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XXXVIII. Drei Arten des einfachen Wortes also gibt es, die der Redner anwendet, um seiner Rede Glanz und Schmuck zu verleihen: das ungewöhnliche, das neugebildete und das übertragene Wort. 153. Ungewöhnlich sind meist altertümliche und durch das Alter aus der alltäglichen Sprache schon längst verschwundene Worte. Von diesen steht den Dichtern ein freierer Gebrauch zu als uns; aber zuweilen jedoch verleiht auch der Rede ein von einem alten Dichter entlehntes Wort ein würdevolles Ansehen. So würde ich mich zum Beispiel nicht scheuen mit CöliusUeber Cölius Antipater s. zu II. 12, 54, Anm. 313. zu sagen: »In dem Zeitabschnitte, als der Punier nach Italien kamQua tempestate Poenus in Italiam venit; qua tempestate statt des gewöhnlichen quo tempore.;« oder Worte, wie Sproßprolem, ein dichterischer Ausdruck. oder Nachwuchssubolem, ein dichterischer Ausdruck. oder kundenfari für das gewöhnliche dicere. oder benamsennuncupare für das gewöhnliche appellare. oder die von dir, Catulus, oft gebrauchten: ich vermeinte nichtnon rebar für das gewöhnliche non putabam. oder ich war mich vermuthenopinabar. Die erste Person des Imperfekts dieses Wortes scheint damals nicht mehr im Gebrauche gewesen zu sein. und vieles Andere. was, an schicklicher Stelle gebraucht, der Rede einen großartigeren und altertümlichen Anstrich verleiht. 154. Neugebildete Worte aber sind solche, welche von dem, der sie gebraucht, selbst erzeugt und gebildet werden entweder durch Zusammensetzung von Wörtern, wie zum Beispiel:
Ihr seht, daß »trugredend« und »entherzt« durch Zusammensetzung gebildete und nicht natürliche Worte sind; – oder sie werden oft ohne Zusammensetzung neugebildet, wie: »jener Greisigeille senius statt ille senex. Wahrscheinlich ist aber die Lesart verdorben, höchst scharfsinnig ist Orelli's Muthmaßung: ut illud Ennii: Di genitales.,« »zeugende GötterDi genitales statt gignentes, von Ennius gebildet.,« »durch der Früchte Reichtum sich krümmenincurviscere, auch von Ennius gebildet. Siehe Cicer. Tusc. I. 28, 69..« 155. Die dritte Art, die Uebertragung des Wortes, hat einen weiten Umfang. Die Noth erzeugte sie aus Mangel und Verlegenheit; später aber gebrauchte man sie häufig um der Ergötzlichkeit und Annehmlichkeit willen. Denn sowie die Kleidung, anfänglich zur Abkehr der Kälte erfunden, nachher angewendet wurde, um den Körper zu schmücken und ihm ein stattliches Ansehen zu geben; so wurde die Uebertragung durch den Mangel hervorgerufen, aber um der Ergötzlichkeit willen häufig angewendet. So gebrauchen sogar die Landleute Ausdrücke, wie: »die Weinstöcke treiben Augengemmare.,« »die Saat steht in Ueppigkeitluxuries.,« »fröhliche Saatfelderlaetae segetes..« Wenn nämlich Etwas, das man durch ein eigentliches Wort schwerlich bezeichnen kann, durch ein übertragenes ausdrückt; so erläutert die Aehnlichkeit der Sache, die wir durch ein entlehntes Wort ausdrücken, den Begriff, den wir bezeichnen wollen. 156. Diese Uebertragungen sind also gleichsam Entlehnungen, da man anderswoher nimmt, was man nicht hat. Jene sind aber etwas kühner, welche keinen Mangel andeuten, sondern der Rede einigen Glanz verleihen. Soll ich euch nun den Weg angeben, wie man diese findet, und ihre Arten aufzählen?