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Würmer. Helminthen

Die am häufigsten im menschlichen Körper vorkommenden Würmer sind: Die Spring- oder Madenwürmer (Oxyuris vermicularis), die Spulwürmer (Ascaris lumbricoides) und die Bandwürmer. Die beiden ersten Arten sind unter Kinderkrankheiten abgehandelt.

Die Bandwürmer (Cestoidea) sind mund- und darmlose Plattwürmer ohne Nervensystem und Blutgefäßapparat, die im Dünndarme wohnen und zu einer meist langen, bandförmigen Kolonie (gewöhnlich Bandwurm genannt) vereinigt sind, an dieser die einzelnen Glieder (Geschlechtstiere, Proglottiden) bildend. Das unter dem Namen Kopf oder Scolex bekannte vordere Ende ist die Amme, von der aus neue Tiere (Glieder) erzeugt werden. Je mehr diese Glieder durch das Hinzukommen jüngerer Glieder vom Halse her nach hinten rücken, um so mehr nähern sie sich durch fortschreitende Entwicklung der Geschlechtswerkzeuge ihrer Reife und trennen sich zuletzt ab. Die Eier, mit denen die hintersten Glieder stark angefüllt sind, werden nicht gleich zu Bandwürmern, sondern entwickeln sich außerhalb des menschlichen Körpers zu Finnen. Der sog. bewaffnete Bandwurm (Taenia solium, Einsiedler- oder Kürbisbandwurm) kommt in allen Ländern vor, wo Schweinefleisch gegessen wird. Der Kopf, von der Größe eines Stecknadelkopfes, bildet am vorderen dünnen Ende eine knötchenartige, stumpfviereckige Anschwellung mit vier ziemlich stark vorspringenden Saugnäpfen (je einem in einer Ecke), zwischen denen ein konischer Rüssel (Rostellum) hervorragt, umgeben von einem doppelten Hakenkranze.

Der unbewaffnete Bandwurm (Taenia mediocanellata) ist länger als der vorher beschriebene und hat breitere und dickere Glieder, sein Kopf ist ohne Hakenkranz und Rüssel, aber mit vier äußerst kräftigen Saugnäpfen versehen. Die Finne des Bandwurms bewohnt die Muskeln und inneren Organe des Rindes; er findet sich häufiger als der vorgenannte. – Außer diesen beiden Bandwurmarten kommt noch in der französischen Schweiz, Schweden und Polen der Bothriocephalus latus, der breite Grubenkopf, vor, dessen Finnen Fischer haben.

Eine Sicherheit der Diagnose gewährt allein der Abgang von Bandwurmgliedern.

Die Homöopathie empfiehlt gegen den Bandwurm: Nux vomica, Calcium carbonicum, Sulfur und Phosphorus. Diese Mittel sind zwar nicht so zuverlässig wie die treibenden, jedoch keineswegs wirkungslos. So wurde vor Jahren eine Frau wegen eines chronischen Halsübels mit Phosphorus behandelt; am 4. Tage ging ihr durch den Stuhl ein vollständiger, 20 Fuß langer Bandwurm ab. Die Frau hatte vorher nie gewußt, daß ihr Leib einen so üblen Gast beherberge.

Unter den treibenden Mitteln verdienen Beachtung: Radix filicis maris und Kamalapulver; letzteres ohne alle Vorbereitung des Morgens nüchtern 1½ bis 3 g des Pulvers mit Wasser angerührt, innerhalb ½ Stunde genommen, worauf nicht gegessen wird; etwa 5 Stunden darauf geht der Wurm mit dem Kopfende ab, ohne daß irgendein Unbehagen vorausgegangen ist. Es ist dies ein bedeutend besseres Mittel als das unzuverlässige und kostspielige Kousso und schmeckt nicht widrig; leider ist jetzt dieses Pulver nur noch verfälscht zu erhalten und dann selbstverständlich wirkungslos, auch treibt Kamala nur den schmalen Bandwurm ab, nicht aber den breiten oder unbewaffneten Bandwurm. Ein vorzügliches Bandwurmmittel ist die Granatwurzelrinde. Rademacher empfiehlt in seiner bekannten Erfahrungsheillehre als vortreffliches Mittel das schwarze Kupferoxyd; für Erwachsene 2- bis 3mal täglich 1 cg mit etwas Zucker. Rademacher gibt auch eine Tinctura Cupri acetici. Am zweckmäßigsten läßt sich Kupfer in der Eiweißbindung einnehmen. Das Präparat heißt Cupronat und leistet gute Dienste. Auch Dr. Willmar Schwabes Bandwurmmittel (in 3 Stärkegraden vorrätig) ist zu erwähnen.

In neuerer Zeit hat sich Aspidium Panna sehr gut bewährt. Es wird nur auf ärztliche Verordnung hin abgegeben. Die Gabengröße beträgt je nach Konstitution und Alter des Patienten 1,5 bis 3,00 g, und gewöhnlich genügen 3 Pulver. Dabei bereite sich der Bandwurmleidende durch schmale, wenig substantiöse Kost, besonders durch Milch und Milchspeisen, 3 Tage auf den Gebrauch des Mittels vor. Am besten ist es, wenn ein sonst Gesunder und Kräftiger am 3. Tage möglichst hungert. Am 4. Morgen wird nüchtern das erste Pulver in etwas frische Milch gerührt eingenommen, nach 1 Stunde das zweite, und das dritte nach Verlauf von 1½ Stunden ebenso.

Eine Stunde nach Einnehmen des letzten Pulvers nimmt man 1 Eßlöffel voll (also etwa 15 g)  Ricinusöl, dem man einige Tropfen Zitronensaft zusetzt. Um das Öl dünnflüssiger zu machen, muß man den Löffel vorher erwärmen. Sollte nun im Verlaufe ½ Stunde nach dem Gebrauche des Ricinusöls der Bandwurm nicht abgehen, dann säume man nicht; man nehme 2 bis 3 g Kamala und trinke etwas Wasser nach. Der Erfolg ist dann meist günstig.

Man reiße, wenn der Bandwurm abgeht, aus dem After heraushängende Stücke nicht ab, sondern suche sie durch anhaltende Bauchpresse herauszudrücken. Auch kann man ein heraushängendes Stück um ein viereckiges Hölzchen rollen, um das Zurückgehen des Wurmes zu verhüten. Ist der Bandwurmkopf nicht unter den entleerten Stücken, so kann man annehmen, daß er sich im Dickdarme wieder festgesogen hat. In diesem Falle gelingt es jedoch mitunter noch, ihn durch 2 bis 3 hintereinander verabreichte warme Milchklistiere herauszuspülen. Der Kopf ist stecknadelkopfgroß und sitzt an einem fadendünnen Halse. – Wir raten von einer Bandwurmkur bei Kindern unter 7 bis 8 Jahren ganz ab; ebenso dürfen sich Magenleidende einer Bandwurmkur nicht unterziehen.

Zur Beruhigung des Magens kann man, noch ehe der Wurm gänzlich abgegangen ist, etwas erwärmten Rotwein oder schwarzen Kaffee mit Zwieback genießen.

Höchst wichtig ist die durch Küchenmeister festgestellte Tatsache, daß durch den Genuß der Finne im Schweinefleisch der Bandwurm (Taenia solium) beim Menschen erzeugt wird, und daß durch Fressen der Bandwurmglieder die Schweine in einen finnigen Zustand versetzt werden. Diese Finnen führen in einem Organismus ein Jugendleben und bilden sich erst in einem anderen aus.

Noch gefährlicher als die Finne ist die mit bloßen Augen nicht wahrnehmbare Trichine Professor Virchow hat in einem Werkchen »Darstellung der Lehre von den Trichinen, mit Rücksicht auf die dadurch gebotenen Vorsichtsmaßregeln, für Laien und Ärzte« die Entwicklungsgeschichte dieses von Hilton entdeckten und von dem berühmten englischen Zoologen Rich. Owen im Jahre 1835 unter dem Namen »Trichina spiralis« zuerst beschriebenen Eingeweidewurmes wissenschaftlich erörtert. »Die Kardinalsätze der Trichinenlehre« faßt Virchow dahin zusammen: 1. Die mit einer Speise genossenen Trichinen bleiben im Darme und kommen nicht in die Muskeln; 2. sie erzeugen im Darme lebendige Junge, die von hier aus, durch die Darmwände, in die Muskeln weiter wandern; 3. die in die Muskeln eingewanderte Brut wächst darin und umgibt sich dort mit einer Kapselhülse (Cyste), aber sie vermehrt sich nicht weiter. Gegen die bereits in die Muskeln eingedrungenen Trichinen ist bis jetzt noch kein Mittel gefunden worden; um die noch im Darme befindlichen zu entfernen, damit sie dort sich nicht weiter vermehren, empfiehlt der Verfasser Abführungsmittel (?) anzuwenden. Um der Verbreitung der Trichinen vorzubeugen, ist notwendig: 1. größte Reinlichkeit bei der Stallfütterung der Schweine; 2. sorgfältige Fleischbeschau mittelst mikroskopischer Untersuchung, womöglich in öffentlichen Schlachthäusern; 3. sorgfältige Zubereitung des Schweinefleisches, welches niemals roh genossen werden darf. Die Erfahrungen in diesen Beziehungen faßt Virchow in drei Sätze zusammen: 1. Die Trichinen werden getötet durch längeres Einsalzen (Pökeln) und durch 24stündige heiße Räucherung; 2. sie werden nicht getötet durch eine selbst 3tägige kalte Räucherung; 3. eine längere Aufbewahrung kaltgeräucherter Wurst scheint das Leben der Trichinen zu zerstören. Wellfleisch, das in großen Stücken gekocht wird, erlangt selbst nach 1 Stunde noch nicht in seinem Innern eine die Trichinen zerstörende Temperatur, etwa 60 °R, Würste beim Aufsieden etwa 50°, Koteletts und Schweinebraten, der innen noch blutig, ebensoviel, d. h. eine Temperatur, die notdürftig an die heranreicht, bei der die Trichinen sterben., die durch den Genuß trichinenkranken Fleisches (besonders von Schweinen) in den Darmkanal gebracht wird, und deren zahlreiche Brut weiter in andere Körperteile dringt, was typhusähnliche Zustände, wassersüchtige Anschwellungen der betreffenden Körperteile und sehr leicht den Tod bewirken kann. Ferner ist der Echinokokkus oder Hülsenwurm zu erwähnen, dessen zahlreiche Köpfe an der Wand besonderer Keimkapseln ihren Ursprung nehmen, außerordentlich zahlreich auf der Innenseite des Blasenkörpers aufsitzen und sich sehr rasch vermehren. Jeder Kopf bildet neue Blasen, die sich aneinanderlegen und oft die Größe eines Kinderkopfes erreichen. Diese Tiere sollen nach einigen Forschern nichts anderes sein, als auf der Wanderung begriffene, aus dem Darmkanal verirrte und nicht zum Bandwurm ausgebildete Bandwurmlarven, die sich dann mit einer Blase umhüllen. Doch wird weder die Finne vom Schweine noch die vom Rinde zum Blasenwurm, sondern allein die Bandwurmlarve vom Hunde. Beim Hunde finden wir diesen Wurm oft, der sich bei ihm, aber nicht beim Menschen, in einen Bandwurm verwandelt. Die häufig echinokokkenkranken Hasen verpflanzen diese Krankheit auf den Hund, bei dem sich diese Kokken in Bandwürmer ausbilden. Daher als Hauptträger des Hülsenwurmes der Jagdhund anzusehen ist. In Island kommt der Wurm deshalb häufig vor, weil der Seehund auch an vielen Würmern leidet. Die Katze bekommt ihre Bandwürmer von der Maus, der Fischadler von den Fischen. Der Mensch kann die Krankheit leicht auch von Hunden bekommen, wenn er diese Tiere mit ins Bett nimmt oder sich von ihnen belecken oder anschnüffeln läßt. Auch gehen ihnen oft reife und fortpflanzungsfähige Wurmglieder ab. Die Krankheit kann zu jahrelangem Siechtum führen, auch wird sie häufig verkannt, und mancher Leberkranke geht jahrelang nach Karlsbad, ohne zu wissen, daß in seiner Leber ein Echinokokkus nistet. Man esse daher stets gut gekochtes oder durchgebratenes Fleisch, was besonders beim Schweinefleisch beachtet werden muß, und hüte sich vor zu naher Berührung mit Hunden u. dgl. Tieren. Der Jäger gebe aber seinem Hunde nicht die Eingeweide der Hasen und füttere nicht anderes Hausvieh mit verdächtigem rohen Fleisch, denn diese Tiere verschleppen, wenn sie Würmer haben, diese leicht, indem sie Futter anderer Haustiere, z. B. der Schafe, besudeln, die dann Bandwurmblut enthaltendes Fleisch beim Schlachten liefern.


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