Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

II.

Meine vielen und erheblichen Rollen, die ich nicht sowol auf dem Theater des Lebens als eines Dorfes in Einem oder ein Paar Abenden machte

Viele Menschen spielten auf dem großen Welttheater und auch auf dem kleinen Nazionaltheater, das der Regent auf ienes setzen lassen, wirklich große Rollen, und manche Fürsten machten den Fürsten auf beiden: aber wenigen wurd' es stets gegeben (so daß ich mich recht sehr wundere, daß es mir gegeben wurde), viele oder unzählige Rollen zu machen und zwar auf einmal, an Einem Abend, für Ein Entreegeld; der Teufel selbst aber könnt' es nicht anders machen, wenn er auf einem elenden Dorftheater mit Ruhm agiren müste und doch keine Leute hätte. Und so wars bei mir. Die ganze mich mit Bewunderung lesende Welt hätte dabei gesessen sein sollen, bei meinem wunderlichen Agiren, und es ist nur ein wahres Glück, daß ich Papier, nehmen und ihr fast alles erzählen will. Aber das Theater muß doch noch vorher beschrieben werden, soviel ich merke. Ich trat in die Ecke der Wirthsstube, und in nichts war die Ecke leichter umzuformen als in ein geräumiges Theater, wenn das Ehebet des Wirthes aus ihr herausgeschoben wurde: ich sagte deswegen im Prolog mit wenigen Worten, die Ecke wäre schon vorher ein gutes Theater gewesen und der Wirth hätte auf ihm, nur drei Schuhe höher, seine Pflicht gethan, als erster und als zweiter Liebhaber zugleich. Das Orchester hieng in Gestalt einer Trommel an der Wand und war auf der Gasse hinlänglich gerühret worden: inzwischen hätt' ich sie dennoch vor dem ersten Akte geschlagen, wenn ich vier Arme gehabt hätte; denn meine zwei musten zum Handelsgeschäfte verwendet werden, das draussen vor der Thür zwischen mir und den Bauern im Gange war, die um das Entreegeld nicht christlich mit mir handelten, sondern iüdisch, und ich schäme mich in iedem Betracht, es in die lange Welt hinauszuschreiben, der Klingelbeutelvater wollte gratis hinein und trug zum Vorwand einen Krug Bier vor sich her. Ich selbst war, wie man schon wird gemerkt haben, der zeitige, trockne Direkteur der ganzen Schauspielertruppe, die sich, wie Wahrheitsfreunde bestätigen können, die sie gezälet, nicht unter zwei Mann belief, von welchen zwei Männern niemand der eine war als ich selbst; der andere Mann war ein unfrisirter und wie ein Heiliger fastender Pudel, der weil er unter der ganzen Truppe am besten tanzte, allzeit den ersten Liebhaber agiren muste und weiter nichts. Man muß diesem geschikten Akteur das Lob geben, daß er seine Rolle nicht zu wenig studirt, sondern fast den ganzen Tag (und das ist recht, da ich keine Komödienprobe anstelle) nach Vermögen probirt, und ich sande in verschiedene Theaterkalender ein weitläuftiges und mit wahrem Geschmack geschriebenes Lob seines natürlichen und doch pathetischen und nüancirten Spieles unfrankirt ein: aber aus Neid gegen den Hund wurde nichts davon abgedrukt und das Thier ist noch bis auf diesen Tag dem Publikum wenig bekannt. Ich bin ein unerheblicher Mathematiker: aber ich maß den Augenblick ab, daß Gallerie und Parterre deswegen einander gleich waren, weil beide Größen einer dritten gleich waren, nämlich der Logenreihe – überhaupt lagen die drei Grösten in Einer Ebene, nämlich in des Wirthes Stube, wenn man nicht mit ein wenig mehr Genauigkeit sagen will, daß auf dem Tisch das Bier und die Gallerie gewesen. Die Logenreihe muß von Schriftstellern, die in soliden Theaterzeitungen darüber mit hinlänglicher Präzision zu schreiben wünschen, allerdings blos auf die große Loge und ihre beiden Seitenlogen eingeschränkt werden; und die große Loge muß der Schärfe nach blos auf einen Stuhl eingeschränkt werden, worauf hart am Vorhange der Haupthonorazior, der Schulmeister, voransaß, und die 2 Seitenlogen auf die zwei andern Stühle des Wirthes und des Baders, welcher leztere der Welt und sich selbst noch nicht so bekannt werden konnte, als seinen Bartkunden. Allein gegen den 16, 17 Akt, wo ich allgemein hinriß und kein Mensch mehr wuste wer er oder sein Nachbar war und wo, rükte und trat fast das halbe Paterre mit aktiven und passiven Schieben über die drei Stühle hinaus und es gieng wie in den Saturnalien und in der Todenauferstehung her, die entferntesten Stände wurden gänzlich mit einander vermischt und der vornehmste konnte, wenn er wollte, den geringsten beim Barte fangen, z. B. der besagte Bader seine besagten Kunden. Da eine äusserst angenehme Darstellung des Schweißes und des Rennens, womit eine wandernde Schauspielertruppe es so weit bringt, daß sie vor den Zuschauern in einer anständigen Dekorazion und Garderobe auftreten kann, die erst unter den Zuschauern selbst zusammengetragen und gebettelt wurde, und zu deren Gabe und Wiedergabe zu allen Zeiten wechselseitige Requisitorialschreiben und Kapturbefehle der besten Art vonnöthen sind, einem andern künftigen Druckbogen und Frühjahr aufgesparet werden muß: so wird in dem ietzigen nichts daraus, so gut ich auch schon iezt im Stand sein möchte, von ienem unendlichen Schweisse einen recht passenden Begrif zu geben, wenn ich ienen mit dem vergliche, den eine arme ehrliebende Familie wenn sie ein Soupee geben will vergießet, um nicht sowol das Bisgen Essen zusammen zu bringen als Teller und Stühle und einen Vorleglöffel.

Wenn ich kurz vor dem ersten Akte ein paar unisonische Stösse in die Trompete zum Fenster hinausthat – und wenn ein Verleger den Pränumerazions-Präklusionstermin noch um eine sächsische Frist verlängert: so sind wir beide natürlicher Weise auf die Paar Groschen erpicht, die noch durch die Frist und Trompete einlaufen; allein angefangen muß doch einmal werden, nicht die Komödie, sondern die bloße angenehme Erzählung derselben.

Der halbe Feiertag muß im ältesten Kalender schon stehen, an dem ich mich eben so ausserordentlich anstrengte und ohne einmal dazwischen zu trinken, alle Personen des alten Testaments im Gallop so durchmachte, daß ich nur den einzigen Ahitophel ausließ weil mir der Wirth gleich voraussagte, er hafte mir nicht dafür, daß mich iemand abschnitte, wenn ich einmal hienge. Ein gewisser närrischer Müller in Rußland will es noch weiter treiben, als ich, und sagt und glaubt, er sei alle Personen des alten und neuen Bundes auf einmal; allein der Henker mag ihm das nachglauben; da mir hingegen ieder vernünftige und sein Entreegeld erlegende Mensch meine biblischen Rollen an den Rockknöpfen ansehen konnte, auf denen – und seit dem sind auch bei einigen Parisern die Buchstaben von den Stirnen auf die Knöpfe gezogen – ieder Patriarch, der ich abends war, namentlich stand, und auf den nicht verschliessenden Taschenknöpfen saßen die Könige Israels, und auf den Beinkleiderknöpfen blos die apokryphischen Weiber. Das war aber der erste Akt und ich sah ihn an, und er war sehr gut.

Ich machte im zweiten mit Beifall einen französischen Minister, aber keinen Krieg und keine neue Auflage deswegen, und die ganze Schenke muß meine Rücksicht auf die Schenke und die Landleute zu rühmen wissen: es würde so etwas auch sein König nimmermehr gelitten haben, der ein recht kluger und guter Herr war, und sich auf die meisten Fahnenschwenkungen des Szepters verstand, und der nothwendig – da an den Pudel nicht zu denken war, der mit der Repräsentazion der ganzen Paradewache dermaßen die Pfoten voll zu thun hatte, daß er eine sich selbst rauchende Tobakspfeif blos mit der Nase hielt – wieder von mir gespielt werden muste. Ich sehe freilich so gut wie ieder andre ein, daß diese hypostatische Personenunion und diese Rollenverkuppelung mit dem wirklichen Leben (gleichwol sollte das Theater nur dessen Spiegel sein) völlig streite; ich warf mir es selber vor, daß darin der Fall so sehr anders wäre, daß man da gar noch keinen Minister oder Regenten gesehen hätte, der den Minister und den Regenten zugleich und auf zwei Beinen, (nicht auf vier) hätte machen wollen – ia die Schenke selbst muß gedacht haben, ich wäre gar toll geworden, und stäche boshaft das widernatürliche Verhältniß ihres Amtmanns und seines Aktuarius an. Indessen muste sie doch auch soviel sehen (und das tröstet mich) daß das der zweite Akt war, der gar nicht übel war.

Einige Geistliche müssens blos für einen absichtlichen Spas im dritten nehmen, wenn ich gar nicht anders konnte, sondern den Geistlichen und doch zugleich in einem Rocke, in einer Minute die entsetzlich vielen Säufer, Ehebrecher und Heuchler – ich konnte die Wahrheit zu sagen nur die Zunge für den Geistlichen erübrigen und muste mit den übrigen Gliedern profane Rollen agiren – machen muste, an deren Herz ich mit so faßlichen und erwecklichen Leichsermonen und Kasualpredigten und Nutzanwendungen anpochte, daß ich der Satan selbst gewesen sein müste, wenn ich nicht meine schlimme Sinnesart hätte bessern wollen. Ich wars aber nicht einmal; denn ich konnte im Dorfe weder Schwanz noch Pferdefuß dazu habhaft werden. Deswegen hoff' ich, daß besagte Geistliche wenn sie mit auf der Frontloge gesessen wären, doch gestanden hätten, es wäre blos der dritte Akt und der wäre recht gut aber ein wenig närrisch.

Wenn ein recht einsichtiger Mensch einen fingirten Grafen zu agiren hat, der glücklicher weise die Oberiagt oder die Obergerichtsbarkeit und auf einmal neun Schelme für diese ehrlich besizt, die am Ende auf eine vernünftige Art gerädert und gehangen werden sollen: so kann diesem Menschen, der Abend noch sauerer wie den neun Schelmen selber werden, sobald er diese zehen Rollen mit nicht mehr Personen zu besezen weis als mit einer, nämlich seiner eignen; er und ieder, (sagt er und hoft, ich gebe ihm Recht), sähe die klare Unmöglichkeit vor sich im nämlichen Leibe, Rocke und Geiste und Abende einen Grafen und einen Missethäter zugleich zu machen. Allein ich geh ihm nicht recht; und viele Zuschauer besoffen sich nicht sondern sahens selbst, daß ich abends – nachdem ichs zu Mittage hinter einer Trommel, die den Komedienzettel ersezen wollte im Dorfe herumgeschrien hatte, es solte und müste abends mit gnädigster Erlaubnis eine ganze heillose Diebsbande gerädert, geviertheilt und ungewöhnlich gemartet werden, zu iedes eingepfarrten Christen Spas und Besserung – mich wirklich an die Sache machte. Allerdings ist der Ruhm des Schulmeisters und des Spiegelhändlers hierin gros; allein die Welt muß doch erst lesen wienach und warum. Ich wurde zum Grafen gemacht – nicht weil ich dafür der Reichshofkanzlei 4000 fl. Tax zahlte und dem Vicekanzler 600, und dem Sekretario 300 und Kanzlei-Jura 400, sondern blos – vom Schulmeister, der beim Uhraufziehen in die Kirche gieng und aus der Herrschaftlichen Kirchenloge die gräflichen Leichensporen nebst dem Degen und Wappen auf eine Nacht fürs Theater borgte. Ich that das alles an und sah darin natürlicherweise wie ein halber Graf aus. Den übernachtenden Spiegelhändler beredte ich, die neunspännige Diebsbande zu verfertigen und mir 9 lange Spiegel vorzustrecken. Diese wurden auf dem Theater um mich herum gestellt. In iedem stand ich und agirte zum Schein einen Diebsgesellen und alles war fast prächtig und ich hatte doch mein wahres Ich zum Grafen noch vorräthig. An diese neun Ichs oder Verdopelungen meiner Gestalt hielt ich diese Verrische Rede: »ihr Inkulpaten allzumal, ihr solt übermorgen bei früher Tageszeit gerädert werden und ich brauche keine Aktenfaszikel dazu sondern nur ein Rad. Denn wozu bin ich mit Obergerichtsbarkeit und Niedergerichtsbarkeit über Menschen und Vieh eigentlich belehnt? Ich soll durchaus an iedem, der eine von beiden an meinem Dorfe exerziren will, selbst eine von beiden exerziren: das muthen mir Kaiser und Reich zu und schreiben mirs aus Regenspurg lateinisch. Und ich wil's auch; denn ich fuße dazu auf einige starke Gründe und auf Trillionen schwache. Ihr habt euch auf eine summarische Art in meine Obergerichtsbarkeit gemengt, indem ihr Leute aus meinem Dorfe torquirtet und umbrachtet und keinen Kreuzer für einen Defensor, oder corpus delicti, oder einen Stos Akten, oder einen Schöppenstuhl oder einen Freitag ausgabet: was bleibt denn noch für ein Unterschied zwischen mir und euch und woraus will bei so gestalten Sachen ein vernünftiger Mann – und hingen neun Bärte und Doktormüzen von ihm herunter – noch abnehmen, wer von uns eigentlich die Obergerichtsbarkeit habe und übe, ihr oder ich? Ehebruch gehört auch zur Obergerichtsbarkeit: es sehens aber alle Juristen aus eueren Blutringen um die Augen und aus eurer Stimme, daß ihr in euerem Leben mehr Ehebrüche begangen als ich mir noch gedacht habe, und ich kann nur nicht recht herausbringen wo und mit wem. An eure leere Hüfte – (ich wies mit der Hand darauf: aber dadurch veranlaßte ich, daß die neun Schelme neun Hände ausstreckten und auf mich zum Gelächter des Parterre wiesen, das von den Gesetzen der Katoptrick wenig verstand; ich hingegen erklärte mir aus diesen gut das Händeausstrecken und konnte mithin nicht lachen) – habt ihr Degen geklebt: aber ganz natürlich habt ihr damit aus manchem meiner Unterthanen seine Goldkörner ausgedroschen, und es ist ein verfluchter Flegel, der Degen, und was die Hüfte anlangt, so gehts mich nichts an, daß sie eure Ahnen beschliesset und nicht fortsezt und mehrt. Warum spitzen eure armirten Fersen sich in Sporen zu, die die Pferde rädern? Der gemeine Menschenverstand sagt schon, weil ihr beides mauset und ich will wegen der Sporen in meiner Empor in der Kirche nachschauen lassen oder an den Fersen der Menschen. Ob ihr gleich eure Beinkleider mehr mit Geld als mit eurem Körper ausfüllet: so sind sie doch so wenig Geldes werth und gleich dem Ueberroke so erbärmlich, daß ihr handgreiflich dasselbe auf Pharaokarten wieder fortsegeln lassen müsset; durch Hazardspiele aber wird wenigstens in meine niedere Gerichtsbarkeit eingegriffen. Von dem Fette eures Leibes (hier wies ich wieder auf sie, aber nur in der Vorstellung), das ihr meinem Dorfe ausgebraten und ausgeschnitten, kann ich übermorgen ein Paar dicke Altarlichter oder einige Trauerfackeln für meine Leiche giessen lassen, und auf eurer Haut kann ich, wenn sie ausgebaizet worden, neunmal in Lebensgröße so gemalet werden, daß mein Gesicht auf eures, mein Arm auf eueren und so weiter kömmt. Ich sehe aber, es steckt mir bei diesem höchst nothpeinlichen Gericht doch anspielender Spas im Kopfe. Gott gebe nur hauptsächlich, daß wir alle niemals verdamt werden, sondern sämtlich aus dem Sarge mit denselben Gliedern herausschiessen können, mit denen wir hienieden in die Steckbriefe gesetzt werden; euch völlig ausgenommen: denn wenn ihr etwa hoftet, ihr wäret blos in effigie allhier und es wäre nichts mit euch zu machen: so wäre das närrisch und ich wollte wol so viel Geld zusammentreiben, daß die Hinrichtungsgebühren ziemlich bestritten und der Herr Spiegelhändler, dem mans gäbe dafür bezahlt würde, daß er in diese Ecke sich sezte und von den Spiegeln hinten das Quecksilber wegkrazte und abbürstete, dem die grösten Schelme iezt noch ausser euch neunen das salivirende Leben verdanken. Aber ich merze euch eben so gut aus, wenn ich blos das Licht ausputze.« – Da ichs that: wollt' es viele Bauern unglaublich verdriessen und ich und meine Trommel, sagten ein Paar, hätten heute Mittags bekanntlich etwas viel Vernünftigers und Entsezlichers als so etwas Dummes versprochen, und es müste vor allen Dingen was gerädert werden. Ich benüzte oder ersezte den Mangel an Musik zwischen den Aufzügen und redete durch den porösen Theatervorhang diese Paar vernünftigen Worte heraus, daß – da die Schelme, die aufs Rad sollten, ja offenbar blos treue Kopien dessen wären, der sie darauf brächte (vermöge seiner unstreitigen Obergerichtsbarkeit), und da folglich nach den Gesetzen der Katoptrick und Karls V. die Bestrafung der Diebsgesellen die vorspielende Bestrafung des Grafen voraussezte, welches nicht mehr gegen das Reichsherkommen als gegen meinen Körper wäre – daß im Falle einer Exekuzion wenigstens zu befürchten stände, das Rad brächte mich um meine geraden Glieder und das ganze Paterre um den fünften Akt, den ich mit ihnen ausserdem gespielet hätte; denn die Rede und die Spiegel wären nichts gewesen als der vierte, der recht wacker und lang wäre.

Unter dem Lichtanzünden befragte ich den Schulmeister, ob er aus allem die Moral zu ziehen vermöchte, daß Fortunens Rad den Stehenden fahre, den Liegenden rädere?

Die Deutschen müssen bemerken, daß ich im lezten Akte vorhatte den Autor und das ganze leibhafte Publikum durchaus in einem Nu zu machen: das geht aber nur im wirklichen Leben an und ich kam freilich darhinter. Deswegen giengen in meinem Plane die wichtigsten Veränderungen vor, und ich muste die schwierige Rolle des Publikums oder meiner Leser, – weil sie selber nicht in der Schenke zu haben waren, – blos mit den dasigen Bauern besetzen die wider ihr Wissen Zuschauer und Akteurs zugleich sein sollten. Ich hatte dabei auf solche Verwirrung, solche Anspielungen und solchen Spas gerechnet, daß man dreizehn alte Hyprochondristen damit hätte von Toden auferwecken können. Ich wollte in meiner unbeweglichen Kleidung für die unbeweglichen Feste, verbleiben und einen elenden Autor machen, der eben die erzählten 4 Akte ausgemessen hätte; die Schenke wollt' ich wie gesagt, gänzlich für das lebhafte deutsche Lesepublikum halten, dem ich die Akte und einen Epilog dazu überbrächte: auch wollt' ich das Meinige dafür haben, besonders Entree-Nachschuß und Rückstand. Ich hätte im gedachten Epilog also zur Schenke gesagt – und sagt' es auch wirklich, – ich wäre gottlob der Verfasser des Epilogs und der vergangnen 4 Akte und hätte ein gutes Herz, aber weiter nichts, wenn ich meinen guten Kopf ausnähme. Aber es wäre sonderbar, wenn beide nicht ein solches Publikum goutirte und lohnte, das seinen weichen Gaumen an den besten, alten und neuen Produkten erprobe (hier verfiel der Wirth auf eigenliebige aber dumme Gedanken von seinem Biere und Essen). Man könne einem solchen deutschen Publikum alle Einfälle, wie die Kaffeebohnen nur halbirt hinreichen; allein es wisse recht gut, woran es im Ganzen sei und lächle immer voraus. Und wen anders hab' ich denn auch (fragt' ich und wollte in ausserordentlichen Eifer gerathen) im Grunde vor Gesicht und versorg' ihn mit meinen erträglichen 4 Akten, als eben Kenner und Leser, die sich niedersetzen und ein Publikum formiren, das niemand mehr versteht und liebt, als den H. Hamann, – der Wirth sagte laut, aber die Juden waren auf ihn erboßet und schlugen iährlich in den Synagogen mit Hämmern nach seinem Kopfe – und Wieland und Herder und ieden? Allein, da ich mit noch mehr Witz fortfahren und das Gleichnis abweben wollte, daß nicht nur wir Autoren ein brauner, Honig erbeutender Hummelnschwarm, sondern auch das Publikum unsere Hummelkönigin sein mußt, die gleich der natürlichen sehr hübsch und ohne Flügel und ohne Haare und kohlschwarz wäre; da ich wie gesagt fortfahren wollte: so konnt' ich – weil ich aus meinem Bogenlangen Traume wach wurde; denn wie schon 30 Unregelmäßigkeiten dem Leser ausgeplaudert haben müssen, alles Bisherige und das Dorftheater und meine Grafschaft war blos ein vernünftiger Traum – eben deswegen um so besser fortfahren; denn seit meinem Aufwachen ruht ia eben das Publikum, das ich durch die ganze Schenke wollte repräsentiren lassen, lebendig vor mir und vor meinen 4 Akten, und wir sind wieder beisammen. Daher bitt' ich es im Ernste und aus wichtigen Ursachen, alles der Schenke aufgeklebte Lobe zu nehmen und auf sich selbst zu deuten und noch zulezt an einem müssigen Tage abzuurtheln, ob nicht, ohne den vorigen 4 Akten viel Unrecht anzuthun, gegenwärtiger der fünfte und der beste und lezte ist.

Denn den 16ten und 17ten, wovon mir oben eine Zeile entfiel, konnt' ich natürlich gar nicht geben, weil ich nicht einmal den fünften ausschlief, sondern in der Mitte aufwachte.


 << zurück weiter >>