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Fünfzehntes Kapitel

Schwache Staaten sind in ihren Entschlüssen stets schwankend und langsame Entschließungen stets schädlich.

Aus demselben Gegenstand, dem Ausbruch des Krieges zwischen Latium und Rom, kann man auch lernen, daß es bei jeder Beratung gut ist, der Sache auf den Grund zu kommen und nicht immer in Schwanken und Ungewißheit zu bleiben. Das zeigt sich deutlich bei der Beratung der Latiner, als sie mit den Römern brechen wollten. Die Römer hatten nämlich von der Mißstimmung der Latiner erfahren. Um sich der Sache zu vergewissern und zu versuchen, ob sie dies Volk nicht ohne Waffengebrauch wiedergewinnen könnten, forderten sie es auf, acht Bürger nach Rom zu schicken, da sie sich mit ihnen zu beraten hätten. Die Latiner, die sich vieler Handlungen gegen den Willen Roms bewußt waren, hielten auf diese Botschaft hin Rat, wer nach Rom gehen und was der Gesandte sagen solle. Da man im Rate darüber stritt, ergriff der Prätor Annius das Wort und sagte: Ad summam rerum nostrarum pertinere arbitror, ut cogitetis magis quid agendum nobis, quam quid loquendum sit. Facile erit, explicatis consiliis, accommodare rebus verba. Livius VIII, 4. (Ich glaube, das Wichtigste für uns ist, zu bedenken, was wir tun, nicht was wir reden sollen. Haben wir uns über unsre Absichten verständigt, so werden sich die Worte zu der Sache leicht finden lassen.)

Diese Worte sind unstreitig sehr wahr und sollten von jedem Fürsten und jeder Republik beherzigt werden. Denn im Schwanken und in Ungewißheit über das, was geschehen soll, kann man nicht die rechten Worte finden, ist aber die Seele fest entschlossen und bestimmt, was geschehen soll, so ist es ein leichtes, die Worte dafür zu finden. Ich hebe diesen Punkt um so lieber hervor, je öfter ich bemerkt habe, daß solche Unentschlossenheit die öffentlichen Geschäfte zum Schaden und zur Schande unsrer Republik oft beeinträchtigt hat. Immer aber wird man in mißlichen Lagen, wo ein herzhafter Entschluß nötig ist, diese Unsicherheit finden, wenn schwache Männer zu beraten und zu beschließen haben.

Nicht weniger schädlich als die Unentschlossenheit sind auch die langsamen und späten Entschlüsse, zumal wenn man sich zugunsten eines Verbündeten entschließen soll; denn durch Langsamkeit hilft man keinem und schadet sich selber. Solche Entschlüsse entstehen entweder aus Kleinmut oder Schwäche oder auch aus der Böswilligkeit derer, die den Entschluß fassen, wenn jemand aus persönlicher Leidenschaft den Staat umzustürzen oder einen seiner Wünsche zu befriedigen sucht und zu diesem Zweck den Beschluß hinhält oder hintertreibt. Denn gute Bürger werden, auch wenn sie sehen, daß eine Volkslaune zu einem verderblichen Entschluß neigt, nie die Beschlußfassung hindern, zumal in unaufschiebbaren Dingen.

Nach der Ermordung des Tyrannen Hieronymus von Syrakus, 214 v. Chr. Vgl. Livius XXIV, 28. während des großen Krieges zwischen Rom und Karthago, gerieten die Syrakusaner in Streit, ob sie ein Bündnis mit den Römern oder den Karthagern schließen sollten. Die Leidenschaft der Parteien war so groß, daß kein Beschluß zustandekam, bis Apollonides, einer der ersten in Syrakus, in einer klugen Rede darlegte, daß weder die Parteinahme für die Römer noch für die Karthager zu tadeln sei; wohl aber sei die Unentschlossenheit und das Zaudern zu verabscheuen, denn in diesem Schwanken sähe er den völligen Untergang der Republik; sei dagegen ein Entschluß gefaßt, gleichgültig welcher, so könne man etwas Gutes hoffen. Besser als hier hätte Livius nicht zeigen können, wie verderblich die Unentschlossenheit ist.

Auch im Fall der Latiner beweist er es. Als diese nämlich die Lavinier Richtiger die Lanuvier. Die Stadt heißt heute Cività Lavinia. um Beistand gegen Rom gebeten hatten, zauderten sie so lange mit ihrem Entschluß, daß ihre Truppen gerade zum Tor hinausgerückt waren, als die Nachricht von der Niederlage der Latiner eintraf. Ihr Prätor Milonius sagte daher: »Dieser kurze Weg wird uns bei den Römern teuer zu stehen kommen.« Hätten sie sich früher entschlossen, den Latinern beizustehen oder nicht beizustehen, so hätten sie im letzteren Fall die Römer nicht gereizt, und im ersten Fall hätten sie, mit Hilfe zur rechten Zeit, durch den Zuwachs ihrer Streitkräfte den Sieg herbeiführen können. Durch Zaudern aber mußten sie in jedem Fall verlieren, wie es ja auch geschah. In der Schlacht am Vesuv, 340 v. Chr. Hätten die Florentiner sich dies zur Lehre dienen lassen, so hätten die Franzosen ihnen nicht so viel Schaden und Verdruß bereitet, wie es beim Zuge König Ludwigs XII. von Frankreich gegen den Herzog von Mailand der Fall war. S. Lebenslauf, 1499. Als nämlich der König wegen seines Zuges verhandelte, schlug er Florenz einen Vertrag vor, und die Florentiner Gesandten beim König kamen mit ihm überein, daß die Republik neutral bleiben, der König ihr aber bei seinem Zug nach Italien ihren Besitz garantieren und sie in Schutz nehmen sollte. Die Stadt erhielt einen Monat Zeit zur Ratifikation. Diese aber wurde durch die Unklugheit derer, die Ludwig begünstigten, so lange hinausgeschoben, bis der König seine ersten Siege erfocht. Als Florenz sich jetzt bereit zeigte, nahm der König die Ratifikation nicht mehr an, da er sah, daß Florenz gezwungen und nicht freiwillig seine Freundschaft suchte. Das kostete Florenz viel Geld und fast seine Freiheit, wie es später aus ähnlichen Gründen wirklich geschah. 1512 bei der Zurückführung der Medici durch die Spanier. Dies Verfahren, war um so verwerflicher, als man auch dem Herzog Ludwig damit nicht diente; denn hätte er gesiegt, so hätte er Florenz seine Feindschaft noch ganz anders gezeigt als der König. Ich habe zwar schon früher S. Buch 1, Kap. 38 gezeigt, wie schädlich diese Schwäche den Republiken ist, wollte aber aus Anlaß dieses neuen Ereignisses nochmals darauf hinweisen, zumal es mir für Republiken wie die unsre sehr beachtenswert scheint.


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