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Als in Rom eine verheerende Pest wütete, 463 v. Chr. S. Livius III, 6. glaubten die Volsker und Äquer die Zeit gekommen, Rom niederzuwerfen. Sie brachten daher ein gewaltiges Heer auf, griffen die Latiner und Herniker an und verwüsteten ihr Land, so daß diese gezwungen wurden, in Rom Beschwerde zu führen und um Schutz zu bitten. Die durch die Seuche bedrängten Römer gaben zur Antwort, sie sollten sich selbst mit den eignen Waffen verteidigen, denn Rom könnte ihnen nicht helfen. Hieraus erkennt man den hohen Sinn und die Klugheit des Senats. Immer wollte er, im Glück wie im Unglück, Herr der Beschlüsse seines Volkes bleiben, und er schämte sich nicht, etwas gegen seinen Brauch oder gegen frühere Beschlüsse zu tun, wenn es die Notwendigkeit gebot. Der Senat hatte nämlich früher jenen Völkern verboten, zu ihrer Verteidigung zu den Waffen zu greifen. Ein weniger kluger Senat hätte sich also etwas zu vergeben vermeint, wenn er ihnen die Selbstverteidigung erlaubte. Allein er beurteilte die Dinge stets richtig und ergriff immer die am wenigsten schlimme Maßregel als die beste. Denn er sah wohl ein, daß es ein Übel war, seine Untertanen nicht verteidigen zu können, ein Übel, daß sie ohne die Römer zu den Waffen griffen, aus den angeführten Gründen sowohl wie aus vielen andern, die naheliegen. Nichtsdestoweniger sah er voraus, daß sie in ihrer Not unfehlbar zu den Waffen greifen würden, da sie den Feind auf dem Halse hatten, und so wählte er das ehrenvollere Teil und erlaubte ihnen, das zu tun, was sie doch tun mußten, damit sie vom notgedrungenen Ungehorsam nicht zum mutwilligen übergingen. Man sollte nun zwar glauben, daß jede Republik dies Verfahren einschlagen müßte, und doch verstehen schwache und schlecht beratene Republiken nicht, sich dazu zu entschließen und in diesem Fall aus der Not eine Tugend zu machen.
Der Herzog von Valentinois Cäsar Borgia war 1498 vom König Ludwig XII. von Frankreich zum Herzog von Valentinois ernannt worden. Er eroberte 1501 Faënza. (S. Lebenslauf, 1501.) Florenz mußte ihn für ein Jahresgehalt von 36 000 Dukaten zum Feldhauptmann nehmen. hatte Faënza erobert und Bologna zu einem Vergleich gezwungen. Als er dann durch Toskana nach Rom zurückkehren wollte, schickte er einen Gesandten nach Florenz und verlangte freien Durchzug für sich und sein Heer. In Florenz beriet man sich, was in der Sache zu tun sei, aber keiner riet, es ihm zu gestatten. Man folgte hierin also nicht dem römischen Muster. Denn da der Herzog ein starkes Heer hatte und die Florentiner so wenig gerüstet waren, daß sie ihm den Durchzug nicht verwehren konnten, war es weit ehrenvoller für sie, daß er mit ihrer Erlaubnis durchzog als mit Gewalt. Die Schande, die nun ganz auf sie fiel, wäre geringer gewesen, wenn sie anders gehandelt hätten.
Allein die schlimmste Seite der schwachen Republiken ist ihre Unentschlossenheit. Alle Entschlüsse fassen sie nur aus Not, und wenn sie einmal etwas Gutes tun, so tun sie es gezwungen und nicht aus Klugheit. Ich will dafür noch zwei andre Beispiele anführen, die sich in unsrer Stadt Florenz im Jahre 1500 zutrugen. Nachdem König Ludwig XII. von Frankreich Mailand zurückerobert hatte, wollte er auch Pisa in seine Gewalt bringen, um die 50 000 Dukaten zu erhalten, die ihm die Florentiner für die Rückgabe dieser Stadt versprochen hatten. Pisa war 1405 in die Abhängigkeit von Florenz geraten und hatte 1494 beim Einmarsch der Franzosen das lästige Joch abgeschüttelt. In den folgenden Jahren machte Florenz zahlreiche vergebliche Versuche, die Stadt zu erobern; erst 1509 gelang die Einnahme nach langer Belagerung. Machiavellis Anteil daran s. Lebenslauf, 1509. Er schickte daher sein Heer gegen Pisa unter der Führung des Herrn von Beaumont, der zwar Franzose war, aber das Vertrauen der Florentiner in hohem Maße besaß. Das Heer rückte zwischen Cascina und Pisa vor, um die Stadtmauern anzugreifen, und brachte ein paar Tage mit den Vorbereitungen zum Sturm zu. Da kamen Abgeordnete aus Pisa zu Beaumont und boten ihm an, die Stadt den Franzosen unter der Bedingung zu übergeben, daß er im Namen des Königs verspräche, sie nicht vor vier Monaten an die Florentiner auszuliefern. Dieser Vorschlag wurde von den Florentinern durchaus verworfen; die Belagerung nahm ihren Fortgang und wurde mit Schanden abgebrochen. Und zwar verwarf Florenz den Vorschlag nur deshalb, weil es dem Wort des Königs mißtraute, während es sich doch aus Unüberlegtheit vollkommen in seine Hände gegeben hatte. Florenz traute ihm also nicht, sah aber nicht ein, wieviel besser es gewesen wäre, wenn der König in den Besitz von Pisa gelangt und es dann an Florenz abgetreten, oder wenn er dies nicht tat, seine Gesinnung offenbart hätte, während er die Rückgabe nun versprechen konnte, ohne Pisa zu besitzen, und Florenz dies bloße Versprechen erkaufen mußte. Viel besser hätte Florenz getan, wenn es in die Besetzung Pisas durch Beaumont unter jeder Bedingung gewilligt hätte, wie es die Erfahrung mit Arezzo im Jahre 1502 zeigte. Damals hatte sich Arezzo empört, und der König von Frankreich hatte Herrn von Imbault mit französischen Truppen den Florentinern zu Hilfe gesandt. S. Lebenslauf, 1502. Vor Arezzo angelangt, begann er bald mit den Einwohnern zu verhandeln, und diese wollten ihm die Stadt unter gewissen Bedingungen, ähnlich wie Pisa, übergeben. Der Vorschlag wurde in Florenz verworfen. Als Herr von Imbault dies sah und es ihm schien, daß die Florentiner nichts von der Sache verständen, setzte er die Verhandlungen ohne Teilnahme der Florentiner Kommissare fort und schloß einen Vertrag nach seinem Gutdünken ab, worauf er mit seinen Truppen in Arezzo einzog. Den Florentinern ließ er sagen, sie seien Toren und verstünden nichts von den Dingen der Welt; wollten sie Arezzo haben, so sollten sie sich an den König wenden, der es ihnen weit leichter geben könnte, wenn seine Truppen in der Stadt wären, als wenn sie draußen ständen. In Florenz wurde Imbault heruntergerissen und geschmäht, und erst später sah man ein, daß, wenn Beaumont wie Imbault gehandelt hätte, man Pisa wie Arezzo bekommen hätte.
Um also zu unserm Satz zurückzukommen, fassen unentschlossene Republiken immer nur notgedrungen gute Entschlüsse, weil ihre Schwäche sie nie zur Entscheidung kommen läßt, solange der geringste Zweifel besteht. Wird dieser Zweifel nicht durch äußere Gewalt behoben, so schwanken sie stets hin und her.