Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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VIII.

Brief über die Unentbehrlichkeit unzähliger Taufzeugen

Ein Edelmann in meiner Nachbarschaft hörte, ich wäre zur Zeit einer der besten Skribenten in Deutschland. Da er den Umgang mit Büchern, Buchbindern überlässet: so dachte er, ich wäre ein sogenannter Schreiber. Er beehrte mich daher mit folgendem Briefe, an dem nicht sowol das Sigellack als das Petschaft wirklich adelich war!

P. P.

Wie ich höre, so sind Sie ohne einen Prinzipal und Sie werden auch sobald schwerlich unterkommen, denn es ist iezt alles mit Skribenten gräulich übersezt und es mag sie niemand umsonst. Weil ich aber vor einiger Zeit, wie etwann bekannt, in den Stand der Ehe zum zweitenmal geschritten: So könt' ich wol einen hübschen Skribenten brauchen, damit er mir die unzähligen nöthigen Gevatterbriefe an die Pathen meines künftigen Kindes, deren ich vielleicht auf drei hundert und fünf und sechzig ausser einem alten Schaltgevatter zusammenbitten muß, ausserordentlich nett und sauber abschreibt, damit sie alle fertig da liegen eh' das Kind nur kömmt. Und wenn wir sonst übereinkommen, so können Sie fast lebenslang bei mir Ihr gutes Brod essen und Jahraus Jahrein abschreiben, indem Sie blos, wenn Sie mit den Gevatterbriefen des gebornen Kindes auch fertig wären, sich über neue Gevatterbriefe für das Kind hermachten, das gar noch nicht da wäre und auf dessen Zeugung ich erst nach Gelegenheit dächte: denn ich kann keinen Faullenzer in meinem ganzen Hause ausstehen und bin ohne Ruhm ein guter Haushälter, aber nur allemal zu gütig. Und glauben Sie ia nicht, daß ich mich im geringsten an meine Herren Nachbarn kehren werde, die weil sie selbst etwa nur 50, 60, höchstens 100 Gevattern bitten, und deswegen eines Skribenten selten über ein Vierteliahr bedürftig sind, mirs gewaltig verübeln wollen, daß ich gar 365 (als so viel Tage im Jahr sind) nehmen und darum einem beständigen Schreiber (oder auf französisch Secretaire perpetuel de l'academie) zu fressen geben will. Niemand kann einem vorschreiben, so und soviel Gevattern must du durchaus bitten, oder so und so oft must du zum heiligen Abendmale gehen. Ich halte aber dafür in unsern unchristlichen Zeiten (es will mich ieder betrügen und kein Mensch zahlt seine Intressen richtig) kann man gar nicht zu viele Gevattern zusammenscharren. Der Pfarrer sagt, ein Taufzeuge war sonst ein Zeuge, daß einer ein Christ oder so etwas geworden: und das ist ia ieder vernünftige und wohlgezogene Taufzeuge noch bis auf diesen Tag. Nun bitt' ich aber ieden, ob es wol in unsern schlimmen Zeiten (wie denn zur Kirchweih ein eigner Verwandter von mir sagte, er habe eben so viel Geld gegeben, um nicht getauft zu werden als andere für die Taufe auszahlten, und redete spashaft von einer Taufe zur See unter einer Linie, welches ich in meinem Leben nicht gehört) die Welt glauben würde, daß ein iunger Edelmann gleich nach seiner Geburt ein gewöhnlicher Christ geworden, wenn sie nicht Taufzeugen und Wunder sähe. Ein Mandel oder auch ein halb hundert wollens warlich nicht ausmachen. Wenn man einem Kardinal beweisen will, daß er leider gehuret: so muß man, wie mir mein Gerichtshalter aus dem apokryphischen Recht erzählet, an die 72 Zeugen stellen können, sonst glaubts kein Teufel: allein zwischen der Hurerei und dem Christenthum ist gar ein großer Unterschied und dieses lässet sich noch viel schwerer einem Manne beimessen als iene. Hat einer nur einen Taufzeugen und der stirbt ihm so ist er erbärmlich daran und hat keinen rechten Beweis mehr, daß er ein wirklicher Christ ist. Wer aber mit 365 Taufzeugen umpallisatirt hat, der ist seiner Religion allemal gewis, und bis alle 365 Beweise seines Christenthums gestorben sind, so lang lebt er selbst gar nicht. Daher haben auf meine Ehre auch Juden und Hurenkinder mehr Pathen von ieher als andere Leute bekommen, weil ihnen niemand das Christenthum zutrauen will. Und von den Glocken glaubts nun gar kein Mensch; deswegen bat man in den alten Zeiten, wenn man sie taufte, wol 300 Personen zu Gevattern, die alle ein daran gebundnes Seil anfasten, damits so gut wäre als hielten sie alle das Kind oder die Glocke auf den Armen hin: und doch will es einem Manne bei allen diesen untadelhaften und vielen Zeugen schwer eingehen, recht zu glauben, daß eine blosse leblose dumme Glocke ordentlich zur christlichen Religion übergetreten. Ein wahrer Edelmann wird aber allzeit klüger und ansehnlicher bleiben als Juden, Hurenkinder und Glocken zusammengenommen. Wenn in Arabien ein adeliches Pferd fohlt: so sitzen Leute genug dabei, die bezeugen können, daß das Fohlen von guter Geburt ist, und ein schriftliches Zertificat davon binden sie ihm in einer Kapsel auf zeitlebens unter den Hals: aber bei der Wiedergeburt eines Menschen, der vielmehr ist als iedes Pferd, sollen nur ein Paar Zeugen stehen und das ist recht erbärmlich; daran ist gar nicht zu denken, daß er gar mit einer Kapsel an den Hals versehen würde, auf die er es ankommen lassen könte, wenn ihm einer sein Christenthum streitig machte: denn die meisten Pfarrer sind und bleiben so blind, daß sie dasselbe aus allen unsern Worten, Werken und Gedanken nicht merken können. Mein Hofmeister muste mir die Gründe sagen, warum ich so viele Gevattern bitte, und ich habe sie hier geschrieben, weil Sie meinen Brief allen Leuten zeigen sollen, da mancher nicht weis warum ichs thue: erwarte baldige Antwort etc.

So weit der ehelustige Edelmann. So wenig aber ein vernünftiger Mann diese gute Gewohnheit meiner adelichen Landesleute (es ist aber auch in Franken fast eben so), oft 90 Gevattern zu bitten, im Ernste tadeln wird: so wenig heisset er es dennoch gut, daß das Kind vielleicht nicht halb so viel Namen als Pathen bekömmt. Würde dasselbe denn nicht offenbar sobald es zu 90 Namen gelangte, wie etwan das Schwerd bei Arabern 300 hat, einen eigenen römischen Nomenklator brauchen können, der es nicht sowol fremde als seine eigene Namen kennen lehrte? Gäbe nicht dann, fals es in Meusels gelehrtes Deutschland käme, sein einziger Namen ein ganzes gutes Namenregister ab? Könt' es nicht, wenn die Taufzeugen nach den Namen des Kalenders gewählt wären, sein Leben (denn was soll das Leben eines Edelmanns, der seinen H- auf einem Rittersitz hat, seiner Bestimmung nach anders sein) zu einer ununterbrochenen Feier seiner Namenstäge machen? freilich wenn bei so vielen Namen ein Edelmann einmal vergässe, wie er hieße: so könnte man doch von ihm nimmermehr sagen, er wäre närrisch oder besoffen.


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