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Mein Auto-da-fee im Kleinen
Während der Leser nicht da war, bracht' ich die Zeit nicht übel zu und hielt mein kleines Autodafee.
Dieses ist eine unbekannte aber sehr glückliche Nachahmung des großen. Das spanische geht bekanntlich auf Tod und Leben und nützet blos durch die Züchtigung derer, die in den wichtigsten Dingen irren, dergleichen z. B. die unbeflekte Empfängniß der Maria ist. Meines aber ist weniger tödlich als schmerzhaft und brät nicht einmal das Vieh. Das höchste, was ich mir darin vergönne, ist daß ich den Inquisiten etwan heftiger als gewöhnlich schlage. Zweitens müssen die Irthümer, mit deren Heimsuchung ich mich befassen soll, ganz unerheblich sein, einen Atheisten, einen Patripassianer etc. feind' ich niemals an, aber ich werde gar wol im Stande sein, einen der z. B. die Meinung hegt, die modischen Uhren seien zu klein und die Hüte zu groß, eine ganze Viertelstunde auszuprügeln, um ihm sie auszustreiten. Ich denke, eben weil das große Inquisizionsgericht nur mit Wahrheiten gemeine Sache macht, deren Verbreitung der Wunsch und das Ziel der ganzen Menschheit ist – ich führte, schon eine zum Beispiel an: – so kann neben ihr noch recht gut ein kleineres bestehen, das mehr über solche wacht, die völlig unwichtig sind und von denen daher ieder und der Großinquisitor denkt, sie seien gar meistentheils vogelfrei. Wie oft dacht' ich, wenn ich in den Visittenzimmern Freidenker über die grösten Kleinigkeiten im Streit und Irthum fand: »diese Kleinigkeiten dürfte eine kleine Inquizion bald aufklären und sie wäre hier gewis in ihrem wahren Fache.« Denn nichts ist ia wol auf unsrem Erdgen, diesem Zwicksteine im Weltgebäude so groß, als Kleinigkeiten.
Besonders den Damen kömmt meine Inquisizion wahrhaft zu Passe: Denn die meisten und grösten Irthümer, mit denen sie sich schleppen, betreffen eben vorzüglich bloße Kleinigkeiten.
Ich schäme mich, es zu bekennen, daß ein Traum die Entstehung meiner kleinen Inquisizion, wie in Portugall die Erneuerung der großen, verursachte. Indessen zwing' ich doch niemand meine Begriffe von dem Traume auf: nur behalt' ich mir es vor, meine eignen unverwehrten Betrachtungen darüber anzustellen, und es von Tag zu Tag nachdenklicher zu befinden, daß es gerade ein Esel war, der mir im Traume aufstieß und mich über die Nothwendigkeit einer kleinen Inquisizion belehrte. Hätt' ich ihn genauer angeschauet: so hätt' ichs aus den Haaren und Ohren leichtlich sehen können, obs der Esel war, der einmal einer Predigt des H. Ammonius mit Bedacht zuhorchte und gewissermassen Verstand hatte. Uebrigens schien sich der Esel bald in die große Inquisizion selber (als kröche aus ihr die kleine,) bald in einen langen Grosinquisitor der beschnitten wäre zu verlieren, so daß ich selber irre wurde; zumal da zulezt sogar mein eigner Verstand die Gestalt des Esels anzunehmen strebte. Man kann sich hier der Bemerkung nicht erwehren, wie wenig der arme Mensch sogar im Traume unvermögend ist, sich in einem dauerhaften und ungekränkten Besitze seines gesunden Verstandes zu behaupten und etwan in Einem fort so lange vernünftig zu bleiben bis er wieder erwacht.
Sonst hieng man in England wöchentlich nur ein paar mal; iezt ist täglich da der jüngste Tag der Räuber. Man hielt mir dieses Beispiel zur Nachahmung vor: allein ich entschuldige mich allzeit gut, wenn ich darauf antworte: »wöchentlich zweimal einen Hundsschlag der Ketzer anzuordnen, ist stets genug; und bleib' ich nur dabei, so werd' ich ganz sicher weder zu viel noch zu wenig für die Wahrheit thun.« Das lezte freitägige Autodafee lief nun folgendermasen ab.
Schon um 8 Uhr morgens, als mir Johann den Thee brachte, hört' ich von diesem: »es wird heute ein sehr starkes Autodafee werden: Melak (das ist mein Büttel) hat wol an die 100 Ketzer aufgegriffen und festgemacht und er bringt stündlich mehrere geschlept.« – »Ist, sagt' ich, der Hundsstall schon voll?« Denn ich habe mir einen vom Oberiägermeister blos zum Besten der Ketzer gemiethet, weil ich nicht wollte, daß so viele Leute unter dem freien Himmel ständen. Mein Bedienter beiate die obige Frage und ich lies dem Melak anbefehlen, alle Ketzer in den Vorsaal der Gerichtsstube hinaufzutreiben.
Es ist nicht unwichtig, daß ich immer glaubte, meine Rolle mit weit grösserem Erfolge zu machen, wenn ich (vermittelst einer metaphorischen Verkleidung) mich stellte, als wär' ich die Wahrheit in Person. Ich must' es noch vom Lyzäo her wissen, daß die Alten die Wahrheit als eine nakte Frau mit einer glänzenden Sonne auf dem Haupte und mit einem Palmzweig in der rechten Hand gebildet: ich zog mich daher eben so an, deckte eine goldpapierne Sonne auf den Kopf, impfte eine lange Spiesgerte in die Hand und that überhaupt das Meinige, um die wahre Wahrheit zu sein, und da die nakte Wahrheit den Damen nicht gefällt, so hatt' ich sogar Hosen an. Ich that meiner Sache dadurch keinen Schaden, daß ich durch den Vorsaal und durch die Ketzer gehend, die linke Hand auf die Brust ausspreizte und mit der rechten die Spiesgerte mit einem Anstande bewegte, der die gröste Ehrerbietung einflössen sollte, und überhaupt wie der Gipsabdruck eines höhern Wesens auszusehen suchte, um es allen Ketzern leicht zu machen, die herliche Göttin der Wahrheit zu erkennen.
Die Papiertapeten der Gerichtsstube sind Blätter, die ich längst aus guten Schutzschriften der Inquisizion und aus orthodoxen intoleranten Werken ausgerissen hatte. Diese Tapeten müssen alle Inquisiten mit Beifall lesen und auf Leitern die ganze Stube durchblättern. Der Gerichtsstuhl worauf ich mich sezen muß, mag vielleicht mit dem Stuhle des Pabstes die gröste Aehnlichkeit haben: aber das kann mir weder der Pabst noch sein Stuhl verdenken; beide sollten erwägen, daß ich eben so unfehlbar wie sie selber bin (wiewol wir dreie es mehr in Glaubenssachen als in historischen sind,) da ich wie ich nicht nur einmal gesagt, die Wahrheit bin und allezeit Recht habe. Ein Tisch neben dem Stuhle breitet vor den Ketzern alle die Gründe aus, mit denen die Wahrheit den Menschen vom Irwahn trennen muß und will, und die mein ganzes Gericht unter dem Namen Hezpeitschen, chirurgische Instrumente etc. seit Jahren gut genug kennt und wenn es noch verkörperte Logik in der Welt giebt, so liegt sie auf meinem Tisch. Neben mir sizt an der Wand der König von Portugal, samt der ganzen königlichen Familie. Weil, dacht ich, dieser große König dem großen Autodafee allzeit sogar in Person beisizt, so würd' es meinem kleinen geringe Ehre bringen, wär' er gar auf keine Weise dabei; ich malte ihn daher zum Spaße an die Wand. Das Gemälde selbst ist ganz gut, und mein erstes und verdienet gleich den ersten Kupferabdrücken vielleicht den schmeichelhaften Beifall der Kenner in iedem Betracht. Seitdem mal' ich öfter und reisse täglich einige Ideale fürstlicher Köpfe ab, die mir offenbar gerathen. Ich misbillige es zwar nicht, daß man die Anmerkungen macht, die Verstandeslosigkeit, die diese meine Ideale verunziert, sei weder ein Bestandtheil der idealischen noch der wirklichen Fürstenköpfe, sondern das wahre Kennzeichen eines ungelenken Zeichenschülers, dessen erste Gesichter gewöhnlich dumm aussehen: allein mich dünkt sehr, dies macht meinen malerischen Kenntnissen schlechte Ehre und ich kann es gar nicht glauben.
Ich sezte mich nieder und trat nach einigen Verbeugungen an den König von Portugal und an die Ketzer das Autodafee, wie gewöhnlich, mit dieser Rede an:
»Meine Herren und Damen.
Ich halte bei allen meinen Autodafeen immer eine und dieselbe Rede: sie kann daher auch heute nicht anders als folgendermaßen lauten: Ich wünschte freilich, mein Anzug, die Sonne auf meinem Haupte und die Spiesgerte die ich hier halte, könnten sie ohne Mühe überzeugen, daß ich nichts anders als die Wahrheit bin: aber es geschieht nicht; denn ieder von Ihnen will nur seinen Irthum, dessenwegen ich ihn einfangen lassen, für die Wahrheit erkennen. Epikur schreibt mit seinem Griffel, die Sinne sind nuncii veri, Boten der Wahrheit: allein hab' ich Ihnen nicht durch zwei Ihrer vernünftigsten Sinne, durch das Auge und Ohr iezt meine Ankunft kund thun lassen? Ich kann also nichts dafür, wenn Sie nicht glauben, daß ich die Wahrheit bin, und es dadurch sich erschweren, es zu begreifen, daß ich allzeit Recht habe und mithin auch iezt, wenn ich das große und das kleine Autodafee so vertheidigen werde:
Die Ketzer sind Thiere in einer menschlichen Gestalt: das sagt Ignazius in seinem 6ten Briefe an die Smyrnäer. Durch diese blosse Metapher – wenn sie nicht mehr ist, da die alten Glossatoren so sehr darauf baueten und gar (und das nicht im Trunke) sagten, Vermischung mit einer Ketzerin wäre offenbare SodomieHommel, Rapsod ad Obs. CCCCXXVI. – bahnte der Kirchenvater eine glückliche Mittelstrasse zwischen dem mordsüchtigen Fanatismus und dem todkalten Indifferentismus. Denn sind die Ketzer Thiere: so gehen die auf der einen Seite völlig fehl, die aus affektirter Gutherzigkeit diese Thiere gar nicht zu schlachten verstatten und den Damen gleichen, die kein Huhn abwürgen können; so straucheln die auf die andere hin, die über das Mitleiden, das diese Thiere nur zu töden aber nicht zu quälen erlaubt, sich grausam hinwegsetzen, und so halten sich nur die im richtigen Wege, die den Thieren oder Ketzern einen pflichtmäßigen aber kurzen Tod anthun, dergleichen ohne Zweifel das Verbrennen ist. Das Töden der Ketzer ist überhaupt nichts anders als die Herrschaft über die Thiere, die den Fürsten nicht durch den Verlust des göttlichen Ebenbildes verloren gieng. Diese Thiere sind das anständigste Gefolge der Christen, wie die Evangelisten in der Begleitung von vier Thieren gehen. Wären sie keine Thiere: so wären sie im Stande, zu schielen und verdorbene Augen zu haben; denn dieses Vorrecht haben die Menschen, zuverlässig wie Plinius behauptetUni animalium, homini oculi depravantur: Plin. H. N. L. XI. C. 37. , oder die Rechtgläubigen; denn ich rede ia seit einigen Minuten in einer guten Allegorie. Ich fahre in ihr sogar fort, da diese Thiere eisernes Vieh sind, das sich aus dem christlichen Schaafstall nie verlieren soll, und ich oder die Wahrheit eine Sonne bin, die diesen Thierkreis auf- und abgeht und bald im Stier, bald im Skorpion sein muß. Für was kann ich daher Walchs Kezergeschichte anders ansehen als für eine wolgerathene Zoographie aber ohne Kupfer? Höchstens für Bocharts Hierozoikon.
Die Ketzer sind, im Vorbeigehen darüber zu reden, geistlich tod; und wir können freilich mit nichts die Pflicht von uns ablehnen, ihnen auf irgend eine Art die lezte Ehre anzuthun. Allein darum müssen wir diese Leichen gar nicht, wie auch die Alten die ihrigen, verbrennen: sondern es ist den Sitten von ganz Europa gemäßer, daß wir sie, wie die übrichen Leichen, begraben. Auch that man es schon sonst in Klöstern und es war da unter dem Namen »lebendiger Einmauerung« nicht unbekannt.