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Viele Schriftsteller, darunter der sehr gewichtige Plutarch, Moralia, De Fortuna Romanorum. sind der Meinung gewesen, die Römer hätten die Eroberung ihres Reiches mehr dem Glück als ihrer Tapferkeit zu danken gehabt. Unter andern Gründen führt er an, das römische Volk habe dies selbst zugestanden, da es der Fortuna mehr Tempel erbaut habe als irgendeiner andern Gottheit. Auch Livius scheint sich dieser Ansicht anzuschließen, denn selten läßt er einen Römer von der Tapferkeit reden, ohne das Glück zu erwähnen. Ich kann das durchaus nicht zugestehen und glaube auch nicht, daß es sich verfechten läßt. Hat nie eine Republik solche Fortschritte gemacht wie Rom, so kommt das daher, daß nie eine Republik so zur Eroberung eingerichtet war wie Rom. Es war die Tapferkeit seiner Heere, die ihm die Herrschaft gewann, und seine eigne, von seinem ersten Gesetzgeber erfundene Methode, die ihm das Erworbene erhielt, wie unten in mehreren Abhandlungen ausführlich gezeigt werden soll. Jene Schriftsteller sagen, es wäre dem Glück, nicht der Tapferkeit Roms beizumessen, daß es nie in zwei wichtige Kriege zugleich verwickelt war. Denn der Krieg mit den Latinern brach erst aus, als Rom die Samniter zwar nicht niedergeworfen hatte, aber doch zu deren Verteidigung Krieg führen mußte. Mit den Etruskern kämpfte Rom nicht eher, bevor es die Latiner unterjocht und die Samniter durch viele Niederlagen fast ganz entkräftet hatte. Hätten sich zwei dieser Mächte frisch und ungeschwächt gegen Rom vereinigt, so wäre die römische Republik ziemlich sicher zugrunde gegangen. Doch woher es auch kommen mag, nie hatten die Römer zwei wichtige Kriege auf einmal zu führen; vielmehr scheint es immer, daß beim Ausbruch des einen der andre erlosch und beim Erlöschen des einen ein andrer entstand. Das ergibt sich ganz deutlich aus der Reihenfolge ihrer Kriege. Übergehen wir die, die vor der Zerstörung Roms durch die Gallier stattfanden, so sehen wir, daß sich während der Kriege mit den Äquern und Volskern, 389-77 v. Chr. solange diese Völker mächtig waren, nie andre Feinde erhoben. Nach ihrer Bezwingung brach der Samniterkrieg aus. Der erste Samniterkrieg 343-41 v. Chr., der große Latinerkrieg 340-38, der zweite Samniterkrieg 326-304, der dritte 298-90. Wenn sich auch noch vor seiner Beendigung die Latiner gegen die Römer empörten, so standen die Samniter damals doch wieder mit Rom im Bunde und halfen ihm mit ihrem Heere den Übermut der Latiner brechen. Nachdem diese bezwungen waren, fing der Krieg mit Samnium wieder an. Als die Kraft der Samniter durch viele Niederlagen gebrochen war, entstand der Krieg mit den Etruskern, 299-98. Die Etrusker kämpften aber auch dauernd im Bund mit den Galliern und Samnitern gegen Rom. nach dessen Beilegung sich die Samniter von neuem erhoben, als Pyrrhus in Italien landete. Nachdem dieser geschlagen und nach Griechenland zurückgeworfen war, begann der erste punische Krieg. Kaum war dieser beendet, so verschworen sich alle Gallier diesseits und jenseits des Apennins gegen die Römer und erlitten zwischen Popolonia und Pisa, wo heute der Turm von San Vincenti steht, eine schwere Niederlage. Schlacht bei Telamon, 225 v. Chr. Nach Beendigung dieses Krieges führten die Römer 20 Jahre lang keinen Krieg von Belang, denn sie kämpften nur mit den Liguriern und den Überresten der Gallier in der Lombardei. So blieb es bis zum Anbruch des zweiten punischen Krieges, der Italien 16 Jahre lang zu schaffen machte. Als er auf das ruhmvollste beendigt war, entstand der mazedonische Krieg, Das trifft nicht ganz zu, denn der erste mazedonische Krieg (212-206) war ein Teil des zweiten punischen Krieges, nach dessen Beendigung der zweite mazedonische Krieg (200-197) ausbrach. Der dritte (171-168) fand vor dem dritten punischen Krieg statt, der vierte nach dessen Beendigung (148-146). dann der mit Antiochos 192-188 v. Chr. und Asien. Nachdem auch dieser siegreich beendet war, blieb in der ganzen Welt kein Fürst und keine Republik, die allein oder vereint der römischen Macht widerstehen konnten.
Betrachtet man die Reihe dieser Kriege bis zum letzten Sieg und die Art, wie die Römer verfuhren, so wird man mit dem Glück stets ausnehmende Tapferkeit und Klugheit gepaart sehen. Geht man den Ursachen dieses Glückes nach, so wird man sie leicht finden. Denn es ist eine ausgemachte Sache, daß, wenn ein Fürst oder ein Volk zu so großem Ansehen gelangt ist, sich jede benachbarte Macht wohl hütet, es seinerseits anzugreifen und sich vor ihm fürchtet. Somit wird es nie einer ohne Not angreifen. Es steht also gleichsam in der Wahl dieses mächtigen Volkes, mit welchem seiner Nachbarn es Krieg führen will, während es die andern durch Unterhandlungen beruhigt. Und diese beruhigen sich leicht, teils aus Rücksicht auf seine Macht, teils durch die Mittel getäuscht, mit denen es sie einzuschläfern sucht. Die andern, entlegneren Mächte, die nicht in Verkehr mit ihm stehen, betrachten diese Dinge als etwas Fernliegendes, das sie nichts angeht. In diesem Irrtum verharren sie so lange, bis der Brand näher kommt, und dann haben sie kein andres Löschmittel als ihre eigne Kraft, die nicht mehr hinreicht, da der Feind bereits zu mächtig geworden ist. Ich will nicht dabei verweilen, wie die Samniter der Niederwerfung der Volsker und Äquer durch das römische Volk ruhig zusahen, und um nicht weitschweifig zu werden, nur Karthago anführen. Zur Zeit der Kriege der Römer mit den Samnitern und Etruskern waren die Karthager sehr mächtig und standen in hohem Ansehen. Sie besaßen ganz Afrika, Sardinien und Sizilien und einen Teil von Spanien. Infolge dieser Macht und ihrer Entfernung von den römischen Grenzen dachten sie nie daran, Rom anzugreifen, noch den Samnitern oder Etruskern beizustehen. Vielmehr betrugen sie sich gegen Rom, wie man sich stets gegen aufstrebende Mächte beträgt: sie verbanden sich mit ihm zu seinem Vorteil und suchten seine Freundschaft. Und sie erkannten ihren begangenen Fehler erst, als die Römer alle zwischen Rom und Karthago wohnenden Völker unterworfen hatten und mit ihnen um die Herrschaft Siziliens und Spaniens zu kämpfen begannen. Ebenso wie den Karthagern erging es den Galliern, ebenso dem König Philipp von Mazedonien Philipp III. von Mazedonien (220-197 v. Chr.) schloß 215 v. Chr. infolge der Schlacht bei Cannae ein Bündnis mit Hannibal gegen Rom, unterstützte ihn aber nur lau und verlor 197 v. Chr. durch die Niederlage bei Kynoskephalae die Herrschaft. und dem Antiochos. Wenn das römische Volk mit einem andern zu tun hatte, glaubte jeder von ihnen, dieser andre werde es überwinden und es sei noch Zeit genug, sich durch Krieg oder Verträge vor ihm zu schützen. Ich glaube daher, daß jeder Fürst, der wie Rom verführe und die gleiche Tapferkeit besäße, auch das gleiche Glück haben würde.
Ich müßte bei dieser Gelegenheit auch zeigen, auf welche Weise die Römer in fremde Länder eindrangen, habe jedoch in meiner Abhandlung vom Fürsten »Der Fürst«, Kap. 3-7. schon ausführlich darüber gesprochen. Ich will nur kurz anführen, daß sie sich in den neuen Ländern stets einen Verbündeten zu gewinnen suchten, der ihnen behilflich war, in das Land einzudringen und es nachher zu behaupten. So drangen sie mit Hilfe der Capuaner in Samnium ein, mit Hilfe der Camertiner in Etrurien, der Mamertiner in Sizilien, der Sagunter in Spanien, des Masinissa in Afrika, der Ätolier in Griechenland, des Eumenes und andrer Fürsten in Asien, der Massilier und Äduer in Gallien. Die Capuaner bildeten den Anlaß zum ersten Samniterkrieg (343-341 v. Chr.). Vgl. Buch II, Kap. 9, und Livius VII, 29 ff. – Im Krieg gegen die Etrusker (310 v. Chr.) hatte sich ein etruskisch sprechender Römer mit den Einwohnern von Camerinum ins Einvernehmen gesetzt, bei denen der Konsul Quintus Fabius Rullianus Unterstützung bei seinem Zug durch den Ciminischen Wald fand. Vgl. Buch III, Kap. 49, und Livius IX, 36. – Die Mamertiner, Söldner des Agathokles von Syrakus, hatten nach dessen Tod Messana besetzt und die Römer gegen den neuen Herrscher Hiero um Schutz angerufen (265 v. Chr.). – Die Sagunter riefen 226 v. Chr. die Römer gegen Hannibal zu Hilfe. – Während des Krieges in Spanien mit den Karthagern (210-206 v. Chr.) suchte Scipio die numidischen Könige Masinissa und Syphax zu sich herüberzuziehen, in der Absicht, sich Bundesgenossen für einen Krieg in Afrika zu schaffen. Vgl. XXVIII, 16 f., 35. – Mit Hilfe der Ätolier siegte der Prokonsul Titus Quinctius Flamininus 197 v. Chr. bei Kynoskephalae über Philipp III. von Mazedonien. Vgl. Livius XXXIII, 7-10. – König Eumenes von Pergamon hatte 172 v. Chr. die Römer zum Krieg gegen König Perseus von Mazedonien gedrängt, der bei Pydna (168 v. Chr.) sein Reich verlor. Vgl. Livius XXXV, 13. – Die griechische Kolonie Massilia (Marseille), seit dem zweiten punischen Kriege Bundesgenossin der Römer, hatte diese 125 v. Chr. gegen die Salluvier und Vocontier zu Hilfe gerufen. Nach dem Sieg bei Aquae Sextiae (123 v. Chr.) wandten sich die Römer gegen die Allobroger und machten sich 122 die Äduer zu Bundesgenossen. Vgl. Livius XXI, 20-26, und Cäsars »Gallischen Krieg«, Buch I.] Niemals fehlte es ihnen an solchen Unterstützungen zur leichteren Eroberung und Behauptung dieser Länder. Völker, die ebenso handeln, werden sehen, daß sie weniger Glück nötig haben als solche, die dies nicht tun. Damit nun jeder recht deutlich sieht, wieviel mehr ihre Tapferkeit als ihr Glück zur Eroberung ihres Reiches beitrug, will ich im folgenden Abschnitt zeigen, mit was für Völkern sie zu kämpfen hatten, und wie hartnäckig diese ihre Freiheit verteidigten.