Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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X.

Ironischer Anhang

I.

Ueber das Zahlenlotto

Es ist schlimm, daß Fürsten selbst, die das Zahlenlotto wie einen Friedensvertrag mit Garantie beschenken, nicht immer die richtigsten Begriffe davon haben, sondern kleine; und aus dem Verbote, womit sie das Einsetzen in auswärtige Lottos belegen, sollte man bei ihnen fast das gewöhnliche Vorurtheil argwöhnen, als söge es die Unterthanen aus, wenn man nicht hörte, daß sie zugleich das Einsetzen in die inländischen verstatten. Desto mehr Ehre erschreibt sich ein Autor, wenn er sich mit dem Wole ganzer Länder befängt und den Nutzen der Lottos in einem ironischen Anhange ein wenig beweiset. Allerdings ist das große Loos an sich, ohne ein Korrigens das die andern Ingredienzien entkräftet, ausserordentlich ungesund, und die Aerzte sollten es in der Diätetik strenger untersagen und sich selber. Wie viele hunderte kamen nicht an einer Quaterne um? Denn sie spritzt natürlicher Weise das Blut in dicken Armen nach dem Kopf, und die Adern und das Lotto werden zugleich gesprengt. Eine Quinterne ist gar förmlicher Gift und eine Art von aurum potabile: man platzet augenblicklich davon maustod hin, wie ich selbst bei einem armen Schuster in Dresden sah, der mir ein Paar Stiefel auseinandertreiben wollte, als der Kurier ihm seinen Gewinst und seinen Tod ansagte. Das ist vielleicht die wichtigste Bedenklichkeit gegen das Lotto und ich fühle sie selbst recht wol. Allein, auf der andern Seite sollte man doch auch bekennen, daß man durch tiefsinnige Berechnungen schon so gute Vorkehrungen ausgefunden, daß eine gefährliche Quinterne weit seltener vorkömmt als die kleinen nützlichen Gewinste. Denn einem Fürsten ist an seinen Unterthanen so viel als an seinem Nutzen gelegen: und es ist daher sein Wille gar nicht, wenn zuweilen das grosse Loos erscheint und das Leben eines nützlichen Bürgers ist ihm weit lieber als der gröste Verlust, den er etwan bei einer Quinterne haben würde. In der That Zeitungen aller Art loben einen Fürsten sehr, wenn er etwas verschenkt: aber warum erheben sie es nicht eben so sehr, wenn er nichts herschenkt? Denn in diesem Falle nützt er, wie gesagt, weit mehr und auch bessern Leuten. Ist es da nöthig, noch die Anmerkung zu Hülfe zu nehmen, daß man sogar diesen so selten erscheinenden Gewinst doch durch viele Manipulazionen, Korrigentia Erschwerungen und Beschneidungen so unschädlich macht, daß dieses gefährliche aurum potabile nach und nach ein so gesundes aurum fulminans wird, daß es auch der ungesundeste Bürger nehmen kann, ohne mehr daran vor Freude zu sterben. Folglich ist iedes Glücksrad ein gut gearbeitetes Schöpfrad, das auf der einen Seite das Vermögen der Unterthanen ohne Vermehrung der Auflage, auf eine unschädliche Weise einschöpft und erhebt und auf der andern es wieder auf eine nützliche vor den Füssen des Regenten niedergiesset.

Da die Hofnungen ieder Art mit nichts und mit keinem Gelde zu bezahlen stehen – denn sie sind die menschlichen Besitzungen in der neuen Welt der Glückseligkeit – so muß es entweder gar keines Menchen Sache oder offenbar des Fürsten seine, dem das Glück des Landes obliegt, sein, den armen Bürgern und Kontrahenten des gesellschaftlichen Vertrags hinlängliche Hofnungen zuzumessen; denn die wenigen Hofnungen, die der Minister oder der Hof verkauft, sind viel zu theuer und werden auch nur Personen von Geburt oder Verdiensten gelassen. Es gäbe daher schwerlich einen grössern Verlust für ein Land als die Aufhebung des Lotto, nicht nur weil man dadurch den armen Bürger, der durch ein besonderes Unglück die Hälfte seines Vermögens verspielet hat, den Weg verträte, durch den Einsatz der zweiten Hälfte die erste etwann wieder zu gewinnen, sondern auch weil überhaupt im Lotto dem geringsten Unterthanen die grösten Hofnungen (es giebt verschiedene Hofnungen, Hofnungen von 10 fl. bis zu Hofnungen von 100000 fl.) für wenige Groschen zugestanden werden. Der Fürst selbst behält sich durchaus keine vor: denn was er dabei gewinnt, ist Gewisheit aber keine Hofnung; es nagt ihn vielmehr die kleine Furcht bei ieder Ziehung viele Auszüge, wo nicht gar eine Ambe zu verspielen, die der Unterthan noch als Ueberschuß und Zugabe seiner Hofnung einstekt; der Unterthan hingegen kann nie mehr verlieren als seinen Einsatz.


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