Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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III.

Von Philosophen und Alchymisten, denen es sauer gemacht wird, sich selber zu verstehen

Allerdings muß Newton in seinen iüngern Jahren vortrefliche Werke aufgesetzet haben, da er nicht einmal selbst sie in seinen ältern noch verstehen konnte. Allein, man muß auch auf der andern Seite nicht verhehlen, daß dieses Lob doch noch grösser sein würde, wenn er sich schon in seinen iüngern Jahren und nicht blos im Alter nicht verstanden hätte; denn im Alter gehen auch wol leichtere Schriften über die gesunkenen Kräfte und der große Mann steht dann nur noch als seine eigne an ihn, und die Sterblichkeit erinnernde Mumie vor uns. Wir haben große Philosophen und Alchymisten, die in dem leztern Falle nicht sind, sondern die sich oder ihre Werke schon in ihren besten Mitteliahren nicht verstehen, und in der nämlichen Minute, in der sie im thätigsten Paroxysmus aller Seelenkräfte gerade die besten Werke zeugen, dennoch diese nicht fassen, könnten sie auch ein Kurfürstenthum damit verdienen, von welchem der Bayrische Kurfürst verordnete, man solle es mit einem Ch. schreiben. Uebrigens sehn' ich mich nach ihrem glänzenden Loose wenig. Sie sind die schönen Opfer der allgemeinen Erleuchtung: denn indem sie durch ihre mir bekannten Schriften die halbe Welt erhellen, so stehen sie auf der andern halben völlig unbeschienen und verfinstert, weil sie ihre oft aufgelegten Werke, die ihren Nächsten aufklären, unmöglich verstehen und leider nicht halb so gut wie der Leser wissen können, was sie selber haben wollen. Sie haben diesen beschwerlichen Vorzug mit der Sonne gemein, aus der Licht auf alle geringeren Körper fliesset, in der selber aber es (nach Sack und nach Peyroux de la Coudroniere) so finster, wie in einem Schweinsstall ist; oder auch mit den Gebeinen des Elisa, die einem fremden Leichnam Leben und Seele einverleibten, für sich selbst aber in ihren zaundürren und unbeseelten Zustande verharrten. Peter der Große sagte: »meine Nation konnt' ich ändern, aber nicht mich.« Wahrhaftig tausend Schriftsteller der höhern Chymie sind dem Peter nicht blos im Genie, sondern auch darin ähnlich, daß sie sagen können: »Wir konnten zwar dreißig unsichtbare Logen, aber nicht uns selbst klüger machen.« In diesem Punkte fährt ein schlechter Wochenmensch wie unser einer, der nur im Hause der Gemeinen sizt, vielleicht besser; denn ob ich gleich nur dünne und kurze Stralen in die Köpfe der Menschen steigen lasse und keine vortrefliche Werke erschaffe, sondern nur gute: so kann ich sie zu meinem grösten Nutzen doch auch für meine Person verstehen, kann das mannigfaltige Gute darinn ruckweise zu gesundem Milchsaft und diesen zu Blut verwandeln und kann mich durch die neuen Wahrheiten, Fingerzeige, Noten und Zurechtweisungen, die darin fast in ieder Seite aufspringen, in einen der brauchbarsten und gesittetsten Männer umarbeiten. So erwärmt ein Brenspiegel von schwarzem Marmor zwar andere Gegenstände minder, aber dafür sich selbst auch mehr als einer von einer glänzenden Farbe.


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