Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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II.

Der Edelmann nebst seinem kalten Fieber, und die Unterthanen nebst ihren kalten Häusern

Diese vier Arten von Wesen muß ich haben, sie sind das Garn, woraus ich meine kleine Erzälung weben soll. Sie braucht weiter keine Vorrede als die, daß das was ein Autor (wie Gott die Welt nach Kepler) am längsten Tage schaft durchaus vom Leser am kürzesten Tage muß gelesen werden – oder doch vor dem Frühlingsäquinokzio.

Da mir kein Mensch in der Welt soviel von meiner probaten Fuchswitterung abkauft, als die Edelleute: so schäz ich die leztern in vielem Betracht. Ich berg' es daher gar nicht, daß ich Erzälungen, wie die folgende, weit lieber ins Publikum trage als solche, die auf die besten Käufer von Fuchswitterungen böse Schatten werfen: gleichwohl darf niemand deswegen meine Erzälung für ein lobsüchtiges Gewebe von wahren und ersonnenen Thatsachen ansehen, und ich habe zwar einen Landedelmann lieb, aber noch mehr die Wahrheit, – zumal in einer recht angenehmen Erzählung vom Edelmann nebst seinem kalten Fieber.

Der hiesige adeliche Rittergutsbesitzer duellirte sich 12 Wochen lang mit dem kalten Fieber, der Doktor war der Secundant von beiden, und verlies sich auf seinen Degen. Ich hingegen stand mit probaten Fuchswitterungen: unten im kalten Hausplatz und sah wie ein melirter lebendiger Eiszapfe aus, indeß ich vom Koche, der noch mehr Kälte hatte, erfuhr, sein gnädiger Herr habe eine noch grössere als wir beide – ganz natürlich, sagt' ich, weil seine aus der Physiologie und Pathologie her ist – und wolle um die Kälte früher wegzuschmelzen, dazu das Gelübde probieren, so vielen Unterthanen Häuser zu bauen und zu schenken, so viele Wochen ihn das Fieber schwenken und rütteln werde. Es schwenkte ihn bis zum ersten Epiphanias und der Pfarrer auf der Kanzel sagte es, der für die Genesung und für einige Batzen sich heiser dankte. Am Montage wurden 12 Bauern 12 Baustätten vom Vogte angewiesen. Was die Baumaterialien betrift, so wohnte kein Mensch im ganzen Dorfe, der auf andere als die gewöhnlichen schlechten im Geringsten aufgesehen hätte und ein alter polizirter Garnweber sagte, wenn wir nur Bauholz und Dreck haben, so lasset uns genügen: allein der erwärmte Edelmann wollte so weit über sein Gelübde und die allgemeine Hofnung hinaussteigen, daß er zu Baumaterialien nichts geringere nehmen lies, als eine kostbare durchsichtige Materie, die über das Krystall in iedem Vorzuge, sogar in der Zerbrechlichkeit und Menge siegt, deren Mangel in Italien so unerträglich ist, als der Mangel eines Pabstes, nämlich ächtes Eis. Es ist diese glasartige Materie, die unserm Welttheile darum in Menge geschenkt, und dem reichen Indien darum abgeschlagen zu sein scheint, damit Europa allen Kostbarkeiten Indiens durch eine einzige die Wage hielte, völlig die nämliche, woraus das Empyräum – so viel man erfahren können – zusammengenagelt ist, und woraus auf der Erde die silbernen Dächer der Fische und Frösche gegossen werden. Gleichwol lies der Edelmann, dem die Kostbarkeit dieses Materials so gut wie mir bekannt gewesen, oder vielmehr eben darum lies er Eis aus seinen Eiskellern und Teichen ohne Kargheit brechen und abliefern. In wenig Wochen sah ein armseliges Dorf – statt daß das reiche Rußland nie mehr als Einen Pallast von Eis und nur für einen reichen Hofnarren hervorgetrieben – 12 solche Häuser für bloße Bauern in seinen Ringmauern aufschießen, wenn man sich anders die endlichen Schranken des Dorfes als Mauern denken will. Als ich 14 Tage darauf durchritt, fast' ich auf dem Pferde ein langes Karmen auf den Vorfall ab und sang: »o du mein Geist, in der Schweiz oder sonst wo ist am besten Hause nichts, von Eis als die Fensterscheiben: aber hier alles bis auf die Ofenbank, und wer in Europa und Wien besingt dies etwan nach Würden?« Weder ich noch mein Pferd beantworteten die dythrambische Frage: sondern wir machten blos die prosaische Bemerkung, daß da man in diesen 12 himmlischen Häusern wenigstens mit Naphta hätte heizen können und es doch nicht thäte, die 12 Bauern mit ihren Kindern und Knechten und Mägden zu der Holzersparenden Gesellschaft in Berlin gehören müsten.

Man kann die Zeit mit etwas besserm verbringen, als mit langem Erhärten, daß der Bauer nicht wie der Städter Sommerhäuser brauche; es war daher nicht wieder das Naturrecht, daß der Frühling diese 12 Winterhäuser in wenig Tagen subhastirte, und es war aus dem Winter kein Moratorium zu bringen. Das ist eben so viel, aber weit vernünftiger, als wenn ich blos erzählte, daß im April das kleine Dorf zerlief und vertrocknete; und nachdem dasselbe wieder – als wär' es aus den gewöhnlichen Materialien gezimmert gewesen – in die Keller und Teiche des Edelmanns geschwommen war, so konnten die 12 Bauern so gut als der reichste Edelmann, von der Stadt aufs Land ziehen.

Ist es nun so äusserst nöthig als viele im Schlafe glauben, daß ein wichtiger Autor 3 Jahre auf einer Universität, um Verstand genug, und eben so lange bei einem Edelmanne muß gegessen haben, um auch Billigkeit genug zu besitzen, damit er so viel einsehen und im Nothfall erweisen kann, daß ein einziges solches Beispiel von adelichem Verschenken der Häuser – und es kann ia in Zukunft zu mehreren Beispielen befeuern – zehnmal im Stande ist, zehn andere Beispiele, die den Adel verschreien, aufzuwiegen und gut zu machen, ich meine nicht blos iene Beispiele, wo der Edelmann den Leuten Geld zum Bauen leihet, um solches wenn das Haus fertig ist, plötzlich aufzukündigen und dann die mühsam zusammengebaute Hütte an Zahlungsstatt zu rauben, – sondern überhaupt ieden andern Fall, wo der Gerichtsherr in der Gestalt des Gerichtshalters die Bauern geschickt, aus ihren Häusern stäupt und trommelt

mit dem Naturrecht,
mit dem römischen Recht,
mit dem Landesrecht,
mit dem Lehnrecht,
mit dem Dorf- und Bauerrecht,
mit dem Faust- und Kolbenrecht,
mit des Teufels und seiner Grosmutterrecht?


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