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Einundzwanzigstes Kapitel

Die Römer schickten ihren ersten Prätor nach Capua, als sie schon vierhundert Jahre Krieg geführt hatten.

Wir haben oben S. Buch II, Kap. 6. hinlänglich erörtert, wie ganz anders die Römer bei ihren Eroberungen verfuhren als die Mächte, die in unserer Zeit ihre Herrschaft ausdehnen. Allen Städten, die sie nicht zerstörten, sogar denen, die sich ihnen nicht als Bundesgenossen, sondern als Untertanen ergaben, erlaubten sie, nach eignen Gesetzen zu leben, und sie ließen keine Zeichen ihrer Herrschaft darin zurück. Sie erlegten ihnen nur gewisse Bedingungen auf, bei deren Erfüllung sie ihre Verfassung und Würde behalten durften. Dies Verfahren behielten die Römer so lange bei, bis sie sich über die Grenzen Italiens ausbreiteten und die Staaten und Reiche in Provinzen zu verwandeln begannen. Der deutlichste Beweis dafür ist, daß sie ihren ersten Prätor nach Capua sandten, und zwar nicht aus Herrschsucht, sondern auf Bitten der Capuaner, die eines inneren Zwiespalts wegen einen römischen Bürger haben wollten, der sie wieder zur Ordnung und Einigkeit brächte. Nach diesem Beispiel und in der gleichen Notlage baten sich auch die Einwohner von Antium einen Präfekten von Rom aus. Livius sagt über diesen Vorfall und diese neue Regierungsart: Quod iam non solum arma, sed iura Romana pollebant. (Daß nicht nur die römischen Waffen weithin galten, sondern auch das römische Recht). IX, 20 (318 v. Chr.). Das Zitat bei Machiavelli ist ungenau. Man ersieht daraus, wie sehr das Verfahren der Römer ihre Vergrößerung erleichterte. Denn Städte, die an Freiheit gewöhnt sind oder von ihren eignen Landsleuten regiert werden, fügen sich weit williger unter eine Herrschaft, die sie nicht sehen, selbst wenn sie etwas drückend ist, als unter eine, die sie täglich vor Augen haben und die ihnen täglich ihre Knechtschaft vorzuwerfen scheint. Ein zweiter Vorteil für den Herrscher ist der, daß die Richter und Beamten, die in solchen Städten das Zivil- und Strafrecht ausüben, nicht seine Diener sind. Somit kann nie ein Urteil ihm Vorwurf oder Schande bereiten, und damit fallen viele Ursachen zu Verleumdung und Haß gegen ihn fort. Wie wahr das ist, beweist außer vielen alten Beispielen, die sich beibringen ließen, auch ein ganz neues aus Italien. Bekanntlich wurde Genua mehrfach von den Franzosen erobert, und der König schickte jedesmal, außer jetzt, einen Statthalter hin, der in seinem Namen regierte. Nur jetzt Vor 1522, wo Genua von den Kaiserlichen zurückerobert wurde. Vgl. Buch II, Kap. 24. hat er, nicht aus gutem Willen, sondern durch die Not gezwungen, der Stadt ihre eigne Regierung unter einem genuesischen Statthalter belassen. Und fürwahr, wenn man prüfen wollte, welche von beiden Methoden die Herrschaft des Königs mehr sichert und das Volk mehr zufriedenstellt, so wird man unzweifelhaft die letztere gutheißen.

Überhaupt werfen sich einem die Menschen um so eher in die Arme, je weiter man davon entfernt scheint, sie zu unterjochen, und sie fürchten um so weniger um ihre Freiheit, je leutseliger und freundlicher man zu ihnen ist. Diese Freundlichkeit und Großmut bewog die Capuaner, die Römer um einen Prätor zu bitten; hätten die Römer aber die mindeste Lust gezeigt, ihn hinzuschicken, so wären jene sofort eifersüchtig geworden und hätten sich von ihnen abgewandt. Doch warum brauche ich Beispiele aus Capua und Rom zu holen, da sie mir Florenz und Toskana liefert?

Jedermann weiß, seit wie lange Pistoja sich freiwillig unter florentinische Herrschaft begab. 1351. Ebenso weiß jeder, welche Feindschaft zwischen Florenz, Pisa, Lucca und Siena herrschte. Diese Verschiedenheit der Gesinnung kam nicht daher, daß die Einwohner von Pistoja ihre Freiheit weniger schätzten als die andern und sich nicht für ebenso gut hielten, sondern daher, daß sie von Florenz stets als Brüder, die andern aber als Feinde behandelt wurden. So begab sich Pistoja freiwillig unter die Herrschaft von Florenz, die andern aber wehrten und wehrten sich mit allen Kräften dagegen. Zweifellos wäre Florenz heute Herrin von Toskana, hätte es seine Nachbarn durch Bündnisse und Hilfeleistungen zahm, aber nicht widerspenstig gemacht. Damit soll nicht gesagt sein, daß man Waffengewalt gar nicht anwenden solle; man soll sie nur bis zuletzt aufsparen, wenn alle andern Mittel versagen.


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