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Ich will nicht unterlassen, über die Kämpfe zu sprechen, die Rom vom Tode der Tarquinier bis zur Einführung des Tribunats durchzumachen hatte. Auch will ich einiges gegen die verbreitete Meinung anführen, Rom sei eine aufrührerische Republik und so voller Wirren gewesen, daß es jedem andern Freistaat nachgestanden hätte, wären diese Mängel nicht durch sein Glück und seine kriegerische Tüchtigkeit ausgeglichen worden. Daß das Glück und das Kriegswesen Roms Ursachen seiner Weltmacht waren, leugne ich nicht, aber man scheint zu übersehen, daß da, wo ein gutes Kriegswesen ist, auch gute Ordnung sein muß, und daß es da auch selten an Glück fehlt. Doch kommen wir zu den besonderen Eigentümlichkeiten Roms!
Mir scheint, wer die Kämpfe zwischen Adel und Volk verdammt, der verdammt auch die erste Ursache für die Erhaltung der römischen Freiheit. Wer mehr auf den Lärm und das Geschrei solcher Kämpfe sieht als auf ihre gute Wirkung, der bedenkt nicht, daß in jedem Gemeinwesen die Gesinnung des Volkes und der Großen verschieden ist und daß aus ihrem Widerstreit alle zugunsten der Freiheit erlassenen Gesetze entstehen. Auch bei Rom läßt sich das leicht erkennen. Denn von den Tarquiniern bis zu den Gracchen, in einem Zeitraum von über dreihundert Jahren, hatten diese Kämpfe in Rom selten Verbannungen zur Folge und noch seltener Blutvergießen. Man kann sie also weder für schädlich noch einen Staat für innerlich zerklüftet halten, wenn durch diese Zwistigkeiten in einem so langen Zeitraum nur acht bis zehn Bürger verbannt, noch weniger hingerichtet und nicht viele zu Geldstrafen verurteilt wurden. Ebensowenig kann man eine Republik schlecht eingerichtet nennen, die so viele Beispiele an Tugend aufzuweisen hat. Denn gute Beispiele entstehen aus guter Erziehung, diese aus guten Gesetzen und die guten Gesetze aus jenen Kämpfen, die viele unüberlegt verdammen. Wer ihr Ergebnis genau prüft, wird finden, daß sie keine Verbannung oder Gewalttat zum Schaden des öffentlichen Wohles, wohl aber Gesetze und Einrichtungen zum Besten der Freiheit hervorriefen.
Man könnte zwar einwenden, das sei eine ungewöhnliche, fast wilde Art, wie das ganze Volk gegen den Senat und der Senat gegen das Volk schrie, wie es durch die Straßen tobte, die Kaufläden geschlossen wurden, das ganze Volk aus Rom auszog, Auf den Heiligen Berg, 494 v. Chr. lauter Dinge, die beim Lesen freilich erschrecklich klingen. Aber jeder Staat muß seine Mittel und Wege haben, dem Ehrgeiz des Volkes Luft zu machen, besonders die Staaten, die sich bei wichtigen Dingen des Volkes bedienen wollen. So war es in Rom Sitte, daß das Volk, wenn es ein Gesetz durchsetzen wollte, entweder eins von den genannten Dingen tat oder den Kriegsdienst verweigerte, so daß man es durch Zugeständnisse beschwichtigen mußte. Auch sind die Forderungen freier Völker selten der Freiheit schädlich, denn sie entstehen entweder aus der Unterdrückung selbst oder aus der Furcht, unterdrückt zu werden. Und ist diese Furcht falsch, so gibt es ein Mittel dagegen in den Volksversammlungen, wo ein wohlgesinnter Mann aufsteht und dem Volk in einer Rede seinen Irrtum zeigt. Die Völker sind zwar unwissend, wie Cicero sagt, aber für die Wahrheit empfänglich und geben leicht nach, wenn ein vertrauenswürdiger Mann ihnen die Wahrheit sagt. Man sollte also mit dem Tadel der römischen Regierungsform sparsamer sein und bedenken, daß die vielen guten Wirkungen, die von diesem Staat ausgingen, nur aus guten Ursachen entspringen konnten. Waren jene Kämpfe die Ursache zur Einsetzung der Volkstribunen, so verdienen sie höchstes Lob. Das Volk erhielt dadurch nicht nur seinen Anteil an der Regierung, sondern die Tribunen waren auch zu Hütern der römischen Freiheit eingesetzt, wie im nächsten Kapitel gezeigt werden soll.