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Mit dem Namen Chlorose bezeichnen wir jene Blutarmut (Anämie), an der oft Mädchen zur Zeit der beginnenden Reife leiden. Die Chlorose ist demnach nichts weiter, als ein Folgezustand entweder zu frühzeitiger oder zu langsamer Pubertätsentwicklung. Die Krankheit gibt sich zu erkennen durch blasse Gesichtsfarbe, tiefliegende, geränderte Augen, Blässe der Lippen und des Zahnfleisches, häufiges Frösteln, Aufgedunsenheit, Mattigkeit und Schläfrigkeit, Appetitlosigkeit, Herzklopfen, beengte Respiration, wobei Auskultation und Perkussion nichts Krankhaftes ergeben. Öfter Übelkeit und Schwindel. Bezeichnend ist das Nonnen- oder Kreiselgeräusch in den Jugularvenen des Halses am Schlüsselbein, das sich beim Horchen und Auflegen der Hand als Schnurren und Vibrieren zu erkennen gibt. Mutmaßliche Ursachen dieser Krankheit sind fehlerhafte Diät, schlechte Kost, ungesunde Stubenluft, anhaltendes Stubensitzen, Liegen in Federbetten, Mißbrauch des Tees, Kaffees usw.
Wird die Bleichsucht sich selbst überlassen oder wird sie nicht zweckmäßig behandelt, so geht sie oft in bedenkliche Krankheiten über und nimmt einen ungünstigen Verlauf. Sie veranlaßt krampfhafte Zustände, Zehrkrankheiten und Schwindsuchten, Wassersuchten usw. – Die Chlorose gehört zu den Krankheiten, die aufhören zu existieren. Man findet heutzutage nur ganz selten noch echte Chlorose-Fälle. Das liegt an der Erkenntnis und Aufklärung über gesunde Ernährung und Lebensweise, die mittlerweile bei uns in Deutschland bis in alle Volkskreise vorgedrungen ist. Durch Zuführung vitaminreicher Kost (rohes Obst, Gemüse, besonders Mohrrüben, Apfelsinen, Zitronen) und kräftiger Ernährung ist diese Krankheit ziemlich getilgt. Man trifft sie eigentlich nur noch in der Form einer Entwicklungsstörung bei Kindern in der Pubertät, besonders bei Mädchen an, aber nicht mehr als reine Chlorose, sondern als jenes komplizierte Symptomenbild, das wir als Vagotonie zu bezeichnen pflegen.
Bei geregelter Diät (hauptsächlich Pflanzenkost, frische Gemüse, Haferpräparate, Obst) und zweckmäßiger Lebensweise, Schlafen auf Roßhaar- oder Indiafaserkissen, Genuß guter, frischer Luft, mäßig nahrhafter Kost, heiterer Gesellschaft usf. wird unter Anwendung geeigneter homöopathischer Mittel diese Krankheit einen günstigen Verlauf nehmen. Wir empfehlen, den Umständen entsprechend: Calcium carbonicum bei Blutarmut skrofulöser, an Drüsenanschwellungen leidender Personen; bei ziehenden Schmerzen und Schwere in den Gliedern, Kälte der Füße, Ekel vor Fleisch. – China bei Blutarmut mit großer Kraftlosigkeit und zittriger Schwäche bei und nach Blut- und Säfteverlust; bei Nachtschweißen und wassersüchtigen Anschwellungen. – Ferrum metallicum, Ferrum carbonicum oder Ferrum lacticum, morgens und abends eine bohnengroße Gabe in Pulverform oder 1 Tablette mehrere Wochen hindurch verabfolgt, ist ein vorzügliches Mittel bei Blutarmut, großer Mattigkeit und Schläfrigkeit mit Kongestivzuständen:, auch bei Neigung zu Schweißen. Bewähren sich die Eisenpräparate nicht, dann verabfolgen wir, besonders bei nervösen Individuen, oft mit gutem Erfolge mehrere Wochen hindurch Cuprum aceticum. – Natrium muriaticum: Bleichsucht mit erdfahlem, blassem Aussehen und Verdauungsschwäche mit Stuhlverstopfung oder Weichleibigkeit; Appetitmangel oder Heißhunger; Magensäure. – Nux vomica bei Bleichsucht mit Magendrücken, Aufgetriebenheit des Magens, Appetitlosigkeit, Kreuzschmerzen, Stuhlverstopfung. – Phosphorus bei Blutarmut nach erschöpfenden Krankheiten, Durchfällen usf. (Ähnlich Acidum phosphoricum. – Arsenicum album D5 nach Phosphorus, besonders, wenn Ferrum und Cuprum ohne Erfolg blieben, wenn Appetitmangel herrscht und Magenkrämpfe bestehen. – Calcium phosphoricum ist bei fettleibigen Personen oft von ausgezeichnetem Erfolg.) – Plumbum aceticum bei Blutarmut mit allgemeiner Abmagerung, seltenem, trockenem Stuhle usw. Ferner vergleiche man noch: Kalium carbonicum, Pulsatilla, Sulfur.
Im allgemeinen bezeichnen wir mit Blutarmut (Anämie) eine Erkrankung des Blutes, in der die Anzahl der roten Blutkörperchen mehr oder weniger vermindert ist, wodurch das Blut blaß und in seiner sowohl chemischen als organischen Zusammensetzung (Qualität) verschiedenartig verändert wird. Sie kann entstehen infolge zu großen Blut- oder Säfteverlustes oder infolge ungenügender Blutbereitung. Die primären Anämien sind häufiger und leichter das Objekt einer glücklichen Kur als die sekundären Formen, von denen ein großer Teil der ärztlichen Kunst unzugänglich ist. – Bei längerer Dauer des anämischen Zustandes und fortbestehender Wirkung derselben Ursachen entstehen leicht Hydrämien, Blutzersetzung, Krämpfe, Lähmungen und endlich Zerfall und Schwund der organischen Materie – Decubitus – Marasmus.
Blutarme Personen oder bleichsüchtige junge Mädchen, die gern lange schlafen, nötige man nicht zum Frühaufstehen und anstrengenden Spaziergängen; denn körperliche Ruhe, Aufenthalt im Freien (Waldluft), sind für solche Kranke Haupterfordernis, desgleichen tägliche Atemübungen. Nichts ist verkehrter, als solche Patienten zu übermäßiger Früharbeit anzuhalten, denn für sie »hat die Morgenstunde kein Gold im Munde«.
Bei den oft nach Säfteverlust, besonders auch nach Selbstschwächung eintretenden Anämien leisten China, Nux vomica oder Phosphorus, auch Acidum phosphoricum gute Dienste. Bei hochgradiger Anämie ist Ferrum phosphoricum, 2 bis 3 Gaben täglich, oft von großem Nutzen.
Neben dem Gebrauche der homöopathischen Arzneien ist für Anämische noch die Apfelweinmolke zu empfehlen, die sich auch bei Skrofulösen oder an Kehlkopfkatarrhen Leidenden oft bewährt hat: Man nimmt guten Apfelwein, beste rohe Milch und frisches Brunnenwasser, von jedem 1 Weinglas voll, läßt diese Mischung allmählich zum Aufwallen, jedoch nicht zum Kochen kommen und entfernt diese dann sofort vom Feuer. Nun wird die Flüssigkeit, um den Käsestoff zu entfernen, durch ein feines Sieb gegossen, und die Apfelweinmolke ist zum Gebrauch fertig. Man läßt sie warm und am zweckmäßigsten früh nüchtern, auch mit etwas Zucker, genießen. Wird sie nicht gut vertragen, nehme man kleinere Portionen; stellen sich jedoch Magendruck, Durchfälle oder Widerwille ein, so sehe man von dem Gebrauche ganz ab. Zu denken ist an eine Trinkkur mit Dürkheimer Maxquelle oder Levicowasser, die unter ärztlicher Aufsicht geschehen muß. Außerdem weisen wir noch auf Hemels Tonicum, Plasgentabletten und die Vitrilsolpräparate (Dr. Willmar Schwabe, Leipzig O 29) hin.