Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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Es ist Zeit, daß ich zu ihrer Seele komme, die man noch viel zu wenig kennt. Allein, da alle die Gelehrten, die den lebendigen Damen eine Seele versagen, ganz gewis auch den unbelebten keine werden geben wollen: so fodert man von mir, den Leser keinen Augenblick im Zweifel zu lassen, ob zuföderst iene eine haben; – daß auch die unbelebten von einem vernünftigen Geiste bewohnet werden, das folgt hernach ia von selbst.

Die Damen, sagt man, sind schmückende Blumen und haben ausser dem Honig und Dufte (der wolriechenden Pomade) und ausser dem Blumenstaub (dem Puder) weiter nichts an oder in dem Kopfe. Allein man erinnere sich, was ich neulich auf dem Billiard als ich mich darüber gerade verlief, anmerkte, daß die besten Naturforscher z. B. Bonnet aus den besten Gründen geglaubt, die Blumen hätten vielleicht eine Seele. Ist es nun unwahrscheinlich, daß die Schönen ihnen auch in diesem Punkte gleichen?

Am besten thu' ich die Beseeligung der Damen dar, wenn ich wirklich die der sogenannten feinen Herrn besser ausser Zweifel setze, als die meisten Philosophen noch immer thun wollen. Denn es müste ein besonderes Unglück sein, wenn man von der Beseelung ihrer völligen Ebenbilder – ich folge hierin blos der Meinung der besten Anatomiker, der eines Albinus, Hunter, Mekel, Haller, die insgesammt die Stutzer für Hermaphroditen und folglich für verkapte Weiber halten – nicht recht gut auf ihre eigne schliessen könnte. Ich sah es niemals ein, warum sich diese Stutzer gegen so viele französische Philosophen, die sie zu blosser Materie umbacken wollten, nicht öfter auf ihre erwiesene Aehnlichkeit mit den Schmetterlingen beriefen, die ganz sicher Seelen haben, die Nachtvögel sowol als die Tagvögel, und deren Beschäftigungen uns nicht im geringsten etwan mehr als des Stutzers seine nöthigen eine Beseelung dabei voraussetzen. Ich wollte wir giengen darin so tief als die Alten, die aus diesem Grunde der Psyche d. i. der Seele die Gestalt eines Schmetterlings oder doch seine Flügel gaben. Denn daß sie die Aehnlichkeit des Zweifalters und des artigen Herrn so wenig als wir verkannten, nehm' ich daraus ab, weil sie um die himmlische Venus immer die Gesellschaft eines Schmetterlinges malten, der nämlich sicher kein natürlicher war, obs gleich die Mythologisten verfechten: denn konnte man wol die schönste Dame in der Welt und im Himmel von einem blossen unmetaphorischen Schmetterling umflattern lassen, der an ihrem Busen nichts geküsset hätte als die Rose dazwischen, die ihn beschattete? Könnt ich mir nun schmeicheln, ohne Belesenheit und Nachdenken den meisten lebendigen Damen die Seele wieder eingeblasen zu haben, die ihnen viele große Männer, das Konsilium zu Mazon ausgenommen völlig ausbliesen: so hätt' ich wichtige Schritte zum Beweise der Seele derer unbelebten gethan die ihnen von der äussern und körperlichen Seite (nach allen bisherigen Beweisen) dermassen gleichen, daß ich nicht wüste was ich denken sollte, wenn die innere unähnlicher wäre. Wahrhaftig der menschliche Körper ist, wie schon Edelmann bewies, nichts als ein wahrer Ausflus und Sohn und ein Gespinst der darin übernachtenden Seele: bei meiner leblosen Frau ist nun aber dieser Körper, dieser Ausflus wirklich da und es sieht ihn ieder: folglich kann doch warlich die Seele nicht fehlen oder weit weg sein, der dieser so sichtbare Ausflus entgieng und die Schnecke mus blos im Gehäuse, das sie ausschwizte, sich etwann nur verstecket halten.

Freilich sizt bei solchen Umständen die Seele in einem Körper, der ganz tod ist: aber die menschlichen Seelen haben das von ihren Körpern schon gewohnt. Im Grunde lebt ohnehin kein Körper; am wenigsten in der Ohnmacht, oder gar im Grabe: und gleichwol ist keine Seele herauszubringen; welches der im Sarge fortdauernde Wachsthum der Nägel und Haare bestätigt, der ohne das Dasein einer besondern vegetativen Seele nicht zu erklären stände, wie Bonaventura, Durandus und vielleicht ich es so gewis wissen, als man bei dergleichen Dingen kann. Da nun eine Statue (und meine Gattin kann nichts anders sein) weiter nichts nach der Bemerkung der Siamer als ein unbelebter toder Mensch ist; und da ferner der unsterbliche Geist wol niemals eher aus einem toden Körper abzieht als bis er verdamt stinkt, ein Erfahrungssatz, der sich auf das Ansehen der Aegypter und des H. Professor Hennings in Jena nicht mehr als auf unsere Sinne stüzt: so verknüpfet sich ia alles recht glücklich, um uns zu befestigen, daß meine unbelebte Frau zum wenigsten so lange einen Geist besitzet, als sie noch ganz ist und ihn die Würmer noch nicht ausgeiaget: gleichermassen sollen auch alle die übrigen Damen, die man noch bei mir bestellen wird, ihre ordentlichen ächten Seelen haben. Wie freilich eine hineinkömmt, ob durch Tradukzion, oder durch Präformazion oder durch augenblickliche Erschaffung: das bringt in iedem Falle – ob das gleich drei der besten Systeme sind, wovon ich eines nach dem andern selbst geglaubt – kein sterblicher Mann heraus, er mag nun eine unbelebte Dame machen oder nur ein belebtes Kind.

Inzwischen frag' ich nichts darnach, sondern ich will wirklich annehmen, die lebendigen Damen hätten keine Seele so wenig als die Welt, die sie zieren: so könnte man doch daraus noch keinen ähnlichen Schluß auf unbelebte machen. Es würde mir hier viel helfen, wenn ich mit einem Autor des 10. Jahrhunderts glauben wollte, die Seele wäre eine wahre Pfeife: denn Damen meiner Art sind dazu recht gut auszuholen: dabei führt der Autor nicht nur gute Gründe dafür an, sondern auch funfzehn, ia ich könnte fragen, obs nicht ein sechzehnter wäre, daß die Seele eines Franzosen eine lockende Wachtelpfeife für das zweite Geschlecht, die eines Kunstrichters eine Stimpfeife für hundert Autoren, die eines Polizeilieutenants eine Spitzbubenpfeife? Folglich wären alle menschlichen Körper oder die weiblichen hübschen Pfeifenstöcke wie man sie in Orgeln findet. Wenn nach Helmont die Seelen bloße Lichter sind (und er konnt' es wissen, da er ia selbst eine hatte): so kann meine obige Nachricht vom faulen und leuchtenden Holze des Moses und meiner Frau Denker weiter führen als sie selber wollen. Allein ich will mich mit Vergnügen stellen, als nähm' ich diese zwei festen Stützen der Beseelung lebloser Damen nicht wahr; nur verhoff' ich wieder, der Leser werde auch seiner Seits mir für diese erlassenen Beweise etwann ein paar Einwürfe nachlassen und schenken, sobald sie nämlich schwerer aufzulösen wären als der, daß ia das Gehirn eines Haubenkopfes ieder Seele fast zu hart wäre. Denn darauf kann ich wol ohne Nachdenken versezen, daß man schon aus beseelten lebendigen Menschen (von Statuen nicht zu reden) Gehirne ausgehoben, mit denen man Feuer schlug und Monboddo schickte auf Schiffen Bücher aus England nach Deutschland, worin er beweiset, die Steine hätten Seelen. Ausserdem daß in ieder hölzernen Dame sich eine göttliche Dryade ohne die weder Bau- noch Brenholz ist, aufhalten muß, welches noch besser als zwei Seelen ist: so sagt auch die Vernunft noch das: wenn wirklich nach Platos Vorgeben männliche Seelen zur Strafe in weibliche Körper gesenkt werden; wenn aber ferner die lebendige Schönen, wie man oben annehmen wollte, ganz und gar keine Seele beherbergen: so steht die große Frage auf, wohin sollen sie denn verbannt sein? Wenns nicht in die Haubenköpfe und Puppen d. i. in die von mir erfundnen und dem andern Geschlecht doch in der Gestalt am nächsten kommenden Weiber ist: so gesteh' ich gern, daß ich mir mit aller Belesenheit und Erfahrung auf der weiten langen Welt keine weibliche Menschenfigur auszudenken vermag, die zu einem rechten Gefängniß für eine männliche die Armseligkeiten des Putzes verschmähende Seele zu gebrauchen wäre. Ich schliesse daraus nur so viel, daß da die Beseelung lebendiger Damen zwar recht starke Gründe für sich hat, allein doch nicht wie der leblosen ihre gegen alle wichtige Zweifel gerettet werden kann, die Ehemänner wenigstens sicherer fahren, die vor der Hand nach meinen greifen: führets hernach ein Kant oder sonst ein sicherer Philosoph in einem guten demonstrativen Beweise aus, daß sie trotz ihrer Sucht nach Kleinigkeiten eine Seele haben: so können wir alle insgesamt noch recht gut eine lebendige gar dazu heirathen und ich weis schon, was ich nach der Lesung ienes Beweises anstelle.

Allein diese Seele ist nicht ohne ihre große Kräfte; und diese sind nicht ohne ihre gewisse Zeichen und Devisen auf dem Gesichte, das der Anschlagezettel der innern Geschicklichkeiten ist. Es hat der Haubenkopf vielleicht eine mehr zurückgehende als gerundete Stirn und verheisset so nach nicht so wol Verstand als beträchtliche Imaginazion. Freilich ist sie so wenig ohne Verstand als ihr schriftstellerischer Eheherr, und er sitzt auch bei ihr wie bei andern ordentlich auf und nicht unter der Hirnschale und durch Lavaters Stirnmesser könnte man ihn, fals er klug genug am Kopfputze angesetzet würde, mit einiger Genauigkeit ausmessen, allein, da dieser angenehme Verstand von der Mode bald vergrössert bald verkleinert wird: so muß ich alle meine Leser, so unzählige ihrer sein mögen, auf die Abbildungen der neuesten Koeffüren (in Kalendern) oder der weiblichen Verstandesgaben fast ganz verweisen. Ihre Hände verbergen, wenn ich sie nicht zu eilfertig besehen habe, vielleicht nützliche Anlagen zur Dichtkunst und die rechte nähert sich dem Erhabnen offenbar: ich weis recht wol, daß ich dieses dem Riechsacke, womit ich gleich anfangs ihre Hände aufgetrieben, zum Theile beizumessen habe, allein doch nicht ganz. Die übrigen Glieder sind des Mosis seine, dessen vollständige Physiognomie den Lesern schon aus dem alten Testamente bekannt sein muß... Wahrhaftig wenn ich mich so sicher darauf verlasse, daß kein Mann, wenn er mit meiner Art von Schönen Ehepakten aufgerichtet, über mich die Hände zusammenschlagen und dabei schreien wird, ich hätte ihn mit den Hölzernen so gut wo nicht mehr betrogen als die lebendigen: so steif' ich mich auf keinen stärkern Grund als den, daß ich die Physiognomie solcher Schönen ganz in die Gewalt des Mannes bringe, dessen Hand sonst der lebendigen ihre nicht so wol verbessern als blos entstellen konnte; er kann in ein solches Gesicht nicht nur die natürliche Moral schnitzen, sondern auch die geoffenbarte. Wollte Gott, der Leser könnte sich auf die Drechselbank noch heute setzen, mit der ich durch geringe Aenderungen in der Physiognomie meiner Frau alle die darauf folgenden Aenderungen in der Seele ausarbeite, die ich zu unserem Ehestande nicht missen kann: schien mir z. B. ihre Stirn zu eckigt und hartsinnig, so brachte ich sie unter mein Eisen und hobelte damit einige Nachgiebigkeit nach Vermögen hinein: auf diese Weise bildete ich ihr die vier Kardinaltugenden ohne Beredsamkeit und mit so gutem Erfolge an, daß ich das gröste Mitleiden mit mir und iedem bekam, der sich statt von einer Drechselbank, blos von einer Kanzel will umbessern lassen. Und wenn der Apostel Paulus unter der Beschneidung des Fleisches und der Lippen nicht diese wahre Beschneidung der Physigonomie verstand: so vermuth' ich wenigstens, daß er sich blos figürlich ausdrücken und auf meine unbelebten Damen gar nicht anspielen wollte.


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