Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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IV.

Einfältige aber gutgemeinte Biographie einer neuen angenehmen Frau von bloßem Holz, die ich längst erfunden und geheirathet

Die ältesten Personen in der Stadt erinnern sich noch, daß sie mich als ein Kind herumspringen sahen und sie sagen, ich sei gut ein Sechziger. Meine Frau ist so alt wie mein Kanapee, 49 Jahre; gerade so lange ist es auch, daß ich mit ihr im harten Stande der Ehe lebe; denn man muste mich den Augenblick, als ich sie fertig hatte, mit ihr recht kopuliren und unsere Hände, wovon nur ihre nicht organisiret waren, unter einer Vorlesung aus der Kirchenagende ordentlich in einander thun. Ich wollte ich hätte etwas von ihrer Geduld und Apathie in den schwersten Fällen, die sie treffen; denn obgleich wol zwanzig hisige Weiber aus schlimmen Absichten versichern, sie würde, wenn sie lebendig und nicht meistentheils von Holz wäre, zuverlässig anders sein und ihre Gelassenheit könnte kein Mensch mehr für wahre erworbene als für bloße Temperamentstugend halten: so sehen doch polizirte Völker ein, daß meine Frau es auch nicht weiter treiben kann, da sie keine Vernunft hat. Es ist möglich, es schwachsinnig zu finden, daß ich, da ich einmal an einem Sonntag abends recht vergnügt mit meiner Gattin und unserer Ehe war, ihr diamantenes Halskreuz anfaste und sie mit einer feinen Stimme fragte, ob sie nicht glaube, ich trüge das Ehekreuz so lustig und leicht als sie ihr Halskreuz. Man will mir schmeicheln, ich kennte verschiedene Arten, den weiblichen Witz herauszulocken und man sähe mich für einen lebendigen Funkenzieher desselben häufig an: ich kann es aber gar nicht glauben, und feine Schmeichelei herrschet iezt in der ganzen Welt, und auch gegen mich.

Es scheint daher meine Christenpflicht zu sein, so unzähligen Männern zu sagen, wie ich mir eine so gute Frau gemacht: sie können sich darnach doch ähnliche bei geschickten Bildschnitzern, Modellirern und Wachsbossirern oder auch bei mir selbst bestellen, und sie gewisser maßen noch heirathen: denn iedermann kann zwei Weiber auf einmal ehlichen, fals Eine davon aus blossem Holz besteht.

Da ein alter hölzerner Moses müssig den Kirchboden bewohnte – sonst trug er auf seinem Haupte und seinen Händen die Kanzel unserer Pfarrkirche mit einigem Ruhme allein bei einer Reparatur hatte sich ein Apostel an die Stelle dieses zweiten Atlas und Schildhalters gestellet – so muste mir ihn der Kirchenvater gar schenken. Ich hatte an ihm nun auf einmal, ohne einen Tropfen Schweis, einen hübschen Rumpf zu meiner Frau. Ich sägte ihm daher sein graues Haupt ab, dessen Angesicht wenigstens im Finstern viele Stralen warf, wie ia bekanntermaßen das faule Holz gern thut. Beiläufig unzählige angenehme Autoren nehmen ihren Kopf zu Hülfe und thun hinlänglich dar, daß an des Heerführers Mosis seinem vielleicht nicht viel sei, und daß ihm noch vieles zu einen französischen fehle. Die Wahrheit zu sagen, so konnt' ich selbst niemals an dem Kopfe des gedachten hölzernen Moses ienen ausserordentlichen Verstand verspüren, den die Predigt sonst an ihm schätzen und der wol nur in seinen Schriften herrschen mag. Es ist mir daher nicht zu verargen, daß ich meiner Gattin, da ich selbst in einem Buche aus der hiesigen Lesegesellschaft klare Beweise gelesen, daß der Kopf einer Dame ein wesentlicher Theil derselben und eben so wol der Sitz ihrer Schönheit als ihrer Seele sei, – wiewol mans wieder aufgiebt, wenn man den H. Zechini zulezt lieset, dem der Beweis leicht war, daß die Seele eines Fötus und seiner Mutter gar an Einem Orte sässen, so wie sein Körper – den morschen Kopf des Moses durchaus nicht aufsetzen, sondern lieber das Geld daran wenden und den redenden hölzernen Kopf des Backo dazu verschreiben wollte. Allein ein redlicher Freund überzeugte mich durch Briefe, dieser Kopf wäre gar nicht mehr zu haben, und wenn ich von der hiesigen Haubenmacherin einen Haubenkopf erhandeln könnte, der eine glückliche Physiognomie hätte und damit einigen Witz, ein wenig Nachdenken und andere Seelengaben verspräche: so wär's gewis am allerbesten. Ich thats mit Vergnügen und schlug einen Haubenkopf, der paste, mit Bedacht und unter großen Hofnungen in den Hals des Moses ein. Indessen hatt' ich doch noch nichts vor mir als den blossen Embryon einer ausserordentlichen Frau.

Schönheit must' ihm ietzt in einem seltenen Grade zugeleget werden. Ich offenbar' es ohne mich so schämen, daß ich freilich aus den besten Poeten recht gut wissen muste, unbeschreiblich schöne Augen müsten ganz aus Achat, schöne Zähne aus Perlen oder Elfenbein, schöne Lippen aus Rubinen, schöne Locken aus Gold, ein schöner Busen aus Marmor (offenbar weissem und nicht schwarzem) gearbeitet sein. Aber ich wünschte, meine Vermögensumstände und meine Gläubiger wären allgemein bekant: weil man sonst mich auf eine sonderbare Art beurtheilen wird, wenn man erfährt, daß ich wider die deutlichsten Vorschriften der Poeten meiner Frau die wohlfeilsten Glieder angesetzt. Allein es sind schon diese erheblich und ich muste schon um dieser willen bei Kaufleuten, Juden und Juwelierern und Putzhändlern zu viel auf Kredit ausnehmen, um ihren Gliedern durch den Anzug nachzuhelfen und die Perlen in der Zahnlade durch Perlen um den Hals, das goldne Haar durch goldne Haarnadeln, die Rubinen der Lippen durch Edelgesteine in den Ohren etc. am besten zu ersetzen. Wahrhaftig nur an sehr vornehmen Damen werd' ich eines ähnlichen Ersatzes ansichtig. Sonst weiß ich recht gut und handle stets darnach, daß nicht das Schulden machen, sondern das Schulden bezahlen einen ordentlichen Mann und seinen vielfärbigen Beutel gänzlich auszehre. Denn durch die Vergrösserung der Schulden arbeitet man zugleich an die Vergrößerung des Kredits und wer eine halbe Million schuldig ist, hatte offenbar eine halbe Million Kredit. Allein eben dadurch, daß fast ieder, wenn er nicht ein Fürst oder ein auswärtiger Gesandter ist, vieles wieder bezahlen muß, wird das Aufborgen ausserordentlich erschweret und in eine wahre Verschwendung verwandelt, ich will nicht einmal erwähnen, daß der Jurist dabei tadelt, daß da das Leihen nichts ist als ein Kauf, wo der Gläubiger für Geld Dokumente und Papiere vom Schuldner ersteht, die Wiederfoderung des Geldes deutlich genug ein Reukauf ist, der dem Gäubiger nicht so frei stehen sollte; im Grunde und nach den Rechten müste er die gekauften Papiere behalten. Wahrhaftig in höhern Ständen borgt man mehr, aber man zahlt auch weniger zurück und man sollte über diesen einzigen erlaubten Fall, der uns aus tausenden noch zur Ausübung der spartischen und wilden Tugend des Diebstahls übrig gelassen worden, mehr halten, da sie zumal ietzt auch gar die geschicktesten fürstl. Kassenbedienten grossentheils abschwören sollen.

Ich fahre in der Kosmogonie meiner Gattin angenehmer Weise fort: denn ich halte den Menschen gar für die Welt im Kleinen. Ich schabte aus dem Haubenkopfe die hölzernen Augen mühsam heraus und drückte ein paar silberne hinein, um mich über die hiesige Prima Donna aufzuhalten, deren eines Auge offenbar nicht von Silber, sondern von Nerven, Blut und Feuchtigkeiten ist. Das rechte Auge malt' ich blau das linke schwarz aus, um die Zärtlichkeit des erstern mit dem Feuer des letztern in Einem Gesichte zu verknüpfen: am meisten meinem Schwiegersohne zu Gefallen, der zugleich blonde und brünette Biere und Schönheiten lieb hat, da die Backenzähne selten auftreten: so wird man hoff' ich nicht unbändig darüber schreien, daß ich ihren Mund, den ich deswegen erst aushölen muste, hinten blos mit einigen schlechten beschlagen, die ich einmal in einer katholischen Kirche rechtmässiger Weise und weil ich gerade nahe genug an der H. Apollonia stand, an der sie hiengen, eingestecket hatte. Indessen wust' ich auf der andern Seite gut, daß ich den Aufwand für die Vorderzähne auf die Rezensenten der Zähne am ersten blicken, weit treiben müste und ihr keine geringern geben könnte als solche aus sehr schön gebleichten Rindsknochen. Die Poeten können, da sie das Geld haben, es immer überschrauben und in die Zahnläden ihrer weiblichen Ideale die ächtesten Perlen säen, allein ich hoffe noch immer, iedes Frauenzimmer, das nicht gar zu eitel ist, wird damit zufrieden sein, wenns wie meine Gattin nur Zähne aus Rindsknochen darum hat oder wie die Damen in Frankreich, etwan solche aus dem Munde armer Leute (die da die schönen Zähne verkaufen, um den übrigen häslichen etwas zubeissen und zubrocken zu geben) oder auch der Wallrosse oder höchstens aus Gold. – Ich will niemals steif auf dem Vortheile beharren, den meine Frau vor meiner ganzen Gasse von Nachbarinnen zum voraus hat, die ihre Zähne und ihre Haarnadeln erst vor dem Schlafengehen ausziehen und ieden Morgen von neuem zahnen: sondern ich suche ihren wichtigsten Vorzug darin, daß sie ihren Mund unaufhörlich offen und folglich ihre Zähne unverdecket halten kann. Ich besorge, tausend lebendige Damen vermögens nicht und ihre Muskeln stehen es nicht aus, in einem fort freundlich und satirisch zu lächeln, um ihre Zähne aufzudecken; und wir haben ihnen schon Dank zu wissen, wenn sie es in einer langweiligen Virtelstunde mehr als einmal vermögen.

Millionen Leser, die niemals in mein Haus gekommen, würden noch nichts sonderliches (und mit Grunde) an den Reizen meiner Gattin merken: wäre der H. D. Foppolius nicht gewesen, der hiesiger Stadt- und Landphysikus und mein Gevatter ist und der gelehrten Welt nicht so wol als der ungelehrten bekannt genug sein mag. Nach vielen Jahren erst wenn ich schon verfaule, wird das Publikum, dem alsdann die von mir erfundenen Weiber erst recht gefallen, daran dencken, daß es ausser mir keinem andern den grösten Dank dafür zu wissen habe als dem D. Foppolius, der mir aus seinem Naturalienkabinette die Haut, die iene parisische Dame sich abziehen lies, um einen schönern Teint zu gewinnen, (siehe Montaigne L. I. M. XXXX) mit der besten Art ins Haus geschickt. Ich konnte nun diese nehmen und damit meine Gattin völlig überziehen, die noch immer halb aus sah wie der Moses... Inzwischen suche doch der geschmackvolle Leser meine Gattin ietzt wiederum in seinem Kopfe aufzustellen und anzuschauen, aber mit der neuen Verschönerung, nämlich angethan mit einer weiblichen betagten Haut: ihr Bild fället nun ohne Zweifel in seiner Phantasie ein wenig schöner als oben aus, und entfernt sich vielleicht von der Gestalt einer lebendigen Pariserin, die eben aufgestanden noch nicht Toilette gemacht, eben nicht so weit mehr. Nun war ich auf einmal ein Mann, der so gut wie eine lebendige Frau eine Haut vor sich hatte, die ihm zu allen Verschönerungen das weiteste Feld anbot; oder eine Baustelle wahrer Reize, und ich durfte nur anfangen.

Wenn eine Schöne es sein will: so malet sie zuerst blaue Adern auf ihre unsichtbaren. Es ist eine Sünde, Frauenzimmern, die sich mit den schönsten Adern ummahlen, ins Gesicht zu sagen, sie wollten uns betrügen und belögen uns durch die Larve eines mangelnden Reizes: strecken sich denn in ihnen nicht wirklich die Adern hin, die ihr Pinsel von aussen auffrischt, und ist denn wol ihre ganze Absicht etwas als eben sie geschickt durch die äussere Aufstreichung nur sichtbarer zu machen, da die gröbere Haut sie vorher verhüllte? Ganz und gar das leztere. Meine Frau scheint sich auch dadurch über eine, die lebt, zu erheben, daß sie diese hinfällige Malerei dabei verschmäht: denn ich füllte ihren Adern blaues Wachs vorsichtig ein. Es scheint nicht, daß ich dadurch der Freiheit der Männer etwas entziehe, die den Adern solcher Weiber allemal blos Spiritus einspritzen wollen oder auch Quecksilber.

Ein erfahrner Hausvater, der das jährliche Kostgeld der Nase ausgerechnet hat, weis zu allen Zeiten die einer unbelebten Frau zu schätzen, die wenig schnupft. Ich brauchte meiner Gattin an ihrem Geburtstage nur eine leere Tabatiere zu schenken, von deren Dosenstück ich diesem Buche eine schlechte Zeichnung zum allgemeinen Vergnügen bewilligen wollte, weil es weit unzüchtiger ist als man sich einbildet. Allein es wird eben so gut sein, wenn Damen die es schauen wollen, selbst zu mir kommen und es mit meiner Gattin allein besehen: denn vor weiblichen Augen werden weibliche Wangen weniger roth... Ich wurde diese Tabatiere bei einer Berlinerin ansichtig, als ich mitten in der Sakristei und im Absolviren stand.


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