Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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IV.

Himmelfahrt der Gerechtigkeit

Ich und alle mögliche und wirkliche Advokaten und Richter und Denunzianten wir waren gerade dabei, als die Gerechtigkeit mit Leib und Seele vom Berge Sinai auf gen Himmel fuhr. Einige fragten mich, ob ich nicht etwan Christi Himmelfarth wider meinen Willen mit ihrer vermenge, allein ich weis sehr wol, was ich sage und für den Druck zusammenschreibe. Die Gerechtigkeit hatte zwar schon vorher einigemale bedenkliche Aufflüge vom Berge gethan: aber wir konnten an nichts schlimmes denken; denn sie kam allemal wieder. Beim lezten Auffluge wirbelte sie sich ganz langsam in die Höhe: aber auf einmal in einer gewissen Weite schnellte sie sich in einen reissenden Flug. »Meine Herren, sagt' ich zu den umstehenden Advokaten und Denunzianten, ich will nimmermehr hoffen, daß uns allen unverdienter Weise ein besonderer Jammer droht: aber sie sehen doch, daß die Gerechtigkeit immer höher und schneller steigt. Wenn wir uns lange besinnen: so kann sie gar weg sein. Will ihr denn niemand etwan gelassen nachpfeifen und sie herunter locken? Das ist aber doch in der That recht beweinenswerth, daß keiner von uns ungeschickten und ohne Ehre hier in Gallakleidern sitzenden Falknern insgesamt den wahren Terminus technicus weis, mit dem man unsern davon flatternden Falken – schlecht ists überhaupt, daß wir aus Hunger nach irdischem Fang, von seinen Augen die Falkenhaube abthaten und wir hätten ihn alle gar nicht steigen lassen sollen – allenfalls zurückzubringen vermöchte.« Ich riß meinem Nachbar – denn die Gerechtigkeit wurde zusehends kleiner und sah nur noch wie ein mittelmäßiger Rabe aus – ein Packt Akten aus der Hand und rollte sie zu einem Sprachrohr zusammen, aus dem ich ihr aus allen Kräften und über den Stoizismus der umstehenden Priester der Gerechtigkeit erboßet, nachrief: »Poz tausend! bekannte Gerechtigkeit! spasse nicht so und fliege geschwind wieder herunter. Du kanst doch wahrhaftig des Sinnes nicht sein, auf und davon und unter die Fix- und Irrsterne zu gehen? Hör' doch! Aber lieber Himmel, du horchst gar nicht herunter! Ich sage nämlich, du sollst unpartheiisch bedenken, was deine hier anwesenden Herren Priester zu deiner Entweichung sagen müssen, die du iezt in die Nothwendigkeit setzest, sich blos an die Ausleger des corpus iuris und an die Landesgesetze zu halten. Suche dich doch wenigstens damit zu rühren, daß du dir lebhaft vorstellest, wie deine armen Unterthanen, die Klienten, sich geberden müssen, wenn sie von uns Advokaten und Richtern mit den größten Schmerzen erfahren müssen, daß die schöne Gerechtigkeit nicht mehr auf der Erde ist.« Ich hielt innen: aber die Gerechtigkeit zog immer. »Wenigstens Bescheid muß sie mir doch geben« sagt' ich, und sezte das umgekehrte Sprachrohr statt eines Hörrohrs an mein bestes Ohr und vernahm dieses: »sage meinen untenstehenden Jüngern, daß ich nicht ganz von ihnen weiche, sondern wo im Brandenburgischen zwei oder drei Richter in meinem Namen versammelt sein werden, da werd' ich mitten unter ihnen sein. Am iüngsten Tage aber muß ich wieder kommen, zu richten die Richter und die Klienten, und auch die zeitigen immatrikulirten Advokaten.« Ich sagte das dem ganzen Berge wieder und er war vergnügt genug. Man zerschlug sich darauf, der eine Theil gieng auf das Rathhaus, der andere ins Regierungskollegium, einige musten Fatalien abwarten, ich selbst schritt nach Hause, um mein Gesuch, den Termin zum 4tenmale (wegen der vielen Zeit, gab ich an, die mir das Aufsetzen der Dilationsgesuche wegraubte) zu verschieben, hurtig zu Ende zu schreiben. Es war auch bald geschrieben; und ich konnte mich mit Muße an eine der wichtigsten iuristischen Arbeiten machen, die iemals aus einem iuristischen Brütofen heraustrat und von der ich meines Bedünkens glauben muß, daß sie alles, was ich oder ein anderer im Advokatenfache vor sich gebracht, ziemlich überhole. Viele würden dahero alles darum geben, wenn sie den Aufsatz auf einen Tag haben könnten: sie haben aber das ihrige schon beim Kaufe dieses wolfeilen Buches darum gegeben; denn hier kömmt er mit unter meinen spashaften Aufsätzen gedruckt vor:


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