Cicero
Vom Redner
Cicero

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LVII. 215. Allerdings ist in jeder Sache ohne Zweifel die Wirklichkeit mächtiger als die Nachahmung; aber wenn sie allein für sich bei dem Vortrage hinlänglich wirksam wäre, so könnten wir in der That der Kunstregeln entbehren. Doch weil die Gemüthsbewegung, die besonders durch den Vortrag dargestellt oder nachgeahmt werden soll, oft etwas so Verworrenes hat, daß sie verdunkelt und, ich möchte sagen, verschüttet wird: so muß man bei der Darstellung derselben das sie Verdunkelnde entfernen und nur das Hervorstechende und in die Augen Fallende annehmen. 216. Denn jede Gemüthsbewegung hat von Natur ihre eigentümlichen Mienen, Töne und Gebärden, und der ganze Körper des Menschen und alle seine Mienen und Stimmen ertönen, gleich den Saiten der Lyra, so, wie sie jedesmal von der Gemüthsstimmung berührt werden. Denn die Töne sind, wie die Saiten, gespannt, so daß sie jeder Berührung entsprechen: hohe und tiefe, schnelle und langsame, starke und schwache; zwischen allen diesen liegt in jeder Art noch ein Mittelton. Und noch mehrere Unterarten sind aus diesen entstanden: der sanfte und der rauhe Ton, der gepreßte und der gedehntecontractum, diffusum (pizzicato und ligato)., der mit gehaltenem und der mit abgestoßenem Athemcontinenti spiritu, intermisso (tenuto und staccato). hervorgestoßene, der dumpfe und der kreischende, der durch Beugung der Stimme entweder verdünnte oder angeschwellteflexo sono extenuatum, inflatum.. Denn unter diesen und ähnlichenIch lese mit Pearcius horum et similium generum; die Handschriften haben et nicht; Ellendt hat die Worte et similium als unächt in Klammern eingeschlossen. Tonarten gibt es keine, die sich nicht durch künstliche Behandlung bearbeiten ließe, und sie stehen dem Redner, wie die Farben dem Maler, zu Gebote, um abwechselnde Mannigfaltigkeit hervorzubringen.


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