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Hyperämie der Leber

Die Blutüberfüllung oder Hyperämie der Leber kann durch vermehrten Zufluß des Blutes zu diesem Organe entweder eine kongestive oder aktive sein, oder eine passive oder Stauungshyperämie durch erschwerten Abfluß des Blutes aus den Lebervenen. – Erstere entsteht häufig und vorübergehend durch schwelgerische Lebensweise und durch den Genuß spirituöser Getränke und kann bei häufiger Wiederkehr zu dauernder Gefäßerweiterung führen, während die Stauungshyperämien bei allen Herz- und Lungenkrankheiten (z. B. Herzklappenfehler, Herzverfettung, Tuberkulose, Emphysem), die den Durchgang des Blutes erschweren, beobachtet werden. Von den Lebervenen pflanzt sich die Überfüllung und Stauung auf die Pfortader fort. Hyperämien von vorübergehenden Ursachen lassen gewöhnlich schnell nach, nur bei Säufern ist die Diagnose zweifelhaft, während bei Stauungshyperämien, die immer einen chronischen Verlauf nehmen, die Ursachen beseitigt werden müssen, die die Blutstauungen hervorrufen. Wenn jene unheilbar, führen diese zu Textur- oder Gewebeveränderungen und anderen krankhaften Erscheinungen.

Bei der kongestiven Hyperämie sind gewöhnlich Verdauungsstörungen vorhanden. Die Kranken klagen bei zunehmender Vergrößerung der Leber über Vollheitsgefühl in der Lebergegend, die gegen äußeren Druck empfindlich ist. Die Kranken sind verstimmt und hypochondrisch. Die hyperämische Leber ist einem häufigen Wechsel ihres Volumens unterworfen. – Bei der Stauungshyperämie ist die Anschwellung eine bleibende; die Hautfarbe und die Augenbindehaut spielen ins Gelbliche (seltener Gelbsucht), das Gesicht ist cyanotisch gefärbt. Später kommt es zu Harnbeschwerden, Hämorrhoidalvenenanschwellung, Gebärmutterblutungen usw. Der Tod erfolgt gewöhnlich durch anhaltende Störungen im Kreislaufe oder infolge von Lungenödem, Marasmus und allgemeiner Wassersucht.

Bei der Behandlung dieses Leidens ist vor allen Dingen auf die veranlassenden Ursachen Rücksicht zu nehmen, und bei der kongestiven Hyperämie wird die geeignete Diät anzuordnen sein. Leicht verdauliche Speisen, besonders Pflanzenkost, Körperbewegung und Vermeiden aller Spirituosen, Bier, Wein usw., sind sehr empfehlenswert; bei Trinkern ist die Vermeidung aller weingeistigen Getränke erste Hauptsache.

Nux vomica: Diese Arznei hat zur Leber eine fast noch innigere Beziehung als zum Magen und ist besonders bei kongestiver Hyperämie der Stubensitzer, Gelehrten, Trinker und nach Chinamißbrauch angezeigt. Die Erscheinungen, die Nux vomica in der Lebergegend erzeugt, bezeichnen die Hyperämie in jedem Grade. Empfindlichkeit der Lebergegend gegen Druck; Vollheitsgefühl mit Stechen und Spannen, Geschwulst der Leber, gelbliche Gesichtsfarbe. Ferner: Verdauungsstörungen, Stuhlverstopfung, Magendrücken und hypochondrische Gemütsstimmung.

Ignatia: Hat viel Ähnlichkeit mit Nux vomica, paßt aber mehr für das weibliche Geschlecht, besonders wenn Gram und Ärger zugrunde liegen.

Chamomilla: Bei leicht vorübergehenden und besonders durch heftige Gemütsbewegungen, Ärger und Zorn erzeugten Leberhyperämien. Gelbliche, sogar ikterische Gesichtsfarbe.

China: Wo dieses Mittel nicht schon in großen Gaben von allopathischer Seite verabfolgt wurde, ist es selbst bei intensiven Hyperämien von vorzüglicher Wirkung. Stechen und Drücken in der Lebergegend, mit Aufgetriebenheit und Empfindlichkeit daselbst gegen äußeren Druck. Kachektisches Aussehen, gelbliche Hautfarbe, Frostigkeitsgefühl, große Schwäche.

Magnesium muriaticum: In vielen Fällen von Lebergeschwulst ist dieses Mittel, nach Sulfur gereicht, oft von großer Wichtigkeit.

Arnica: Wenn Druck oder Stoß die Ursache des Leidens ist.

Sulfur: Bei Angeschwollensein der Leber mit ununterbrochenem Aufstoßen, Appetitlosigkeit, Stuhlverstopfung. – Außerdem vergleiche man noch Leptandra virginica, die von amerikanischen Ärzten sehr empfohlen wird.

Die Stauungshyperämie läßt keine direkte Behandlung zu und kann, wie wir schon vorher andeuteten, nur durch Beseitigung der Ursachen gebessert werden; dies gelingt aber fast nie. Im allgemeinen bringen Nux vomica, Arsenicum, Carbo vegetabilis oder Sulfur eine vorübergehende Besserung. – Bei der durch Stauungshyperämie hervorgerufenen Muskatnußleber wird Arsenicum oder Phosphorus zu versuchen sein. Bei Herzklappenfehlern versuche man: Kalium carbonicum, Cactus grandiflorus, Digitalis, Spigelia oder Kalmia. Bei Lungenemphysem werden das meiste Arsenicum, Ipecacuanha oder Tartarus emeticus leisten.

Von den zahlreichen übrigen Leberkrankheiten interessieren uns noch: Die akute, gelbe Leberatrophie, die Fettleber, Speckleber, der Leberkrebs und die Hydatiden oder Echinokokkuscysten in der Leber.

Viele dieser Krankheiten sind schwer zu diagnostizieren, aber noch viel schwerer zu heilen.

Die akute, gelbe Leberatrophie kommt selten vor, und die sie veranlassenden Ursachen sind noch unbekannt; sie wird aber am häufigsten bei Schwangeren beobachtet. Anfangs sind Verdauungsstörungen und eine gelbliche Hautfarbe vorhanden, dann stellen sich Kopfschmerzen und Erbrechen ein. Der Ikterus nimmt an Intensität zu; ebenso die Kopfschmerzen. Das Fieber steigert sich, und die Kranken fangen an zu delirieren. In dem Maße, wie sich die Leber verkleinert, findet gleichzeitig eine Vergrößerung der Milz statt. Obgleich die Milzanschwellung sehr wichtig für die Diagnose ist, so läßt sie sich doch nicht immer nachweisen. Später tritt hochgradiger Schwächezustand ein, und die Kranken werden apathisch. Zuweilen kommt es zu Bluterbrechen oder zu Darmblutungen. Die Leber ist gegen Druck sehr empfindlich. Harn und Stuhl gehen unwillkürlich ab, es bilden sich Petechien auf der äußeren Haut, und die Kranken sterben in spätestens 10 Tagen nach Auftreten der charakteristischen Erscheinungen an den Folgen dieses Typhoids.

Anfangs würden Belladonna, Leptandra oder Digitalis in ¼stündlichen Gaben angezeigt sein; später eignet sich Phosphorus nach dem Ähnlichkeitsprinzipe ganz vorzüglich; besonders bei Gegenwart des Typhoids, wo auch China und Arsenicum sehr passend erscheinen. Bei eintretenden Magen- oder Darmblutungen: Acidum sulfuricum. Bei Erbrechen: Ipecacuanha, Nux vomica oder Veratrum. Bei Schwangeren erfordert das Auftreten eines fieberhaften Ikterus die größte Aufmerksamkeit. Man versichere sich fachmännischer Hilfe.

Die Fettleber, verursacht durch Fettanhäufung in der Leber, die oft einen bedeutenden Umfang erreichen kann, ist gewöhnlich Erscheinung allgemeiner Fettablagerung im Körper oder ist die Folge der Tuberkulose, auch des Alkoholismus. Die Fettanhäufung erfordert oft sehr lange Zeit zu ihrer Ausbildung und ist rückbildungsfähig. Änderung der Lebensweise: magere, besonders Pflanzenkost, Morgen- und Abendspaziergänge, fleißiges Wassertrinken sind Haupterfordernisse zur Beseitigung des Leidens. Die Krankheit verlangt den unausgesetzten Gebrauch von Nux vomica, Natrium muriaticum, Lycopodium, Magnesium muriaticum, Calcium carbonicum, Vanadium.

Nux vomica: Bei Hämorrhoidariern, Stubensitzern und Phlegmatikern; ähnlich Sulfur, Kalium carbonicum oder Natrium muriaticum. – Calcium carbonicum ist sehr geeignet bei allgemeiner Fettsucht. Chelidonium bei großer Trägheit und weinerlichem Gemüt. Capsicum bei Fettleber mit vorwiegender Säurebildung, Darmkatarrh mit schleimigen Stuhlentleerungen oder blutigen, geringen Stühlen mit Pressen und Zwängen; bei Säufern im Wechsel mit Arsenicum.

Die Speck- oder Wachsleber kommt nur bei dyskrasischen Zuständen (Skrofulose, Knochenfraß usw.) vor. Die Leber ist sehr vergrößert, von harter Konsistenz, brettartig anfühlbar und hierdurch von der Fettleber unterscheidbar. Sind zugleich die Nieren ergriffen, so ist der Urin eiweißhaltig. Die Kranken sehen schlecht ernährt, erdfahl und bleichsüchtig aus. Bei Skrofulösen empfehlen wir den Gebrauch von Sulfur, Calcium, carbonicum, Lycopodium, Kalium jodatum, Baryum carbonicum. – Bei Rhachitischen: Calcium carbonicum, Phosphorus, Silicea oder Sulfur. – Bei Caries: Calcium carbonicum, Silicea und bei langwierigen Eiterungen: Acidum phosphoricum, Asa foetida; und wo große Schwäche infolge der Eiterung vorhanden: China. – Bei Eiweißharn: Mercurius solubilis oder Arsenicum.

Der Leberkrebs ist eine ziemlich häufige Erscheinung in den späteren Lebensjahren. Sein Verlauf erstreckt sich gewöhnlich auf mehrere Jahre und ist selten von erheblichen Symptomen begleitet. Später magern die Kranken ab, die Haut wird welk und schilferig, es kommt zu Ödemen an den Füßen, dann gesellen sich kolliquative Erscheinungen und Marasmus hinzu, und die Kranken gehen infolge allgemeiner Erschöpfung zugrunde.

Wir können bei dieser Krankheit, gegen die jede Heilmethode unzulänglich ist, nur durch zweckmäßige Ernährung und durch möglichst langes Hinausschieben der kolliquativen Erscheinungen den Patienten einigermaßen erhalten. Eine kräftige und nahrhafte Kost, frische Luft, heitere Unterhaltung werden viel zur Erhaltung der Kräfte beitragen. Wein, Bier u. dgl. erhitzende Getränke müssen vollständig gemieden werden. Von Arzneien werden Arsenicum, Phosphorus, China, Natrium muriaticum oder Lycopodium nach den obwaltenden Symptomen zu verabfolgen sein. Wo diese Mittel nicht ausreichen, ist der Arzt aus Humanitätsrücksichten gezwungen, von Morphiumpräparaten Gebrauch zu machen.

Echinokokkuscysten kommen in der Leber sehr häufig vor; aber auch in anderen Organen, in den Lungen, in der Milz, in den Nieren, im Gehirn usw. Die Echinokokkusblase ist eigentlich eine hydropische, blasig aufgetriebene Bandwurmamme vom Hundebandwurm mit nur 3 oder 4 Gliedern. Der äußere fibröse Sack ist das Produkt einer reaktiven Entzündung der Gewebe im Umkreise der Blase und wird, wie bei Einkapselung eines fremden Körpers, durch Bindegewebswucherung erzeugt.

Der Einfluß der Blasenwürmer auf die Leber ist nach der Größe und Anzahl der Blasen von größerem oder geringerem Nachteile. Zuvörderst wird das Leberparenchym durch den Echinokokkus verdrängt, und um diesen bildet sich eine feste fibröse Schicht. Ragt der Sack über die Leberoberfläche hervor, so findet sich meist eine partielle Perihepatitis und führt zur Verdickung und Verwachsung des Bauchfells mit den Nachbarteilen (was bei etwaiger Eröffnung des Sackes von Vorteil sein kann). Bei bedeutendem Umfange des Echinokokkussackes kommt es zu Verschiebungen und Kompressionen der Bauch- und Brustorgane, sowie durch Druck auf die Hohl- und Pfortader zu Ödem der Beine und Bauchwassersucht, durch Druck auf die Gallenwege zur Gallenstauung mit Gelbsucht usw. Es gibt Fälle, in denen die chirurgische Behandlung sich bewährt hat.


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