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Ich seh' es freilich so gut, als ein anderer, daß unsere Dichter nicht im Stande sind, die wässerigen Meteoren des französischen Stils mit den feurigen des englischen zu vertauschen; es gehet ihnen der englische Geist noch sehr ab: aber das nehm' ich auch mit einigen deutlich wahr, daß die Schuld auf die Aerzte fället: könnten oder auch möchten diese lieber Leser, den Körpern erwachsener Personen – und das sind freilich viele von unsern Dichtern – die englische Krankheit eben so gut einimpfen als sie den Kindern sie nehmen: so wünscht' ich nichts als ein solcher mit der englischen Krankheit versehener Dichter zu sein. Ich würde alsdann – denn dieses Uebel nüzt dem Kopfe recht und füllet ihn mit allen Kräften des ausgesognen Rumpfes; bei Kindern nämlich; wie vielmehr bei ganz ausgewachsenen Dichtern – fast noch besser schreiben als iezt.
Bucklichte Leute, sagt Platner in seiner Anthropologie, sind sehr verständig. Ich hin zwar nur das erstere; aber wenn ich auch das leztere wäre, so könt' ich iezt doch nichts vorbringen, das noch klüger wäre als meine Bemerkung, daß es gar nichts Tadelhaftes bei sich führt, wenn die Damen lieber krumm als dumm sein wollen und sich um ihre Taille, die sie durch Schnürbrüste zerstöhren, viel weniger als um ihren Verstand, den sie dadurch verbessern, bekümmern. Da sich die Größe des Verstandes so sehr nach der Größe des Buckels richtet: so wird stets eine enge Schnürbrust, wenn sie diesen grösser oder schiefer machen kann – und alle Frauenzimmer versichern, sie wüsten gewis, sie könt' es – ein herrliches Sublimirgefäs des Witzes, ein erprobter Verhak gegen Einfalt, ein drittes Seelenorgan und corpus callosum, und noch weit mehr sein; und ich sage, ein philosophischer Mantel ia ein Doktorhut kömmt gegen eine Schnürbrust in keine Betrachtung. Allein wenn ich meine Frau ansehe, die bisher durch die engsten Brustkefichte nichts werden wollte als krumm: denk' ich denn Unrecht, wenn ich will, man solle nicht mehr vom Schneider, der den Henker davon weis, sondern vom Arzte sich das Rückgrat so lang verdrehen lassen, bis der Verstand gerade ist? Ich gäbe aber viel von meiner Frau darum, wenn mir iemand voraus sagen könnte, ob's die Pensionsanstalten wirklich thun werden.
Ich kenne seit Jahr und Tag einige hübsche Tragödiensteller, die sogleich nach der Lesung dieser Abhandlung fortarbeiten werden: aber sie solltens durchaus nicht thun, sondern vielmehr folgendes Billet an den Doktor schicken: »Wir sollen in der Eile etliche ganz gute Tragödien, die allgemein rühren müssen, ausbrüten; und unser Wille ists auch. Wir ersuchen Sie daher lieber Herr Doktor, mit unserem Körper – denn der wird wol das Schwimmkleid bleiben, durch den sich unsere Seele erhebt – eine dramaturgische Kur vorzunehmen und ihm ohne Zeitverlust ein ziemliches hitziges Fieber beizubringen. Wären wir hernach mit den Tragödien zu Rande: so stünd' es ganz in Ihrem Belieben, es wieder zu einem kalten herabzusetzen.«
Und wahrhaftig werd ich nicht in Kurzem viel klüger, schalkhafter und talentreicher als ich seit vielen Jahren war: so übernehm ich mich selber nächstens mit Nieswurz, der, wie die alten Aerzte versichern, auf den Körper die Wirkung eines heftigen Giftes thut; meine wenigen Freunde mögen sagen was sie wollen und mich immerhin anmahnen, den Verstand nicht zu achten, sondern in ein Amt zu treten.
Wär' ich ein ordentlicher Apotheker, ich meine, schickt' ich dem Doktor das gewöhnliche Neuiahrsgeschenk: so thät ich das durchaus nicht wenn er nicht zum Vortheil seines medizinischen Verstandes und zur Heilung seiner Pazienten des Jahres ein paarmal sich selbst tod krank gemacht hätte – nicht durch den unmässigen Gebrauch der Arzeneien, sondern der besten Bücher darüber, woraus er sich mit Kentnissen und Infarktus anfüllte. Was die Rezensenten anlangt: so gebraucht sie freilich ieder zu Einwürfen und sagt, Gallenfieber, Hypochondrie, Gelbsucht etc. verliessen sie jahraus jahrein auf keine Weise, und dennoch blieb' ihr Verstand und Herz eben so krank als wär' ihr Körper gesund. Gut! Aber man treibe doch dieses Gallenfieber, das allerdings ihren Verstand mehr schwächt als stärkt, eben weil es noch gering und fast nur metaphorisch ist, auf den höchsten ersinnlichen Grad: so gewinnt ihr Verstand, der bei einer kleinen Zerrüttung ihres Leibes fast verlor, unerhört bei der großen, wie der kleine Ris einer Glocke den Klang derselben nur so lange verdumpft als man ihn nicht grösser macht; der weitere gibt ihr sogleich den Wollaut wieder. Unter der großen Zerrüttung des Körpers verstand ich, wie man wol merkte, die völlige Trennung der kritischen Seele von ihm oder den Tod. Denn ein Rezensent sei noch so einfältig und ungeschliffen und selbst schlimm: so wird er doch, wenn man ihn umgebracht hat, gähling ein ganz anderes Wesen, er fängt an, mehr und besser zu denken, er fodert – da er gerade vor dem Munde vorbeifliegt – seinen so lange dastehenden und hermetisch versiegelten Verstand ein, er verhelet im Himmel seinen Namen nicht mehr, ist nicht so bitter und scheint überhaupt gar nicht das alte Ungeheuer mehr zu sein, das er doch noch kurz vor dem Tode war. Ob ich indessen das alles blos in den Wind geschrieben habe, oder ob ein und der andere Rezensent dennoch erwäget, daß die Damen ihren wahren Werth, ihre Schönheit gern mit Verlust ihrer Gesundheit bezahlen, und daß daher ein Mann wol für den bessern Verstand auch weit mehr aufzuopfern schuldig sei, und das es deswegen Aerzte gäbe – das erseh' ich leicht aus den künftigen Todenlisten.
Von dem peinlichen Rechte hab' ich iezt zu handeln. Wär es zweifelhaft, ob die Obrigkeit töden darf: so würd ich hier zur bündigsten Widerlegung des Beckaria, gegen den man das Wichtigste bisher noch gar nicht erörtert hat, viele Einwendungen aufstellen, die ein geschickter Henker gewis gegen die Abschaffung der Todesstrafen machen könnte. Das merk ich doch an, allen Mord der Unterthanen ordnet unmöglich ein vernünftiger Denker ab, sondern nur den schnellen. Denn richtet der Staat gar keine Missethäter mehr hin: so möcht' ich erfahren, wie er sie beköstigen will. Sonach scheinet es schon darum von der äussersten Nothwendigkeit zu sein, daß von Vierteliahr zu Vierteliahr etwas gehangen oder geköpfet werde: weil sonst die besten Missethäter in der That verhungern müsten. »Es ist, könnte man zwar sagen, ia gut genug, daß ein Fürst schon etwan von seinen bessern Unterthanen den Tod des Hungers abwendet, indem er sie gern der besten ersten Macht, die Krieg führt und nicht ohne Geld ist, oder auch beiden kämpfenden Mächten zugleich vorschiesset und durch das feindliche Schwerd den armen Unterthan auf immer vor der Verhungerung sichert: aber Missethäter verdienen diese Güte kaum. Sind sie indessen nicht auch Unterthanen? Haben sie alles Recht an den Beistand ihres Herrn durch ein Paar Missethaten verscherzt? Mich dünkt vielmehr, der Fürst muß sie eben so gut als ieden Unterthan hinrichten lassen, damit sie nicht im Geringsten darben... Ich will doch einige Todesarten durchlaufen und zu Beispielen verwenden, wie die Hand des Arztes sie etwan aus schnellen in langsamere umsetzen dürfte.
Erstlich das Köpfen! das Trepaniren sez' ich an seine Stelle, weils eben so viel ist. Es wäre mir verdrießlich, wenn man gleichwol den Henker nicht abdankte: der Delinquent hat dabei sichtbar den Vortheil, daß er ordentlich und langsam aus der Welt geführet wird. Von Kindern red' ich nicht, denen der Geburtshelfer mit Einsicht die Köpfe abschneiden kann: Denn sie leiden diese Exekuzion mehr für ihre Erb- als wirklichen Sünden.
Zweitens der Strang! Nach Wepfer ist kein Tod sanfter als der am Galgen. Auch soll ihn der Arzt – ich befehl' ihm das hier deutlich genug – dem Delinquenten auf keine Weise versalzen: er mag deswegen, da Gehängte an einem Schlagflusse verscheiden, die ganze Kurart eintreten heissen, wobei er bei ehrlichen und unschuldigen Pazienten dem Schlagflusse begegnet. Es wird hoffentlich dann eben so viel sein als hätt' er den Kauz von Missethäter wirklich gehangen.
Statt einen Delinquenten erbärmlich mit dem Rade zu stossen: verleihe ihm doch ein rechter Arzt die Gicht ein, die bisher die Strafe der Unkeuschen und Unmässigen gewesen; allein das war ia zu streng.
In Rücksicht des lebendigen Vergrabens wird man wol bei Missethätern die Art und Weise beibehalten müssen, auf die es bisher bei ehrlichen Personen vorgieng, an denen man es gern sah, wenn sie vorher in einer starken dem Tode ähnlichen Ohnmacht lagen, eh' man sie lebendig verscharrte. Der Arzt müste dafür sorgen, daß der Delinquent in die Ohnmacht fiele, eh' man ihn begrübe: sonst wird diesem an dem ganzen Leichenbegängniß nichts gefallen.
Man würde sich in neuern Zeiten des Ertränkens vielleicht öfter bedienet haben! wenn ich eher hätte vorschlagen können, das Urthel so zu machen:
»Auf Klag, Antwort und alles gerichtlich Fürbringen auch nothdürftige, wahrhaftige Erfahrung und Erfindung, so deshalben alles, nach laut Kayser Carls des Fünften und des Heiligen Reichs Ordnung, geschehen: Ist durch die Urtheiler und Schöpfen dieses Gerichts, endlich zu Recht, erkannt daß N. N. so gegenwärtig vor diesem Gericht steht, der Uebelthat halber, so er mit N. geübt hat, mit Mixturen vom Leben zum Tode gestraft werden soll.«
Ich könnte die Sache weiter und mit vielen Ehren ausführen: wenn ich nicht gewis wüste, daß Herr Quistorp mir sein Versprechen halten wird, in seiner neuen Auflage seines peinlichen Rechts sich weitläuftig genug darüber auszulassen. Ob H. Klaproth mir über diese Vorschläge etwas schreiben wird, wie mir ein Verwandter von ihm verhies: das muß er selbst am besten wissen.
Wenn indessen der Arzt, der bisher die Missethäter nur seziren dürfen, auch gar abthun dürfte: so wär's unbeschreiblich gut; die Gründe Bekkarias gegen die Todesstrafen vermengen dann gar nichts mehr, weil wir die Mörder nicht schnell, sondern langsam hinrichteten und das sogar, blos weil sie sonst verhungerten: der Ehrgeiz der Inkulpaten wäre so geschont, daß sie blos von der ehrlichen Hand des Arztes stürben: zwischen der Todesart eines Missethäters und eines ieden andern Christen wäre dann denk' ich gar kein Unterschied mehr da, weil wir ia alle in unserm Lezten auch den Doktor freiwillig holen lassen, so wie den Pfarrer, damit er uns zum Tode begleite und bessere; es würde dann ganz gleichgültig werden, ob die Richter einen Unschuldigen zum Tode verdammen oder nicht, weil er sich ihm doch endlich, früher oder später hätte unterziehen müssen, und sie könnten dann von iener ängstlichen Behutsamkeit, mit der sie bisher stets (und auch ganz mit Recht) über Leben und Tod eines Menschen looseten, vieles nachlassen. Ich weis, ich vergesse hier manche Vorzüge meines Projekts.
Z. B. den: bisher zwang die Krankheit eines Missethäters zum Aufschube seiner Strafe und man muste mit seinem Tode auf seine Genesung warten. Dieses Uebel hebet sich iezt selber: denn eine Krankheit wäre eben der beste und glücklichste Zeitpunkt, den der Arzt nur abpassen könnte um die Hinrichtung zu unternehmen. Dieser Zeitgewinnst ist offenbar für die Bürger des Staats, die den Missethäter kostfrei halten müssen, ein gefundener Schaz und mehr.
Man diktirte seit vielen Jahren dem Scharfrichter, der den Delinquenten nicht zu töden verstand, eine kleine Strafe: ich werde mich aber nicht erdreisten, selber etwas Gewisses festzusetzen, sondern es ganz der Obergerichtsbarkeit freistellen, wie sehr sie einen Arzt bestrafen will, der einen ihm ausgelieferten Missethäter entweder zu langsam oder ganz und gar nicht zu Tode kuriret hat. So viel aber wird die Obrigkeit doch sehen, daß Maupertuis unsinnig war, da er Aerzten, die einen Pazienten völlig abgetödet, das Honorarium doch zu versagen anräth: denn diese Strafe – damit andere abgeschrecket werden – verdienen umgekehrt die, die den Kerl bei Leben liessen, wie Jupiter mit einem Donnerkeil nach dem Aeskulap geworfen, weil er einen Menschen nach dem andern leben lies.