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Wie ein Fürst seine Unterthanen nach der Parforceiagd bewirthen lassen
Obgleich auf den meisten Thronen Menschen- und Unterthanenliebe und überhaupt iede edlere Empfindung wirklich horstenHorst heisset der erhabene Ort, wo die Raubvögel wohnen und gehört mit unter die Jägertermen, die sich nach und nach so gut wie die theologischen verlieren werden. und daher die Aeusserungen derselben gar nichts wunderbares sind: so sollte doch iedesmal (und noch öfter) wenn ein Fürst eine große Handlung thäte – und meiner Einsicht nach ist wol seine kleinste eine – ein allgemeiner Auflauf deswegen entstehen und iederman sollte ihn mit besonderen Geschrei loben, besonders die Zeitungsschreiber, für die ein Blatt aus der Universalhistorie eine Welt ist. Eine große Handlung würd' ich es z. B. nennen können, wenn mir einer einen Louisd'or oder wär' ich ein singender Kastrat, 200 schenkte. Man höre aber folgende edle Handlung aus der Sonnabendszeitung in einer besondern Gemüthsverfassung und verschone sie mit dem gewöhnlichen Loose edler Handlungen, daß man sie bewundert aber nicht nachahmet.
»den 29 August.
Unser gnädigster Fürst und Herr geruhten heuer den ganzen Herbst mit dem *** Gesandten zu Höchst deroselben Plaisir brillante Parforceiagden anzustellen, woran sowohl die Landleute als das Wild einigen Antheil nehmen durften. Das Vergnügen des Landvolks, sich nun (nach langem Ansuchen) durch die Güte seines Fürsten auf einmal aller beschwerlichen nächtlichen Wachen zur Abtreibung des Wildes entlassen zu sehen, war so gros, daß verschiedene es gar nicht merkten, daß ihnen die feurigen Jäger wegen ihres elenden Treibens mit Leichtigkeit theils Arme theils Beine von einanderschlugen: als sie nach Hause kamen, sahen sie erst, daß sie nicht stehen konnten. Gleichwol wollte unser Landesvater nicht, daß diese Parforceiagd die einzige Entschädigung für die abgegrasete und niedergestampfte Ernde seiner Unterthanen sein sollte: sondern Höchstderoselben verfügten gnädigst, daß von der Kammer Summen hergeschossen und auf landesherrliche Kosten iedem Dorfe eine reichliche Malzeit gegeben werden sollte, iedoch dergestalt, daß man ihnen nicht gewöhnliche rohe Bauerspeisen, sondern – um fast das Vergnügen aufs Höchste zu treiben und den armen Landleuten zu zeigen, daß ein rechschaffener Bauer von seinem Landesherrn nicht schlechter als der tägliche Gesellschafter seiner Tafel behandelt werde – lauter Schaugerichte vorsetzte. Und hierin wurde auch, wie ich hätte voraussagen wollen, fast nichts gesparet, sondern Schaugerichte aller Art sowol aus erhabener Arbeit von Prozellain, Glas und Wachs, als aus Pastelgemälden von gepülvertem Alabaster auf Spiegelplatten aufgetragen, standen häufig auf den langen roth abgefärbten Tafeln hin, woran die Bauern mit ihren geniessenden Augen hinauf und heruntersaßen: es gefiel ihnen aber fast kein Gericht mehr als eine wächserne Vorstellung ihrer durch Hegen und Jagen des Wildes zertretenen Felder, die sie beständig mit den vor ihnen liegenden abgeerndeten Originalen geschickt zusammenhielten. Was die allgemeine Freude an die äussersten Gränzen trieb, war daß ieder, nachdem er sich an diesen gesunden Speisen völlig satt gesehen hatte, vom Tische aufstehen und zum Ueberflus allerlei Viktualien, die Leute aus der Stadt in Menge hergeschoben hatten, für Geld und gute Worte leichtlich haben konnte. Sogar vom erlegten Wildpret lies ihnen der Fürst so viel zukommen als sie nur kaufen wollten, als welches (und viele rühmten es auch) in einem Ueberflus vorhanden war, daß es gröstentheils anbrüchig und stinkend wurde: denn die Jagdhunde konnten nicht alles, was die Bauern ungekauft gelassen, zusammenfressen. Unser gnädigster Fürst, der (und desgleichen auch unsere Landesmutter) darauf dringt, daß seine Leute mehr als gewöhnlich lustig sind, hat daher den Landleuten zu mehreren solchen Parforceiagden und kalten Küchen hinlängliche Hofnung gemacht...
Sonst ist nicht unbekannt, daß er iezt die Schaugerichte, bei denen allein der Magen am besten ein kontemplatives Leben führen kann, wunderbar in Gebrauch setzen will; daher wurde die Mundporzion des Soldaten recht ansehnlich vergrössert, und es wird iezt ein ganz großes Kommisbrod an iedem Löhnungstage (wie die Hostie der Katholicken) ordentlich herumgetragen und einem Regimente nach dem andern vorgewiesen aber nicht gegeben, maßen es schlecht zu essen wäre da es der Fürst, um lieber die Grosmuth als die Sparsamkeit zu übertreiben, durchaus nicht mehr aus verdorbenem alten Mehle backen lässet, sondern (wie die Probesemmeln der Bäcker) aus reinem frischen Töpferthon. Gleichwol verfängt dieser Thon gegen den Hunger des Heeres so wenig, daß es Kompagnieweise auf die Dörfer betteln gehen und doch dabei gelegentlich eine mäßige Reiterzehrung mit stehlen will.«
Ich merke zweierlei über dieses Zeitungsblätgen an. Erstlich muß ieder Bauer bekennen, daß ein Fürst allemal zwischen ihm und dem großen (sonst so geschätzten) Wildbrete einen großen Unterschied zu machen wisse, indem er ihn weder schiesset wie dieses noch in harten Wintern mit Hütten und Fras versorget wie dieses. Zweitens da ein Soldat ausser dem Muth nichts so dringend bedarf als Essen, das ihn vermehrt; und da er noch dazu das letztere in Krieg und Frieden, den erstern aber blos in Kriegsläuften haben muß: so sollte im Kriegsdepartement mit Ernst darauf gedacht werden, wie weit es durch geschickte Maasregeln zu treiben wäre, wenn man, da ieder geile Auswuchs an Montur und Gewehr ietzt durch die Hand der überlegenden Sparsamkeit über- und weggeschoren wird, auch den Magen der Regimenter ins Engere zöge. Man sollt' es probieren, wie lang ein Gemeiner von gewöhnlicher Leibeskonstituzion das Fasten aushielte, eh' er verschiede: dieser Gemeine könnte dann zum Hunger-Regulativ oder zum Fasten-Flügelmann aufgerichtet werden, und sein Magen würde ganz zum Protoplasma für die übrigen Mägen der Kompagnie angenommen. Ständ' einer oder der andere diese Mund- und Fruchtsperre gar nicht aus: so könntens doch seine Kameraden und das Handgeld für den Rekruten, mit dem man ihn ergänzte, käme gegen die ersparte Ausgabe der großen Mundporzionen (wie denn ietzt ein gesunder Soldat wirklich so viel zu essen kriget daß fast ein Kranker damit zu ersättigen wäre) in gar keine Vergleichung. Die Soldaten noch auf halbiährlichen Urlaub nach Haus zu den Eltern zur Fastendispensazion und zur Eichelmastung abzusenden – hätte man dann auch nicht mehr nöthig, sondern ieder könnte seinen Hunger in der Kaserne abwarten. Ich sehe leicht ein, daß die Kerls sich schwer auf den Beinen erhalten würden, allein (- ich bemerke nicht einmal, daß die im ersten Gliede ohnehin auf das Knie sich steuern können –) wenn die Fürsten in eine unentbehrliche Hungerallianz zusammentreten, und, so wie nach einer europäischen Konvenzion das Blei weder zerhackt noch vergiftet in die feindliche Wunde fahren darf, gleicherweise verabreden wollten, daß ieder sein Heer zu einer 365 tägigen Fasten beordern und keiner einen Mann unter die Fahne lassen sollte, der satt wäre: so würde – eben weil das kriegerische Verhältniß bestände und matte Truppen, die Hunger hätten, nur auf Truppen schössen, die auch nichts anders hätten – schon etwas dabei herauskommen.