich, daß sie das getan hat,« sagte Spike obenhin.

»Ja, dann bringen Sie sie doch mal hierher, Holland. Sagen Sie, sie soll mich einmal besuchen, ich würde mich sehr darüber freuen. Wie geht es denn ihrem Vater?«

»Soviel ich weiß, ganz gut.«

»Ich habe eine Ahnung, als ob ich ihn irgendwie kennen müßte,« meinte Bellamy nachdenklich. »Ein kurzsichtiger Mann – er hatte immer mit den Augen zu tun.«

»Er ist auch jetzt noch sehr kurzsichtig. Ich glaube, Miß Howett erzählte mir, daß er früher einmal nahezu blind war.«

»Schon gut. Wollen Sie ihr meine Botschaft ausrichten? Sie brauchen sich ja nicht gerade die Mühe zu machen, sie deswegen besonders aufzusuchen. Aber wenn Sie sie zufällig sehen, dann teilen Sie ihr doch bitte mit, was ich Ihnen gesagt habe.«

»Das will ich tun.« Spike erkannte an Bellamys Ton, daß die Unterhaltung zu Ende sei und daß der Auftrag, den er soeben erhalten hatte, der eigentliche Grund war, weshalb er ihn hatte holen lassen.

»Sie kommen doch als Zeitungsmann wahrscheinlich mit vielen armen Leuten zusammen, Holland, wie?«

Bellamy steckte die Hand in die Tasche und zog ein Bündel zusammengedrückter Banknoten heraus. Er glättete zwei und legte sie auf den Tisch. »Wenn Sie jemand sehen, dem Sie mit Hundert unter die Arme greifen können, dann nehmen Sie dieses Geld ruhig dazu.«

Spike sah ihn an und lächelte.

»Ich begegne keinen Menschen, die schlechtes Geld haben wollen, Mr. Bellamy. Sollte es aber doch der Fall sein, so kann ich sie ja zu Ihnen selbst schicken. Ich trage kein fremdes Geld in meiner Tasche.«

»Nun gut, dann betrachten Sie es als Ihr eigenes.«

»Ich betrachte nur das Geld als mein Eigentum, das ich mir selbst verdiene.«

Abel Bellamy zuckte mit den Schultern, nahm die Banknoten und steckte sie in seine Tasche zurück.

»Wie Sie wollen,« sagte er dann und klingelte.

Spike erwartete nun, daß der Hausmeister erscheinen werde, aber Julius Savini kam herein.

»Führen Sie Mr. Holland zum Tor, Savini, und kommen Sie dann zu mir zurück. Gute Nacht, Holland.«

»Was wollte er denn von Ihnen?« fragte Julius, als sie aus Hörweite waren. »Fragte er nicht, ob ich Ihnen etwas gesagt hätte –« begann er ängstlich.

»Das Sonderbarste war, daß er von Ihnen überhaupt nicht sprach. Ich kann gar nicht verstehen, wie es möglich war, daß wir zehn Minuten miteinander redeten, ohne Sie zu erwähnen – aber es war so.«

»Was wollte er?« beharrte Savini, der nicht empfindlich war.

»Er wollte sich mir von einer wohltätigen und menschenfreundlichen Seite zeigen, und ich bin nur neugierig, welch einen teuflischen Plan er dabei im Schilde führt. Ich wünschte nur, ich hätte diesen Hausmeister gesehen,« fügte er nachdenklich hinzu.


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