Friedrich Gerstäcker
Unter dem Äquator
Friedrich Gerstäcker

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35. Heffkens Gegner. – Wagner erhält eine Einladung

Wieder war eine Woche vergangen und die monatliche Mail abgesegelt, ohne jedoch Herrn Horbach mit aus Java fortzunehmen. Trotz van Roekens Vorhaltungen, wie dringend nötig seine Gegenwart in Deutschland sein würde, erklärte Horbach, daß er sich deshalb nicht die geringsten Sorgen mache. Seine eigene Bequemlichkeit gehe allem andern vor, und da er es für unbequem halte, mit einem von Passagieren vollgepfropften Dampfer zu fahren, werde er mit der Brigitta gehen, einem holländischen Schiff, dessen Kapitän er genau kenne und der in der nächsten Zeit segle.

Eigenartig war inzwischen sein Verhältnis in van Roekens Haus, wo er sich doch, trotz seines wieder liederlichen und unregelmäßigen Lebens, gerade so zu behaupten wußte, als ob er mit zur Familie gehöre. Mevrouw hatte ihn allerdings am Anfang mit der größten Kälte, ja fast mit beleidigender Verachtung behandelt, ohne jedoch Horbach im geringsten außer Fassung zu bringen. Er benahm sich im Gegenteil fortwährend höchst ehrfurchtsvoll, ja fast demütig ihr gegenüber, ließ aber doch immer durchblicken, daß er sich ihr überlegen wisse. Der Huldigung, die er ihr dadurch entgegenbrachte, konnte die eitle Frau nicht widerstehen, während sie sich auch durch eine gewisse, ihr selbst unerklärliche Scheu genötigt fühlte, ihn wenigstens nicht feindselig zu behandeln. Sie milderte zuletzt ihr Betragen gegen ihn, sie war wenigstens nicht mehr unfreundlich, und da sie glauben mußte, daß er ihre Herrschaft unbedingt anerkenne, übersah sie manches andere in seinem Benehmen.

Viel mochte dazu beitragen, daß er sich stets höflich gegenüber dem Mann zeigte, der seine Besuche im van Roekenschen Haus am häufigsten wiederholte, ja dort zuletzt fast selber wie zu Haus zu sein schien – und das war niemand anders als Herr Heffken. Heffken sah allerdings nichts unlieber bei van Roekens als Horbachs ihm verhaßte Gestalt und hatte alles mögliche versucht, van Roeken zu veranlassen, ihn woanders unterzubringen. Die Verbindung aber, in der ihre Firma nun einmal mit dem deutschen Geschäft stand, das ihm den jungen Mann dringend empfohlen hatte, zwang van Roeken schon, sich auf die kurze Zeit solche unangenehme Gesellschaft aufzubürden; er konnte sich dem wenigstens nicht entziehen. Horbach benahm sich dabei wider alles Erwarten sehr zurückhaltend gegenüber dem kleinen Buchhalter, vermied alle Vertraulichkeiten, die er sich früher so oft herausnahm, weil er wußte, daß er ihn damit ärgerte, und gab in der Tat durch sein Betragen nicht die geringste Veranlassung zu irgendeiner Störung.

Heffken ignorierte ihn am Anfang – er traute ihm nicht; da sich aber Horbach völlig gleich blieb und sogar eine etwas reservierte Haltung gegen ihn einnahm, wurde er zuletzt auch selber höflicher – konnte er doch nicht vermeiden, ihn dort zu treffen, und wenn ihn Horbach zufriedenließ und nicht verspottete, wollte er sich gern dazu verstehen, die übliche und unverbindliche gesellschaftliche Form gegen ihn zu beachten. War es ja doch auch nur für kurze Zeit. Horbach hatte in der Tat am Anfang alle gegen sich gehabt, und sonderbarerweise van Roeken nur dadurch, daß er sich höflich und anständig gegenüber seiner Frau betrug. Er war ihm nämlich zu höflich, zu devot gegen Mevrouw, und van Roeken hatte ihn deshalb die ersten Tage in Verdacht, daß er nur seinen Spott mit ihr treibe, was ihm natürlich höchst fatal gewesen wäre. Da sich Horbach aber auch darin vollkommen gleich blieb, beruhigte sich van Roeken rasch darüber und war froh, daß er keine neuen unangenehmen Auftritte zu erwarten hatte. Die Zeit mußte ja endlich einmal kommen, wo die Kolonie von seiner Gegenwart befreit wurde. Solche außergewöhnlichen Menschen paßten auch nicht in eine holländische Kolonie. Dort ging alles seinen geregelten Gang, seine bestimmt vorgezeichnete Bahn, so wie sich die Sterne über ihnen am Himmel bewegten. Kam nun einmal so ein nichtsnutziger Komet dazwischen, der keinen festen Kurs anerkannte, sondern kreuz und quer zwischen den übrigen herumschoß, so fühlten sich alle unbehaglich, denn niemand war sicher, daß der nirgends hingehörende Vagabund in der nächsten Stunde gegen ihn selber anrannte.

Nitschke dagegen, der wirklich entschiedene Besserung versprach und alle Prophezeiungen von seiten van Roekens zuschanden machte, war indessen ungemein tätig gewesen, den verschwundenen Klapa wieder aufzuspüren, aber freilich ohne den gewünschten Erfolg. Tojiang verweigerte vom nächsten Morgen an hartnäckig jede weitere Mitteilung, und auf Horbachs Hilfe konnte er sich ebensowenig dabei verlassen. Dieser hatte nämlich unter einem kürzlich für den indischen Dienst angekommenen Trupp Rekruten wirklich einen alten Bekannten gefunden und kam aus dem Trinken und Nachtschwärmen nicht mehr heraus, ja oft zwei Nächte hintereinander in kein Bett. Er besaß jetzt wieder Geld genug und schien fest entschlossen, die ihm noch hier in Java gestattete kurze Frist auch nach Kräften zu nutzen.

Sosehr nun Nitschke schon daran zweifelte, in dieser ihm am Herzen liegenden Sache gegen Heffken irgendwelche Fortschritte zu machen, so fand er doch darin an einer Stelle einen Bundesgenossen, wo er ihn gar nicht vermutet hatte.

Der alte Herr Lockhaart nämlich, der nicht allein sehr großen Einfluß in der Kolonie besaß, sondern mit deren Verhältnissen und den einzelnen Persönlichkeiten auch auf das genaueste bekannt war, hatte, wenn auch ganz in der Stille und ohne mit einem anderen Menschen darüber zu sprechen, die Sache in die Hand genommen. An und für sich war es schon immer ein verdächtiger Umstand, daß ein Eingeborener eine spanische Doublone besaß. Ihr Lohn wurde ihnen stets in Kupfer, höchstens in Papiergulden ausgezahlt. Daß Heffken nun noch, nach Horbachs Zeugnis, mit jenem Javaner in geheimer Verbindung stand, warf ein um so schlimmeres Licht auf ihn, und Lockhaart, der fest überzeugt von seiner Schuld war, beschloß diese zutage zu bringen, es möge ihn kosten, was es wolle.

Durch Wagner erfuhr er übrigens bald, daß dessen englischer Korrespondent ebenfalls die feste Überzeugung von Heffkens Schuld teile, und Nitschke wurde eines Tages durch eine Einladung zu dem alten Herrn überrascht, wobei sich dieser alle die Einzelheiten, die seinen Verdacht begründeten, auf das genaueste mitteilen ließ. Er selber sprach fast kein Wort, sondern hörte nur immer still und aufmerksam zu und entließ endlich Herrn Nitschke wieder, ohne ihm auch nur durch eine Silbe mitzuteilen, was er selber von der Sache halte. Dadurch brachte er den armen Teufel aber in die größte Verlegenheit, denn Nitschke fing nämlich an zu glauben, daß dieser alte Herr mit Heffken unter einer Decke stecke und ihn nur zu sich gerufen habe, um zu erfahren, was für ein Verdacht gegen ihn vorliege. Er ärgerte sich auch sehr über sich selbst, daß er sich hatte, seiner Meinung nach, so übertölpeln lassen; aber das Unglück war einmal geschehen, und wenn man dem Buchhalter mit keinem direkten Beweis zu Leibe konnte, schadete es am Ende gar nichts, daß er wenigstens erfuhr, was man von ihm denke.

Wagner war die letzten Tage – vielleicht vor übergroßer Anstrengung bei Abgang der Mail – etwas leidend gewesen. Er hatte damals mit Nitschke mehrere Nächte durchgearbeitet und dann, als alles beendet war, einen vollen Tag das Bett hüten müssen. Jetzt fühlte er sich allerdings noch etwas schwach, aber doch sonst wieder wohl und konnte recht gut die laufenden Geschäfte mit versehen. Um jenen Javaner kümmerte er sich natürlich gar nicht mehr, denn so gern er die Hand geboten haben würde, irgendein Verbrechen an den Tag zu bringen, so lag ihm doch Heffken viel zu fern, um sich besonders ängstlich mit ihm und dem, was er getan hatte, zu befassen. Aus demselben Grund ging er aber auch fast gar nicht mehr zu van Roekens, da Heffken dort fast zu den täglichen Besuchern gehörte und van Roeken selber die Abende oft in der Harmonie zubrachte.

In den nächsten Tagen wollte die Firma Wagner und van Roeken gerade wieder ein Schiff nach Deutschland senden, das aber vorher erst einen Hafen in Sumatra und später einen anderen an der englisch-ostindischen Küste anlaufen mußte; Wagner hatte die letzten dazu nötigen Papiere unterzeichnet und wollte jetzt nach Haus fahren, als der alte Herr Lockhaart in ihr Geschäft trat.

»Nun, Mynheer Wagenaar!« rief er diesem zu, »wie ist es – machen Sie eine kleine Fahrt nach Buitenzorg mit? Die ganze Familie ist von der Partie, selbst das konfuseste Menschenstück, das jemals javanischen Boden betreten hat: die alte Kathrine, meine frühere Reisegefährtin!«

»Nach Buitenzorg?« rief Wagner, denn so lebendig und sogar heiter hatte er den alten Herrn noch nie gesehen.

»Nach Buitenzorg und weiter, selbst bis nach Bandong!« rief dieser. »Wir haben uns alle Ferien genommen und wollen einmal wieder die freie Bergluft atmen, die Ihnen besonders wohl tun würde. Übrigens«, setzte er leise hinzu, indem er sich zu Wagner hinüberbeugte, »hab' ich auch noch eine andere Absicht dabei und jetzt ganz sichere Nachricht, daß jener Klapa, mit dem Heffken früher in enger Verbindung stand – ja vielleicht noch steht –, irgendwo oben in den Bergen steckt. Möglich, daß wir ihn da antreffen.«

»Aber, bester Herr Lockhaart«, sagte Wagner, »das ist eine zu unsichere Sache, um deshalb den weiten Weg zu machen.«

»Deshalb ja nicht allein, Mynheer – unserer selbst wegen. Im Geschäft ist es augenblicklich ebenfalls still, und ich weiß, daß Ihr Kompagnon, das, was jetzt zu tun ist, recht gut einmal eine Weile allein besorgen kann. Also fahren Sie mit?«

»Und wann ist der Aufbruch?«

»Morgen früh um sechs Uhr.«

»Die Zeit ist kurz; aber es sei, ich bin mit von der Partie.«

»Vortrefflich! Pferde sind schon bestellt, unser sämtliches Gepäck, das Notwendigste ausgenommen, ist auch schon vorausgeschickt, und wir fahren dann in zwei Wagen hinauf. Also auf Wiedersehen morgen – kommen Sie nicht zu spät!« Und der alte Herr verließ mit raschen Schritten das Kontor, ohne van Roeken, der dicht daneben arbeitete, auch nur mit einer Silbe zu begrüßen.

»Wie kommst du denn dazu, auf so freundlichem Fuß mit dem alten Eisenfresser zu stehen?« sagte dieser, als der Alte das Zimmer verlassen hatte.

»Gott weiß es«, lachte Wagner; »aber er scheint mich in sein Herz geschlossen zu haben. Übrigens mag ich ihn wohl leiden, denn er ist offen und ehrlich.«

»Das weiß Gott!« rief van Roeken; »der gröbste Gesell in der ganzen Kolonie, der mit allem herausfährt, was er gerade denkt, wer auch immer in der Nähe ist. Wir waren vorgestern bei Sandfoords zusammen, und meine Frau, der unsere – unser Fräulein noch immer keine Ruhe läßt, wollte sich an ihn heranmachen, um etwas Näheres über sie zu erfahren. Der alte ungesellige Mensch aber, dem man es indes kaum übelnehmen kann, denn er versteht es wirklich nicht besser, hat ihr ein paar solche Antworten gegeben, daß sie mir beinahe ohnmächtig wurde und augenblicklich die Gesellschaft verließ.«

»Was hat er ihr denn gesagt?«

»Ich wollte es auch wissen, denn wie darf er meine Frau so beleidigen, aber sie weigerte sich hartnäckig, es mir zu sagen, weil sie fürchtete, daß ich ihn nachher fordern würde.«

»Ich kann mir nicht denken, daß er sie wirklich beleidigt hat«, sagte Wagner; »er hat vielleicht eine Bemerkung gemacht, die ihr nicht angenehm war. Du weißt, Mevrouw ist sehr leicht gereizt, und oft wirklich ungerechtfertigt. So derb Lockhaart aber auch sein mag, so glaub' ich doch nicht, daß er gegenüber einer Dame unangenehm sein würde. Gegen Fräulein Bernold hat er sich sogar sehr herzlich benommen, und wir schulden ihm da großen Dank.«

»Weißt du, daß es in Batavia heißt, er würde sie heiraten«, bemerkte van Roeken, und Wagner sah rasch, ja fast erschrocken zu ihm auf. »Ja, ja«, fuhr van Roeken fort, »stille Wasser sind tief, und das junge, hübsche Mädchen mag dem alten Eisbär wohl gefallen haben. Mir selber könnte übrigens nichts Angenehmeres passieren, und meinen besten Segen hat er dazu aus vollem Herzen.«

»Und hast du Fräulein Bernold noch nicht einmal gesehen?«

»Doch«, sagte van Roeken und wandte sich, etwas verlegen, ab, »heute ganz zufällig in Lesossères' Laden, wohin sie mit Mevrouw van Straaten kam, gerade als ich dort war, um über unsere nächste Auktion Rücksprache mit Lesossères zu nehmen.«

»Und hat sie auch dich gesehen?«

»Nein; glücklicherweise konnte ich noch unbemerkt in das Kontor hinein und von dort, nachdem ich ihnen eine Weile zusah, auf die Straße hinaus kommen.«

»Und wie hat dir Fräulein Bernold gefallen?«

»Hm – recht gut; nichts Besonderes, aber sie ist ein recht hübsches Mädchen und scheint einfach und bescheiden zu sein. – Ihre gerühmte Bildung konnt' ich natürlich durch das kleine Bürofenster nicht mit sehen, doch geb' ich zu, daß sie allem entspricht, was man von einer Frau verlangen könnte; aber du weißt auch, daß mir das nichts mehr hilft. Hast du denn noch immer nicht die Geldangelegenheit arrangiert?«

»Ich wollte es neulich mit Lockhaart in Ordnung bringen, aber er sagte, er würde das schon selber arrangieren. Du könntest doch am Ende recht haben; mir war aber bis dahin noch gar kein solcher Gedanke gekommen.«

»Gewiß hab' ich recht«, lachte van Roeken, »und wenn er das nur, je eher desto besser, täte, dann wäre ich meiner Frau wegen aller Sorgen enthoben.«

»Dann begreif' ich nur nicht, weshalb er mich mit zu der Vergnügungspartie eingeladen hat.«

»Nur um einen von der Firma dabei zu haben«, sagte van Roeken, »denn ich bin bei ihm, ich weiß nicht durch was, in Ungnade gefallen. Vielleicht gedenkt er auch, sich dort oben in Bandong oder Tjanjor gleich trauen zu lassen, und dann ist ihm ein Zeuge erwünscht. Wäre das der Fall, dann schick mir nur gleich einen Expreßboten. Übrigens machte das Mädchen dadurch ihr großes Glück, denn der alte Bursche soll steinreich sein, und lange leben kann er ohnehin nicht mehr. Wenn ich nachher auch noch den liederlichen Horbach los werde, bin ich aller meiner Sorgen und Quälereien ledig und kann anfangen, das Leben zu genießen. Daß ich mir nicht wieder eine solche Last aufbürde, magst du mir auf mein Wort glauben.«

»Aber Horbach macht noch immer keine Anstalten?«

»Oh ja«, sagte van Roeken, »das Schiff ist schon bestimmt, aber es war leider noch eine Reparatur nötig, die jetzt besorgt wird. Die Fracht hat es schon fast vollkommen eingeladen und segelt dann gleich. Übrigens, denk' ich, wird sich Horbach die letzten Tage auch noch ordentlich halten, denn der neue Bekannte, den er gefunden hat – ein gemeiner Soldat –, ist vorgestern ins Landesinnere kommandiert worden, und er weiß jetzt niemanden mehr, mit dem er trinken kann. – Nitschke hält sich besser, als ich geglaubt habe.«

»Nicht wahr? Aber es wird auch Zeit, daß Horbach aufhört. – Also, Leopold, du wirst mich die nächsten Tage entschuldigen?«

»Geh nur, geh, Alterchen«, lachte van Roeken freundlich, indem er sich die Hände rieb, »und sende mir bald gute Nachricht, daß die Hochzeit gefeiert ist. Du weißt ja, daß wir hier in den nächsten Tagen wenig oder gar nichts zu tun haben, und das werd' ich mit unseren Leuten schon fertig bringen. Also viel Vergnügen und – bring mir gute Nachricht mit.«

Wagner packte seine Papiere zusammen und stieg wie in einem Traum die Treppe hinab und in seinen Bendi hinein, um zu Hause die noch etwa nötigen Vorbereitungen zu treffen. Immer glaubwürdiger kam ihm dabei vor, was ihm van Roeken sagte, und hätte er nicht eigentlich selber recht von Herzen froh darüber sein müssen, denn konnte das Schicksal jenes armen Mädchens auf bessere Art versöhnt und zum Guten gelenkt werden? Er wollte sich das selber einreden, aber es ging nicht; denn ein so junges, frisches Blut konnte nicht an der Seite eines so alten Mannes das Ziel ihres Lebens erblicken, und wenn sie sich nachher erst recht elend, erst recht unglücklich trotz allem Reichtum fühlte, wer trug dann die Schuld als er selber? – Er? Nein, sich konnte er keine Schuld beimessen; er mochte die Sache drehen und wenden, wie er wollte. Er hatte getan, was in seinen Kräften stand, um einmal begangene Fehler wiedergutzumachen, mehr konnte kein Mensch von ihm verlangen, und er brauchte sich selber keine Vorwürfe zu machen.

Eins konnte er vielleicht noch tun: er konnte Hedwig vor einer zu voreiligen Verbindung mit dem alten Mann warnen. Junge Mädchen sind da oft leichtsinnig, denken am Anfang nur an eine Versorgung für ihr spätes Alter und bereuen ihr unbedachtes Handeln zu spät, wenn sie das junge Leben an das Krankenbett eines mürrischen Greises gefesselt sehen. – Vielleicht verlangte sie aber seinen Rat gar nicht; stand er ihr denn auch nahe genug, um in einer so wichtigen Sache eine entscheidende Stimme zu beanspruchen? – Aber sie war neulich abend so herzlich zu ihm gewesen, hatte sich so gefreut, als sie ihn sah, und ihm das selber gesagt; sie würde deshalb gewiß nicht darüber verärgert sein, wenn er ihr, zu ihrem eigenen Besten, einen Rat erteilte. Sie konnte ja dann noch immer das tun, was sie für das beste hielt. So weit mit sich im reinen, fühlte er sich zufriedener und ruhiger, wenn er auch immer noch nicht ganz einig mit sich schien. Es war etwas noch nicht so recht, wie es sein sollte, und das schlimmste dabei, daß er selber nicht recht wußte, was.


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