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Wie das Verdienst zu seiner Bezahlung gelangte
Das Verdienst hatte Schuldner genug: aber sie gaben ihm nichts sondern lobten es blos. Wenn es gegen Weihnachten ein Laus Deo, eine Nota, ein »der Herr geliehen«, eine Rechnung einreichte: so sagte ieder, es könne warten, man müst' es auch. Dabei hatt' es den großen Fehler, den es nie ablegen wollte, daß es von schlechter Herkunft und nicht stiftsfähig war; wie es denn überhaupt eine recht gewöhnliche Fahrlässigkeit der Menschen ist, daß sie ob sie gleich den Schaden davon wissen, doch durch arme und bürgerliche Mütter zur Welt sich bringen lassen: dadurch verrükt sich alles und das Glück solcher Personen wird, mit dem Geburtshelfer zu reden, statt einer leichten Kopfgeburt eine Fußgeburt, eine Steisgeburt. Das Verdienst wollte seinem matten Arme den weltlichen anschienen und brachte seine Sache gerichtlich vor bei den Justizkollegien, bei Vicelandrichtern, bei Gerichtshaltern, bei Registratoren: allein weil ein Rechthandelnder niemals auf so viele Kautelen und Brustwehren denkt als ein Betrüger, so giebt die Kautelariurisprudenz blos diesem gewonnen, und überdas waren alle Richter des Verdienstes zugleich seine Schuldner. Glücklicherweise besann es sich, daß oft geringere Personen ihre Schuldforderungen an Höhere abträten, damit diese sie unter ihren mächtigern Namen und mit ihren längern Händen eintrieben, und hernach die Schuldpost den wahren Gläubigern gegen eine Abzug wieder auslieferten – ich sage glücklicherweise.
Denn das Verdienst hatte einen reichen und vornehmen Wahl- oder Adoptivgrosvater, der weil er zu alt zum Kinderzeugen geworden, das Verdienst zum Wahlenkel erkieset hatte – es war das Unverdienst, das in Paris so sehr gemishandelt wird, daß es die wichtigsten Aemter erst theuer kaufen muß, die es anderswo umsonst erhielte. Das Verdienst suchte bei seinem Grosvater frühmorgens beim Frisiren vorzukommen und meldete beim Eintritt mit wenigem, es wäre dessen Enkel, es sei nun durch Adopzion oder durch Arrogazion. Hierauf hielt es eine der längsten Reden an den frisirten Großvater und flocht mit ein: »ich werde mich nie sehr loben: aber ich muß auch der Welt und dem H. Großvater nicht widersprechen, wenn beide sagen, daß die besten Bücher und Manuskripte in den Bibliotheken der Menschen – die besten Kunstwerke in ihren Kabinetten und Gallerien – die besten Handlungen in der in England herausgekommenen Universalhistorie – die besten ökonomischen Erfindungen vom Korn an bis zum Puder ihres Haars sämmtlich bekannte Geburten meiner wenigen polyhistorischen Gaben und meiner Zunge, Hände, Füsse und Knie sind; welches eben mein Jammer und der Zweck meiner Visite ist: denn für alle diese Expedizionen wollen mir sämmtliche Menschen nichts geben als den öden Bescheid: wenn ich nur Weihrauch hätte, sollt' ich mich genügen lassen und sie würden mir schon alles redlich und ehrlich bezahlen, wenn ich gar verstorben wäre und als Gespenst ohnehin zum Wächter des Geldes, bestellet würde.«
Durch diese Rede wurde das großväterliche Unverdienst dergestalt gerührt, daß es fast zu weinen schien und unterlies; der Enkel rückte nun mit dem Antrage heraus, daß er eine Zession seiner Schuldforderungen in der Schreibstube niederschreiben wollte, wenn der Großvater gütigerweise verspräche, sie alle unter seinem eignen Namen einzufodern. Das Unverdienst verhies es und in ein paar Tagen wurd' es der treue Hebungsbediente und Generalkontrolleur der ganzen Schuldenmasse. Der Eifer ist eben so selten als lobenswerth, womit es unter seinem Namen und mit einem Geize als gieng' es seinen eignen Vortheil an, alles was dem Verdienste zugehörte, einkassirte, welches eben nicht die leichteste Arbeit war. Denn das Unverdienst hatte so viele dem Verdienste zuständige Erbschaften – Heirathsparthien – wichtige Ziviel- und Militairstellen – Pensionen – Diplomen an sich zu bringen, daß es vor dem iüngsten Tage gar nicht daran denken kann, damit fertig zu werden; und es wäre kein Wunder wenn es unter einem solchen Geschäfte und noch mehr unter dem Geschrei der unwissenden Verläumdung, »nun trage das Unverdienst den Lohn des Verdienstes fort,« endlich erläge.
Da die Einfoderung alles dessen, was alle Menschen dem Verdienste zu zahlen haben, wie gesagt, bis an den iüngsten Tag die Hände des Unverdiensts beschäftigen dürfte: so kann sich die Wiederaushändigung an das Verdienst nur eben so lange verspäten, aber nicht länger.
Ueberhaupt bemerk' ich ist die ganze Welt auf ihre förmliche Bekehrung seit einigen Jahrtausenden besonders bedacht, und niemand wird den alten Adam, den Adam selbst schon anhatte, lieber ausziehen als sie, sobald nur der Komet, der diese Erde am iüngsten Tage oder in der iüngsten Nacht an- und ausbrennen soll, wird gewiß da sein: über eine so allgemeine und so wahre Bekehrung werd' ich selber einige Freude bezeugen und daher werden an so einem Tage wenig andere Dinge von mir vorgebracht werden als närrische Bonmots, worunter folgendes von den auferstandnen Rezensenten sowol als von den verwandelten mit dem meisten Beifall angehört werden kann: »endlich langet die säubernde Fleckkugel der besudelten Menschheit und Erdkugel einmal an: aber lieben Christen insgemein, nun müsset ihr euch in ein paar Minuten bekehren.« Der Komet ist natürlicherweise eben die genannte Fleckkugel.