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[Vorworte]

Vorwort zur ersten Auflage

Die Wahrheit ist eine Sonne, ihr Aufgang der Nacht Untergang. So ist auch die Homöopathie eine Wahrheit, die die Nacht törichter Vorurteile und Mißbräuche in der Medizin siegreich beseitigen wird.

Die Entdeckung der Homöopathie hat eine welthistorische Bedeutung, sie ist unter allen den unzähligen Wahrheiten, die zu erforschen dem Menschengeschlechte in der Reihe der Jahrtausende geglückt, eine der größten, wenn nicht die größte, die je erlebt worden. – Aus dem Kopfe eines der genialsten Ärzte hervorgegangen und auf rein wissenschaftlichem Fundamente begründet, führen ihre Prinzipien, ganz im Geiste der gegenwärtigen Naturwissenschaften, uns erst recht in eine höhere Pathologie und Physiologie hinein. Die Homöopathie ist nicht ein besonderes System, keine bloße Reform der Medizin, sondern mehr: eine neue Wissenschaft, die physiologische Arzneimittellehre. Sie ist nicht mehr aufzuhalten, jeder, der sich dagegen sträubt, ist wider sich selbst. Ihr Territorialbesitz kann vernünftig nicht mehr bestritten werden, denn sie hat nicht nur die Theorie, sondern auch die praktische Seite für sich.

Die öffentliche Meinung, die Wahrheit durchfühlend, hat sich ihrer überall wohlwollend angenommen; und da heutzutage die Wissenschaft nicht mehr exklusiv, sondern Gemeingut geworden ist, so wird auch die Homöopathie, zum Segen der Menschheit, immer mehr anerkannt und verbreitet werden. Möge denn auch dieses Buch das Seine dazu beitragen und wohlwollende Aufnahme finden.

Baltimore, im Juli 1869.

Der Verfasser.

Vorwort zur vierten Auflage

Um dieses Handbuch, das eine so freundliche Aufnahme gefunden, für den praktischen Gebrauch noch zweckmäßiger zu gestalten, habe ich die vorliegende Auflage desselben von Grund auf durchgearbeitet. Mehreres habe ich ausgeschieden; viele Kapitel, besonders die Krankheiten der Atmungsorgane, die Nierenkrankheiten und ein großer Teil der Infektionskrankheiten sind ganz umgearbeitet und die für jeden Fall anzuwendenden Mittel in möglichst bestimmter Form charakterisiert. Von neuen Arzneimitteln wurden hinzugefügt Lobelia, Phytolacca und Viburnum Opulus; dafür ältere, jedoch in der Praxis sehr selten verwendete, weggelassen. Auch das Repertorium ist zum Teil umgearbeitet und zweckmäßiger eingerichtet worden.

Wie umfangreich die Verbesserungen überhaupt sind, die ich bei dieser Auflage getroffen habe, wird selbst ein flüchtiger Vergleich mit der vorigen lehren.

Die Kapitel über Psychopathien – Wahnsinn, Epilepsie und Chorea major – habe ich, gestützt auf eine Reihe seit Jahren von mir und anderen angestellter Untersuchungen und daraus resultierender Erfahrungen, ebenfalls eingearbeitet und Winke für die richtige Beurteilung dieser von der Wissenschaft bisher unaufgeklärt gelassenen Zustände gegeben.

Ob nun ein sog. Aufgeklärter oder die Männer der Wissenschaft meine Ansichten über diese Zustände bestreiten oder für absurd halten, kümmert mich gar wenig, sintemal diese Herren schon vieles negiert haben, was sie später anerkennen mußten. Ich erinnere hier nur an das kopernikanische Weltsystem, Harveys Blutkreislauf, den Galvanismus, das Fernrohr, die Meteorsteine und vieles andere. Es gab auch eine Zeit, wo man die Ansicht, daß die Erde eine rotierende Kugel sei, für absurd hielt und, als gegen den gesunden Menschenverstand verstoßend, bekämpfte. In ähnlicher Weise bekämpft man heutzutage auch die Homöopathie. Der Gründe hierfür gibt es mehrere. Das Studium der Homöopathie erfordert Zeit und Mühe und das Brechen mit manchen alten, liebgewordenen Anschauungen, Gewohnheiten und Verhältnissen. Wer aber den Mut dazu hat und die Mühe nicht scheut, wird dafür in einem der dürftigsten Lehrzweige der Arzneikunde, der Therapie, ansehnlich bereichert und sich durch glückliche Erfolge am Krankenbette hinlänglich entschädigt sehen. – Freilich ist es sehr mühsam und schwer, in ein neues Wissensgebiet einzugehen, es zu erforschen und in sich aufzunehmen, was auch der Grund ist, warum die älteren, schweren wissenschaftlichen Autoritäten sich mit der Homöopathie nicht befassen, sie vielmehr, als ihrem liebgewordenen Systeme widersprechend, bekämpfen und die studierende Jugend davor warnen. Diese vertraut ihren Führern, den Männern der Wissenschaft, die ihre Stellung mißbrauchen, sie irreführen, ihr nützliche Wahrheiten lieblos vorenthalten und sich den Nimbus der Unfehlbarkeit geben. Die Zukunft wird ihnen aber denselben entreißen.

Alles Neue hat seine Feinde in den Interessenten des Alten. Gegen die Dampfboote protestierten die Marktschiffer, gegen die Eisenbahnen die Lohnkutscher, bis auf jenes Dorf, welches gegen die Anlagen der Chausseen protestierte, weil es von den Reisenden lebte, die auf schlechten Wegen Arme und Beine brachen. – Die Homöopathie hätte schon längst eine allgemeinere Anerkennung gefunden, und weniger groß würde die Zahl derer sein, die auf dem trostlosen Wege allopathischer Heilkünstelei Gesundheit und Leben verlieren, wenn die Besonnenheit jedermanns Sache wäre.

So schließe ich denn in der Hoffnung, daß die Freunde der Homöopathie auch in der vorliegenden Auflage mein Bestreben, den Fortschritten der Wissenschaft zu folgen, anerkennen und dieses Werk so freundlich wie bisher beurteilen mögen.

Gera, im September 1885.

Der Verfasser.

Vorwort zur fünften Auflage

Die überaus freundliche Aufnahme, die die vier Auflagen dieses Handbuches beim Publikum bis jetzt gefunden haben, legte mir die Pflicht auf, auch die vorliegende Auflage genau durchzusehen und, wo es nötig war, zu verbessern und zu ergänzen. Besonders, erfuhr der Abschnitt »Erklärung der Wirkungsweise homöopathischer Arzneigaben« eine Erweiterung, die gewiß den Freunden unserer Heilmethode von Interesse sein wird.

Wir leben in einer Zeit großer Umwälzungen auf allen Wissensgebieten. Der sinnesblöde, auf den deutschen Universitäten großgezogene Materialismus, der besonders in der Heilkunde großen Schaden anstiftet, geht seinem Ende entgegen. Das verständige Publikum wird sich fernerhin nicht mehr der alten Rezeptierkunst und dem herz- und gewissenlosen Vivisektor anvertrauen, der besser in die Folterkammer als an das Krankenbett gehört. – Der wahre Arzt, sagt schon Macarius, ist wie ein Gott, die Arzneimixturen aber gehören den Barbaren und Fetischgläubigen.

So möge denn dieses Buch auf seinem Gange die alten Freunde unserer Sache grüßen und neue gewinnen helfen.

Gera (Reuß j. L.), im März 1889.

Der Verfasser.

Vorwort zur sechsten Auflage

Auch bei der vorliegenden Auflage dieses Handbuches habe ich manches verbessert und neue Erfahrungen auf dem Gebiete der Homöopathie hinzugefügt. Zugleich habe ich die Wirkungsweise der Arzneimittel nach dem Similia Similibus, das Wie des homöopathischen Heilvorganges erklärt.

Ist die von mir aufgestellte Hypothese, daß Krankheiten anormaler Bewegungsrhythmus der organischen Moleküle ist, annehmbar, und das ist sie – das Gesetz des Rhythmus waltet durch die ganze Natur, und diese selbst ist nur ein Gleichgewichtszustand sich bekämpfender Kräfte –, dann halte ich meine Schlußfolgerung für richtig und damit das seit Hahnemanns großer Entdeckung schwebende Problem für gelöst, daß die homöopathischen Mittel durch Umkehrung den normalen Rhythmus der Moleküle bewirken. Dieser Gedanke lag so nahe, daß sich mein Übersehen nur aus dem bekannten Schweifen in die Ferne erklärt, wobei man am Guten vorübergeht.

Das Mißlingen der Versuche früherer Forscher, das Similia Similibus zu erklären, lag offenbar darin, daß sie die Hauptsache, die äthere Unterlage der Zelle, nicht in Rechnung gezogen hatten. Freilich wird es noch lange dauern, bis die Wahrheit des Satzes: » Keine physische Zelle ohne eine äthere« allgemein anerkannt werden wird. Diese Zeit kommt aber sicher, wie nicht minder auch die Zeit kommen wird, wo man die heutzutage dominierende Heilkunde, die sich das Prädikat »rationell« beilegt, gleich Krieg, Hungersnot und Seuche, eine Geißel des Menschengeschlechts nennen und unsere Generation bedauern wird, die durch dieselbe gequält, gemartert und frühzeitig ins Grab gebracht worden ist.

Möge nun auch die vorliegende Auflage dieses Werkes eine freundliche Aufnahme finden und ferner zur Verbreitung der segensreichen Lehre Hahnemanns beitragen helfen.

Gera (Reuß j. L.), im Juli 1892.

Der Verfasser.

Vorwort zur siebenten Auflage

Wie bei allen bisher erschienenen Auflagen dieses Handbuches, habe ich auch bei der vorliegenden siebentenAuflage desselben manche Zusätze und Verbesserungen angebracht, manche praktische Erfahrung anderer auf dem Gebiete der Homöopathie kritisch verwertet.

Die große Verbreitung, die die Homöopathie durch ihre herrlichen Resultate über den ganzen Erdkreis, soweit die Kultur reicht, gefunden, läßt hoffen, daß auch die Medizinprofessoren dem großen Werke Hahnemanns endlich vorurteilslos nähertreten werden. Hierüber kann, wie über viele andere Dinge, denen gegenüber der befangen urteilende Verstand sich ablehnend verhält, nur der praktische Versuch und die Erfahrung entscheiden. – Mögen daher die sehr beherzigenswerten Worte John Herschels (Einleitung in das Stud. der Naturw. § 127) nicht unbeachtet verhallen: »Der vollkommene Beobachter wird in allen Teilen des Wissens seine Augen gleichsam offenstehend halten, damit sie sofort von jedem Ereignis getroffen werden können, das sich nach den bereits angenommenen Theorien nicht ereignen sollte, denn dieses sind die Tatsachen, die als Leitfaden zu neuen Entdeckungen dienen.«

Durch die geniale Entdeckung Hahnemanns und die daraus hervorgehenden Tatsachen, die vielen der bisher angenommenen Theorien widersprechen, haben wir einen tieferen Einblick in die Vorgänge der Natur, ganz besonders aber in die des organischen Lebens, gewonnen. Immerhin dürfte aber noch eine lange Zeit vorübergehen, ehe das große Werk Hahnemanns in seiner immensen Tragweite voll gewürdigt werden wird.

Ist der von Schopenhauer aufgestellte Satz wahr, daß der Ruhm sich in Hinsicht der Möglichkeit seiner Dauer ungefähr umgekehrt verhalte, wie hinsichtlich der seines baldigen Eintritts, dann wird der Stern Hahnemanns noch lange nicht seinen Kulminationspunkt erreicht haben, wenn derjenige manches heutzutage überschätzten Medizinprofessors längst verblaßt sein wird. Sind doch die Taten des Genies wie die Quelle, aus der sie entspringen, unzerstörbar! »Wo man sie gern und mit Achtung aufnimmt,« sagt der große Physiker Sir David Brewster, » da werden sie dem Privatleben heilbringend und gereichen dem Staate zum Segen

Gera (Reuß), im August 1896.

Der Verfasser.

Vorwort zur neunten Auflage

Die freundliche Aufnahme, die dieses Buch sowohl vom Publikum als auch von der Kritik erfahren hat, veranlaßt mich, auch bei dieser nunmehr nötig gewordenen neunten Auflage vieles zu ergänzen und den Anforderungen der Zeit entsprechend zu verbessern.

Das günstige Prognostikon, das dem Werke mein lieber, sehr verehrter Freund, der Geheime Sanitätsrat Dr.  Aegidi (gest. zu Freienwalde a. O. den 11. Mai 1874) stellte, hat sich bewahrheitet. Doch hat meine Erklärung der Wirkungsweise homöopathischer Arzneigaben nur sehr wenig Verständnis gefunden, zumal die Mehrzahl der Menschen ein nur bescheidenes Kausalitätsbedürfnis besitzt. Darauf kommt es nun auch nicht an. Zu bedauern ist aber, daß die Schulmedizin einer praktischen Prüfung der Homöopathie geflissentlich aus dem Wege geht. Die heutige, durch den Materialismus infizierte Atmosphäre ist überhaupt einer unbefangenen und objektiven Prüfung von Tatsachen abgeneigt, die in Widersprüchen mit diesen Lehren steht.

Unsere Medizinprofessoren, die, auf ihrem pythischen Dreifuß sitzend, die Weisheit in Erbpacht genommen zu haben glauben, sehen gar nicht, was um sie herum geschieht, und daß ihre wesentlichen Theorien bereits im Leichentuche liegen. – In übertriebenem Pyrrhonismus, der in dem Wahne gipfelt, schon im Besitze alles Wissenswerten zu sein, weisen diese sog. Männer der Wissenschaft jeden Versuch mit homöopathischen Mitteln ab. Das ist die größte aller Parteilichkeiten. Aber auch eine Versündigung an den Kranken, denen man lieblos eine Heilmethode vorenthält, die erfahrungsgemäß sehr oft noch da geholfen hat, wo alle andere Hilfe versagt hatte. – Wie mancher ehrliche Mediziner wird seine vollständige Ohnmacht am Krankenbette haben einsehen müssen und wird in die klagenden Worte des verzweifelnden Faust ausgebrochen sein:

»O glücklich, wer noch hoffen kann,
Aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen!
Was man nicht weiß, das eben brauchte man,
Und was man weiß, kann man nicht brauchen.«

Die Schulmedizin wird erst dann auf den richtigen, schon von den Paracelsisten eingeschlagenen Weg kommen, wenn an die Stelle der Pharmakochemie die Pharmakodynamik tritt. Diesen Weg hat die Homöopathie bereits eingeschlagen. Doch ist noch die Frage zu beantworten, wie wirken die homöopathischen Mittel auf den kranken Organismus ein?

Diese Frage nach der Wirkungsweise unserer homöopathischen Mittel hat schon Hahnemann und viele Ärzte und Forscher nach ihm beschäftigt und wurde durch die Entdeckung der Bazillen als Krankheitserreger besonders lebhaft diskutiert. Denn es ist schwer zu begreifen, wie durch unsere unwägbar feinen Arzneimittel diese äußerst widerstandsfähigen Lebewesen vernichtet oder unschädlich gemacht werden sollten. So mancher Verehrer der Homöopathie wird sich den Kopf zerbrochen haben mit der Lösung dieses Problems.

Wer die Wirkungsweise unserer homöopathischen Mittel, wie dieses bisher der Fall, allein aus dem Verhalten des kranken Körpers, der nur eine passive Rolle hierbei spielt, erklären wollte, müßte das Kunststück des Herrn von Münchhausen für möglich halten, sich selber an den Haaren aus dem Sumpfe ziehen zu können.

»Der kranke Körper kann vom Leid sich nicht befrei'n,
Es muß die Lebenskraft dabei im Spiele sein.«

(Angelus Silesius, Arzt und Dichter, † 1674)

Das ist die odische oder ätherische Unterlage des Organismus, das Akkasa der Inder, der Astralleib des Paracelsus.

Wir halten an dem Grundsätze fest, daß Krankheit anormaler Bewegungsrhythmus der organischen Moleküle ist. – Dieser durch einen Krankheitserreger verursachte anormale Rhythmus wird durch das homöopathische Mittel in normalen umgewandelt, indem dasselbe nach dem Gesetze der Polarität und des Rhythmus von der erkrankten physischen Seite abgestoßen wird und nun von der ätherischen Unterlage des Organismus aus durch Umkehrungden normalen Rhythmus der Moleküle herbeiführt. – Das Nähere betreffs dieses für jeden Verständigen so leicht faßlichen und einfachen Vorganges möge der geneigte Leser in dem auf Seite 20 dieses Buches beginnenden Aufsatze mit Aufmerksamkeit nachlesen, es dürfte jedem vorurteilsfreien Leser alles mystische Wesen, das der Homöopathie anzuhaften schien, rauben.

Wir bedienen uns zur Erklärung aller Wirkungen in der Natur am besten des kleinsten Kraftmaßes und prüfen die Erklärung auf ihren mechanischen Wert. Muß nun dieselbe als logisch richtig anerkannt werden, dann läßt sich vernünftig dagegen nichts einwenden.

So schreibt auch mein lieber Kollege Dr.  Goullon in Weimar, der sich für meine Erklärung der Wirkungsweise homöopathischer Arzneimittel lebhaft interessierte: »Ich gestehe, daß Ihre Erklärung die einzig logisch richtige und einwandfreie ist für jeden vorurteilsfreien, d. h. von apriorischen Negationen freien Forscher.«

Man darf nicht übersehen, daß wir nur Wirkungen wahrzunehmen vermögen, nicht aber das Wirkende. Aus den Wirkungen schließen wir auf die Kräfte. So läßt sich denn auch die Heilkraft unserer Arzneimittel nur aus dem praktischen Versuch an Kranken beurteilen. Mit Recht ruft Hahnemann seinen Gegnern zu: »Unsere Lehre beruft sich nicht nur hauptsächlich, sondern einzig auf den Ausspruch der Erfahrung – »macht's nach!« ruft sie laut, aber macht's genau und sorgfältig nach, und Ihr werdet sie auf jeden Schritt bestätigt finden – und (was keine Arzneilehre, kein medizinisches System, keine sog. Therapie bisher tat oder tun konnte) sie drängt darauf, nach dem Erfolge beurteilt sein zu wollen.«

Nun sind bereits mehr als hundert Jahre darüber verflossen, der deutsche Medizinprofessor steht aber heute noch der Homöopathie, dieser glorreichsten aller Entdeckungen in der Heilkunde, gegenüber, wie der Kaffer dem Telephon, den der Dichter Herold sprechen läßt:

»Das glaube, wer es kann, ich werd' es stets bestreiten,
Daß solch ein Draht das Wort auf Meilen hin kann leiten.
Schon der Versuch hiermit bewies, ich wär' von Sinnen,
Und wahnbetörten Muts trabt lächelnd er von hinnen.«

Als der Verfasser das im Jahre 1888 an Scharlachdiphtherie erkrankte Kind des Dr. med.  Hergt, eines sehr geschätzten Arztes in Jena, das von den noch hinzugezogenen dortigen Ärzten bereits aufgegeben war, wieder herstellte, ging Dr. Hergt zur Homöopathie über, die er mit größtem Eifer studierte, und er gestand mir später, daß er in seiner früheren, fast zwanzigjährigen Praxis nie so gute Heilerfolge erzielt habe, wie jetzt mit der Homöopathie. Dr. Hergt konnte sich nicht genug darüber wundern, daß er auf den Universitäten nie ein Wort über Homöopathie gehört hatte. – So sagt auch Dr. v.  Grauvogl: »Ich unterzog sofort nach den ersten mit der Homöopathie gemachten Erfahrungen alle von mir und anderen Allopathen für unheilbar erklärten Fälle der homöopathischen Behandlung, und die Resultate waren mehr als einladend, sie waren enthusiasmierend. Aber das Niederschlagende solcher Erfahrungen war mir jetzt der Gedanke, daß viele meiner Patienten nicht gestorben wären, hätte ich schon auf den Universitäten von der heilbringenden Lehre der Homöopathie etwas vernommen.«

Der durch seine wissenschaftlichen Arbeiten bekannte italienische Physiolog Prof. Dr.  Cesare Lombroso in Turin stellte – seinem Wahlspruche gemäß: » Achtung vor den Tatsachen ist der Grundstein jeder guten Theorie« – bei seinen Patienten Versuche mit der Homöopathie an, die so günstig ausfielen, daß dieser scharfsinnige Forscher, vorher Gegner der Homöopathie, ein begeisterter Anhänger dieser Menschenleben rettenden Heilmethode wurde. – Von besonderem Interesse sind auch seine in Gemeinschaft mit dem berühmten Astronomen und Direktor der Sternwarte von Neapel Schiaparelli angestellten Untersuchungen der phänomenalen Erscheinungen bei Eusapio Palladino, die ihm die Worte des großen Briten in Erinnerung gebracht haben werden: »Es gibt mehr Ding' im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumt, Horatio.« –

Möge nun auch diese 9. Auflage des Handbuches eine freundliche Aufnahme finden und zur Verbreitung der Homöopathie mehr und mehr beitragen helfen.

Gera, den 12. November 1907.

Der Verfasser.

Vorwort zur zwölften Auflage

Viele Vorurteile gegen die homöopathische Heillehre sind im Laufe der Jahre geschwunden. Der Siegeszug der Homöopathie führt bis in den klinischen Hörsaal. Durch das Eintreten von Geheimrat Bier für die Homöopathie im Jahre 1925 war der Stein ins Rollen gekommen. Die wissenschaftliche Diskussion lebte neu auf, auch die breite Öffentlichkeit nahm regen Anteil an der Hahnemannschen Lehre, die so plötzlich der Brennpunkt des allgemeinen Interesses geworden war. 1928 folgte schon die Schaffung eines Lehrstuhls für Homöopathie an der Universität Berlin, wodurch amtlicherseits die offizielle Anerkennung und Gleichberechtigung der Homöopathie mit anderen Heilmethoden dokumentiert wurde. In Dresden wurde eine homöopathische Abteilung in einem Krankenhaus eingerichtet. Hoffentlich folgt bald die Errichtung eines selbständig geleiteten rein homöopathischen Krankenhauses, das allein den Wert dieser Therapie beweisen kann.

Unter diesen günstigen Zeichen des Aufstiegs wurde auch die Neubearbeitung des vorliegenden Buches vorgenommen. Im großen und ganzen ist der Text stilistisch und inhaltlich den Angaben des Verfassers getreu erhalten geblieben. Doch konnten inzwischen überholte Vorwürfe gegen die Schulmedizin gestrichen werden, da der Widerstreit der Meinungen sich gegenwärtig auf einer ganz anderen Grundlage abspielt. Auch die verschiedenen Kapitel erfuhren entsprechend den neuesten wissenschaftlich feststehenden Forschungsergebnissen eine notwendige Korrektur. Wegen der gesetzlichen Bestimmungen durften die Kapitel über Geschlechtskrankheiten u. ä. Erkrankungen nicht wieder mit aufgenommen werden, wodurch das Ganze aber keine wesentliche Einbuße erleidet.

Möge auch diese zwölfte Auflage in zeitgemäßer innerer und äußerer Gestaltung den Leserkreis zufriedenstellen und dazu beitragen, der Homöopathie neue Freunde zu werben.

Leipzig, im September 1929.

Bearbeiter.


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