Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreizehntes Kapitel

Auf wen mehr Verlaß ist, auf einen guten Feldherrn mit einem schlechten Heer oder auf ein gutes Heer mit einem schlechten Feldherrn.

Als Coriolan aus Rom verbannt war, S. Buch I, Kap. 7, Anm. 23. ging er zu den Volskern, warb ein Heer und rückte gegen Rom, um sich an seinen Mitbürgern zu rächen, zog aber mehr aus Pietät gegen seine Mutter als wegen der römischen Streitkräfte wieder ab. Livius II, 39. bemerkt hierzu, man ersehe daraus, daß die römische Republik mehr durch die Tüchtigkeit ihrer Feldherrn als ihrer Soldaten groß geworden sei. Denn die Volsker wären früher stets besiegt worden und hätten nur das eine Mal, wo Coriolan sie führte, gesiegt. Obwohl Livius dieser Meinung ist, sieht man doch aus vielen Stellen seiner Geschichte, daß die Soldaten auch ohne Feldherrn Wunder der Tapferkeit verrichteten, ja, daß sie, wenn die Konsuln gefallen waren, besser geordnet blieben und tapfrer fochten als vorher. So konnte das römische Heer, das unter den Scipionen in Spanien focht, sich nach dem Verlust beider Anführer Publius und Gnejus Scipio fielen 212 v. Chr. im Kampf gegen Hannibals Brüder Hasdrubal und Mago nicht nur durch seine Tapferkeit retten, sondern auch den Feind besiegen und das Land der Republik erhalten. Bei genauer Prüfung wird man viele Beispiele finden, wo nur die Tapferkeit der Soldaten die Schlacht gewann, und viele andre, wo allein die Tüchtigkeit der Feldherrn den Sieg errang. Man kann also den Schluß ziehen, daß der Feldherr so sehr des Heeres bedarf, wie umgekehrt.

Wohl aber kann man zunächst fragen, was mehr zu fürchten sei, ein gutes Heer mit einem schlechten Feldherrn oder ein guter Feldherr mit einem schlechten Heer. Nach Cäsars Meinung braucht man weder auf das eine noch auf das andre viel zu geben. Als er nämlich in Spanien gegen Afranius und Petrejus focht, die ein gutes Heer hatten, sagte er, er mache sich wenig daraus: quia ibat ad exercitum sine duce (weil er gegen ein Heer ohne Feldherrn zöge), womit er auf die Unfähigkeit der Feldherrn deutete. Als er dagegen nach Thessalien gegen Pompejus zog, sagte er: vado ad ducem sine exercitu. Sueton, Julius Cäsar, 34. (Ich gehe gegen einen Feldherrn ohne Heer.)

Ferner kann man fragen, ob ein guter Feldherr sich leichter ein gutes Heer bilden oder ob ein gutes Heer sich leichter einen tüchtigen Feldherrn schaffen könne. Ich antworte: diese Frage scheint schon entschieden; denn viele Gute werden leichter einen Guten finden oder heranbilden als einer viele. Als Lucullus gegen Mithridates gesandt wurde, war er im Krieg ganz unerfahren. Trotzdem machte ihn das gute Heer, das viele treffliche Führer besaß, bald zum guten Heerführer. Aus Mangel an Leuten bewaffneten die Römer eine Menge Sklaven und ließen sie durch Sempronius Gracchus ausbilden, der in kurzer Zeit ein gutes Heer aus ihnen machte. Tiberius Sempronius Gracchus schlug im zweiten punischen Kriege den Hanno 214 v. Chr. bei Benevent mit Sklavenlegionen. Vgl. Livius XXIV, 16. Nachdem Pelopidas und Epaminondas, wie wir andernorts sagten, S. Buch I, Kap. 17 und 21. Theben vom Joch Spartas befreit hatten, machten sie in kurzer Zeit aus den thebanischen Bauern die besten Soldaten, die dem Heer der Spartaner nicht allein widerstanden, sondern es besiegten. So steht die Sache gleich, denn wenn ein Teil gut ist, kann er den andern dazu machen.

Allerdings pflegt ein gutes Heer ohne einen guten Feldherrn übermütig und gefährlich zu werden, wie das mazedonische Heer nach dem Tode Alexanders und die Veteranen nach den Bürgerkriegen. Daher glaube ich, daß man sich mehr auf einen Feldherrn verlassen kann, der Zeit hat, seine Leute auszubilden, und Gelegenheit, sie in den Waffen zu üben, als auf ein übermütiges Heer mit selbstgewähltem, aufrührerischem Anführer. Doppelten Ruhm verdienen daher die Feldherren, die nicht nur den Feind zu besiegen, sondern sich vorher ein tüchtiges Heer heranzubilden hatten, denn hier zeigt sich ein doppeltes und so seltenes Verdienst, daß viele, denen diese schwierige Aufgabe gestellt worden wäre, weniger geschätzt und gepriesen würden, als es jetzt geschieht.


 << zurück weiter >>