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Achtunddreißigstes Kapitel

Wie ein Feldherr sein muß, wenn sein Heer Vertrauen auf ihn setzen soll.

Wie oben gesagt, S. voriges Kapitel. stand Valerius Corvinus mit seinem Heer den Samnitern, den neuen Feinden Roms gegenüber. Um seine Soldaten zuversichtlich und mit dem Feinde bekannt zu machen, ließ er sie einige leichte Gefechte liefern. Nicht zufrieden damit, hielt er ihnen vor der Schlacht eine Ansprache und bewies ihnen mit den triftigsten Gründen, wie wenig sie sich aus diesen Feinden zu machen brauchten, wobei er die Tapferkeit seiner Soldaten und auch die eigne betonte. Aus den Worten, die Livius VII, 32, vor der Schlacht am Berge Gaurus (343 v. Chr.). ihm hier in den Mund legt, läßt sich erkennen, wie ein Feldherr sein muß, auf den das Heer sich verlassen soll. Tum etiam intueri, cuius ductu auspicioque ineunda pugna sit: utrum qui audiendus dumtaxat magnificus adhortator sit, verbis tantum ferox, operum militarium expers; an qui et ipse tela tractare, procedere ante signa, versari media in mole pugnae sciat. Facta mea, non dicta vos milites sequi volo, nec disciplinam modo, sed exemplum etiam a me petere, qui hac dextra mihi tres consulatus summamque laudem peperi. (Denn ihr müßt auch darauf sehen, unter wessen Führung und Leitung ihr in den Kampf zieht: ob der, den ihr anhört, bloß ein prächtiger Redner ist, in Worten tapfer, aber unerfahren in Kriegstaten, oder ob er selbst mit dem Speer umzugehen, sich an die Spitze zu stellen und sich mitten ins Getümmel zu werfen versteht. Meinen Taten, Soldaten, nicht meinen Worten sollt ihr folgen; nicht nur Kriegslehren, sondern auch ein Beispiel sollt ihr von mir fordern, der sich mit dieser Rechten drei Konsulate und den höchsten Ruhm erworben hat.) Genau erwogen, lehren diese Worte jeden, wie er verfahren muß, um ein Feldherr zu werden. Wer anders handelt, oder wer durch Ehrgeiz oder Glück zum Feldherrn wurde, wird bald merken, daß er keinen Ruf gewinnt, sondern ihn verliert. Denn nicht der Titel macht den Mann, sondern der Mann den Titel. Vgl. Plutarch, Moralia, Praecepta gerendae rei publicae, XV.

Der Anfang dieses Kapitels führt auch noch auf eine andre Betrachtung. Wenn nämlich große Feldherren außerordentliche Mittel anwandten, um den Mut alter Soldaten zu stählen, die mit einem ungewohnten Feind kämpfen sollten, so ist noch viel mehr Geschick nötig, wenn man ein neues Heer befehligt, das noch nie vor dem Feinde gestanden hat. Denn jagt ein ungewohnter Feind schon einem alten Heer Schrecken ein, so muß jeder Feind ein neues Heer mit noch viel größerem Schrecken erfüllen. Dennoch hat man oft gesehen, daß gute Feldherren aller dieser Schwierigkeiten mit größter Klugheit Herr wurden, wie der Römer Gracchus S. Buch III, Kap. 13, Abs. 3. und der Thebaner Epaminondas, S. Buch 1, Kap. 17 und 21. von denen wir früher sagten, daß sie mit neuen Truppen ganz alte, geübte Heere schlugen. Ihre Mittel waren, die Soldaten an Gehorsam und Kriegszucht zu gewöhnen und sie einige Monate in Scheingefechten zu üben; hierauf gingen sie mit größter Zuversicht zur wirklichen Schlacht über. Kein Kriegsmann braucht daher zu verzweifeln, sich ein gutes Heer zu bilden, wenn es ihm nur nicht an Leuten fehlt. Denn ein Fürst, der Überfluß an Menschen und Mangel an Soldaten hat, darf sich nicht über die Feigheit der Menschen, sondern allein über seine eigne Trägheit und Unklugheit beklagen.


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