Cicero
Vom Redner
Cicero

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XXXI. 137. Herauf sagte Crassus: Nun ich glaube aber, Sulpicius, du wirst, wenn du gehört hast, was ich sagen werde, es nicht sowol bewundern, als vielmehr der Ansicht sein, du habest damals, als du es zu hören wünschtest, keinen Grund gehabt danach zu verlangen. Denn ich werde nichts Tiefes sagen, nichts euerer Erwartung Würdiges, Nichts, was ihr noch nicht gehört hättet oder irgend einem neu wäre. Für's Erste nämlich will ich nicht leugnen, daß ich, wie es einem Menschen von edeler Geburt und Erziehung zukommt, jene allgemeinen und allbekannten Regeln erlernt habe: 138. erstlich es sei Pflicht des Redners überzeugend zu reden; zweitens jede Rede beschäftige sich entweder mit einer Aufgabe über einen allgemeinen Gegenstand ohne Bezeichnung der Personen und Zeiten, oder mit einem Gegenstande, der auf bestimmten Personen und Zeiten beruht. 139. In beiden Fällen aber pflege man bei jedem vorkommenden Gegenstande des Streites zu fragen, ob er geschehen sei, oder wenn er geschehen ist, von welcher Beschaffenheit er sei, oder auch welchen Namen er habe, oder, was Einige hinzufügen, ob er mit Recht geschehen zu sein scheine. 140. Streitigkeiten entständen aber auch aus der Auslegung schriftlicher Urkunden, in denen Etwas zweideutig oder widersprechend oder so niedergeschrieben sei, daß die Worte der Schriftstelle der Absicht des Verfassers widerstreiten. Für alle diese Fälle aber seien besondere Beweisgrund vorhanden. 141. Verhandlungen aber, welche sich auf keine allgemeinen Aufgaben beziehen, kämen theils in den Gerichten theils bei Beratungen vor; auch gebe es eine dritte Art, die sich mit dem Lobe oder dem Tadel der Menschen beschäftige; und es seien gewisse Beweisquellen vorhanden, von denen wir bei gerichtlichen Verhandlungen Gebrauch machen, in denen es sich um die Billigkeit handele, andere für die Berathungen, die sämmtlich den Vorteil derer bezweckten, denen wir Rath erteilten, andere gleichfalls für die Lobrede, in denen Alles auf die Würde der Personen bezogen werde. 142. Die ganze Stärke und Geschicklichkeit des Redners ferner lasse sich in folgende fünf Theile zerlegen: zuerst müsse er erfinden, was er sagen wolle; zweitens das Erfundene nicht allein nach einer äußerlichen Reihenfolge, sondern nach dem inneren Gewichte und nach richtiger Abschätzung vertheilen und zusammenstellen; drittens dieses vermittelst der Rede einkleiden und ausschmücken; hierauf im Gedächtnisse aufbewahren; zuletzt mit Würde und Anmuth vortragen. 143. Auch das hatte ich erkannt und gelernt, bevor wir von der Sache selbst redeten, müßten wir die Gemüther der Zuhörer uns geneigt machen; sodann die Sache erzählen; hierauf die Streitfrage feststellen; dann das, was wir bezweckten, mit Gründen beweisen; hernach die Einwürfe widerlegen; am Schlusse der Rede aber das, was für unsere Sache spreche, in ein helles Licht stellen und erheben, sowie das, was für die Sache unserer Gegner spreche, schwächen und entkräften.


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