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Würde man nicht vielen Misbräuchen der belletristischen Rezensionen steuern, wenn kein anderer ein Buch rezensiren dürfte als der, der es selbst gemacht?
Vorschlag
Wenn der Prophet Samuel (so erzählen die Juden) einen guten Traum gehabt hatte; so fragte er verneinungsweise: »reden wol die Träume Eitelkeiten?« Wars hingegen ein schlimmer, so sagte er und behauptete es: »es reden wol die Träume Eitelkeiten.« Nicht anders kann ieder verständige Mann verfahren; besonders bei Rezensionen. Wird meinem Buche eine günstige zu Theil: so nehm' ich sie in der Tasche mit hin zu meinen Freunden und sage: »Ich wollte darauf schwören, ein Rezensent weis völlig, was er will und sagt; es ist für mich das erste Kennzeichen eines verdächtigen Autors, wenn er der kritischen Iury Billigkeit und Verstand abspricht. Denn einer, der beides hat, urtheilet stets von seinen Richtern viel bescheidener.« Suchet aber eine tadelsüchtige dieses Werkgen heim: so bring' ich blos das leztere mit und sage zu meinem besten Freunde: »es ist ein wahrer Jammer, daß die Autoren gleich den Schauspielern von Leuten ausgepfiffen werden, die auf der Gallerie, aber nicht in der großen Loge stehen. Darüber wundere ich mich gar nicht, daß Autoren, die dieses kritische Geschmeis durch Lob bestach, es wieder loben: aber von Unpartheiischern sollte man etwas Gründlichers erwarten. Hat nicht denn, lieber Freund, ein Kunstrichter nur Eine Stimme und nur Einen Kopf? Ich weis, Sie geben nicht einmal das leztere gern zu.«
Ich stelle dieses voran, um dem Verdachte zu begegnen, ich thäte meinen Vorschlag zur Abschaffung der Rezensenten aus den schlechtesten Absichten.
Es verdient bekannter zu sein, daß ich schon vieles drucken lassen: ich machte mich schon am Morgen meines Lebens, bevor mein Verstand noch aufgegangen war, auf den schriftstellerischen Weg, halte noch iezt bei dem höchsten Stande desselben, damit an und gedenke auch am Abend des Lebens, nach dem schönen Untergange meines Verstandes, noch ein wenig fortzuschreiben und unserem Deutschland eines und das andere schäzbare Werk zu geben. Gleichwol gieng allen diesen Schriften reichliches Lob gar nicht ab; ia unter meinen Rezensenten war einer, der meine Produkte theils mit aufrichtigen theils mit uneingeschränkten Lobsprüchen belegte, und ich will ihn nur nennen, nämlich mich selbst. Damit streitet daher das Vorgeben augenscheinlich, daß gute Köpfe den Undank der Welt früher als ihren Danke erführen; und es ist eine blosse und noch dazu schlechte Metapher, daß man ihnen gleich den Mumien erst mit baizenden Mitteln zusezte und das Gehirn benähme, bevor man sie mit wohlriechenden Spezereien für die Nachwelt aufsparte. Vielmehr glaub' ich, mein Lob ausgesäet zu haben, ehe noch der böse Feind das Unkraut des Tadels gepflanzet, und so werden mehrere gute Autoren früher gelobt als getadelt.
Ich glaube daher mich ohne Unbescheidenheit als einen Mann vorstellen zu dürfen, der im Selbstrezensiren, über das er reden will, eigne Uebungen nicht ganz entbehrt.
Der erste Fehler eines Rezensenten ist, er lobet fremde und den Autor, der sie macht, oft sehr. Denn da blos das Ungefähr die Hand ihm führt, mit der er ienem den Pränumerazionsschein der Unsterblichkeit schreibet, so hält er so wenig Maas und Ziel im Loben, daß ich darüber erröthen würde, wenn ich der gelobte Autor wäre. Der Selbstrezensent aber lobt sich zwar auch: allein, wie es scheint nicht unmäßig – weil er sich selbst keine Röthe abzusagen willens ist, – und nicht wider seine Ueberzeugung von seiner Würdigkeit, (statt daß der bloße Rezensent oft mit völligem Bewußtsein des Unwerths lobet) denn überhaupt sind wir Autoren dem Eigenlobe wenig gewogen und so sehr, als Monarchen und gemeine Leute sich loben, das unterfiengen sich wenige von uns um das gröste Honorarium. Ich borgte oft den eitelsten Autoren Geld, die ieden schmeichelhaften Brief eines Großen unter ihren Bekannten zurkuliren liessen, ieden guten Schriftsteller zu ihren Nachahmer und ihre Vorlesungen zu akademischen Lobreden auf ihre eigne Werke machten: nichts desto weniger priesen sie stets darin von dem ganzen Publikum, unter das sonst ieder gern sein Lob zu bringen wünscht, sich selbst nur mäßig und bescheiden. Der elendeste Kerl, der nicht lesen und schreiben kann weis es, daß alle gesittete Völker den Autoren gewisse Bögen ihrer Schriften zum Tummeplatze und zur Freistat ihrer Eigenliebe – sie sollte da freie Religionsübungen und Maskenfreiheit wirklich haben – aus eigner Entschliessung angewiesen und bewilligt, damit die übrigen Bogen des Traktats und die Leser derselben von dem schriftstellerischen Eigenlobe ganz unangetastet blieben: diese Bogen, die wir alle unter dem Namen Vorreden kennen und die gewis die ächtesten Milchschwestern der Selbstrezensionen sind, ständen nun iedem Autor zum grösten Selbstlobe offen und frei und kein Teufel könnte etwas darwider haben; aber der Autor mag nicht. Alles Lob, das er sich darin zufliessen lässet, läuft wirklich auf eine bloße Verneinung des Tadels, Misbilligung fremder schlechterer Arbeiten, Danksagungen für das Lob des ersten Theils und dergleichen hinaus. Man schlage z. B. die Vorrede nach, die man gerade bei und in der Hand hat, meine nämlich. Ich hätte darin ohne Mühe versichern können, ich wäre ganz verständig oder der erste Satiriker, oder der zweite (da Swift schon geschrieben,) oder der dritte (da auch Sterne schon dessen Doublette gewesen) oder der vierte Weise aus dem Morgenland, oder der fünfte große Prophet A. T., oder die sechste kluge Jungfrau; ia ich hätte in meinem Selbstlobe noch weiter gehen können als mein Witz: denn ich hätte offenbar aus unpolirten Steinen (wie die Juden musten) mir für meine Privatperson einen der breitesten Rauchopferaltäre bauen können: allein, ich dachte vielleicht gar nicht daran; sondern ich nahm aus den Dosen meiner Freunde und meiner eignen ein Paar Prisen Weihrauch und bükte mich dabei wie man beim Tobacknehmen immer thut; ia ich glaubte, ich roch nur daran wie der Pariser an den Schnupftaback; kurz, ich trat das Recht meiner Beurtheilung ganz an die späteste Nachwelt ab. Wer bürgt aber mir und dem Publikum dafür, daß die Rezensenten sich zur nämlichen Mäßigung in meinem Lobe zwingen werden? Ich will es herzlich wünschen: aber ich bekenne aufrichtig meine ganze Besorgnis, ich werde, damit man nicht das Publikum durch zügellose Anpreisungen dieses Buches berükt, am Ende solches selber loben und rezensiren müssen.
Auch trau' ich schon darum dem Selbstrezensenten größere Mäßigung des Lobes als dem Rezensenten zu, weil man von ienem doch wahrscheinlicher als von diesem hoffen kann, daß er das Buch, das er lobt, wirklich gelesen.
Bekanntlich schrieb Pope seinem Kommentator Warburton – der wie ieder gute Paraphrast, den Schlaf, der oben im Texte vertrieben wurde, unten in den Noten erregte – auch dieses Lob: »er (Warb.) verstehe ihn viel besser als er selbst.« Und dieses können nicht nur mehrere Kommentatoren, (denn Warburton ist noch nicht der Beste) sondern auch gute Rezensenten, die eben darum uns Autoren so unbeschreiblich loben und preisen. Allein verschliessen nicht Selbstrezensionen diese verdächtige Quelle des Lobes? denn kann z. B. ich mich besser verstehen als ich?
Freilich macht bloße Einschränkung des Lobes die Sache noch gar nicht aus; und ich versichere viele meiner Freunde, ich bin gewohnt, für wichtigere Gegenstände die bekannte Maschine zu nehmen und durch einen Druck derselben die Feder zu schneiden. Allein Mäßigung des Lobes ist auch allerdings der wichtigste Vorzug des Selbstrezensirens so wenig, daß vielmehr Umstände (ich werde sie genauer anführen) sich zusammenfügen können, wo sogar Uebertreibung des Lobes sein weit wichtigerer ist.
Denn der häßlichste Fehler der Rezensionen ist ihr Tadel. Dem glaub' ich nun durch eine Selbstrezension mehr zu wehren als durch alles Geld und alle Exemplare, die ich ienen schenke, Ich habe 1000 Gründe – worunter freilich auch schlechte sind –, Die Rede eines Rezensenten herzusetzen, worin er selbst seine Rezensentenfehler vor seinem Tode bekennt: ich konnte sie so gut hören als er selbst, weil ich dem Galgen mit am nächsten stand und dieser Kunstrichtung viel deutlicher sprach als die gewöhnlich thun, die man nach der Rede hängt.
Rede unter dem Galgen, dessen Redner nicht wie einige Geistliche unter sondern nach derselben die Augen zuthat.
»Am liebsten wär' es mir, Rousseau wäre nicht auf der Pappelinsel sondern hier: er müste sich wundern, wenn ich ihm iezt auf der Leiter bewiese, daß man auch ohne alle Wissenschaft recht schlimm sein kann; er läugnete dieses oder etwas ähnliches; allein die Rezensenten könnens. Ich will eh' der Professor der Anatomie meinen Körper zergliedert, hier dasselbe an meiner Seele thun.