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Bruchschäden. Unterleibsbrüche. Herniae

Brüche, d. h. Unterleibsbrüche, sind weiche, plötzlich hervortretende, elastische, schmerzlose, sichtbare Geschwülste, die aus der Verrückung eines weichen Körperteils entstehen, und zwar durch die Verschiebung der im Unterleibe enthaltenen Eingeweide, und ihren Austritt durch eine natürliche Öffnung in den Wänden dieser Höhle, durch eine andere zufällige Öffnung, oder durch einen erschlafften Teil der Wände des Bauches nehmen. Man bezeichnet die Öffnungen, aus denen die Eingeweide hervortreten, als Bruchweg oder Bruchpforte, die vorgelagerten Eingeweide der Bauchhöhle als Bruchinhalt, die Ausstülpung der die Eingeweide umgebenden Membran als Bruchsack. Die Bruchpforte ist entweder ein einfaches Loch oder eine Art Kanal, ihre Größe hängt von dem kürzeren oder längeren Bestehen des Bruches ab. Im jugendlichen Alter kann sich die Pforte wieder schließen. Der Bruchsack kann infolge der außerordentlichen Dehnbarkeit des Bauchfelles die verschiedensten Formen und Größen annehmen; anfänglich läßt er sich noch zurückbringen. Der Bruchinhalt besteht aus Dünndarmschlingen und einem Teil des Netzes, seltener einem Teil des Dickdarmes. Die Brüche haben je nach den Öffnungen, aus denen sie hervortreten, und den Eingeweiden, die die Geschwulst einschließt, verschiedene Namen. Unter den Brüchen sind die am häufigsten vorkommenden: die Leistenbrüche, die am meisten sich zeigen und in den Leisten sich befinden (sie treten bei Männern oft bis in den Hodensack herab und bilden so den Scrotal- oder Hodensackbruch; bei Frauen tritt dieser Bruch mitunter in die äußere Schamlippe); die Schenkelbrüche, die an der inneren Seite des Schenkels hervortreten, finden sich am häufigsten bei Frauen, fast niemals im kindlichen Alter; Nabelbrüche, Teile, die aus der Nabelgegend sich hervordrängen, sind entweder angeboren, in welchem Falle die Kinder gewöhnlich bald sterben, oder erworben, d. h. im späteren Lebensalter entstanden; Bauchbrüche, die im Umfange des Unterleibes, die genannten Stellen ausgenommen, erscheinen.

Die Leisten-, Schenkel- und Nabelbrüche kommen am häufigsten vor und sollen deshalb allein den Gegenstand dieser Abhandlung bilden.

Daß eine Geschwulst ein Bruch ist, erkennt man daran, daß sie bei horizontaler Lage auf dem Rücken und durch den Druck der Hand verkleinert wird oder gänzlich verschwindet, beim Husten, Zurückhalten des Atems, Stehen und nach der Mahlzeit hingegen sich vergrößert und gespannter wird. Brüche verursachen leicht allerlei Unterleibsbeschwerden: Kollern, Kolik, Verstopfung, Übelkeit, Erbrechen, was besonders dann vorkommt, wenn man sich nicht mit den Speisen gehörig in acht nimmt; auch verursachen sie oft Schmerzen bei Witterungsveränderung. Enthält ein Bruch weder ein Stück (Darm-) Netz, noch einen Teil Darm, so heißt er ein falscher Bruch; daher die Benennung: Windbruch, Fleischbruch, Wasserbruch.

Die meisten Brüche entstehen durch mechanische Verletzung, heftige Anstrengung des Körpers usw. Bei vielen ist eine erbliche Anlage zu Brüchen vorhanden; solche Leute müssen sich doppelt vor jeder unvorsichtigen Bewegung hüten. Brüche können sehr häufig durch innere homöopathische Mittel geheilt werden, doch muß vor allen Dingen ein gutes Bruchband den Schaden zurückhalten und der Patient sich ruhig verhalten, damit nicht der Bruch in der Heilperiode wieder hervortritt.

Ein gutes Bruchband darf keine Beschwerden beim Tragen machen, es sei denn, daß es anfangs vielleicht etwas drückt oder unbequem ist; es muß den Bruch vollständig zurückhalten und nicht von der Stelle wegrutschen, da sonst leicht der Bruch unheilbar gemacht wird. Merkt man, daß der Bruch etwas vortritt, so lege man das Bruchband gleich ab und bringe den Schaden in der Rückenlage wieder in Ordnung, was in der Bettwärme immer am leichtesten gelingt. Ist der Bruch vollständig zurückgebracht, so lege man das Bruchband wieder an. Ein gutes Bruchband darf nicht zu oft den Bruch hervortreten lassen; geschieht es aber, so taugt das Bruchband nichts, und man muß ein anderes von einem geschickten Bandagisten anfertigen lassen. Oft ist auch nur eine Vergrößerung oder Änderung der Pelotte nötig. Das Bruchband legt man stets im Liegen, niemals im Stehen an. Ein eingeklemmter kleiner, noch nicht lange bestehender Bruch ist gewöhnlich weit gefährlicher als ein alter, großer Bruch mit ausgeweiteter Bruchpforte.

Da ein eingeklemmter Bruch (Hernia incarcerata) immer lebensgefährlich ist, so darf man nie verabsäumen, schnelle Hilfe zu schaffen. Oft ist ein krampfhaftes Zusammenziehen der Bruchpforte oder in die Pforte eingetretener, verhärteter Kot die Ursache, daß der Darmteil nicht zurückgeht, wodurch, da dieser eingeklemmte Teil die dahin gelangten Speisemassen nicht weiterzuschaffen vermag, Verdauungsstörungen eintreten und in deren Gefolge Entzündung, Übelkeit, zuletzt sogar Koterbrechen.

Gelingt es nicht, den Bruch bald zurückzubringen, dann lege man sich ins Bett und gebrauche Aconitum in ¼stündlichem Wechsel mit Nux vomica. Wir verabfolgen Aconitum besonders bei eintretenden Entzündungssymptomen, empfindlichen Schmerzen bei äußerem Druck auf die Bruchstelle, Übelkeit, Angst und Unruhe. Bessert sich nach einigen Stunden der Zustand nicht, treten Kongestionen nach dem Kopfe ein oder krampfhafte Erscheinungen, dann versichert man sich sachkundiger Hilfe und verabfolgt inzwischen Belladonna, auch im Wechsel mit Nux vomica. Ist aber das Gesicht rot, der Leib sehr aufgetrieben, kommt übelriechendes und übelschmeckendes Aufstoßen oder Erbrechen, so gebe man gleich Opium mit Aconitum im Wechsel. Sobald bei dem Erbrechen kalte Schweiße und Kälte der Gliedmaßen eintreten, dann verabfolgen wir ungesäumt Veratrum.

Mitunter werden warme Umschläge von gekochtem Leinsamen oder Leinsamenmehl, zwischen Leinentüchern auf den Unterleib gebracht, gut vertragen; doch müssen diese oft erneuert werden, damit sie nicht erkalten. Nicht selten sind auch Klistiere von lauwarmem Hafergrützschleim mit 1 Eßlöffel voll Provenceröl empfehlenswert, sowie auch eine Tasse schwarzen Bohnenkaffees; in manchen Fällen tut solcher Kaffee vorzügliche Dienste, ruft Aufstoßen hervor und bewirkt das Zurücktreten des Bruches. Doch lege man sich zuvor mit etwas erhöhter Fußlage ins Bett und versuche ohne Unterlaß, mit der Hand den ausgetretenen Bruch zurückzudrängen. Häufig gelingt es, durch Auflegen eines Sandsackes den Bruch zurückzubringen.

Gelingt die versuchte Taxis, d. h. den ausgetretenen Bruch zurückzubringen, nicht in 10 bis 12 Stunden, so ist eine Operation, die durch einen geschickten Chirurgen ausgeführt werden muß, das ratsamste. Hat die Bruchstelle schon eine üble Farbe angenommen, sind die Begleiterscheinungen schon sehr schlimm, und droht der Brand hinzuzukommen, so versäume man nicht, sofort Lachesis einzugeben, auch in ¼stündlichem Wechsel mit Arsenicum.

Zur Heilung eines Bruchschadens scheint Nux vomica in fast allen Fällen ein unentbehrliches Mittel zu sein. Man verabfolgt davon 3stündlich 1 Gabe; diese Gabe wiederholt man mehrere Tage und wartet dann 8 bis 14 Tage die Nachwirkung ab. Tritt der Bruch wieder hervor, so verabfolge man später Aurum muriaticum natronatum, ebenso mit längerer Beobachtung der Nachwirkung, worauf man wieder Nux vomica geben kann.

Ferner sind zur Heilung der Brüche noch angezeigt: Acidum nitricum, Acidum sulfuricum, Cocculus, Lycopodium, Rhus Toxicodendron, Sulfur, Veratrum. Ist ein Bruch erst seit kurzer Zeit entstanden, durch Heben oder anstrengende Bewegung, so hilft oft Rhus Toxicodendron in öfteren Gaben bei 14tägiger Nachwirkung. Entstand der Bruch nach und nach, durch Stehen: Cocculus. Brüche bei kleinen Kindern, infolge von zu heftigem Schreien, beseitigt Nux vomica oder Acidum nitricum, Aurum, Cocculus, doch ist das Anlegen einer gut passenden Bandage unbedingt erforderlich.


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