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Am anderen Morgen schien die Sonne, und das war schon gut. Die Arbeit hielt der nüchternen Betrachtung des Morgens stand, und das war noch besser.
Um die Mittagszeit, ehe Christian heimkehrte, läutete das Telephon, und eine Männerstimme, die Constanze nicht gleich erkannte, fragte nach ihr.
»Hier bin ich selbst«, sagte sie und wunderte sich, daß sie jetzt immer gleich Herzklopfen bekam. Es war aber nur Robert Flemming, und sie dachte lächelnd an Anna und ihren Vorschlag, der ihr nicht entsprach.
»Ich hab euch Ewigkeiten nicht gesehen«, sagte das Telephon.
»Ja, leider«, erwiderte Constanze ehrlich.
»Ihr habt viel zu tun?«
»Danke, ja …«
»Warum kommt ihr nicht mehr zu mir heraus?«
Constanze sah in diesem Augenblick das kleine braune Holzhaus in Grainau, die lustigen blauen Fensterläden – die breite Couch für die Gäste – die geliebte, mächtige Tanne auf dem Abhang und den Blick auf die Zugspitze. Ihr Herz schmerzte förmlich vor Sehnsucht.
»Ach ja – ich weiß auch nicht …«
»Kommt nächstes Wochenende!« bat die Stimme von neuem.
»Ich käme schon allzugern, aber ob Christian kann …«
»Was heißt kann?«
»Nun – er hat viel zu tun, arbeitet jetzt oft sonntags.«
»Dann komm allein!«
Zögern –
»Es tut dir auch gut – einmal heraus – die herrliche Luft hier oben – die klaren Tage jetzt, es wäre wirklich nett! Übrigens hätte ich auch gern einmal etwas mit dir besprochen …«
»Schön – also ich komme. Ich habe dir auch etwas Nettes zu berichten.«
»Desto besser, – desto besser …«
»Adios!«
Constanze legte den Hörer auf die Gabel. Das war nett und freundschaftlich von Robert, daß er sie hinausbat. Sie erinnerte sich der vielen fröhlichen Stunden, die sie gemeinsam mit dem Freunde verbracht hatten, der Skitouren, der Wanderungen. Das hatte im letzten Jahre fast aufgehört – seit – ja – seit Elena da war.
Und wenn sie nun allein hinausfuhr am Sonntag – ach, es war gleichgültig – dadurch hielt man einen Mann nicht, daß man seine Schritte bewachte, ihn nie allein ließ. Ihre Gedanken schweiften zurück zur letzten Nacht, in der er so spät heimgekehrt war.
Es sind nur noch zehn Tage bis zu meiner Reise nach Warschau, überlegte sie erschreckt. Sie eilte zu ihrem Schreibtisch und beorderte die Goldschmiedearbeiten, die ihr für die Ausstellung geeignet erschienen und die verstreut in Deutschland standen oder die Gebrauchsgegenstände verwöhnter Kunden waren. Eile tat not, wenn die Arbeiten rechtzeitig bei der Kommission in Berlin eintreffen sollten, die die Ausstellung beschickte.