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Die Entzündung des Hüftgelenkes, das sog. » freiwillige Hinken«, ist eine eigentlich mehr in das chirurgische Gebiet einschlagende Krankheit; doch wollen wir diese deshalb nicht unerwähnt lassen, weil sich das homöopathische Heilverfahren dabei sehr gut bewährt hat, besonders im Anfange, wo es darauf ankommt, den Entzündungsprozeß zu bekämpfen und den Eintritt der Abszeßbildung und Knochenzerstörung zu verhüten.
Man trifft die Krankheit gewöhnlich bei Kindern von 7 bis 16 Jahren an; aber kein Alter und Geschlecht ist davon frei. Sie tritt entweder akut oder chronisch, oft auf tuberkulöser Grundlage auf und nimmt ihren Ausgang am häufigsten von dem in der Pfanne liegenden Gelenkfortsatze des Oberschenkelbeines als eigentliche Knochenentzündung. Die akute Coxalgie beginnt gewöhnlich mit einem heftigen Frostanfalle, dem hohes Fieber und heftige Schmerzen, deren Sitz der Kranke nicht bestimmt anzugeben weiß, folgen und die Bewegung des Schenkels verhindern. Meist kommt es zu langwierigen fistulösen Eiterungen und teilweiser oder gänzlicher Zerstörung des Gelenkes. Langwierige Eiterungen mit Caries führen zu hektischen Fiebern und zum Tode.
Bei der chronischen Form sind die Schmerzen im Hüftgelenke nicht bedeutend, oft den rheumatischen ähnlich, doch ist Steifigkeit im Gelenk vorhanden und erschwerte Bewegung daselbst. Oft werden die Schmerzen nur im Kniegelenk empfunden, was leicht zu einer falschen Diagnose führen kann. Sobald sich die Schmerzen steigern, vermag der Patient nicht mehr aufzutreten, das kranke Bein wird verlängert, da der Entzündungsprozeß den Schenkelkopf (Trochanter) aus der Pfanne drängt und seine Lage verändert. Mit dem Vorwärtsschreiten des Entzündungsprozesses werden das Fieber und der Schmerz bedeutender; es tritt Eiterung ein, die meistens durch Caries und Hektik zum Tode führt. Oder es verwächst, im Falle der Heilung, der Schenkelkopf mit der Pfanne. Sobald der Schenkelkopf durch spontane Luxation aus der Pfanne schlüpft, dann wird das Bein kürzer; es erfolgt mehr oder minder große Unbeweglichkeit des Schenkels. Die Dauer der Krankheit erstreckt sich stets auf mehrere Jahre; die Prognose ist immer zweifelhaft.
Aconitum: Gleich zu Anfang, bei heftigem Fieber, hoher Körpertemperatur und dumpfen, durchschießenden Schmerzen im Hüftgelenk. Der Patient muß während der ganzen Krankheit ruhig im Bette verweilen, das kranke Bein darf unter keiner Bedingung bewegt werden, da sonst ein Vorwärtsschreiten des Entzündungsprozesses mit allen seinen Folgen unvermeidlich ist und wir für diese keine Verantwortung übernehmen können.
Belladonna: Bei denselben Symptomen wie Aconitum, besonders wenn neben den Fiebererscheinungen entzündliche Geschwulst und heftiger Schmerz im Hüftgelenk vorhanden sind. Kalte Umschläge auf die ergriffenen Teile unterstützen die Kur bedeutend.
Colocynthis: Ein ganz vorzügliches Mittel bei außerordentlichen Schmerzen im Hüftgelenk, das wie von einem eisernen Reifen umschlossen zu sein scheint; bei großer allgemeiner Reizbarkeit und Verschlimmerung der sich oft bis zum Knie und der Ferse erstreckenden Schmerzen, nachts oder bei der geringsten Bewegung oder Berührung. Außerdem verdienen noch Ledum, Rhus Toxicodendron und Arnica oder Bryonia, nach den veranlassenden Ursachen, Berücksichtigung.
Sulfur und Acidum nitricum: Beide Mittel gleich im Beginn der Kur, wechselweise, ununterbrochen verabfolgt, haben sich bei Hüftgelenkentzündung, die meist stets auf skrofulöser oder tuberkulöser Veranlagung beruht, äußerst hilfreich erwiesen. Doch ist streng auf absolute Ruhe des Beines zu achten.
Im zweiten Stadium, in dem das kranke Bein verlängert ist und sich gewöhnlich schon ein Exsudat im Hüftgelenke gebildet hat, verabfolgen wir Mercurius solubilis oder Jodum; denn es handelt sich hier darum, das Exsudat so schnell als möglich zur Aufsaugung zu bringen und seinen schädlichen Einfluß auf Knorpel und Knochen zu verhindern. Vermögen wir dies nicht, zeigt sich Neigung zur Eiter- und Abszeßbildung, dann geben wir Hepar sulfuris und lassen, sobald sich deutliche Fluktuation zeigt, den Abszeß schleunigst öffnen und verabfolgen dann Calcium carbonicum oder Silicea, um das Vorwärtsschreiten des Prozesses und die Zerstörung der Knochen zu verhindern. Bei bedeutender Eiterabsonderung mit drohendem Zehrfieber geben wir Arsenicum, bei großer Schwäche China.
Zusatz: Besondere Erwähnung verdient hier die Psoas- oder Lendenmuskelentzündung (Psoitis), die sehr leicht mit Rheumatismus oder Hüftweh verwechselt wird und bei ihrer Nichtbeachtung sehr gefährliche Folgen haben kann. Sie ist daran zu erkennen, daß sie die Bewegung des Oberschenkels, das Überschlagen über das gesunde Bein, das Auswärtsdehnen hindert und daher zwingt, mit dem kranken Fuße gekrümmt, nach oben angezogen, zu liegen. Die Krankheit ist äußerst schmerzhaft und geht meist in Eiterung über. Ursachen sind Erkältung, Krankheiten der Lendenwirbel, des Hüftbeins, innere Beckenentzündung. Ist diese gefahrvolle Krankheit schon sehr vorgeschritten, so ist an eine Heilung nicht mehr zu denken.
Sobald spannende, oft sehr heftige, nach oben und unten hin ausstrahlende Schmerzen im Lendenmuskel, das Auftreten verhindernd, empfunden werden und bei praller entzündlicher Geschwulst dortselbst, verabfolge man Echinacea Θ, in ein- bis zweistündlichem Wechsel mit Hydrastis canadensis. Erstere besonders, wenn der Krankheit Influenza voranging. – Bei Übergang in Eiterung tritt meist Schüttelfrost ein. Bricht der Abszeß in der Lendengegend, nach der Bauchhöhle durch, dann erfolgt der Tod. Oft senkt sich der Abszeß und bricht an der Innenseite des Schenkels, unterhalb der Leiste, durch. Es erfolgt massenhafte Eiterentleerung, die den Kranken ungemein schwächt. Wird der Abszeß rechtzeitig erkannt und eröffnet, dann erspart man dem Kranken viele Schmerzen und verhindert den drohenden Kräfteverfall. – Man verabfolge Mercurius und Hepar sulfuris im Wechsel, und wenn die Eiterung zu lange anhält: Mercurius und Hydrastis im Wechsel. Bei großer, meist abends eintretender Unruhe der Beine mit Spannen im Kniegelenk gebe man noch abends eine Gabe Rhus Toxicodendron. Bei Marasmus: Arsenicum, China oder Arsenum jodatum.
Da der kranke Teil unter keinen Umständen gedrückt werden darf und die Kranken oft viele Monate in der Rückenlage verweilen müssen, lege man ihnen ein Luftkissen unter, um das Durchliegen zu verhüten. Das Luftkissen darf nur äußerst wenig aufgeblasen werden, damit es ganz flach bleibt und in gleicher Ebene mit den Unterbetten ist, sonst vermag der Kranke nicht bequem darauf zu liegen. Die Sache muß genau abgepaßt werden, wenn man dem Patienten ein gutes Lager verschaffen will.