Cicero
Vom Redner
Cicero

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XXXVII. 154. Ja wahrlich gar zu furchtsam, entgegnete Catulus, hast du deinen Geist der Philosophie, wie einer Klippe verlockender Lust, zugewandt: einer Wissenschaft, die unser Staat nie verschmäht hat. Denn Italien war einst mit Pythagoreern angefüllt, zu jener Zeit, als es in unserem Lande noch ein Großgriechenland gab: weßhalb auch Einige unseren König Numa Pompilius für einen Pythagoreer ausgeben, obwol er sehr viele Jahre vor dem PythagorasPythagoras aus Samos, ein Schüler des Pherekydes, lebte zur Zeit des älteren Tarquinius, welcher von 534 bis 509 v. Chr. regierte. Vergl. Livius I, 18. und Ciceron. Tuscul. IV. 1, 3. und daselbst die Herausgeber. selbst gelebt hat. Um so höher aber muß der Mann geachtet werden, da er jene Weisheit der Staatskunst beinahe zwei Jahrhunderte früher gekannt hat, ehe die Griechen von dem Dasein derselben Etwas wußten. Und dann hat gewiß unser Staat keine Männer hervorgebracht, die einen glänzenderen Ruhm, ein gewichtigeres Ansehen und feinere Bildung besaßen als Publius Africanus, Gajus Lälius, Lucius FuriusPublius Scipio Africanus, der Jüngere, der Sohn des Lucius Aemilius Paullus, zerstörte Karthago 146 v. Chr. und Numantia 143. Er war nicht bloß ein ausgezeichneter Feldherr, sondern auch ein großer Redner und in den Wissenschaften, selbst in der Philosophie sehr bewandert. – Gajus Lälius, mit dem Beinamen der Weise, ein Freund des jüngeren Africanus, vgl. oben zu Kap. 6. Er war ein Mann von dem edelsten Charakter und zugleich ein großer Staatsmann, Redner und Feldherr. Auch beschäftigte er sich mit Philosophie, die er von den Stoikern Diogenes und Panätius gelernt hatte. – Lucius Furius Philus (135 v. Chr. Consul), ein Freund der Griechischen Litteratur, ein guter Redner und edler Mensch., und diese hatten immer die gelehrtesten Männer aus Griechenland vor Aller Augen um sich. 155. Und oft habe ich aus ihrem Munde die Aeußerung gehört, die Athener hätten ihnen und vielen angesehenen Männern des Staates einen großen Gefallen erwiesen, daß sie wegen wichtiger Angelegenheiten die drei berühmtesten Philosophen jener Zeit, den Karneades, Kritolaus und Diogenes, als Abgeordnete an den Senat abgeschickt hättenIm Jahre 154 v. Chr. Ueber Karneades s. zu I. Kap. 11; über Kritolaus s. zu I. Kap. 11; Diogenes aus Seleucia, ein Schüler des Chrysippus, ein Stoiker.; denn während ihrer Anwesenheit in Rom hätten sie und Andere ihre Vorträge häufig gehört. Da du dich auf das Beispiel solcher Männer berufen konntest, so wundere ich mich, Antonius, warum du der Philosophie, wie jener ZethusZethus und Amphion, zwei Brüder, werden in einem Trauerspiele des Pacuvius mit einander in Wortwechsel über die Musik streitend eingeführt. Zethus, seinem Bruder den Ruhm in der Tongunst mißgönnend, ruft ihm zu: Wirf die Leier weg, entsage der Weisheit, ergreife die Waffen. bei Pacuvius, beinahe den Krieg angekündigt hast. 156. Keineswegs, erwiderte Antonius, sondern vielmehr habe ich beschlossen so zu philosophiren, wie Neoptolemus bei Ennius, »ein Wenig; denn durchweg mag ich nichtS. Ciceron. Tuscul. II, 1. Neoptolemus oder Pyrrhus, der Sohn des Achilles..« Aber gleichwol das ist meine Ansicht, wie ich sie auseinandergesetzt zu haben glaube: Ich mißbillige diese gelehrten Beschäftigungen nicht, nur muß man das rechte Maß darin halten; die Meinung aber, man liege denselben ob, und die Vermuthung, man befleißige sich der Kunstregeln, ist, glaub' ich, dem Redner bei denen, die das richterliche Amt verwalten, nachtheilig; denn es verringert das Ansehen des Redners und die Glaubwürdigkeit der Rede.


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