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Es war spät geworden, aber immer noch tobte der Lärm der Ronggings auf dem Basar, immer noch rasten die unermüdlichen Tänzerinnen um ihre Lampe herum, wehten mit ihren Fächern, schwangen sich herüber und hinüber und sammelten Deute von den kaum weniger zähen Zuschauern. Aber die Neugierigen auf dem Markt waren jetzt doch weniger geworden; die Fruchtverkäufer hatten sich ebenfalls zum großen Teil entfernt und dadurch die Beleuchtung des Marktes wesentlich verringert, und nur der dem Untergang nahe Mond sandte noch sein rotes unheimliches Licht über die wilde Szene und spielte mit dem Schatten der wehenden Kokospalmen, die hier und da die einzelnen Gebäude mit ihren zierlichen Kronen überragten.
Die Tür von Schong-hos »Gesellschaftszimmer« stand noch weit geöffnet, aber nur einzelne Chinesen trieben sich zwischen den darin gruppierten Mädchen umher, und die Häuser daneben lagen in tiefer Dunkelheit.
An das eine Nachbarhaus klopfte ein Javaner – einmal – zweimal, ehe man ihn im Innern hörte und ihm antwortete.
»Was gibt's? Wer ist da?« fragte eine Stimme von innen heraus.
»Ein Freund aus Tji-panas«, lautete die Antwort, »eben aus den Bergen heraus, der Euch Grüße bringt von daheim.«
Keine Antwort erfolgte – nur leise flüsternde Stimmen wurden im Innern gehört, endlich kam der, der zuerst gesprochen hatte, an die Tür und sagte, ohne sie jedoch zu öffnen: »Wie heißt du?«
»Delankeng – ein Verwandter Eures Vetters in Tji-panas.« Wieder schien eine Beratung stattzufinden, aber der innere Raum erhellte sich, und bald darauf wurde der hölzerne Riegel zurückgeschoben, der die Tür bis dahin verschlossen hielt. Sie öffnete sich aber zuerst nur ein klein wenig, und das aufmerksam vorgebeugte Gesicht des kleinen dicken Javaners kam über der Lampe zum Vorschein, um den späten verwandtschaftlichen Besuch, ehe er ihn einließ, etwas genauer zu betrachten.
»Tabé, Tonké«, sagte dieser aber mit freundlichem Nicken, »du brauchst keine Furcht zu haben, wenn ich auch spät an deine Tür klopfe.«
»Und woher kommst du mitten in der Nacht?« sagte der Alte, ohne bis jetzt noch dem Fremden den Eintritt zu gestatten.
»Direkt von Tji-panas«, erwiderte dieser, »bin tüchtig marschiert, um den Basar heut abend noch zu erreichen.«
»Hast du was mitgebracht?«
»Soll ich Euch das alles hier draußen im Freien erzählen?« fragte der angebliche Delankeng.
Tonké zögerte noch immer, aber er fühlte doch auch das Unschickliche, jemanden, der sich als Verwandter anmeldete, an der Tür stehenzulassen, und diese langsam öffnend, sagte er: »Komm herein, Delankeng.«
Der vermeintliche Delankeng zögerte nicht, von der Einladung Gebrauch zu machen, und schritt gleich auf die alte Frau zu, um sie zu begrüßen. Tonké indessen betrachtete ihn aufmerksam, so gut es das ungewisse Licht der Lampe gestattete, und schüttelte dazu den Kopf, denn diesen Verwandten hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Delankeng dagegen betrug sich, als wenn er hier zu Haus wäre, setzte sich ohne weiteres auf die Matte, dicht zu Tonké, den Rücken der Lampe zugedreht, und plauderte und erzählte von Tji-panas und den benachbarten Kampongs nach Herzenslust. Die meisten Fragen, die Tonké an ihn richtete, wußte er auch geschickt zu beantworten; ein paarmal wurde er aber doch in die Enge getrieben, und nur seine bodenlose Frechheit mit der er aufs Geratewohl ins Blaue hineinriet, half ihm durch. Dabei wußte er es so einzurichten, daß er langsam und vorsichtig, aber deshalb so viel genauer, das ganze kleine Zimmer überflog. Genau merkte er sich dabei besonders die Stelle, wo das Bauer mit der Taube hing, zählte die Bambusstäbe, die von der Ecke des Daches bis dorthin führten, und hatte in kaum einer Viertelstunde, während er mit dem Alten lachte und schwatzte, das ganze Innere des Hauses vollkommen im Kopf. So anscheinend absichtslos das aber auch geschah, so entging es dem mißtrauischen Tonké doch keineswegs. Er fand, daß sein Besuch die Blicke fortwährend da hatte, wo er sie eigentlich nicht haben sollte, und ihm fast nie oder doch sehr selten selber ins Auge sah. Auch einige der Antworten gefielen ihm nicht, wenn sie auch mit großer Zuversicht und Ruhe gegeben wurden. Zweimal hatte der späte Gast sogar über seine eigene Familie ganz unrichtige Angaben gemacht, und wenn auch Tonké tat, als ob er es nicht bemerke, wurde er dadurch nur um so aufmerksamer. Klapa aber, der sich hier unter dem Namen Delankeng eingeführt hatte, bekam es endlich satt, über Sachen und Leute Rede zu stehen, die er gar nicht oder doch nur oberflächlich kannte, und um gleich und ohne weiteres zum Ziel zu kommen, sagte er endlich: »Alle die Fragen, Freund Tonké, beantworte ich Euch lieber morgen; ich habe einen langen Marsch gemacht, und meine Füße brennen mich. Gebt mir eine Matte, daß ich mich niederlegen kann; morgen sprechen wir weiter darüber.«
Das war aber gerade, was Tonké nicht beabsichtigte, den Fremden nämlich über Nacht in seiner Hütte zu behalten, und er sagte langsam: »Tut mir leid, Freund wir haben aber nur die eine Matte, und du wirst dich schon nach einem anderen Nachtquartier umsehen müssen.«
»Aber du wirst doch nicht den Vetter« – rief da die Frau – »bei Nacht und Nebel aus dem Haus schicken wollen?«
»Sollte mir wenigstens fatal sein«, meinte Klapa ruhig, »denn ich hatte fest darauf gerechnet, bei euch bleiben zu können.«
»Tut mir aber doch leid, daß ich es muß«, sagte der kleine Javaner ganz fest und entschieden. »Ich habe hier im – hm – ich – ich kenne Euch überhaupt noch zu wenig und bin nicht gewillt, solange ich so dicht am Basar wohne, irgendeinen Fremden nachts zu beherbergen – ob das nun ein Verwandter ist oder nicht.«
»Aber, Mann!« rief die Frau erschrocken. Tonké jedoch, seinen Sarong ganz in der Art, wie es die Matrosen mit ihren etwas tief hängenden Hosen machen, ein wenig über den Hüften in die Höhe ziehend, warf erst einen scheuen Blick zu seiner Taube hinüber und dann auf seinen angeblichen Vetter (dem beide nicht entgingen, wenn er dem Mann auch nicht dabei in die Augen sah) und sagte entschlossen: »Dabei bleibt's heut abend – morgen wollen wir weiter sehen, wenn – Delankeng dann überhaupt noch im Basar ist. Tabé, Freund, es ist Zeit zum Schlafengehen, und du hast ebenfalls nichts zu versäumen, um noch in einem der Logierhäuser ein Unterkommen zu finden.«
»Freundlich ist das gerade nicht von Euch, Tonké«, sagte Klapa, indem er aufstand, denn solcher direkt gegebenen Mahnung durfte er sich nicht widersetzen; er war dabei zugleich auf die Seite der Tür getreten, auf der das Bauer mit dem Vogel hing. Ob aber der dorthin geworfene Blick von Tonké aufgefangen worden war oder ob es aus alter Gewohnheit geschah, seinen einzigen Schatz in Sicherheit zu wissen, er trat jedenfalls zwischen ihn und den Fremden und wich diesem nicht von der Seite, bis er ihn wieder draußen vor der Tür wußte.
»Aber, Tonké«, sagte vorwurfsvoll die Frau, als er den Riegel wieder vorgeschoben hatte, »so ungastlich habe ich dich in meinem Leben noch nicht gesehen. Wenn auch der Besuch ein wenig spät war, so darf man es doch unter Verwandten nicht so genau nehmen, und der arme junge Delankeng – aber was machst du denn?«
»Was ich mache?« sagte der kleine Javaner, der die letzten Worte und Vorwürfe seiner Frau gar nicht gehört zu haben schien, sondern nur mit besorgten Blicken die Stelle betrachtete, an der sein Taubenbauer hing, dieses dann vorsichtig abnahm und an die entgegengesetzte Seite der Hütte, und zwar an die hintere Wand brachte. »Das will ich dir sagen«, setzte er dann langsam hinzu, »der Bursche heißt so wenig Delankeng wie ich, und was er hier bei uns gewollt hat, kann ich mir etwa denken; so dumm ist der alte Tonké aber nicht, und wenn er den betrügen will, muß er früher aufstehen.«
»Torheiten, Tonké!« rief aber ärgerlich die Frau. »Du hast nur immer deine alberne Taube im Kopf, die schon seit drei Monaten ihre Diamanten hätte legen können – wenn sie eben gewollt...«
»So? Du redest, wie du es verstehst«, sagte der kleine Mann; »glaubst du, daß ein Diamant so leicht gelegt ist wie ein Ei? Und eine Taube ebenso rasch damit fertig wird? Und wie hat sich die arme Alte in der letzten Woche abgequält, und wie schwach und matt ist sie dabei geworden! Die hat dem Schuft in der Nase gesteckt, und morgen früh... Raschelte da nicht etwas?« fuhr er plötzlich erschrocken herum.
»Ach, was soll rascheln«, sagte die Alte mürrisch, rückte sich ihr Kopfkissen zurecht, kauerte wieder auf der Matte nieder und war bald, trotz der sie umsurrenden Moskitos, sanft eingeschlafen.
Tonké jedoch traute dem Frieden noch nicht, und als er die Lampe ausgelöscht hatte, war es ihm, als ob er bald hier, bald da einen Schritt oder das Knacken irgendeines kleinen Zweiges oder Holzes um das Haus höre. Ob der nichtswürdige Halunke noch da draußen herumschlich? Indessen waren zwei Bendis auf Meester Cornelis angekommen und aus jedem ein einzelner Europäer gestiegen. Beide ließen ihre Fuhrwerke an dem üblichen Halteplatz warten und schritten zusammen dem Markt zu.
»Das ist eine ganz unnötige Nachtfahrt, die wir hier machen«, sagte der eine, »morgen früh hätten wir den Burschen ebenso sicher und mit viel weniger Umständen aus seinem Bett holen können. Wo will er denn hin. Er kann ja gar nicht fort.«
»Wenn er überhaupt fort könnte«, meinte der andere, »wäre ich der letzte, der ihn hielte, denn auf die Art würden wir ihn am allersichersten und besten los. Weil er aber eben hierbleiben muß, sind wir auch genötigt, ihm auf die Finger zu sehen. Übrigens glaube ich selber nicht, daß er mit der Sache das mindeste zu tun hatte.«
»Aber Heffken hat doch ausgesagt...«
»Weiter nichts, als daß er den schon etwas angetrunkenen Menschen barsch abgewiesen und dadurch wahrscheinlich gereizt habe; dabei stecke er fortwährend mit den Malaien und Eingeborenen zusammen, und es sei leicht möglich, daß er den einen oder anderen, von Wein oder Arrak erhitzt, veranlaßt habe, ihn zu rächen. Ich wäre auch gar nicht auf einen so schwachen Verdacht hin darauf eingegangen, ihn zu verhaften, wenn nicht der Kutscher in dem Eingeborenen den Diener Horbachs, den nichtsnutzigen Tojiang, erkannt haben wollte. Wäre das wirklich der Fall, so läge allerdings ein stärkerer Verdacht vor.«
»Horbach ist noch hier?«
»Ja – sein Bendi steht dort drüben, und es ist Befehl gegeben, ihn nicht fortzulassen, bis wir selber mitkommen. Sehen Sie jetzt einmal zu, ob Sie ihm hier nicht irgendwo begegnen können; wahrscheinlich steckt er in einer der Spelunken, vielleicht bei Schong-ho oder in der Nachbarschaft. Ich werde indessen die hiesige Polizei aufsuchen, ob die vielleicht irgend etwas Verdächtiges entdeckt hat.«
»Wenn aber Tojiang der Täter wirklich gewesen wäre, könnte er kaum wieder hier sein.«
»Die Burschen laufen wie der Teufel«, sagte der erste, »besonders wenn sie irgend etwas verbrochen haben – wir kommen nachher hier wieder zusammen.« Damit bog er in die Richtung ein, in der fortwährend eine Wache von Oppass stationiert blieb, um Ordnung auf dem Basar zu halten, auf dem sich gern allerlei Gesindel herumtrieb, und traf nach kaum einer Viertelstunde seinen Begleiter schon wieder an dem vereinbarten Ort.
»Haben Sie ihn gefunden?«
»Ja, er war tatsächlich bei Schong-ho und hat noch zwei Fremde bei sich. Sie wollen eben nach Haus fahren und werden hier gleich vorbeikommen.«
»Der Klapa ist hier wieder gesehen worden«, sagte der erste Beamte, »und er hat lange und heimlich mit Tojiang verhandelt. Eben hörte ich auch, daß in der Opiumstube ein Diebstahl an einem Javaner begangen wurde. Der alte Bursche, halb vom Opium voll, schreit und wütet, daß ihm ein paar hundert Gulden gestohlen wären. Ich habe ihn festnehmen lassen, daß er morgen, wenn er wieder bei Verstand ist, erst einmal Rechenschaft gibt, woher er das viele Geld hat.«
»Da kommt Horbach«, flüsterte der zweite, »er scheint angetrunken, und ich glaube das beste wäre, wir ließen ihn ruhig nach Haus fahren, um hier kein Aufsehen zu erregen.«
»Vielleicht, ja – fahren Sie mit«, sagte der Ältere, »nehmen Sie die beiden Oppass mit, die uns begleitet haben, und verhaften Sie ihn vor seinem Hotel; er wird keinen Widerstand leisten. Lassen Sie aber besonders den Tojiang nicht entwischen. Ich will indessen sehen, daß wir den Klapa bekommen. Er ist gleich dort drüben in ein Haus gegangen, wo er wahrscheinlich übernachtet.«
»Guten Abend, meine Herren«, jubelte in diesem Augenblick Horbachs fidele Stimme, der, die beiden Kapitäne unter den Arm gehakt, in äußerst guter Laune quer über den jetzt ziemlich menschenleeren Basar kam. »Hallo, was für hübsche Gesellschaft wir da noch zusammenfinden – guten Abend, alter Junge! Hurra! Batavia soll leben!«
»Ruhig, Horbach, ruhig!« sagte der Kapitän Meier, auch mit ein wenig schwerer Zunge, »Donnerwetter, der geht immer vor dem Wind, vierzehn Knoten die Stunde, hat aber keinen Ballast und ist top heavy – he, alte fidele Seele?«
»Guten Abend, meine Herren«, sagte der eine Polizeibeamte, indem er den dreien etwas aus dem Weg trat und seinem Begleiter einige Worte zuflüsterte.
»Hier, meine Herren«, rief Horbach, und versuchte sich, in seiner Leidenschaft, fremde Leute einander vorzustellen, von seinen Begleitern loszumachen, »hier habe ich die Ehre, Ihnen...«
»Komm, Horbach, alter Seehund«, unterbrach ihn aber der eine Kapitän, der sich selber schwer im Kopf fühlte und nach seinem Wagen verlangte, »keine Abschweifungen mehr – Kurs gehalten!«
»Aber, meine Herren, diese beiden würdigen Greise da«, rief Horbach, keineswegs gewillt, sich eine so günstige Gelegenheit entschlüpfen zu lassen.
»Kurs gehalten«, lachte aber auch der andere, »laß seine Finne nicht los, Meier, denn wenn er uns noch einmal abtreibt, bekommen wir ihn gar nicht wieder ins rechte Fahrwasser.«
Horbach machte noch einige, aber vergebliche Versuche loszukommen, und während die beiden Beamten zur Seite traten und ihnen höhnisch lächelnd nachblickten, arbeiteten sich die beiden Kapitäne mit ihrem unruhigen Freund »im Schlepptau« wacker durch die leeren Tische und Sessel des Marktplatzes hindurch, was ihnen gerade in den Weg kam, zur Seite schleudernd.
Langsam folgte ihnen der eine Beamte, während der andere zu einigen schon auf ihn wartenden, in Diensten der Regierung stehenden Malaien, und dann geradenwegs auf Tonkés Wohnung zuschnitt. Tonké hatte sich eben, noch immer nicht beruhigt, auf seine Matte gelegt und lauschte einem draußen dann und wann laut werdenden Geräusch, das vielleicht von einer Maus, möglicherweise aber doch auch von einem Menschen herrühren konnte. Da war es ihm, als ob plötzlich einer der Bambusstäbe knarrte, die das Dach trugen, wie wenn ein schweres Gewicht darangehängt würde. Rasch richtete er sich auf seinem Arm empor, um besser zu hören, da klangen deutlich die Schritte mehrerer Männer zu ihm herüber, die vor seinem Haus hielten. Gleich darauf wurde an die Tür geklopft.
»He, Tonké! – schläfst du, alte Ratte? Mach einmal deine Falle auf!«
»Wer ist da?« fragte der vorsichtige Malaie.
»Die Oppass«, lautete die Antwort, »du hast nichts zu fürchten.«
»Ihr seid recht!« rief Tonké rasch und erfreut, und schob ohne weiteres den Riegel zurück. Bei dem Geräusch hörte er aber nicht, wie ein scharfes Messer, von einer geübten Hand geführt, das dünne Bambusgeflecht seiner hinteren Wand durchschnitt und den abgetrennten Teil zurückbog.
»Hast du Besuch hier?«
»Nein – aber gehabt«, sagte der Malaie, »und ich fürcht er treibt sich noch näher hier herum, als mir lieb ist.«
»Wer war es, Alter?« sagte der eine Oppass, in die Tür tretend.
»Delankeng von Tji-panas – den Namen gab er wenigstens an, aber ich glaub's ihm nicht.«
»Ist weiter niemand bei dir gewesen?«
»Nein.«
»Und warum ist er fort?«
»Weil ich ihn nicht bei mir behalten mochte. Er wollte hier schlafen.«
»Ausgeflogen«, sagte der Oppass, sich zu seinen Gefährten herumdrehend.
»Wer weiß, wo der Schuft jetzt steckt.«
»Ihr seid hinter ihm her?«
»Es ist wahrscheinlich der Klapa von Tjanjor, der sich die letzten Jahre irgendwo in den Bergen herumgetrieben hat.«
»Da hast du's!« rief Tonké, sich rasch und triumphierend zu seiner Frau umsehend, »was hab' ich dir gesagt. Hallo!« rief er plötzlich und sprang mit einem Satz über seine Matte hinweg zur hinteren Wand. Es klang dort, als ob einer der Bambusstäbe scharf angezogen worden war und, zurückschnellend, gegen die anderen schlug. »Meine Taube!« schrie der alte Mann aber auch schon im nächsten Augenblick in Todesangst. »Meine Taube! Hilfe! Diebe! Mörder!«
Die Oppass waren rasch im Haus, ihnen aber entgegenstürzend, schrie Tonké: »Hinaus! In den Garten! Hinten herum – er ist dort! Er hat sie! Er hat sie! Draußen läuft er! Faßt ihn! Schlagt ihn zu Boden, den Dieb, den Schuft, den Halunken!« Es blieb hier keine lange Zeit zu weiteren Erklärungen; die erregten Ausrufe des Alten ließen die Leute auch glauben, daß er in der Tat jemanden in diesem Augenblick dort gesehen habe, und rasch hinausstürzend, suchten sie dem, wer er auch immer sei, den Weg abzuschneiden. Das war allerdings nicht so leicht. Der kleine Garten, der hinter dem Haus lag, stieß an ein größeres, von einer hohen Akazienhecke eingefaßtes Grundstück. Als sich einer der Oppass dort hindurchdrängte, war es ihm zwar im ersten Augenblick, als ob er den raschen Schritt eines Davonspringenden vernehmen könne. Im nächsten Moment war aber alles wieder totenstill, und vergebens durchsuchten die Oppass jetzt mit Laternen den ganzen umliegenden Distrikt.
In Tonkés Haus zeigte sich indessen die Spur des begangenen Einbruchs deutlich genug, denn der schlaue und gewandte Dieb hatte ein großes Stück der Bambuswand aufschneiden müssen, um das kleine Vogelbauer hindurchzubekommen. Außen am Haus lag, als weiteres Zeichen, sein kurzes gebogenes Messer, der sogenannte arit, und an den Bambusstäben hingen einige Blutstropfen; an dem scharfen Bambus hatte er sich jedenfalls geschnitten. Das war aber auch alles, was Klapa hinterlassen hatte, und der alte Tonké wälzte sich im Innern auf seiner Matte umher, raufte sich die Haare und rief Allahs Fluch auf den frechen Räuber herab.