Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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Hätt' ich nichts vorgenommen als daß ich an einem schönen Sommerabende einem rothwangigten Jüngling, der für alle seine poetische Blumen, die er mir gab, nichts begehrte als einen von den vielen Lorbeerkränzen an einem Arm, dafür spöttischer Weise eine stechende Dornenkrone aufgesetzet: so ließ' ich mich gar nicht hängen. Allein, ich beraubte im Bambergischen 36 von der Messe zurück fahrende Autoren, wie ich schon auf der zweiten Folter bekannt. Sah ich einen mit seinem Kinde an der Hand oder derer Schreibefingern dahergehen: so fiel ich aus dem Gebüsche hervor, zog das – Federmesser, hielts ihm an die Kehle und schwur, sie ihm und seinem Buben auf der Stelle abzuschneiden, falls er mir nicht etwas für alle diese Mühe gäbe. Vier Autoren und neun Kinder schoß ich einmal an Einem Abende, da ich besoffen war, mit meinen befiederten Pfeilen durch und nieder, ich brauchte dazu Gansfedern sowol als Rabenfedern und vergiftete ihre Spitze hinlänglich mit einem gewissen schwarzen Safte oder auch mit meinem Speichel: ich erboste mich nämlich in einem gewissen Grade und verwandelte den leztern in solchen Gift, daß ich keinen zu kaufen brauchte, und andere sollten sich dieses unschuldige Hausmittel merken. Einem geschikten Harfenisten versehrte ich die rechte Hand durch einen Probeschuß solcher maßen, daß er sie auf keine Davidsharfe mehr bringen durfte und darüber Hungers starb. Oft blies ich einem Fötus im Mutterleibe das Lebenslicht nach Befinden aus. Ich will nicht hoffen, daß eine Dame, deren eines Kind ich todgeschlagen, das andere darüber abortirte; aber neulich hört' ichs wol. Nur Eine Handlung kann ich billigen. So wie iener Parthe – die Gelehrten können wenn sie nach Haus kommen, den Julius Afrikanus aufschlagen – ein Schild mit Pfeilen so treffend beschoß, daß die Löcher davon zulezt das Bild seines Besitzers vorstellen: eben so lies ich auf das Schild eines Autors, hinter dem er zwar sicher aber auch unkentlich blieb, so viele treffende Pfeile abfahren, daß die Merkmale meiner Schüsse zulezt das völlige Bild, das Volgesicht des Autors auf dem Schilde entwarfen; es kannte und lobte ihn hernach ieder Hund... Zu meinem grösten geistlichen Schaden gereichte mir der leibliche Nutzen, daß ich ieden Autor, den ich anpakte, durch die verfluchte Vorspiegelung muthlos machte, die ganze Bande käme nach: denn ich blies in ein Spitzbubenpfeifgen als wollt' ich damit den Hinterhalt herrufen. Ich habe dasselbe hier in der Tasche und könnte es herausthun und vor allen Zuschauern hineinpfeifen, wenn ich glauben könnte, so etwas schikte sich genugsam unter dem Galgen. O! möchten doch viele Rezensenten, die rauben und morden – und ich rede hier die edlern Highwaymens die den Autoren nichts nehmen als Geld, so gut an als die schlechten Footpads, die dem Namen derselben das Leben rauben – nach Hause gehen und da auf keine Sünden mehr aussein, als auf Schwachheitssünden! Möchten sie eine Profession ergreiffen, wie Emil oder ein Sultan!... Jezt aber, lieber Freund Scharfrichter, kann er, wenn es ihm gefället, mich aufhängen.

Alles was man iezt von mir fodert, ist daß ich völlig erweise, daß wir dieselbe Uebertreibung des Tadels, durch die der Rezensent unsern Unwillen auf sich lud nicht auch von dem Selbstrezensenten zu befahren haben, sondern daß er sowol die Fehler als die Schönheiten seines Buches mit aufrichtiger und nicht scheinbarer Schonung zu beurtheilen wisse: erhärt' ich das zureichend, so hoff' ich weniger als ein anderer es zu erschweren, daß Selbstrezensionen sich in unsern bessern Journalen der meisten Plätze der Rezensionen völlig bemächtigen.

Zuerst von Fehlern. Man wird es nach Jahrhunderten noch einsehen, daß es unmöglich ist, von den meisten Rezensenten Schonung der Fehler zu erleben, so lange sie heimlich eine gewisse Plagegöttin verehren, die unter dem Namen »des guten Geschmacks oder der Kritik« Todesengel unter die besten Bücher ausschikt: in Paris hat sie ihre Altäre und in London gar ihren Aufenthalt; denn eben da ließ sie durch einen gewissen Home zwei Geseztafeln machen, die ein guter Skribent stets wünschen muß zu zerschmeißen. Diese Götzendiener suchen wie ich glaube viel darin, daß sie die unehrbaren TheileIch verlange, daß man es weiß, daß ich unter unerbaren Theilen Unsinn, Sprachmängel, phantastischen Schwulst, Zoten etc. guter Schriften verstehe. welche doch an allen Wesen, die partes extra partes haben, wohnen müssen, durchaus von den geistigen Kindern der Autoren weghaben wollen; ihr Vergnügen wär' es, wenn sie ieden Pegasus entmannten und sie ziehen darauf vielleicht nicht weniger los, als gewisse Schwärmer (z. B. die Paterniani) auf die menschlichen, die gar sagten, diese hätte der Teufel ersonnen und hernach gemacht.

Man kann vielleicht einige, ia viele Rezensenten auf bessere Gedanken bringen; aber wahrhaftig nie alle. Ich gieng oft zu den letztern ins Hauß und hielt ihnen vor: es wäre meines geringen Bedünkens eine Schande, daß sie mir nicht beifielen; ich fragte sie, ob sie den Muth hätten, mir ins Gesicht zu sagen, ich löge, wenn ich behauptete, ein schöner Geist könnte ohne Gewissensbisse seine Geburten nicht entmannen, ia nicht einmal – die Liebe zum männlichen Style verböt' es - beschneiden, wie denn auch selbst die Juden weder das Silbergeld noch die Mädgen beschnitten. Ich sprach vor ihnen, weil das noch nicht anschlug, stundenlang von dem abscheulichen Verfalle unserer Zeiten, die aus einem gewissen falschen Geschmack die pudenda der geistigen und leiblichen Kinder schlecht schätzten und ungern nennten, da doch die Alten deren Meisterstücke wir noch haben, die unerbaren Glieder unter dem Namen Phallus und Faszinus anbeteten, eine Latrie, die iezt die eine Hälfte des Menschengeschlechtes völlig unterlässet, – und eh' ich gieng drang ich in solche Rezensenten mit der Frage, ob nicht Füeßlin in seiner Kirchengeschichte erzälte, daß gewiße Manichäer selbst unter dem Baume des Erkenntnisses nichts anders verständen? Allein Haberman lies mich und andere nicht ihres Weges gehen, sondern langte Valentini in novell. med. legal. Cas. V. vom Bücherbrete herab, und las mir und den Rezensenten die sonderbare Anekdote vor, daß einige dänische Konsistorien steinerne und hölzerne Modelle davon hatten: »mit diesen Typis, sagte Haberman, hielt das Ehegericht die Originale zusammen und trennte, im Falle ihrer Unähnlichkeit, leichtlich die Ehe. Wenn ich nun behaupte, daß man gleichermaßen aus Home's Grundsätzen der Kritik und aus Pope's Abhandlung vom Bathos die parties honteuses herausheben könnte, um darnach die unserer belletristischen Werke richtig abzumessen; wenn ich ferner behaupte, (und die Allegorie verlasse) daß Gedichte und Schauspiele, die die Schwulst, Niedrigkeit und Geschmaklosigkeit ihrer Muster zu wenig erreichten, ohne Gnade verworfen und einem vernünftigen Publikum entzogen werden müste: behaupt ich dann etwas Unvernünftiges?«

Ganz und gar nicht – antwort' ich hier blos schriftlich – und so lange man eben diesen nähern Weg nicht betritt, so lange wird tausend solchen Autoren aus Wien das rechtmäßigste und gröste Lob entrissen, aus denen doch geistige Kinder für halbes Geld gequollen, die einige Aehnlichkeit mit ienem leiblichen Kinde behaupten konnten, dem (nach dem Bericht des Iournal de Medicine) zum vollkommenen Manne nichts gefehlt, als die Größe der übrigen Glieder. Nach dem aber was ich gesagt, ist nicht zu befahren, daß Autoren die sich selber öffentlich beurtheilten, in iene tadelsüchtige Behandlung schriftstellerischer Fehler fallen würden; unmöglich könnt' ihnen verborgen sein, daß einer solchen Behandlung nur Menschen sich erdreisten können, die Knechte und immerwährende Sekretaire des sogenannten guten Geschmackes sind. Aber solche Knechte sind sie nimmermehr; und nimmermehr kann der nämliche sogenannte schlechte Geschmack, der ihrem Schreiben beispringt, sie im Beurtheilen dieses Geschriebenen verlassen.

Dennoch hab' ich mir einige Ballen Selbstrezensionen vor die Thüre aus dem Buchladen schieben lassen und eben iezt bloß darum darin geblättert, um recht gewiß zu werden, daß ich den Leser nicht belöge, und daß sie wirklich sich ienes schonenden Rügens der Fehler beeiferten. Aber ich bin nun durch meine Augen davon überführt. Beinahe ieder Selbstrezensent dieser Ballen (besonders im Journal der schönen Wissenschaften bei Schneider in Leipzig) fället mit einer wahren Nachsicht (lasse sie doch immer von der zu strengen Wahrheit so viel nach als sein muß) und ohne alle Bitterkeit der gewöhnlichen Kritiker über die Fehler seines Buchs ein wolwollendes Urtheil, und keine Galle darf seine Feder besudeln, die entweder glaub' ich aus Hamburg ist oder nicht. – Auch fället mir dabei ein Unterschied zwischen dem Rezensenten und dem Selbstrezensenten auf, der den leztern zu so vielem Lobe gereichen kann, als das ist, das sie sich selbst ertheilen. Der Rezensent tadelt nämlich frech die grösten Fehler großer Autoren hie und da; er klopfet und pfeifet mit Lust den litterarischen Schauspieler aus, der doch auf seiner Bühne den König spielt und dem doch das ganze Theater (denn ich nehme nur den Soufleur aus) auf einige Stunden unterthan ist. Ich werde das in einem besondern Traktate halb erweisen. Allein, der bescheidnere Selbstrezensent unterfängt sich nicht einmal gegen sein eignes Kind diese kühne Tadelsucht, sondern er wirft auf die entblösten Schamtheile desselben gern den Mantel der Entschuldigung, wie der gute Sem, dieser Stammvater so vieler Juden, Syrer, Perser und Kaldäer. Ich kann nicht glauben, daß ich überhaupt der erste bin, der es bemerkt und lobt, daß der Selbstrezensent ieden Tadel, den er zuweilen über das Buch aussprechen muß, wahrhaftig menschenfreundlich und im Geiste der christlichen Liebe gegen sich, durch ein entgegengeseztes Lob völlig entkräftet, iede Wunde des Selbsttadels mit dem wolriechenden Oele des Beifals begießet, und im Ganzen dem klugen und doch guten Krämer nachzuschlagen sucht, der den beissenden Pfeffer stets gern mit mildernden Lorbeern zum grösten Nutzen seines Nächsten und Ladens versezt. Allerdings stösset z. B. Herr v. Grossing in Halle (so oft er sich selbst beurtheilt) auch in die zwote Trompete der Fama; allein, wie harmonisch fället er nicht mit der ersten ein? Und viele Gedankenstriche hindurch lässet er die zwote pausiren. Ich wäre ein schlechter Mensch, wenn ich einen zweiten Unterschied zwischen beiden Leuten dem Leser zu verhalten suchte: den, daß der Kunstrichter allzeit durch Lob zum Tadel, der Selbstrichter aber durch Tadel zum Lobe ausholet. Jener, der kaum verdient, daß ich seinen Namen so oft hieher zu schreiben mir die Mühe gegeben, hat völlig den Teufel im Leibe, der hernach auf den Kopf wirkt, und er umringt den armen Schelm, den Autor, wie einen Deserteur, auf einmal mit Spiesruthen und Musik und schlägt ihm, bei aller Ergötzung des Ohres, den Rücken fast weg; er küsset und bittet das Büchlein wie der Henker um Verzeihung, daß ers rädern müsse. Ferne sei aber von dem Selbstrezensenten dieses hämische Betragen, der wahrhaftig, mehr den Damen gleich, statt der Geisel einen schonenden Fächer gegen die galanten Sünden des Buches aufhebt und diese mit den leisen Schlägen in der That mehr belohnen und vermehren, als bestrafen will; und iene Feinheit des D. Swifts und des Voitüre mit anscheinendem Tadel das Lob nur noch mehr zu heben, hat er.

Und wenn ein Selbstlob keine Unbescheidenheit ist, sobald es einem andern Menschen zu noch grösseren Vortheilen gereicht: so ertheil ich mir das auf diesem Blatte ganz frei, daß, wenn auch andere Selbstrezensenten von ihrem Werthe so aufgeklärte und große Begriffe hegen, als ich von meinem, es in ihren Selbstrezensionen vielleicht nicht an Lorbeerkränzen gebrechen dürfte: denn ich für meine geringe Person bin durch langes Nachdenken und sonst in allem Betrachte überzeugt, (und werd' es bleiben so lang ich einen Kopf aufhabe), daß ich mit anhaltendem Scharfsinn nicht nur von den Fehlern eines Buchs schon bewiesen habe, sondern auch von den Schönheiten desselben augenbliklich beweisen werde, daß beide der Selbstrezensent nicht ohne große Schonung behandle.


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