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Zehntes Kapitel

Geld ist nicht der Nerv des Krieges, wie man gewöhnlich annimmt.

Da jeder einen Krieg nach Belieben anfangen, nicht aber beenden kann, so muß ein Fürst, ehe er an ein solches Unternehmen geht, seine Kräfte messen und danach handeln. Er muß aber so klug sein, daß er sich über seine Kräfte nicht täuscht, und er wird sich jedesmal täuschen, wenn er sie nach dem Geldvorrat, der Lage des Landes oder der Zuneigung seiner Untertanen bemißt, andrerseits aber keine eigne Kriegsmacht hat. Die genannten Dinge steigern seine Kräfte zwar, aber sie geben ihm keine. An und für sich sind sie nichts und helfen ohne ein treues Heer gar nichts. Denn ohne dieses reicht viel Geld nicht hin, die gesicherte Lage des Landes nützt nichts, und die Treue und Anhänglichkeit der Untertanen ist nicht von Dauer, weil sie nicht treu sein können, wenn man sie nicht verteidigen kann. Gebirge, Seen, unzugängliche Orte werden zur Ebene, wenn es an tapferen Verteidigern fehlt. Auch das Geld verteidigt dich nicht etwa, sondern bewirkt nur, daß du schneller beraubt wirst. Es kann daher nichts Falscheres geben als das Sprichwort: Geld ist der Nerv des Krieges.

Dies Wort sagt Quintus Curtius vom Kriege des Mazedoniers Antipater mit dem König von Sparta, Antipater, Feldherr Alexanders des Großen, schlug den König Agis III. (388-330) von Sparta in der Schlacht bei Megalopolis (330), in der dieser fiel. wo er erzählt, der König sei durch Geldmangel zu einer Schlacht gezwungen und geschlagen worden. Hätte er den Kampf um ein paar Tage hinausgeschoben so wäre die Nachricht vom Tode Alexanders nach Griechenland gelangt, und er wäre ohne Schwertstreich Sieger geblieben. Da es ihm aber an Geld fehlte, fürchtete er, von seinem Heere verlassen zu werden, und war gezwungen, das Schlachtenglück zu versuchen. Aus diesem Grunde behauptet Curtius, Geld sei der Nerv des Krieges.

Dies Wort wird täglich angeführt und von Fürsten ohne genügende Einsicht befolgt. Denn im Vertrauen darauf halten sie einen vollen Schatz zu ihrer Verteidigung für hinreichend und bedenken nicht, daß, wenn Schätze zum Siegen genügten, Darius den Alexander besiegt hätte, die Griechen die Römer, in unsrer Zeit Karl der Kühne die Schweizer, S. Seite 269, Anm. 73. und daß es ganz vor kurzem dem Papst und den Florentinern nicht schwergefallen wäre, Francesco Maria, den Neffen des Papstes Julius II., im Krieg gegen Urbino zu besiegen. Leo X. (Medici) wollte Francesco Maria della Rovere, den Neffen seines Vorgängers Julius II., vertreiben, um Lorenzo Medici an seine Stelle zu setzen. Dies gelang ihm zweimal (s. Lebenslauf, 1516 und 17) mit Hilfe von Florentiner Truppen, doch wurde der Vertriebene 1521 beim Tode Leos X. vom Volke zurückgerufen. Alle hingegen wurden von denen besiegt, die nicht Geld, sondern gute Soldaten für den Nerv des Krieges hielten. Unter andern Dingen, die König Krösos von Lydien dem Solon zeigte, war auch ein unermeßlicher Schatz. Als er ihn fragte, was er von seiner Macht hielte, entgegnete Solon, er halte ihn dieses Schatzes wegen nicht für mächtiger, denn Krieg werde mit Eisen, nicht mit Gold geführt, und es könnte einer kommen, der mehr Eisen hätte als er, und ihm sein Gold nehmen. Als nach dem Tode Alexanders des Großen eine große Zahl von Galliern nach Griechenland und von da nach Asien zog und Gesandte zum König von Mazedonien zum Zweck von Verhandlungen schickte, zeigte ihnen der König viel Gold und Silber, um seine Macht zu beweisen und sie einzuschüchtern. Bei diesem Anblick brachen die Gallier, die den Vergleich so gut wie geschlossen hatten, die Verhandlungen ab: solches Verlangen ergriff sie, ihm das Gold abzunehmen. So wurde der König durch das beraubt, was er zu seiner Verteidigung aufgehäuft hatte. Vor wenigen Jahren verloren die Venezianer ihr ganzes Gebiet, obwohl ihr Staatsschatz noch gefüllt war. S. Lebenslauf, 1509.

Ich sage daher, nicht Gold, wie die gewöhnliche Meinung lautet, sondern gute Soldaten sind der Nerv des Krieges; denn Geld reicht nicht hin, gute Soldaten zu schaffen, wohl aber reichen gute Soldaten hin, Geld zu schaffen. Hätten die Römer mehr mit Geld als mit Eisen Krieg führen wollen, so hätten bei der Größe ihrer Unternehmungen und den dabei zu überwindenden Schwierigkeiten alle Schätze der Welt nicht ausgereicht. Da sie aber ihre Kriege mit Eisen führten, litten sie nie Mangel an Geld, denn die, die sie fürchteten, brachten es ihnen bis in ihr Lager. Wenn jener spartanische König aus Geldmangel das Kriegsglück versuchen mußte, so widerfuhr ihm infolge des Geldmangels das gleiche, was oftmals aus andern Ursachen geschieht. Denn wenn einem Heere die Lebensmittel fehlen und es nur die Wahl zwischen Schlacht und Hungertod hat, so entscheidet man sich stets für die Schlacht, als den rühmlicheren Teil, bei dem man auch immer noch Glück haben kann. Auch das kommt oft vor, daß ein Feldherr angesichts einer Verstärkung, die dem feindlichen Heere naht, lieber die Schlacht wagt, als die Verstärkung abzuwarten und dann mit ungleich größerem Nachteil zu kämpfen. Ferner ersieht man aus dem, was dem Hasdrubal zustieß, als er in der Mark von Claudius Nero und dem andern Konsul angegriffen wurde, S. Buch III, Kap. 17. Gemeint ist die Schlacht am Metaurus (207 v. Chr.) im alten Umbrien, der jetzigen Mark. daß ein Feldherr, zur Flucht oder Schlacht gezwungen, immer die Schlacht wählt, da er bei diesem Entschluß, so mißlich er sei, immer noch auf Sieg hoffen kann, bei dem andern aber durchaus verloren ist. Es können also mancherlei Umstände einen Feldherrn gegen seinen Willen zur Schlacht nötigen, und darunter kann bisweilen auch die Geldnot sein. Deshalb aber darf man nicht glauben, das Geld sei im Kriege wichtiger als alles, was die Menschen in diese Notwendigkeit versetzen kann.

Nicht das Geld also, um es nochmals zu wiederholen, ist der Nerv des Krieges, sondern gute Soldaten. Geld ist wohl an zweiter Stelle nötig, aber gute Soldaten können seinen Mangel von selbst überwinden. Denn guten Soldaten kann es ebensowenig an Geld fehlen, wie das Geld an sich gute Soldaten schafft. Die Wahrheit dieses Satzes zeigt die Geschichte jedes Landes tausendfach. Obwohl Perikles den Athenern zum Kriege mit dem ganzen Peloponnes riet, weil sie durch Geschicklichkeit und die Macht des Geldes den Krieg gewinnen könnten, und obschon die Athener im peloponnesischen Krieg mehrmals siegten, verloren sie ihn zuletzt doch, denn die Klugheit und die guten Soldaten Spartas vermochten mehr als die Geschicklichkeit und das Geld Athens. Der Kronzeuge für meine Meinung aber ist Titus Livius. Bei seiner Erörterung, IX, 17 ff. ob Alexander der Große, wenn er nach Italien gekommen wäre, die Römer besiegt hätte, nennt er drei Dinge, die im Kriege erforderlich sind: viele gute Soldaten, einsichtige Feldherren und Glück. Nachdem er untersucht hat, ob die Römer oder Alexander hierin den Vorzug hatten, zieht er seinen Schluß, ohne das Geld zu erwähnen.

Als die Campanier von den Sidicinern gebeten wurden, die Waffen für sie gegen die Samniter zu ergreifen, müssen sie ihre Macht wohl nach dem Gelde und nicht nach den Soldaten abgeschätzt haben. Denn nachdem sie den Beschluß gefaßt hatten, ihnen beizustehen, erlitten sie zwei schwere Niederlagen und mußten sich zu ihrer Rettung den Römern tributpflichtig machen.


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